"Nähe schaffen, Verständnis fördern": Abschluss des Pilotprojekts Vereinsdialog

Ingesamt zählt der Verein 420 Mitglieder, 190 davon sind Kinder und Jugendliche. Neben Fußball sind Kegeln, Kickboxen und Frauen-Gymnastik im Angebot. Es gibt eine Läufergruppe, eine Skater-Abteilung wird gerade aufgebaut. Die Fußballer, sie öffnen sich. Nicht nur im Vereinsdialog.

So geht es weiter

Nach Beendigung der Pilotphase in Württemberg, Sachsen-Anhalt und Niederrhein geht es nun in die Auswertung. Der DFB und die Landesverbände analysieren die Ergebnisse des Vereinsdialogs in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sportmanagement und Sportmedizin (ISS) des RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz. Sind die Erkenntnisse positiv, soll der Vereinsdialog fortgesetzt und auf alle 21 Landesverbände ausgeweitet werden. Die Entscheidung darüber trifft der DFB-Bundestag am 24./25. Oktober in Nürnberg.

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[bild1] Die Pilotphase des Vereinsdialogs ist nach drei Monaten beendet. Beteiligt waren die Landesverbände Württemberg, Niederrhein und Sachsen-Anhalt. Der Vereinsdialog soll helfen, den Kontakt zwischen Verband und Vereinen zu intensivieren, gemeinsam Problemstellungen zu diskutieren und Verständnis füreinander zu schaffen. DFB.de war beim letzten Ortstermin in Sachsen-Anhalt dabei.

Von der Katastrophe sind sie verschont geblieben. Während 50 Kilometer entfernt die Region Halle unter den Folgen des Hochwassers leidet und den höchsten Pegelstand der Saale seit 400 Jahren verzeichnete, geht in Sangerhausen alles seinen gewohnten Gang. Das Hauptspielfeld des ortsansässigen VfB präsentiert sich in sattem Grün. Rollen darf der Ball momentan auf dem Naturrasen allerdings nicht. In Sangerhausen wird gebaut – mal wieder.

Die Fußballer müssen sich öffnen

Wer ein Faible fürs Handwerken hat, ist seit Monaten gut aufgehoben beim VfB Sangerhausen. Im Mai 2012 wurde die neue Oberfläche des Kunstrasenplatzes freigegeben, im Frühjahr dieses Jahres sind die Sanierungsarbeiten am Hauptgebäude mit Umkleidekabinen und VIP-Bereich abgeschlossen worden. Jetzt wird eine Leichtathletikbahn um den Rasenplatz gebaut. Eine Vorgabe der Stadt.

Die Fußballer müssen sich öffnen. Erst recht in Zeiten leerer öffentlicher Kassen. Die Politik möchte einen Sportpark, auf dem mehrere Sportarten ihre Heimat haben. Mehrfachnutzung ist Pflicht. Sonst könne die Bezuschussung der Anlage nicht aufrechterhalten werden.

Vertraute Atmosphäre zwischen Verbands- und Vereinsvertretern

Günter Brötzmann runzelt die Stirn, als sein Kollege Holger Scholz das Thema erörtert. Scholz ist Vizepräsident des VfB Sangerhausen, er ist Vize im Kreisssportbund und war Vize im Landessportbund Sachsen-Anhalt. Er kennt sich aus auf den Feldern des Funktionärswesens und der Sportpolitik. Den VfB aber kennt keiner so gut wie Günter Brötzmann. Seit 50 Jahren ist er im Verein. Er war Torwart, er war Trainer, danach im Vorstand. Seit Dezember ist er wieder Sportlicher Leiter und Präsidiumsmitglied. "Ganz ehrlich, ich gehöre zu den Skeptikern, dass das mit der Leichtathletik funktioniert", murmelt er.

Brötzmann und Scholz sitzen nicht allein am Tisch. Der Präsident des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt, Erwin Bugar, ist da. Dazu seine Vizepräsidenten Matthias Albrecht (Recht) und Michael Rehschuh (Qualifizierung), sein Geschäftsführer Klaus Decker sowie Lothar Bornkessel, der Präsident des Kreisfachverbandes Manfeld-Südharz. Bei Kaffee, Wasser und belegten Brötchen herrscht eine vertraute Atmosphäre. Man kennt sich, man schätzt sich.

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"Wichtig ist, zu zeigen, dass wir nicht im Elfenbeinturm sitzen"

Der VfB ist der achte Klub in den vergangenen beiden Monaten, dem die Vertreter des Landesverbandes Sachsen-Anhalt einen Besuch abstatten. Anlass ist der Vereinsdialog. Sachsen-Anhalt ist neben Württemberg und Niederrhein einer von drei Verbänden, die sich an dem Pilotprojekt beteiligen. Es geht darum, Kontakt herzustellen, Probleme und mögliche Problemlösungen zu erläutern, Nähe zu schaffen, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zu fördern. "Wichtig ist, zu zeigen, dass wir nicht im Elfenbeinturm sitzen", sagt Erwin Bugar.

Gespräche auf Augenhöhe sind gewünscht. In Sangerhausen wird die Vorgabe erfüllt. Natürlich sind die Finanzen ein Thema – wie überall. Alleine für den Jugendbereich rechnet Vizepräsident Scholz ein Minus von jährlich 26.000 Euro vor. "Wir haben keinen Mangel an Nachwuchs, aber die große Frage ist, wie wir das dauerhaft bezahlen", sagt er.

Bei der Unterhaltung der Sportanlage klemmt es sowieso. 145.000 Euro gibt es nach Vereinsangaben von der Stadt, darin enthalten sind die Instandhaltung der Spielflächen, der Turnhalle, der Kegelbahn sowie die nötige Arbeitskraft. Jährlich, so Scholz, sei die Summe geringer geworden. Zum 30. Juni trennt sich der Klub von einem zuständigen Mitarbeiter, um finanziell mehr Luft zu bekommen.

Landkreis mit einer der höchsten Arbeitslosenquoten

Die strukturellen Probleme der Region strahlen auch auf den Fußball ab. Ende der 80er Jahre stand Sangerhausen noch komplett im Zeichen des Kupfer-Bergbaus und der Maschinenfabrik. Die Sportanlage gehörte dem Mansfeld-Kombinat. Mit der Wende kam das Ende. Die größten Industriezweige wurden geschlossen, allein beim Mansfeld-Kombinat fielen rund 20.000 Arbeitsplätze weg. Heute zählt Mansfeld-Südharz zu den Landkreisen mit der höchsten Arbeitslosigkeit in Deutschland. Keine rosigen Aussichten für die Kreisstadt Sangerhausen, deren Europa-Rosarium die größte Rosensammlung der Welt beherbergt.

Erschwerend hinzu kommt die Randlage im Südwesten Sachsen-Anhalts, an der Grenze zu Thüringen. Sie macht auch dem VfB das Leben nicht leicht. "Vereine, die am weitesten weg sind vom Schuss, haben am meisten zu stemmen und werden am wenigsten geliebt", meint Holger Scholz.

Seit vielen Jahren DFB-Stützpunkt

Trotzdem wird im Laufe der 90 Minuten deutlich: Es gibt Vereine, denen es schlechter geht als dem VfB. Sangerhausen hat einen hochwertigen Kunstrasen, ist seit vielen Jahren DFB-Stützpunkt. Auf den Nachwuchs sind sie stolz, alle Altersklassen sind besetzt. Die erste Seniorenmannschaft ist fester Bestandteil der Verbandsliga, eine Saison (2006/2007) spielte das Team sogar in der Oberliga.

Ingesamt zählt der Verein 420 Mitglieder, 190 davon sind Kinder und Jugendliche. Neben Fußball sind Kegeln, Kickboxen und Frauen-Gymnastik im Angebot. Es gibt eine Läufergruppe, eine Skater-Abteilung wird gerade aufgebaut. Die Fußballer, sie öffnen sich. Nicht nur im Vereinsdialog.

So geht es weiter

Nach Beendigung der Pilotphase in Württemberg, Sachsen-Anhalt und Niederrhein geht es nun in die Auswertung. Der DFB und die Landesverbände analysieren die Ergebnisse des Vereinsdialogs in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sportmanagement und Sportmedizin (ISS) des RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz. Sind die Erkenntnisse positiv, soll der Vereinsdialog fortgesetzt und auf alle 21 Landesverbände ausgeweitet werden. Die Entscheidung darüber trifft der DFB-Bundestag am 24./25. Oktober in Nürnberg.