Münsters Tasdelen: "Kabine ist meine zweite Wohnung"

Cihan Tasdelen ist beim Drittligisten SC Preußen Münster fast schon so etwas wie "Mr. Nachwuchs". Der 41-Jährige, aufgewachsen in Istanbul, ist seit 1999 fast ununterbrochen für den Traditionsverein tätig. Er betreute schon die U 16, U 17, U 19 und die U 23 der Preußen und war kürzlich auch erstmals als Interimstrainer für die erste Mannschaft verantwortlich. Nun ist er wieder zurück bei der U 19, die in der Staffel West der A-Junioren-Bundesliga den dritten Klassenverbleib in Folge anstrebt.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Cihan Tasdelen, der unter anderem schon bei Trainern wie Eric Gerets, Mircea Lucesu und Jean Tigana hospitierte, mit Mitarbeiter Thomas Ziehn über seine besondere Beziehung zum SC Preußen und zur Stadt Münster, das Duell heute (ab 13 Uhr) gegen den MSV Duisburg, die Herausforderungen im Nachwuchsbereich und die Anzahl der verschlissenen Fahrräder in den vergangenen 17 Jahren.

DFB.de: Dank des jüngsten 1:0 über Aufsteiger Rot-Weiß Oberhausen hat die U 19 des SC Preußen vier Zähler Vorsprung auf die Abstiegszone. Wie beurteilen Sie den bisherigen Saisonverlauf, Herr Tasdelen?

Cihan Tasdelen: Wir hatten vor der Saison ganz bewusst auf viele Jungjahrgänge gesetzt, um die Mannschaft perspektivisch nicht schon auf das nächste Jahr, sondern auch auf den Seniorenbereich auszurichten. Diese Maßnahme - das war uns bewusst - war ein Risiko. Gerade zu Saisonbeginn war es spannend, wie gerade die jungen Spieler die Liga annehmen. Insgesamt hat es aber ganz gut geklappt. Die zwölf Punkte sind eine prima Basis - allerdings auch keine Ausbeute, auf der man sich auch nur ansatzweise ausruhen könnte.

DFB.de: Gab es eine Partie, mit der Sie überhaupt nicht einverstanden waren?

Tasdelen: Das war das 0:2 im eigenen Stadion gegen Rot-Weiss Essen. Ausgerechnet im Duell mit einem direkten Konkurrenten hatten wir keinen guten Tag erwischt. Der Gegner war außerdem entschlossener. Das hat mich geärgert. Deshalb habe ich die Mannschaft im Anschluss noch einmal daran erinnert, was Abstiegskampf bedeutet. Gerade den Vergleichen mit den Tabellennachbarn kommt eine große Bedeutung zu.

DFB.de: Wie bereiten Sie Ihre Mannschaft vor?

Tasdelen: Wir müssen vor jeder Partie die Qualität des Gegners analysieren und anerkennen. In den Spielen gegen die Teams aus der oberen Tabellenhälfte ist es wichtig, vor allem defensiv gut zu stehen und immer wieder Nadelstiche zu setzen. Allzu viele 'Big Points' gegen die Top-Mannschaften sind uns bisher aber noch nicht geglückt. Das war in der Vorsaison anders. Für meinen Geschmack zeigen wir noch zu viel Respekt. Daran arbeiten wir. Entscheidend ist, aus den Partien gegen die Mannschaften von oben zu lernen.

DFB.de: Was würde der erneute Klassenverbleib bedeuten?

Tasdelen: Wir haben es geschafft, in den vergangenen beiden Jahren in der höchsten Spielklasse zu bleiben. Das ist für Preußen Münster nicht selbstverständlich. Zuvor waren wir beim Versuch, uns dauerhaft in der Bundesliga zu etablieren, immer wieder durch Abstiege zurückgeworfen worden. Unser Hauptziel ist es, uns dauerhaft zu halten. Das ist machbar, setzt aber immer wieder aufs Neue harte Arbeit voraus. Die Zugehörigkeit zur Bundesliga ist wichtig, damit wir uns Woche für Woche mit den besten Mannschaften messen können.

DFB.de: Wie beurteilen Sie die Strukturen in Münster im Vergleich zu den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten?

Tasdelen: Ich denke, dass es für den SCP mittelfristig darum gehen muss, ebenfalls Nachwuchsleistungszentrum zu werden. Das bietet viele Vorteile. Man kann zum Beispiel viel strukturierter und weitsichtiger arbeiten. Im Nachwuchsbereich des SCP teilen sich phasenweise acht Mannschaften einen Kunstrasenplatz. Wir haben nur einmal pro Woche beide Spielhälften zur Verfügung. Das ist sicher nicht optimal. Wir versuchen aber aus dem, was uns zur Verfügung steht, das Beste zu machen. Das ist Teil der Herausforderung.

DFB.de: Welche Vorteile haben Spitzenklubs der Bundesliga wie Borussia Dortmund, Schalke 04 oder Bayer Leverkusen außerdem?

Tasdelen: Viele unserer Konkurrenten haben Nationalspieler aus anderen Ländern in ihren Reihen, die in Internaten untergebracht werden. Das wäre in Münster aktuell nicht ohne weiteres möglich. Auf der anderen Seite genießen wir die Qualität, die diese Spieler in die Liga bringen. Unter dem Strich profitieren alle davon.

DFB.de: Wie sieht es mit der Durchlässigkeit nach oben aus?

Tasdelen: Wir versuchen, sie so hoch wie möglich zu halten. Im Kader der ersten Mannschaft stehen derzeit mit Torhüter Maximilian Schulze Niehues, Bennet Eickhoff, Tobias Warschewski, Lennart Stoll und Simon Scherder fünf Spieler, die bei uns ausgebildet wurden.

DFB.de: Seit dem Jahr 1999 sind Sie - mit einer knapp dreijährigen Unterbrechung - für Münster tätig. Wie ist es für Sie, jeden Stein im Verein zu kennen?

Tasdelen: Ich fühle mich heimisch, die Kabine ist wie meine zweite Wohnung. Ich arbeite mittlerweile mit dem dritten Vorstand zusammen. In den vergangenen Jahren hat sich viel entwickelt. Als ich angefangen habe, fanden die Trainingseinheiten zum Beispiel noch auf Ascheplätzen statt. Mit dem Verein viel erlebt zu haben und das Vertrauen zu genießen, macht mich stolz.

DFB.de: Was macht für Sie die Arbeit als Nachwuchstrainer aus?

Tasdelen: Es ist spannend, an der Entwicklung von talentierten Spielern mitwirken zu können - zumal die U 19 die letzte Stufe vor dem Seniorenbereich ist. Mein Ziel ist es, die Spieler so gut wie möglich darauf vorzubereiten. Dazu gehört, dass wir im Training verschiedene Systeme erarbeiten, damit die Jungs möglichst flexibel sind. Manchmal nehmen Spieler innerhalb von nur wenigen Monaten eine extreme Entwicklung. Das zu beobachten und zu beeinflussen, macht großen Spaß.

DFB.de: Und was macht für Sie die Stadt Münster aus?

Tasdelen: Als ich 1999 zum ersten Mal in Münster war, stand für mich schnell fest, dass ich dort mein in der Türkei begonnenes Sportstudium fortsetzen wollte. Ich wohne in Münster-Gievenbeck, fühle mich dort extrem wohl. Dass Münster eine Universitätsstadt ist, davon profitiert auch der Verein. Viele Studenten kommen regelmäßig zu den Heimspielen, engagieren sich teilweise auch als Trainer im Nachwuchsbereich.

DFB.de: Besitzen Sie eigentlich ein Fahrrad?

Tasdelen: (lacht) Im Moment habe ich vier Stück. Es gibt in Münster kaum jemanden, der nur ein Fahrrad besitzt. In den letzten 17 Jahren hatte ich bestimmt 20 verschiedene Drahtesel.

DFB.de: In Münster sind Sie kürzlich als Interimstrainer bei der ersten Mannschaft eingesprungen. Wie war es?

Tasdelen: Die Nähe zum Team war vorher schon gegeben. Als Analyst gehöre ich zum Trainerstab der ersten Mannschaft. Die Spieler kenne ich daher sehr gut. Die Umgewöhnung im sportlichen Bereich fiel mir leicht. Interessant war die Zusammenarbeit mit den Medien, die ich in diesem Umfang nicht kannte. Ich habe mich aber schnell anpassen können.

DFB.de: Hat die Tätigkeit bei den Drittligaprofis dafür gesorgt, dass Sie irgendwann einmal selbst als Seniorentrainer arbeiten wollen?

Tasdelen: Im Trainergeschäft kann alles passieren. Vor einigen Jahren dachte ich, dass ich die Ausbildung zum Fußball-Lehrer nicht absolvieren müsse, weil ich der Meinung war, dass dies nicht notwendig sei. Jetzt hat sich die Situation geändert. Mit dem neuen Vorstand um Walther Seinsch gibt es Visionen - auch für den Nachwuchs. Vielleicht gibt es bald die Notwendigkeit für einen Fußball-Lehrer. Dann würde ich meine Haltung überdenken.

[mspw]

Cihan Tasdelen ist beim Drittligisten SC Preußen Münster fast schon so etwas wie "Mr. Nachwuchs". Der 41-Jährige, aufgewachsen in Istanbul, ist seit 1999 fast ununterbrochen für den Traditionsverein tätig. Er betreute schon die U 16, U 17, U 19 und die U 23 der Preußen und war kürzlich auch erstmals als Interimstrainer für die erste Mannschaft verantwortlich. Nun ist er wieder zurück bei der U 19, die in der Staffel West der A-Junioren-Bundesliga den dritten Klassenverbleib in Folge anstrebt.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Cihan Tasdelen, der unter anderem schon bei Trainern wie Eric Gerets, Mircea Lucesu und Jean Tigana hospitierte, mit Mitarbeiter Thomas Ziehn über seine besondere Beziehung zum SC Preußen und zur Stadt Münster, das Duell heute (ab 13 Uhr) gegen den MSV Duisburg, die Herausforderungen im Nachwuchsbereich und die Anzahl der verschlissenen Fahrräder in den vergangenen 17 Jahren.

DFB.de: Dank des jüngsten 1:0 über Aufsteiger Rot-Weiß Oberhausen hat die U 19 des SC Preußen vier Zähler Vorsprung auf die Abstiegszone. Wie beurteilen Sie den bisherigen Saisonverlauf, Herr Tasdelen?

Cihan Tasdelen: Wir hatten vor der Saison ganz bewusst auf viele Jungjahrgänge gesetzt, um die Mannschaft perspektivisch nicht schon auf das nächste Jahr, sondern auch auf den Seniorenbereich auszurichten. Diese Maßnahme - das war uns bewusst - war ein Risiko. Gerade zu Saisonbeginn war es spannend, wie gerade die jungen Spieler die Liga annehmen. Insgesamt hat es aber ganz gut geklappt. Die zwölf Punkte sind eine prima Basis - allerdings auch keine Ausbeute, auf der man sich auch nur ansatzweise ausruhen könnte.

DFB.de: Gab es eine Partie, mit der Sie überhaupt nicht einverstanden waren?

Tasdelen: Das war das 0:2 im eigenen Stadion gegen Rot-Weiss Essen. Ausgerechnet im Duell mit einem direkten Konkurrenten hatten wir keinen guten Tag erwischt. Der Gegner war außerdem entschlossener. Das hat mich geärgert. Deshalb habe ich die Mannschaft im Anschluss noch einmal daran erinnert, was Abstiegskampf bedeutet. Gerade den Vergleichen mit den Tabellennachbarn kommt eine große Bedeutung zu.

DFB.de: Wie bereiten Sie Ihre Mannschaft vor?

Tasdelen: Wir müssen vor jeder Partie die Qualität des Gegners analysieren und anerkennen. In den Spielen gegen die Teams aus der oberen Tabellenhälfte ist es wichtig, vor allem defensiv gut zu stehen und immer wieder Nadelstiche zu setzen. Allzu viele 'Big Points' gegen die Top-Mannschaften sind uns bisher aber noch nicht geglückt. Das war in der Vorsaison anders. Für meinen Geschmack zeigen wir noch zu viel Respekt. Daran arbeiten wir. Entscheidend ist, aus den Partien gegen die Mannschaften von oben zu lernen.

DFB.de: Was würde der erneute Klassenverbleib bedeuten?

Tasdelen: Wir haben es geschafft, in den vergangenen beiden Jahren in der höchsten Spielklasse zu bleiben. Das ist für Preußen Münster nicht selbstverständlich. Zuvor waren wir beim Versuch, uns dauerhaft in der Bundesliga zu etablieren, immer wieder durch Abstiege zurückgeworfen worden. Unser Hauptziel ist es, uns dauerhaft zu halten. Das ist machbar, setzt aber immer wieder aufs Neue harte Arbeit voraus. Die Zugehörigkeit zur Bundesliga ist wichtig, damit wir uns Woche für Woche mit den besten Mannschaften messen können.

DFB.de: Wie beurteilen Sie die Strukturen in Münster im Vergleich zu den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten?

Tasdelen: Ich denke, dass es für den SCP mittelfristig darum gehen muss, ebenfalls Nachwuchsleistungszentrum zu werden. Das bietet viele Vorteile. Man kann zum Beispiel viel strukturierter und weitsichtiger arbeiten. Im Nachwuchsbereich des SCP teilen sich phasenweise acht Mannschaften einen Kunstrasenplatz. Wir haben nur einmal pro Woche beide Spielhälften zur Verfügung. Das ist sicher nicht optimal. Wir versuchen aber aus dem, was uns zur Verfügung steht, das Beste zu machen. Das ist Teil der Herausforderung.

DFB.de: Welche Vorteile haben Spitzenklubs der Bundesliga wie Borussia Dortmund, Schalke 04 oder Bayer Leverkusen außerdem?

Tasdelen: Viele unserer Konkurrenten haben Nationalspieler aus anderen Ländern in ihren Reihen, die in Internaten untergebracht werden. Das wäre in Münster aktuell nicht ohne weiteres möglich. Auf der anderen Seite genießen wir die Qualität, die diese Spieler in die Liga bringen. Unter dem Strich profitieren alle davon.

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DFB.de: Wie sieht es mit der Durchlässigkeit nach oben aus?

Tasdelen: Wir versuchen, sie so hoch wie möglich zu halten. Im Kader der ersten Mannschaft stehen derzeit mit Torhüter Maximilian Schulze Niehues, Bennet Eickhoff, Tobias Warschewski, Lennart Stoll und Simon Scherder fünf Spieler, die bei uns ausgebildet wurden.

DFB.de: Seit dem Jahr 1999 sind Sie - mit einer knapp dreijährigen Unterbrechung - für Münster tätig. Wie ist es für Sie, jeden Stein im Verein zu kennen?

Tasdelen: Ich fühle mich heimisch, die Kabine ist wie meine zweite Wohnung. Ich arbeite mittlerweile mit dem dritten Vorstand zusammen. In den vergangenen Jahren hat sich viel entwickelt. Als ich angefangen habe, fanden die Trainingseinheiten zum Beispiel noch auf Ascheplätzen statt. Mit dem Verein viel erlebt zu haben und das Vertrauen zu genießen, macht mich stolz.

DFB.de: Was macht für Sie die Arbeit als Nachwuchstrainer aus?

Tasdelen: Es ist spannend, an der Entwicklung von talentierten Spielern mitwirken zu können - zumal die U 19 die letzte Stufe vor dem Seniorenbereich ist. Mein Ziel ist es, die Spieler so gut wie möglich darauf vorzubereiten. Dazu gehört, dass wir im Training verschiedene Systeme erarbeiten, damit die Jungs möglichst flexibel sind. Manchmal nehmen Spieler innerhalb von nur wenigen Monaten eine extreme Entwicklung. Das zu beobachten und zu beeinflussen, macht großen Spaß.

DFB.de: Und was macht für Sie die Stadt Münster aus?

Tasdelen: Als ich 1999 zum ersten Mal in Münster war, stand für mich schnell fest, dass ich dort mein in der Türkei begonnenes Sportstudium fortsetzen wollte. Ich wohne in Münster-Gievenbeck, fühle mich dort extrem wohl. Dass Münster eine Universitätsstadt ist, davon profitiert auch der Verein. Viele Studenten kommen regelmäßig zu den Heimspielen, engagieren sich teilweise auch als Trainer im Nachwuchsbereich.

DFB.de: Besitzen Sie eigentlich ein Fahrrad?

Tasdelen: (lacht) Im Moment habe ich vier Stück. Es gibt in Münster kaum jemanden, der nur ein Fahrrad besitzt. In den letzten 17 Jahren hatte ich bestimmt 20 verschiedene Drahtesel.

DFB.de: In Münster sind Sie kürzlich als Interimstrainer bei der ersten Mannschaft eingesprungen. Wie war es?

Tasdelen: Die Nähe zum Team war vorher schon gegeben. Als Analyst gehöre ich zum Trainerstab der ersten Mannschaft. Die Spieler kenne ich daher sehr gut. Die Umgewöhnung im sportlichen Bereich fiel mir leicht. Interessant war die Zusammenarbeit mit den Medien, die ich in diesem Umfang nicht kannte. Ich habe mich aber schnell anpassen können.

DFB.de: Hat die Tätigkeit bei den Drittligaprofis dafür gesorgt, dass Sie irgendwann einmal selbst als Seniorentrainer arbeiten wollen?

Tasdelen: Im Trainergeschäft kann alles passieren. Vor einigen Jahren dachte ich, dass ich die Ausbildung zum Fußball-Lehrer nicht absolvieren müsse, weil ich der Meinung war, dass dies nicht notwendig sei. Jetzt hat sich die Situation geändert. Mit dem neuen Vorstand um Walther Seinsch gibt es Visionen - auch für den Nachwuchs. Vielleicht gibt es bald die Notwendigkeit für einen Fußball-Lehrer. Dann würde ich meine Haltung überdenken.

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