Nationaltorhüter der Notare: Aus der B-Liga zur Europameisterschaft

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars. Die heimlichen Helden spielen und engagieren sich an der Basis. Heute: Jan Mohr, Torwart des B-Ligisten FV Viktoria Bruchmühlbach - und der Nationalmannschaft der Notare.

Der FV Viktoria Bruchmühlbach trägt keinen außergewöhnlichen Namen, hat keinen ehemaligen Weltmeister als Trainer, keine stimmgewaltigen Fans und auch keine überbordende Titelsammlung. Der Verein aus der 7500 Einwohner zählenden rheinland-pfälzischen Gemeinde Bruchmühlbach-Miesau in der Nähe von Kaiserslautern spielt in der Kreisliga B, Tabellenmittelfeld, wie viele andere auch. Dennoch ist der pfälzische Klub ein besonderer Verein. Denn nicht viele Teams aus der achten Liga können von sich behaupten, einen aktiven Nationalspieler in ihren Reihen zu haben.

Die erste Mannschaft des FV Viktoria Bruchmühlbach kann es. Der Spieler heißt Jan Mohr, ist von Beruf Notar-Assessor und trägt die Rückennummer eins. Seit zwei Jahren hütet Mohr nicht nur das Tor seines Heimatvereins, sondern auch das der deutschen Nationalmannschaft der Notare. Einmal im Jahr, immer an Christi Himmelfahrt, nimmt das Team an der Europameisterschaft teil - ein "Familientreffen" der besonderen Art.

Bei den Notaren dominieren Italien und Österreich, nicht Spanien

An Christi Himmelfahrt misst sich das Team jährlich im sportlichen Wettstreit mit den europäischen Notarkollegen. An der Europameisterschaft 2013 in Spanien nahmen acht Nationen teil. Neben Deutschland und dem Gastgeber spielten Belgien, Frankreich, Italien, Österreich, Tschechien und Polen um den begehrten Titel - bereits zum 28. Mal.

Während bei den großen Turnieren der A-Nationalmannschaften in den vergangenen Jahren kein Weg an den Spaniern vorbeiführte, hat die EM bei den Notaren so manche Überraschung zu bieten. "In den letzten Jahren waren die Kollegen aus Italien und Österreich meistens das Maß aller Dinge, allerdings mit Unterstützung zweier Halbprofis", verrät Mohr.

Die deutschen Notare holten Europas Krone bislang erst einmal - und zwar in den Anfangsjahren des Wettbewerbs. Seitdem wurden sie fünfmal Zweiter und viermal Dritter. Das sind Erfolge, von denen das Team derzeit nur träumen kann. "In den letzten Jahren hatten wir leider einen kleinen Durchhänger", so Mohr. "Aber das wird schon wieder."

Hymne hören: "Das ist schon sehr erhebend"

Der Ablauf des Wettbewerbs, 1986 aus einem Freundschaftsspiel zwischen dem bayerischen Notariat und den österreichischen Fachkollegen erwachsen, ist immer gleich: Donnerstags Anreise, freitags und samstags wird dann im Modus Jeder gegen Jeden der Turniersieger ermittelt. Sonntags reisen die Teilnehmer wieder ab.

Auch wenn der Wettbewerb den Charakter eines mittelklassigen Alte-Herren-Turniers hat, geht es auf dem Spielfeld durchaus ernst zu. Jeder ist stolz darauf, das Notariat seines Landes zu vertreten, der Ehrgeiz zu gewinnen, ist groß. Auch Jan Mohr ist begeistert, wenn er mit dem Adler auf der Brust einläuft. "Das ist schon sehr erhebend, wenn zu Beginn des Turniers die Hymnen gespielt werden und man sich hinter der deutschen Flagge aufstellt. Ein echter Gänsehautmoment."

Frage nach Fußball schon im Bewerbungsgespräch

Die Familien der Fußballer sind stets mit dabei. Mohr freut sich über die vielen persönlichen Momente abseits des grünen Rasens. "Das Turnier ist mittlerweile eine Art internationale Begegnungsstätte", sagt er. "Wenn man über die Jahre hinweg immer teilnimmt, lernt man sich untereinander sehr gut kennen. Viele Freundschaften sind entstanden, Fußball verbindet eben."

Verantwortung übernimmt Mohr nicht nur als Torhüter auf dem Platz, sondern auch außerhalb. Als Sportlicher Leiter ist er seit kurzem für Aufstellung, Taktik und Motivation des Teams verantwortlich. Wer allerdings vermutet, dass die Auswahl der Nationalspieler nach harten Leistungskriterien erfolgt, der irrt. Mitmachen darf jeder hauptberufliche Notar, ungeachtet seiner Spielstärke, wobei die Mehrheit der Spieler schon aus aktiven und ehemaligen Vereinsspielern besteht.

Rekrutiert werden die Spieler direkt über die Notarkammern, jeder Berufseinsteiger ist eine potenzielle Verstärkung für die Mannschaft. "Ich bin gleich in meinem Bewerbungsgespräch gefragt worden, ob ich Fußball spiele", erzählt Mohr. "Bei dem Gespräch war auch der damalige Sportliche Leiter der Mannschaft mit dabei und hat mich gleich für das Team verpflichtet."

Ein Sportlicher Leiter, ein Teammanager

Wie auf der großen Fußballbühne hängt auch bei den Notaren vieles vom Team hinter dem Team ab. Während Mohr die sportlichen Geschicke leitet, ist sein Amtskollege Thomas Grauel als Teammanager für die administrativen Dinge verantwortlich. Seine aktive Vereinskarriere hat der Notar aus Bayern inzwischen beendet, die Fußballschuhe aber nicht an den Nagel gehängt.

Ab und an schnürt er sie noch für die deutsche Mannschaft - wenn der Sportliche Leiter Jan Mohr ihn aufstellt. Ansonsten zieht Grauel, der "Reiseonkel", wie er sich selbst nennt, die Fäden hinter den Kulissen und organisiert etwa die Reisen zu den Turnieren. Zudem ist er Vorsitzender des "Notarvereins zur Pflege des europäischen Gedankens im Notariat", unter dessen Dach sich die Nationalmannschaft formiert hat.

"Viele können sich nicht vorstellen, dass ein Notar Fußball spielt"

Mit ihrem Hobby und den internationalen Auftritten wollen die kickenden Notare auch etwas für das Image ihres Berufszweiges tun. "In der Bevölkerung haben Notare eher den Ruf, Golfer und Tennisspieler zu sein", sagt Mohr. "Viele können sich nicht vorstellen, dass ein Notar Fußball spielt." Der Pfälzer spielt seit der F-Jugend für den FV Bruchmühlbach und hat nie den Verein gewechselt. "Einmal Viktoria, immer Viktoria", betont er.

Vor und nach der Europameisterschaft spielt Mohr im Alltag der Kreisliga B Kusel-Kaiserlautern Süd um Punkte. Dort heißen die Gegner nicht Spanien, Frankreich oder Italien, sondern SV Kottweiler-Schwanden, TuS Dunzweiler oder SV Mackenbach II. Doch der nächste Gänsehautmoment kommt bestimmt.

[rv]

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars. Die heimlichen Helden spielen und engagieren sich an der Basis. Heute: Jan Mohr, Torwart des B-Ligisten FV Viktoria Bruchmühlbach - und der Nationalmannschaft der Notare.

Der FV Viktoria Bruchmühlbach trägt keinen außergewöhnlichen Namen, hat keinen ehemaligen Weltmeister als Trainer, keine stimmgewaltigen Fans und auch keine überbordende Titelsammlung. Der Verein aus der 7500 Einwohner zählenden rheinland-pfälzischen Gemeinde Bruchmühlbach-Miesau in der Nähe von Kaiserslautern spielt in der Kreisliga B, Tabellenmittelfeld, wie viele andere auch. Dennoch ist der pfälzische Klub ein besonderer Verein. Denn nicht viele Teams aus der achten Liga können von sich behaupten, einen aktiven Nationalspieler in ihren Reihen zu haben.

Die erste Mannschaft des FV Viktoria Bruchmühlbach kann es. Der Spieler heißt Jan Mohr, ist von Beruf Notar-Assessor und trägt die Rückennummer eins. Seit zwei Jahren hütet Mohr nicht nur das Tor seines Heimatvereins, sondern auch das der deutschen Nationalmannschaft der Notare. Einmal im Jahr, immer an Christi Himmelfahrt, nimmt das Team an der Europameisterschaft teil - ein "Familientreffen" der besonderen Art.

Bei den Notaren dominieren Italien und Österreich, nicht Spanien

An Christi Himmelfahrt misst sich das Team jährlich im sportlichen Wettstreit mit den europäischen Notarkollegen. An der Europameisterschaft 2013 in Spanien nahmen acht Nationen teil. Neben Deutschland und dem Gastgeber spielten Belgien, Frankreich, Italien, Österreich, Tschechien und Polen um den begehrten Titel - bereits zum 28. Mal.

Während bei den großen Turnieren der A-Nationalmannschaften in den vergangenen Jahren kein Weg an den Spaniern vorbeiführte, hat die EM bei den Notaren so manche Überraschung zu bieten. "In den letzten Jahren waren die Kollegen aus Italien und Österreich meistens das Maß aller Dinge, allerdings mit Unterstützung zweier Halbprofis", verrät Mohr.

Die deutschen Notare holten Europas Krone bislang erst einmal - und zwar in den Anfangsjahren des Wettbewerbs. Seitdem wurden sie fünfmal Zweiter und viermal Dritter. Das sind Erfolge, von denen das Team derzeit nur träumen kann. "In den letzten Jahren hatten wir leider einen kleinen Durchhänger", so Mohr. "Aber das wird schon wieder."

Hymne hören: "Das ist schon sehr erhebend"

Der Ablauf des Wettbewerbs, 1986 aus einem Freundschaftsspiel zwischen dem bayerischen Notariat und den österreichischen Fachkollegen erwachsen, ist immer gleich: Donnerstags Anreise, freitags und samstags wird dann im Modus Jeder gegen Jeden der Turniersieger ermittelt. Sonntags reisen die Teilnehmer wieder ab.

Auch wenn der Wettbewerb den Charakter eines mittelklassigen Alte-Herren-Turniers hat, geht es auf dem Spielfeld durchaus ernst zu. Jeder ist stolz darauf, das Notariat seines Landes zu vertreten, der Ehrgeiz zu gewinnen, ist groß. Auch Jan Mohr ist begeistert, wenn er mit dem Adler auf der Brust einläuft. "Das ist schon sehr erhebend, wenn zu Beginn des Turniers die Hymnen gespielt werden und man sich hinter der deutschen Flagge aufstellt. Ein echter Gänsehautmoment."

Frage nach Fußball schon im Bewerbungsgespräch

Die Familien der Fußballer sind stets mit dabei. Mohr freut sich über die vielen persönlichen Momente abseits des grünen Rasens. "Das Turnier ist mittlerweile eine Art internationale Begegnungsstätte", sagt er. "Wenn man über die Jahre hinweg immer teilnimmt, lernt man sich untereinander sehr gut kennen. Viele Freundschaften sind entstanden, Fußball verbindet eben."

Verantwortung übernimmt Mohr nicht nur als Torhüter auf dem Platz, sondern auch außerhalb. Als Sportlicher Leiter ist er seit kurzem für Aufstellung, Taktik und Motivation des Teams verantwortlich. Wer allerdings vermutet, dass die Auswahl der Nationalspieler nach harten Leistungskriterien erfolgt, der irrt. Mitmachen darf jeder hauptberufliche Notar, ungeachtet seiner Spielstärke, wobei die Mehrheit der Spieler schon aus aktiven und ehemaligen Vereinsspielern besteht.

Rekrutiert werden die Spieler direkt über die Notarkammern, jeder Berufseinsteiger ist eine potenzielle Verstärkung für die Mannschaft. "Ich bin gleich in meinem Bewerbungsgespräch gefragt worden, ob ich Fußball spiele", erzählt Mohr. "Bei dem Gespräch war auch der damalige Sportliche Leiter der Mannschaft mit dabei und hat mich gleich für das Team verpflichtet."

Ein Sportlicher Leiter, ein Teammanager

Wie auf der großen Fußballbühne hängt auch bei den Notaren vieles vom Team hinter dem Team ab. Während Mohr die sportlichen Geschicke leitet, ist sein Amtskollege Thomas Grauel als Teammanager für die administrativen Dinge verantwortlich. Seine aktive Vereinskarriere hat der Notar aus Bayern inzwischen beendet, die Fußballschuhe aber nicht an den Nagel gehängt.

Ab und an schnürt er sie noch für die deutsche Mannschaft - wenn der Sportliche Leiter Jan Mohr ihn aufstellt. Ansonsten zieht Grauel, der "Reiseonkel", wie er sich selbst nennt, die Fäden hinter den Kulissen und organisiert etwa die Reisen zu den Turnieren. Zudem ist er Vorsitzender des "Notarvereins zur Pflege des europäischen Gedankens im Notariat", unter dessen Dach sich die Nationalmannschaft formiert hat.

"Viele können sich nicht vorstellen, dass ein Notar Fußball spielt"

Mit ihrem Hobby und den internationalen Auftritten wollen die kickenden Notare auch etwas für das Image ihres Berufszweiges tun. "In der Bevölkerung haben Notare eher den Ruf, Golfer und Tennisspieler zu sein", sagt Mohr. "Viele können sich nicht vorstellen, dass ein Notar Fußball spielt." Der Pfälzer spielt seit der F-Jugend für den FV Bruchmühlbach und hat nie den Verein gewechselt. "Einmal Viktoria, immer Viktoria", betont er.

Vor und nach der Europameisterschaft spielt Mohr im Alltag der Kreisliga B Kusel-Kaiserlautern Süd um Punkte. Dort heißen die Gegner nicht Spanien, Frankreich oder Italien, sondern SV Kottweiler-Schwanden, TuS Dunzweiler oder SV Mackenbach II. Doch der nächste Gänsehautmoment kommt bestimmt.