Müller 2010: Lausbub wird Torschützenkönig

19 Weltmeisterschaften, 19 Stars: Vor der Jubiläumsauflage im Sommer erinnert DFB.de in einer Serie an prominente und weniger bekannte Spieler, die den bisherigen WM-Turnieren ihren Stempel aufdrückten. Heute: Thomas Müller und die WM 2010 in Südafrika.

Zu seiner ersten WM fuhr Thomas Müller mit der Erfahrung von 37 Bundesligaspielen und zwei Länderspieleinsätzen. Als WM-Debütant war er kein Kuriosum im deutschen Kader, das traf auf 14 Mitspieler auch zu - so jung und unerfahren war Deutschland seit 1934 nicht mehr zu einer WM gefahren. Warum sollte da nicht auch Platz für einen Stammspieler des Doublesiegers FC Bayern sein?

Und doch war Thomas Müller, damals 20 Jahre jung, in einer Sonderrolle. Im Gegensatz zu Manuel Neuer, Jerome Boateng, Dennis Aogo, Mesut Özil und Sami Khedira gehörte er nicht jener hochgelobten U 21-Nationalmannschaft an, die 2009 Europameister geworden war. Er bildete mit Toni Kroos und Holger Badstuber die Fraktion der Jungen, die "nur" im Dress des FC Bayern auf sich aufmerksam gemacht hatten, aber das nicht zu knapp.

In der ersten Profisaison bis ins Champions-League-Finale

Trainer Jürgen Klinsmann hatte Müller 2009 seine ersten Einsätze verschafft, Louis van Gaal wollte gar nie auf ihn verzichten und hielt sein Wort: "Müller ist unglaublich, er spielt immer." Mit 13 Toren und elf Torvorlagen endete Müllers erste "richtige" Profisaison, an deren Ende sogar die Teilnahme am Finale der Champions League stand. Dort war er beim 0:2 gegen Inter Mailand einer der besten Münchner und hatte die einzige echte Torchance zum Ausgleich.

Im März 2010 gab Müller sein Debüt im DFB-Dress, gegen Argentinien. Danach saß er auf dem Podium der Pressekonferenz. Gästetrainer Diego Maradona kannte ihn nicht und fand es unter seiner Würde, mit einem Nobody über das Spiel zu philosophieren - also ging er wieder. "Ich wusste nicht, dass das ein Spieler war", entschuldigte er sich später. Vier Monate später sollte Maradona dann Müller besser kennenlernen – bei der WM in Südafrika.

Nicht nur der Name erinnert an den "Bomber der Nation"

Zu der reiste der Bayern-Stürmer als chancenreicher Außenseiter. Bundestrainer Joachim Löw sagte: "Er hat unglaublich viel Raffinesse. Er ist immer dort anzutreffen, wo die größte Gefahr für den Gegner herrscht." Wie ein Müller eben. Der Name verpflichtete, auch die Rückennummer 13 erinnerte an den "Bomber der Nation". Zehn Tore wie Gerd Müller 1970 in Mexiko 1970 schaffte Thomas Müller zwar nicht, aber 2010 reichte auch die Hälfte, um ebenfalls Torschützenkönig zu werden.

Schon zum Auftakt, beim 4:0 gegen Australien, als er auf Rechtsaußen spielte, traf er. Die Bild-Zeitung gab ihm eine 1, Löw ein Sonderlob: "Über Müller wundere ich mich auch. Er ist unheimlich locker, er zeigt kein Nervenflattern."

Der Vergleich mit Gerd Müller drängte sich förmlich auf, und der "Bomber", in Südafrika vor Ort, sagte den Reportern, was sie hören wollten: "Thomas ist ein Typ wie ich. Er macht seine Drehungen genau, wie ich sie früher gemacht habe." Die Schlagzeilen machten sich von selbst: "Deutschland müllert wieder" (Bild). Thomas Müller hat offenbar Gefallen an dem Vergleich, seine offizielle Homepage lautet: www.esmuellertwieder.de.

Doppelschlag im Achtelfinale gegen England

Der Euphorie folgte ein herber Dämpfer, beim 0:1 gegen Serbien spielte Deutschland schwach, Müller auch. Löw wechselte ihn aus, aber im entscheidenden Spiel gegen Ghana stand er wieder auf dem Feld und trug seinen Teil zum 1:0 im Nervenspiel um die K.o.-Runde bei.

Gemüllert wurde aber erst wieder im Achtelfinale. Beim 4:1 im Klassiker gegen England wurde Müller in Bloemfontein zum Mann des Tages. Sein Doppelschlag (67., 70.) entschied das Spiel, zuhause im bayerischem Pähl feierte das ganze Dorf mit. 400 Müller-Fans saßen im Pfarrhaus vor der Großleinwand, und Müller grüßte über die ARD "meine beiden Omas und den Opa".

Reaktionsschnell im Strafraum, schlagfertig am Mikrofon - die Welt lernte den neuen Müller kennen. Angesprochen auf mögliche Auszeichnungen wie den besten jungen Spieler der WM, sagte er: "In meiner Vitrine ist noch Platz." Die Bild stellte fest: "Diesen Knüller-Müller muss man einfach lieben."

Müller schießt Maradona-Team aus dem Turnier

Nun spätestens dürfte auch Diego Maradona Thomas Müller gekannt haben. Deutschland war Argentiniens Viertelfinalgegner, aber Maradona machte sich keine Sorgen: "Für Deutschland ist die WM zu Ende", posaunte der Trainer. Nach drei Minuten mochte er seine Worte schon selbst bezweifelt haben, denn auch in Kapstadt wurde gemüllert. Müllers 1:0, als er einen Freistoß ins Tor verlängerte, war der Startschuss für eine der grandiosesten WM-Leistungen einer DFB-Auswahl. Am Ende stand es 4:0, und die Welt fand nur noch Superlativen für das deutsche Spiel. Und die FIFA schrieb auf ihrer Homepage: "Müller schreibt weiter an seinem persönlichen WM-Märchen."

Doch das nächste Kapitel enthielt leere Blätter, es war der Wermutstropfen im Freudenbecher: Thomas Müller war im Halbfinale gesperrt. Ein unglückliches Handspiel hatte ihm die zweite Gelbe Karte eingebracht. Müller jammerte: "Tragisch. Ich hoffe, dass meine Kollegen im Halbfinale alles richtig machen, dann kann ich vielleicht im Finale wieder ein Tor erzielen."

Doch Bundestrainer Löw unkte bereits: "Der Ausfall wiegt schwer." Ob das Halbfinale gegen Spanien wesentlich anders verlaufen wäre mit einem Thomas Müller im deutschen Team, weiß niemand zu sagen. Deutschland hatte jedenfalls nur eine nennenswerte Torchance und unterlag Europameister Spanien wie im EM-Finale 2008 verdient mit 0:1.

Frohe Botschaft über den Wolken

Aber die WM war noch nicht vorbei, und es gab noch zwei Ziele: Platz drei im Turnier und den Titel des Torschützenkönigs. Beide wurden erreicht, Müller machte auch beim 3:2 gegen Uruguay wieder sein Tor. Auf fünf Treffer kamen auch Spaniens David Villa und Hollands Wesley Sneijder, die beide im Finale leer ausgingen. Die FIFA entschied daraufhin für Müller, weil der die meisten Scorer-Punkte (acht, darunter drei Vorlagen) aufzuweisen hatte.

Davon erfuhr Thomas Müller hoch über den Wolken, auf dem Rückflug in sein altes Leben - das doch nicht mehr dasselbe war. In seiner Vitrine stehen die Torjägertrophäe und die für den besten Jungprofi der WM 2010. Platz ist aber immer noch...

THOMAS MÜLLER

Geburtsdatum: 13. September 1989 in Weilheim
Länderspiele/Tore: 49 Spiele/17 Tore
WM-Spiele/Tore: 6 Spiele /5 Tore (2010)
Vereine als Spieler: TSV Pähl (1993 bis 2000), Bayern München (seit 2000)
Größte Erfolge: Champions-League-Sieger 2013, Klubweltmeister 2013, europäischer Super-Cup-Gewinner 2013, Deutscher Meister 2010, 2013 und 2014, DFB-Pokalsieger 2010, 2013 und 2014
Auszeichnungen: WM-Torschützenkönig 2010, Bester Jungprofi der WM 2010

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19 Weltmeisterschaften, 19 Stars: Vor der Jubiläumsauflage im Sommer erinnert DFB.de in einer Serie an prominente und weniger bekannte Spieler, die den bisherigen WM-Turnieren ihren Stempel aufdrückten. Heute: Thomas Müller und die WM 2010 in Südafrika.

Zu seiner ersten WM fuhr Thomas Müller mit der Erfahrung von 37 Bundesligaspielen und zwei Länderspieleinsätzen. Als WM-Debütant war er kein Kuriosum im deutschen Kader, das traf auf 14 Mitspieler auch zu - so jung und unerfahren war Deutschland seit 1934 nicht mehr zu einer WM gefahren. Warum sollte da nicht auch Platz für einen Stammspieler des Doublesiegers FC Bayern sein?

Und doch war Thomas Müller, damals 20 Jahre jung, in einer Sonderrolle. Im Gegensatz zu Manuel Neuer, Jerome Boateng, Dennis Aogo, Mesut Özil und Sami Khedira gehörte er nicht jener hochgelobten U 21-Nationalmannschaft an, die 2009 Europameister geworden war. Er bildete mit Toni Kroos und Holger Badstuber die Fraktion der Jungen, die "nur" im Dress des FC Bayern auf sich aufmerksam gemacht hatten, aber das nicht zu knapp.

In der ersten Profisaison bis ins Champions-League-Finale

Trainer Jürgen Klinsmann hatte Müller 2009 seine ersten Einsätze verschafft, Louis van Gaal wollte gar nie auf ihn verzichten und hielt sein Wort: "Müller ist unglaublich, er spielt immer." Mit 13 Toren und elf Torvorlagen endete Müllers erste "richtige" Profisaison, an deren Ende sogar die Teilnahme am Finale der Champions League stand. Dort war er beim 0:2 gegen Inter Mailand einer der besten Münchner und hatte die einzige echte Torchance zum Ausgleich.

Im März 2010 gab Müller sein Debüt im DFB-Dress, gegen Argentinien. Danach saß er auf dem Podium der Pressekonferenz. Gästetrainer Diego Maradona kannte ihn nicht und fand es unter seiner Würde, mit einem Nobody über das Spiel zu philosophieren - also ging er wieder. "Ich wusste nicht, dass das ein Spieler war", entschuldigte er sich später. Vier Monate später sollte Maradona dann Müller besser kennenlernen – bei der WM in Südafrika.

Nicht nur der Name erinnert an den "Bomber der Nation"

Zu der reiste der Bayern-Stürmer als chancenreicher Außenseiter. Bundestrainer Joachim Löw sagte: "Er hat unglaublich viel Raffinesse. Er ist immer dort anzutreffen, wo die größte Gefahr für den Gegner herrscht." Wie ein Müller eben. Der Name verpflichtete, auch die Rückennummer 13 erinnerte an den "Bomber der Nation". Zehn Tore wie Gerd Müller 1970 in Mexiko 1970 schaffte Thomas Müller zwar nicht, aber 2010 reichte auch die Hälfte, um ebenfalls Torschützenkönig zu werden.

Schon zum Auftakt, beim 4:0 gegen Australien, als er auf Rechtsaußen spielte, traf er. Die Bild-Zeitung gab ihm eine 1, Löw ein Sonderlob: "Über Müller wundere ich mich auch. Er ist unheimlich locker, er zeigt kein Nervenflattern."

Der Vergleich mit Gerd Müller drängte sich förmlich auf, und der "Bomber", in Südafrika vor Ort, sagte den Reportern, was sie hören wollten: "Thomas ist ein Typ wie ich. Er macht seine Drehungen genau, wie ich sie früher gemacht habe." Die Schlagzeilen machten sich von selbst: "Deutschland müllert wieder" (Bild). Thomas Müller hat offenbar Gefallen an dem Vergleich, seine offizielle Homepage lautet: www.esmuellertwieder.de.

Doppelschlag im Achtelfinale gegen England

Der Euphorie folgte ein herber Dämpfer, beim 0:1 gegen Serbien spielte Deutschland schwach, Müller auch. Löw wechselte ihn aus, aber im entscheidenden Spiel gegen Ghana stand er wieder auf dem Feld und trug seinen Teil zum 1:0 im Nervenspiel um die K.o.-Runde bei.

Gemüllert wurde aber erst wieder im Achtelfinale. Beim 4:1 im Klassiker gegen England wurde Müller in Bloemfontein zum Mann des Tages. Sein Doppelschlag (67., 70.) entschied das Spiel, zuhause im bayerischem Pähl feierte das ganze Dorf mit. 400 Müller-Fans saßen im Pfarrhaus vor der Großleinwand, und Müller grüßte über die ARD "meine beiden Omas und den Opa".

Reaktionsschnell im Strafraum, schlagfertig am Mikrofon - die Welt lernte den neuen Müller kennen. Angesprochen auf mögliche Auszeichnungen wie den besten jungen Spieler der WM, sagte er: "In meiner Vitrine ist noch Platz." Die Bild stellte fest: "Diesen Knüller-Müller muss man einfach lieben."

Müller schießt Maradona-Team aus dem Turnier

Nun spätestens dürfte auch Diego Maradona Thomas Müller gekannt haben. Deutschland war Argentiniens Viertelfinalgegner, aber Maradona machte sich keine Sorgen: "Für Deutschland ist die WM zu Ende", posaunte der Trainer. Nach drei Minuten mochte er seine Worte schon selbst bezweifelt haben, denn auch in Kapstadt wurde gemüllert. Müllers 1:0, als er einen Freistoß ins Tor verlängerte, war der Startschuss für eine der grandiosesten WM-Leistungen einer DFB-Auswahl. Am Ende stand es 4:0, und die Welt fand nur noch Superlativen für das deutsche Spiel. Und die FIFA schrieb auf ihrer Homepage: "Müller schreibt weiter an seinem persönlichen WM-Märchen."

Doch das nächste Kapitel enthielt leere Blätter, es war der Wermutstropfen im Freudenbecher: Thomas Müller war im Halbfinale gesperrt. Ein unglückliches Handspiel hatte ihm die zweite Gelbe Karte eingebracht. Müller jammerte: "Tragisch. Ich hoffe, dass meine Kollegen im Halbfinale alles richtig machen, dann kann ich vielleicht im Finale wieder ein Tor erzielen."

Doch Bundestrainer Löw unkte bereits: "Der Ausfall wiegt schwer." Ob das Halbfinale gegen Spanien wesentlich anders verlaufen wäre mit einem Thomas Müller im deutschen Team, weiß niemand zu sagen. Deutschland hatte jedenfalls nur eine nennenswerte Torchance und unterlag Europameister Spanien wie im EM-Finale 2008 verdient mit 0:1.

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Frohe Botschaft über den Wolken

Aber die WM war noch nicht vorbei, und es gab noch zwei Ziele: Platz drei im Turnier und den Titel des Torschützenkönigs. Beide wurden erreicht, Müller machte auch beim 3:2 gegen Uruguay wieder sein Tor. Auf fünf Treffer kamen auch Spaniens David Villa und Hollands Wesley Sneijder, die beide im Finale leer ausgingen. Die FIFA entschied daraufhin für Müller, weil der die meisten Scorer-Punkte (acht, darunter drei Vorlagen) aufzuweisen hatte.

Davon erfuhr Thomas Müller hoch über den Wolken, auf dem Rückflug in sein altes Leben - das doch nicht mehr dasselbe war. In seiner Vitrine stehen die Torjägertrophäe und die für den besten Jungprofi der WM 2010. Platz ist aber immer noch...

THOMAS MÜLLER

Geburtsdatum: 13. September 1989 in Weilheim
Länderspiele/Tore: 49 Spiele/17 Tore
WM-Spiele/Tore: 6 Spiele /5 Tore (2010)
Vereine als Spieler: TSV Pähl (1993 bis 2000), Bayern München (seit 2000)
Größte Erfolge: Champions-League-Sieger 2013, Klubweltmeister 2013, europäischer Super-Cup-Gewinner 2013, Deutscher Meister 2010, 2013 und 2014, DFB-Pokalsieger 2010, 2013 und 2014
Auszeichnungen: WM-Torschützenkönig 2010, Bester Jungprofi der WM 2010