"Noch professioneller werden - ohne familiären Charakter zu verlieren"

DFB.de: Wie verhindern Sie, dass die Kinder und Jugendlichen durch die Doppelbelastung aus Schule und Fußball überfordert werden?

Preußer: Ein U 15-Spieler kann in einer Woche bis zu acht Trainingseinheiten in einer Woche haben. Deshalb nehmen wir diese Problematik sehr ernst. Der intensive Austausch mit der Schule gibt uns die Möglichkeit, sehr genau auf die Belastungssteuerung der Spieler zu achten. Wenn am Vormittag beispielsweise eine Stabilisationseinheit auf dem Programm steht, wird es am Nachmittag keine Kraftelemente im U 15-Training geben - das ist ausgeschlossen. Bei Auswahlspielern werden teilweise auch Einheiten gestrichen, um die Spieler nicht zu überlasten. Stattdessen können sich die Talente in dieser Zeit um ihre Defizite im schulischen Bereich kümmern.

DFB.de: RW Erfurt wird eine besondere Fürsorge für die Nachwuchsspieler nachgesagt. Ist das Ihr Trumpf im Werben um die größten Talente?

Preußer: Absolut. Wir sind ein kleiner Verein mit wenig Personal. Aber gerade durch die Doppelfunktionen ist eine gewisse Nähe zu den Spielern und den Verantwortlichen da. Ich würde RW Erfurt also schon als einen familiären Verein bezeichnen. Doch unser Ziel ist es, weitere Mitarbeiter einzustellen, um noch professioneller zu werden - ohne diesen familiären Charakter zu verlieren.

DFB.de: Stellen Sie in Erfurt auch Standortnachteile fest?

Preußer: In der Infrastruktur haben wir ganz klar noch Nachholbedarf. Deshalb sehnen wir uns alle nach dem Beginn des Stadionumbaus im Oktober. Dann werden wir mit einem beheizbaren Kunstrasen und einem neuen Rasenplatz deutlich verbesserte Trainingsbedingungen vorfinden. Gerade in diesem Bereich haben wir momentan noch Probleme.

DFB.de: Wie wichtig ist eine strategische Nachwuchsförderung gerade als Drittligist?

Preußer: Extrem wichtig. Die Möglichkeit für Spieler aus der U 19, den Sprung aus der A-Junioren-Bundesliga in die 3. Liga zu schaffen ist deutlich größer als in die 2. oder sogar 1. Bundesliga. Die Qualität der U-Spieler insbesondere mit der Verbindung zur Schule ist für uns ein hohes Gut. Deshalb haben wir dieses Bekenntnis zur Nachwuchsarbeit auch fest im Leitbild des Vereins verankert. Durch diesen Fokus des gesamten Klubs auf die Nachwuchsförderung macht mir die Arbeit hier auch sehr viel Spaß.



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"Mission 2016" – so lautet das große Ziel bei Rot-Weiß Erfurt. Pünktlich zum 50-jährigen Vereinsjubiläum soll der Aufstieg in die 2. Bundesliga gelingen. Der Fokus liegt dabei auf dem eigenen Nachwuchs. Viele Spieler des aktuellen Profikaders bildete der Klub aus Thüringen im eigenen Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) aus.

Auf diese Durchlässigkeit ist Christian Preußer, der Leiter des NLZ in Erfurt besonders stolz. Der 30-Jährige trainierte über viele Jahre die U 19-Junioren und übernahm im Herbst 2012 sogar als Interimscoach die Profis. Im Interview mit Mitarbeiter Tim Noller spricht der Fußballlehrer und aktuelle Co-Trainer der ersten Mannschaft über eine wichtige Entscheidung, die Fürsorgepflicht für die Talente und die enge Kooperation mit der Eliteschule des Fußballs.

DFB.de: Herr Preußer, im September 2012 lehnten Sie die Beförderung zum Cheftrainer bei RW Erfurt ab. Damals sagten Sie, dass "noch viele unerledigte Aufgaben" auf Sie warten würden. Meinten Sie unter anderem das Projekt Eliteschule?

Christian Preußer: Unter anderem, ja. Es gab aber mehrere Gründe. Ich war damals erst 28 Jahre alt und hatte noch nicht die erforderliche Fußball-Lehrer-Lizenz. Darüber hinaus waren viele Prozesse im Nachwuchsleistungszentrum im Aufbau und noch nicht abgeschlossen. Ein zentraler Aspekt hierbei war auch der Antrag zur Eliteschule.

DFB.de: Am Dienstag erhält das Pierre-de-Coubertin-Gymnasium vom DFB das Zertifikat "Eliteschule des Fußballs". Was bedeutet diese Auszeichnung für die Nachwuchsförderung im Raum Erfurt?

Preußer: Der Verein setzte im Jahre 2010 ein deutliches Signal: Er stellte viele junge Trainer ein - auch ich bin neu dazu gekommen. Das Präsidium und das Management gaben das Ziel aus, die Nachwuchsförderung zu verstärken. Ein entscheidender Aspekt war auch die Kooperation mit dem Sportgymnasium, die ja durch die DDR-Vergangenheit als Kinder- und Jugendsportschule schon sehr lange existiert. Die Antragstellung zur Eliteschule des Fußballs und die Zertifizierung zum Nachwuchsleistungszentrum stellen die Weichen für eine nachhaltige Nachwuchsarbeit.

DFB.de: Sie arbeiten also schon seit Ihrem ersten Tag bei RW Erfurt intensiv mit der Schule zusammen?

Preußer: Schon als Co-Trainer der U 19 hatte ich einen engen Kontakt zum Sportgymnasium. Mit dem Beginn meiner hauptamtlichen Tätigkeit als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums hat sich dieser Kontakt noch einmal deutlich intensiviert.

DFB.de: Wie kann man sich eine Kooperation zwischen einem Profiklub und einer Schule vorstellen?

Preußer: Wir haben die Luxussituation, dass unsere Geschäftsstelle nur eine Minute von der Schule entfernt ist. Der Austausch lebt von einem sehr engen Kontakt zu den Koordinatoren. Sowohl für die Realschule als auch das Gymnasium gibt es verschiedene Ansprechpartner für uns. Natürlich sprechen wir häufig mit den Lehrern, sodass wir über die schulische Situation der Spieler tagtäglich Bescheid wissen. Auch zwischen den Internatserziehern, Pädagogen und unseren Trainern findet ein regelmäßiger Austausch statt. Da wir ein kleiner Verein sind, arbeiten wir auch viel mit Doppelfunktionen. Unser U 15-Trainer ist beispielsweise auch Lehrer am Sportgymnasium.

DFB.de: Sie haben als Verein also auch Einfluss auf die Inhalte des Sportunterrichts?

Preußer: Das ist richtig. Zum einen durch diese Doppelfunktionen. Aber natürlich haben wir auch Konzepte für den Sportunterricht entwickelt, was Teil der Auflagen für die Zertifizierung war. Wir benennen und bestimmen die Inhalte der Vormittagstrainingseinheiten blockweise. Wie ein Mannschaftstraining darf man sich die Einheiten in der Schule jedoch nicht vorstellen. Vielmehr ist es ein sehr individualisierter, abgestimmter Plan, bei dem wir die Trainingssteuerung in Abstimmung mit den Koordinatoren der Schule gestalten.

DFB.de: Ist die Entfernung der Schule zum Trainingsgelände ein Problem für die Kooperation?

Preußer: Wir haben hier in Erfurt zwei Komplexe. Das Sportzentrum mit dem Stadion ist direkt am Sportgymnasium. Da die Vormittagseinheiten im Stadion stattfinden, gibt es also keine negativen Auswirkungen auf die Kooperation. Das reguläre Training am Nachmittag findet dann im anderen Komplex statt, der etwas außerhalb Erfurts liegt.

DFB.de: In welchen Bereichen sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Preußer: Unser Wunsch wäre ein Ansprechpartner vom Verein für die Schule, als eine Art Karriere- oder Schulplaner. Möglicherweise finden wir hierfür schon eine kurzfristige Lösung, was aus meiner Sicht sehr sinnvoll wäre. Denn momentan koordinieren das die Trainer und ich. Ein fester Koordinator wäre da die bessere Alternative.

DFB.de: Wie verhindern Sie, dass die Kinder und Jugendlichen durch die Doppelbelastung aus Schule und Fußball überfordert werden?

Preußer: Ein U 15-Spieler kann in einer Woche bis zu acht Trainingseinheiten in einer Woche haben. Deshalb nehmen wir diese Problematik sehr ernst. Der intensive Austausch mit der Schule gibt uns die Möglichkeit, sehr genau auf die Belastungssteuerung der Spieler zu achten. Wenn am Vormittag beispielsweise eine Stabilisationseinheit auf dem Programm steht, wird es am Nachmittag keine Kraftelemente im U 15-Training geben - das ist ausgeschlossen. Bei Auswahlspielern werden teilweise auch Einheiten gestrichen, um die Spieler nicht zu überlasten. Stattdessen können sich die Talente in dieser Zeit um ihre Defizite im schulischen Bereich kümmern.

DFB.de: RW Erfurt wird eine besondere Fürsorge für die Nachwuchsspieler nachgesagt. Ist das Ihr Trumpf im Werben um die größten Talente?

Preußer: Absolut. Wir sind ein kleiner Verein mit wenig Personal. Aber gerade durch die Doppelfunktionen ist eine gewisse Nähe zu den Spielern und den Verantwortlichen da. Ich würde RW Erfurt also schon als einen familiären Verein bezeichnen. Doch unser Ziel ist es, weitere Mitarbeiter einzustellen, um noch professioneller zu werden - ohne diesen familiären Charakter zu verlieren.

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DFB.de: Stellen Sie in Erfurt auch Standortnachteile fest?

Preußer: In der Infrastruktur haben wir ganz klar noch Nachholbedarf. Deshalb sehnen wir uns alle nach dem Beginn des Stadionumbaus im Oktober. Dann werden wir mit einem beheizbaren Kunstrasen und einem neuen Rasenplatz deutlich verbesserte Trainingsbedingungen vorfinden. Gerade in diesem Bereich haben wir momentan noch Probleme.

DFB.de: Wie wichtig ist eine strategische Nachwuchsförderung gerade als Drittligist?

Preußer: Extrem wichtig. Die Möglichkeit für Spieler aus der U 19, den Sprung aus der A-Junioren-Bundesliga in die 3. Liga zu schaffen ist deutlich größer als in die 2. oder sogar 1. Bundesliga. Die Qualität der U-Spieler insbesondere mit der Verbindung zur Schule ist für uns ein hohes Gut. Deshalb haben wir dieses Bekenntnis zur Nachwuchsarbeit auch fest im Leitbild des Vereins verankert. Durch diesen Fokus des gesamten Klubs auf die Nachwuchsförderung macht mir die Arbeit hier auch sehr viel Spaß.

DFB.de: Auch durch die nachhaltige Kooperation mit dem Sportgymnasium - können Sie sich vorstellen mit RW Erfurt bald wieder zweit- oder sogar erstklassig zu spielen?

Preußer: Wir möchten natürlich nicht immer Drittligist bleiben, sondern haben Ambitionen in den nächsten zwei Jahren in die 2. Bundesliga aufzusteigen. Wir nennen dieses Ziel "Mission 2016", da RW Erfurt in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert. Bis dahin soll der Aufstieg perfekt gemacht werden.