Niersbach: "Mannschaft hat eine glänzende Perspektive"

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Die WM 2014 in Brasilien steht bevor. Für Wolfgang Niersbach ist es die erste Weltmeisterschaft in seinem Amt als DFB-Präsident. In verschiedenen anderen Funktionen für den Deutschen Fußball-Bund sowie zuvor als Sportjournalist hat der 63-Jährige jedoch schon reichlich Erfahrungen bei den globalen Titelkämpfen gesammelt.

Daher reagiert Niersbach auch gelassen auf die vermeintliche Verletzten-Misere in der deutschen Nationalmannschaft. "1986 vor der WM in Mexiko waren Rudi Völler, Pierre Littbarski und Karl-Heinz Rummenigge verletzt. Der einzige gesunde Stürmer war Klaus Allofs", erzählt der DFB-Präsident. Im Interview auf DFB.de richtet Niersbach seinen Blick aber auch auf das Turnier, die Zeit danach und soziale Projekte vor Ort.

Frage: Beim letzten Härtetest gegen Kamerun gab es vereinzelte Pfiffe für die deutsche Nationalmannschaft. Wie bewerten Sie die Reaktionen der Fans kurz vor der Abreise zur WM nach Brasilien?

Wolfgang Niersbach: Ich habe die Stimmung in Mönchengladbach insgesamt als positiv empfunden - und weiß, dass es in der Vorbereitung auf ein großes Turnier nur selten Länderspiele mit besonderem Spektakel gegeben hat.

Frage: Das erste Gruppenspiel der deutschen Mannschaft am 16. Juni gegen Portugal ist zugleich das 100. WM-Spiel der DFB-Auswahl. Was erwarten Sie von diesem Jubiläum?

Niersbach: Dieses Jubiläum ist ein schöner Anreiz mehr, erfolgreich aus den Startlöchern zu kommen. 1990 war das 4:1 gegen den Mitfavoriten Jugoslawien wie eine Explosion. Dieses Spiel hat uns durch das ganze Turnier getragen, am Ende stand dann der dritte WM-Titel. 1982 in Spanien war es umgekehrt. Damals war ich noch Journalist und habe ein nie erwartetes 1:2 gegen Algerien miterlebt. Folge war eine Verkrampfung, die sich nie richtig auflöste, obwohl am Ende sogar der Einzug ins Finale gelang. Gegen Portugal haben wir die letzten drei Turnierspiele gewonnen, was hoffentlich ein gutes Omen für den 16. Juni ist. Portugal ist nach meiner Einschätzung unser schwerster Gruppengegner.

Frage: Bekommen Sie angesichts der vielen angeschlagenen Spieler Bauchschmerzen?

Niersbach: Nein, weil noch Zeit genug ist, die Verletzungen auszukurieren. Ähnliche Situationen hat es oft gegeben. 1986 vor der WM in Mexiko waren Rudi Völler, Pierre Littbarski und Karl-Heinz Rummenigge verletzt. Der einzige gesunde Stürmer war Klaus Allofs. Im Laufe des Turniers wurden dann alle gesund. Hätte die WM eine Woche länger gedauert, hätten wir das Finale gegen Argentinien womöglich sogar deutlich gewonnen. Aber es kann auch umgekehrt laufen. Rudi Völler hat sich bei der EM 1992 im ersten Spiel den Arm gebrochen und war raus.

Frage: Kann es vielleicht sogar positiv sein, dass durch diese Ereignisse und auch die letzten Leistungen gegen Chile oder Kamerun die Euphorie in Deutschland etwas gelitten hat und somit etwas Druck von Löws Mannschaft genommen wurde?

Niersbach: Wir selbst haben mit guten Leistungen dazu beigetragen, dass wir zu den Topfavoriten zählen. Wir waren bei den beiden letzten Welt- und Europameisterschaften immer unter den letzten Vier. Um jetzt noch den letzten ersehnten Schritt zu gehen, muss am Ende alles zusammenkommen: Tagesform, das notwendige Glück, Schiedsrichterentscheidungen und so weiter. 1990 und 1996 haben wir bei den Elfmeterschießen gegen England klar das Glück auf unserer Seite gehabt. Bei gleicher Leistung kann es sich bei einer solchen Fifty-Fifty-Entscheidung auch schnell mal drehen. Unsere Mannschaft besitzt aber unbestritten die Qualität, den Titel zu holen. Absoluter Topfavorit aber ist ohne jeden Zweifel Brasilien.

Frage: Wenn es nicht passen sollte, muss dann Bundestrainer Joachim Löw trotz Vertrages bis 2016 um seinen Posten fürchten?

Niersbach: Wir haben den Vertrag mit Joachim Löw mit der klaren Absicht verlängert, dass er bis 2016 bleibt. Außer Miroslav Klose sehe ich keinen, der nach der WM seine Nationalmannschaftskarriere beendet. Unsere Mannschaft hat nach wie vor eine glänzende Perspektive, gerade auch für die EURO 2016.

Frage: Nach der WM benötigt Joachim Löw einen neuen Co-Trainer, da Hansi Flick das Amt des DFB-Sportdirektors übernimmt. Gibt es schon Tendenzen?

Niersbach: Hier warten wir auf einen konkreten Vorschlag von Joachim Löw, so ist es mit ihm vereinbart. Denn der Co-Trainer ist der wichtigste Mitarbeiter des Bundestrainers und muss deshalb auch absolut loyal und eine Vertrauensperson für seinen Chef sein.

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Frage: Mit welchen Gefühlen reisen Sie Brasilien?

Niersbach: Wir können guten Gewissens behaupten, dass wir uns für die WM sehr gut aufgestellt und sehr gut vorbereitet haben. Und ich vertraue der Einschätzung von Joachim Löw und Oliver Bierhoff, die mir berichtet haben, dass die Trainingsabläufe in Südtirol optimal waren, die Mannschaft zu einer wirklichen Einheit zusammengewachsen ist.

Frage: Was ist neben dem sportlichen Erfolg aus Sicht des DFB in Brasilien wichtig?

Niersbach: Wir möchten uns auch außerhalb des Spielfeldes gut präsentieren. Dazu gehört unser Engagement für viele soziale Projekte vor Ort, unter anderem die Unterstützung eines SOS-Kinderdorfes. Mehrere ausgesuchte Projekte werden uns über die Dauer der WM hinaus begleiten. Leuchtendes Beispiel ist die Mexiko-Hilfe, die 1986 von Egidius Braun initiiert wurde und bis heute mit großem Einsatz für die Menschen da ist.

Frage: Wenn man die tagtäglichen Meldungen aus Brasilien verfolgt, kann man kaum glauben, dass sich die Bevölkerung am Zuckerhut auf die WM im eigenen Land freut...

Niersbach: Ich glaube schon, dass die Vorfreude groß ist. Ich habe mich vor kurzem mit der brasilianischen Botschafterin getroffen. Sie sagt, dass laut einer neuesten Umfrage 82 Prozent der Bevölkerung die WM positiv bewerten. Natürlich werden wir aufmerksam verfolgen, ob es wie beim Confederations-Cup zu Protesten und Demonstrationen kommt.

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Die WM 2014 in Brasilien steht bevor. Für Wolfgang Niersbach ist es die erste Weltmeisterschaft in seinem Amt als DFB-Präsident. In verschiedenen anderen Funktionen für den Deutschen Fußball-Bund sowie zuvor als Sportjournalist hat der 63-Jährige jedoch schon reichlich Erfahrungen bei den globalen Titelkämpfen gesammelt.

Daher reagiert Niersbach auch gelassen auf die vermeintliche Verletzten-Misere in der deutschen Nationalmannschaft. "1986 vor der WM in Mexiko waren Rudi Völler, Pierre Littbarski und Karl-Heinz Rummenigge verletzt. Der einzige gesunde Stürmer war Klaus Allofs", erzählt der DFB-Präsident. Im Interview auf DFB.de richtet Niersbach seinen Blick aber auch auf das Turnier, die Zeit danach und soziale Projekte vor Ort.

Frage: Beim letzten Härtetest gegen Kamerun gab es vereinzelte Pfiffe für die deutsche Nationalmannschaft. Wie bewerten Sie die Reaktionen der Fans kurz vor der Abreise zur WM nach Brasilien?

Wolfgang Niersbach: Ich habe die Stimmung in Mönchengladbach insgesamt als positiv empfunden - und weiß, dass es in der Vorbereitung auf ein großes Turnier nur selten Länderspiele mit besonderem Spektakel gegeben hat.

Frage: Das erste Gruppenspiel der deutschen Mannschaft am 16. Juni gegen Portugal ist zugleich das 100. WM-Spiel der DFB-Auswahl. Was erwarten Sie von diesem Jubiläum?

Niersbach: Dieses Jubiläum ist ein schöner Anreiz mehr, erfolgreich aus den Startlöchern zu kommen. 1990 war das 4:1 gegen den Mitfavoriten Jugoslawien wie eine Explosion. Dieses Spiel hat uns durch das ganze Turnier getragen, am Ende stand dann der dritte WM-Titel. 1982 in Spanien war es umgekehrt. Damals war ich noch Journalist und habe ein nie erwartetes 1:2 gegen Algerien miterlebt. Folge war eine Verkrampfung, die sich nie richtig auflöste, obwohl am Ende sogar der Einzug ins Finale gelang. Gegen Portugal haben wir die letzten drei Turnierspiele gewonnen, was hoffentlich ein gutes Omen für den 16. Juni ist. Portugal ist nach meiner Einschätzung unser schwerster Gruppengegner.

Frage: Bekommen Sie angesichts der vielen angeschlagenen Spieler Bauchschmerzen?

Niersbach: Nein, weil noch Zeit genug ist, die Verletzungen auszukurieren. Ähnliche Situationen hat es oft gegeben. 1986 vor der WM in Mexiko waren Rudi Völler, Pierre Littbarski und Karl-Heinz Rummenigge verletzt. Der einzige gesunde Stürmer war Klaus Allofs. Im Laufe des Turniers wurden dann alle gesund. Hätte die WM eine Woche länger gedauert, hätten wir das Finale gegen Argentinien womöglich sogar deutlich gewonnen. Aber es kann auch umgekehrt laufen. Rudi Völler hat sich bei der EM 1992 im ersten Spiel den Arm gebrochen und war raus.

Frage: Kann es vielleicht sogar positiv sein, dass durch diese Ereignisse und auch die letzten Leistungen gegen Chile oder Kamerun die Euphorie in Deutschland etwas gelitten hat und somit etwas Druck von Löws Mannschaft genommen wurde?

Niersbach: Wir selbst haben mit guten Leistungen dazu beigetragen, dass wir zu den Topfavoriten zählen. Wir waren bei den beiden letzten Welt- und Europameisterschaften immer unter den letzten Vier. Um jetzt noch den letzten ersehnten Schritt zu gehen, muss am Ende alles zusammenkommen: Tagesform, das notwendige Glück, Schiedsrichterentscheidungen und so weiter. 1990 und 1996 haben wir bei den Elfmeterschießen gegen England klar das Glück auf unserer Seite gehabt. Bei gleicher Leistung kann es sich bei einer solchen Fifty-Fifty-Entscheidung auch schnell mal drehen. Unsere Mannschaft besitzt aber unbestritten die Qualität, den Titel zu holen. Absoluter Topfavorit aber ist ohne jeden Zweifel Brasilien.

Frage: Wenn es nicht passen sollte, muss dann Bundestrainer Joachim Löw trotz Vertrages bis 2016 um seinen Posten fürchten?

Niersbach: Wir haben den Vertrag mit Joachim Löw mit der klaren Absicht verlängert, dass er bis 2016 bleibt. Außer Miroslav Klose sehe ich keinen, der nach der WM seine Nationalmannschaftskarriere beendet. Unsere Mannschaft hat nach wie vor eine glänzende Perspektive, gerade auch für die EURO 2016.

Frage: Nach der WM benötigt Joachim Löw einen neuen Co-Trainer, da Hansi Flick das Amt des DFB-Sportdirektors übernimmt. Gibt es schon Tendenzen?

Niersbach: Hier warten wir auf einen konkreten Vorschlag von Joachim Löw, so ist es mit ihm vereinbart. Denn der Co-Trainer ist der wichtigste Mitarbeiter des Bundestrainers und muss deshalb auch absolut loyal und eine Vertrauensperson für seinen Chef sein.

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Frage: Mit welchen Gefühlen reisen Sie Brasilien?

Niersbach: Wir können guten Gewissens behaupten, dass wir uns für die WM sehr gut aufgestellt und sehr gut vorbereitet haben. Und ich vertraue der Einschätzung von Joachim Löw und Oliver Bierhoff, die mir berichtet haben, dass die Trainingsabläufe in Südtirol optimal waren, die Mannschaft zu einer wirklichen Einheit zusammengewachsen ist.

Frage: Was ist neben dem sportlichen Erfolg aus Sicht des DFB in Brasilien wichtig?

Niersbach: Wir möchten uns auch außerhalb des Spielfeldes gut präsentieren. Dazu gehört unser Engagement für viele soziale Projekte vor Ort, unter anderem die Unterstützung eines SOS-Kinderdorfes. Mehrere ausgesuchte Projekte werden uns über die Dauer der WM hinaus begleiten. Leuchtendes Beispiel ist die Mexiko-Hilfe, die 1986 von Egidius Braun initiiert wurde und bis heute mit großem Einsatz für die Menschen da ist.

Frage: Wenn man die tagtäglichen Meldungen aus Brasilien verfolgt, kann man kaum glauben, dass sich die Bevölkerung am Zuckerhut auf die WM im eigenen Land freut...

Niersbach: Ich glaube schon, dass die Vorfreude groß ist. Ich habe mich vor kurzem mit der brasilianischen Botschafterin getroffen. Sie sagt, dass laut einer neuesten Umfrage 82 Prozent der Bevölkerung die WM positiv bewerten. Natürlich werden wir aufmerksam verfolgen, ob es wie beim Confederations-Cup zu Protesten und Demonstrationen kommt.