Möhlmann zum Nordderby: "Im Stadion würde ich zu Werder halten"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Am 23. Spieltag passiert das Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV (Samstag, ab 15.30 Uhr, live auf Sky) als erstes Bundesliga-Duell überhaupt die 100-Spiele-Marke. Aus diesem Anlass hat sich Udo Muras mit Benno Möhlmann unterhalten. Der aktuelle Trainer des FSV Frankfurt hat für beide Klubs gespielt und war nach seiner Karriere auch Trainer des HSV.

DFB.de: Herr Möhlmann, zum 100. Mal heißt es am Samstag Werder gegen HSV. Kommen Sie drauf, wie oft Sie dabei waren? Wir wissen es…

Benno Möhlmann: Haben Sie auch meine Zeit als Co-Trainer beim HSV berücksichtigt?

DFB.de: Ehrlich gesagt nicht.

Möhlmann: Sollten Sie aber. In der Funktion habe ich das Drama um Ditmar Jakobs erlebt, der sich 1989 an einem Karabinerhaken verfing, was letztlich sein Karriereende bedeutete. Zu Ihrer Frage: 20 Derbys werden es schon gewesen sein.

DFB.de: Respekt. Es waren 22, 15 als Spieler, sieben als Trainer. An welches haben Sie ganz spezielle Erinnerungen?

Möhlmann: Zum Beispiel an mein erstes Spiel in Hamburg in der Saison 1978/1979 – es war das einzige Derby, in dem ich nicht von Anfang an ran durfte. Wir lagen 0:2 hinten in Hamburg und haben noch 2:2 gespielt, da hab' ich ein Joker-Tor geschossen. Der HSV ist in der Saison Meister geworden.

DFB.de: Sicher erinnern Sie sich auch an ihr zweites und letztes Derby-Tor am 29. Januar 1983 – es war ein ganz besonderes Spiel.

Möhlmann: Sie meinen, weil damals die Riesen-Serie des HSV (36 Spiele unbesiegt; die Red.) riss?

DFB.de: Genau, der HSV-Rekord wurde erst in dieser Saison von den Bayern gebrochen. Werder gewann 3:2, Sie bereiteten das 2:0 von Frank Neubarth vor und schossen das entscheidende 3:1. Ernst Happel, der HSV-Trainer, bezeichnete ihr Tor als "Genickschlag".

Möhlmann: Sie werden lachen, aber ich hätte es nicht mehr gewusst. Wie habe ich das Tor denn gemacht?

DFB.de: Ich lache nicht, ich staune. Es war ein Flachschuss neben den rechten Pfosten von Torwart Uli Stein aus. "Joschi" Groh konnte Sie nicht mehr daran hindern, wie auf einem Foto zu erkennen ist.

Möhlmann: Ja, der war immer etwas langsam. (lacht) Ich kann nur allgemein sagen, dass ich zwischen 1982 und 1985 meine große Zeit hatte...

DFB.de: Wie stand es um die Rivalität? Damals war es nicht nur ein Derby, sondern auch ein Spitzenspiel.

Möhlmann: Sie war damals innerhalb der Mannschaften sicher noch ein Stück weit größer als heute, da die Spieler länger bei ihren Vereinen blieben und man sich Jahr für Jahr wieder sah. Und unser Trainer Otto Rehhagel hat auch immer darauf hingewiesen, dass diese Spiele gegen den HSV etwas Besonderes seien. Der HSV war in jener Epoche größer als wir, das muss man einfach sagen. Aber darin lag ja auch der sportliche Anreiz.

DFB.de: In der Saison 1982/1983 wurde der HSV nur dank der besseren Tordifferenz vor Werder Meister. Das wissen Sie aber schon noch?

Möhlmann: Sicher. Ich weiß auch noch, dass die Hamburger nach dem letzten Spiel auf Schalke auf dem Rückflug eine Ehrenrunde über dem Weserstadion gedreht haben. Solche Dinge halten die Rivalität am Leben.

DFB.de: Als Werder dann doch mal Meister wurde, waren Sie gerade beim HSV. Wie ärgerlich war das denn?

Möhlmann: Ich bin im Oktober 1987 nach Hamburg gewechselt, weil ich bei Werder nach diversen Verletzungen nicht mehr so zum Zug kam. Es gab zwei Angebote: eines aus Bochum, eines aus Hamburg.

DFB.de: Da fiel die Wahl doch wohl ziemlich leicht?

Möhlmann: Es gab letztlich keine, denn als Werder noch eine Ablösesumme wollte, zogen sich die Bochumer zurück. Und ich wiederum war im Zweifel, ob es klug sei, als einstiger Werder-Kapitän zum HSV zu gehen. Aber es gab zum Glück nie Anfeindungen.

DFB.de: Rein sportlich haben Sie das aber prompt bereut, als Werder im Mai 1988 die Meisterschaft feierte, oder?

Möhlmann: Wir waren an dem Tag in Bremen und haben 4:1 gewonnen – Werder war ja schon durch. Das war dann schon ein komisches Gefühl für mich. Aber weil ich in der Vorrunde noch einen Einsatz für Werder hatte, wurde mir immerhin auch eine Kopie der Meisterschale nach Hause geschickt.

DFB.de: Als Trainer des HSV standen Sie bei einer weiteren Werder-Meisterschaft Pate. Sie wissen schon, 1993 – das 0:5.

Möhlmann: Ach die Geschichte, da wollten mir die Bayern noch was anhängen.

DFB.de: Erzählen Sie!

Möhlmann: Es war der 33. Spieltag, Bayern und Werder waren punktgleich vorne. Wir mussten mit dem HSV in Bremen spielen. Beim Warmmachen hat sich Stammkeeper Richard Golz verletzt und ich musste Reservist Niels Bahr aufstellen. Der hat dann bei einem abgefälschten Ball sehr unglücklich ausgesehen. Uns wurde unterstellt, wir hätten den Bremern geholfen, weil ich eine Werder-Vergangenheit hatte.

DFB.de: Bayern-Vize Karl-Heinz Rummenigge sprach von "einer miesen norddeutschen Provinz-Posse" und auch sonst hagelte es Kritik ob der HSV-Leistung.

Möhlmann: Ich weiß noch, dass Armin Eck eine Riesenchance vergeben hat. Der kam von Bayern und hat das bestimmt nicht extra gemacht.

DFB.de: Bei der heutigen Rivalität würde ja niemand mehr annehmen, dass der eine Nord-Klub dem anderen helfen würde. Zumal beide Konkurrenten im Abstiegskampf sind. Wenn Sie entscheiden müssten, welcher der beiden Klubs drinbleiben dürfte – was würden Sie sagen.

Möhlmann: Nee, nee, nicht mit mir. Ich wünsche mir von Herzen, dass beide Klubs in der Bundesliga bleiben. Ich gebe aber zu, wenn ich im Stadion säße, würde ich mehr zu Werder halten. Schließlich lebe ich immer noch in Bremen und meine Kinder haben alle für Werder gespielt – auch die Töchter!

Benno Möhlmann (59) spielte von 1978 bis 1987 für Werder Bremen (255 Mal) in der Bundesliga und ließ seine Karriere beim HSV (25 Einsätze zwischen 1987 und 1988) ausklingen. Dort war er vom 23. September 1992 bis 5. Oktober 1995 Cheftrainer.

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Am 23. Spieltag passiert das Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV (Samstag, ab 15.30 Uhr, live auf Sky) als erstes Bundesliga-Duell überhaupt die 100-Spiele-Marke. Aus diesem Anlass hat sich Udo Muras mit Benno Möhlmann unterhalten. Der aktuelle Trainer des FSV Frankfurt hat für beide Klubs gespielt und war nach seiner Karriere auch Trainer des HSV.

DFB.de: Herr Möhlmann, zum 100. Mal heißt es am Samstag Werder gegen HSV. Kommen Sie drauf, wie oft Sie dabei waren? Wir wissen es…

Benno Möhlmann: Haben Sie auch meine Zeit als Co-Trainer beim HSV berücksichtigt?

DFB.de: Ehrlich gesagt nicht.

Möhlmann: Sollten Sie aber. In der Funktion habe ich das Drama um Ditmar Jakobs erlebt, der sich 1989 an einem Karabinerhaken verfing, was letztlich sein Karriereende bedeutete. Zu Ihrer Frage: 20 Derbys werden es schon gewesen sein.

DFB.de: Respekt. Es waren 22, 15 als Spieler, sieben als Trainer. An welches haben Sie ganz spezielle Erinnerungen?

Möhlmann: Zum Beispiel an mein erstes Spiel in Hamburg in der Saison 1978/1979 – es war das einzige Derby, in dem ich nicht von Anfang an ran durfte. Wir lagen 0:2 hinten in Hamburg und haben noch 2:2 gespielt, da hab' ich ein Joker-Tor geschossen. Der HSV ist in der Saison Meister geworden.

DFB.de: Sicher erinnern Sie sich auch an ihr zweites und letztes Derby-Tor am 29. Januar 1983 – es war ein ganz besonderes Spiel.

Möhlmann: Sie meinen, weil damals die Riesen-Serie des HSV (36 Spiele unbesiegt; die Red.) riss?

DFB.de: Genau, der HSV-Rekord wurde erst in dieser Saison von den Bayern gebrochen. Werder gewann 3:2, Sie bereiteten das 2:0 von Frank Neubarth vor und schossen das entscheidende 3:1. Ernst Happel, der HSV-Trainer, bezeichnete ihr Tor als "Genickschlag".

Möhlmann: Sie werden lachen, aber ich hätte es nicht mehr gewusst. Wie habe ich das Tor denn gemacht?

DFB.de: Ich lache nicht, ich staune. Es war ein Flachschuss neben den rechten Pfosten von Torwart Uli Stein aus. "Joschi" Groh konnte Sie nicht mehr daran hindern, wie auf einem Foto zu erkennen ist.

Möhlmann: Ja, der war immer etwas langsam. (lacht) Ich kann nur allgemein sagen, dass ich zwischen 1982 und 1985 meine große Zeit hatte...

DFB.de: Wie stand es um die Rivalität? Damals war es nicht nur ein Derby, sondern auch ein Spitzenspiel.

Möhlmann: Sie war damals innerhalb der Mannschaften sicher noch ein Stück weit größer als heute, da die Spieler länger bei ihren Vereinen blieben und man sich Jahr für Jahr wieder sah. Und unser Trainer Otto Rehhagel hat auch immer darauf hingewiesen, dass diese Spiele gegen den HSV etwas Besonderes seien. Der HSV war in jener Epoche größer als wir, das muss man einfach sagen. Aber darin lag ja auch der sportliche Anreiz.

DFB.de: In der Saison 1982/1983 wurde der HSV nur dank der besseren Tordifferenz vor Werder Meister. Das wissen Sie aber schon noch?

Möhlmann: Sicher. Ich weiß auch noch, dass die Hamburger nach dem letzten Spiel auf Schalke auf dem Rückflug eine Ehrenrunde über dem Weserstadion gedreht haben. Solche Dinge halten die Rivalität am Leben.

DFB.de: Als Werder dann doch mal Meister wurde, waren Sie gerade beim HSV. Wie ärgerlich war das denn?

Möhlmann: Ich bin im Oktober 1987 nach Hamburg gewechselt, weil ich bei Werder nach diversen Verletzungen nicht mehr so zum Zug kam. Es gab zwei Angebote: eines aus Bochum, eines aus Hamburg.

DFB.de: Da fiel die Wahl doch wohl ziemlich leicht?

Möhlmann: Es gab letztlich keine, denn als Werder noch eine Ablösesumme wollte, zogen sich die Bochumer zurück. Und ich wiederum war im Zweifel, ob es klug sei, als einstiger Werder-Kapitän zum HSV zu gehen. Aber es gab zum Glück nie Anfeindungen.

DFB.de: Rein sportlich haben Sie das aber prompt bereut, als Werder im Mai 1988 die Meisterschaft feierte, oder?

Möhlmann: Wir waren an dem Tag in Bremen und haben 4:1 gewonnen – Werder war ja schon durch. Das war dann schon ein komisches Gefühl für mich. Aber weil ich in der Vorrunde noch einen Einsatz für Werder hatte, wurde mir immerhin auch eine Kopie der Meisterschale nach Hause geschickt.

DFB.de: Als Trainer des HSV standen Sie bei einer weiteren Werder-Meisterschaft Pate. Sie wissen schon, 1993 – das 0:5.

Möhlmann: Ach die Geschichte, da wollten mir die Bayern noch was anhängen.

DFB.de: Erzählen Sie!

Möhlmann: Es war der 33. Spieltag, Bayern und Werder waren punktgleich vorne. Wir mussten mit dem HSV in Bremen spielen. Beim Warmmachen hat sich Stammkeeper Richard Golz verletzt und ich musste Reservist Niels Bahr aufstellen. Der hat dann bei einem abgefälschten Ball sehr unglücklich ausgesehen. Uns wurde unterstellt, wir hätten den Bremern geholfen, weil ich eine Werder-Vergangenheit hatte.

DFB.de: Bayern-Vize Karl-Heinz Rummenigge sprach von "einer miesen norddeutschen Provinz-Posse" und auch sonst hagelte es Kritik ob der HSV-Leistung.

Möhlmann: Ich weiß noch, dass Armin Eck eine Riesenchance vergeben hat. Der kam von Bayern und hat das bestimmt nicht extra gemacht.

DFB.de: Bei der heutigen Rivalität würde ja niemand mehr annehmen, dass der eine Nord-Klub dem anderen helfen würde. Zumal beide Konkurrenten im Abstiegskampf sind. Wenn Sie entscheiden müssten, welcher der beiden Klubs drinbleiben dürfte – was würden Sie sagen.

Möhlmann: Nee, nee, nicht mit mir. Ich wünsche mir von Herzen, dass beide Klubs in der Bundesliga bleiben. Ich gebe aber zu, wenn ich im Stadion säße, würde ich mehr zu Werder halten. Schließlich lebe ich immer noch in Bremen und meine Kinder haben alle für Werder gespielt – auch die Töchter!

Benno Möhlmann (59) spielte von 1978 bis 1987 für Werder Bremen (255 Mal) in der Bundesliga und ließ seine Karriere beim HSV (25 Einsätze zwischen 1987 und 1988) ausklingen. Dort war er vom 23. September 1992 bis 5. Oktober 1995 Cheftrainer.