Meyer: "Perspektiven sind glänzend"

DFB.de: Andere Stimmen haben nach dem Spiel vor Euphorie gewarnt und angemerkt, dass es "nur" gegen Australien ging.

Meyer: Dies ist etwas, was typisch deutsch ist. Wir zeigen berauschenden Fußball - und dann sagen alle: Das war ja nur gegen Australien. Was ist denn danach passiert? In den nächsten beiden Spielen war Australien schon lange nicht mehr so blind, wie es gegen uns gewirkt hat. Wir sahen nicht deshalb so gut aus, weil Australien so schlecht war - Australien sah schlecht aus, weil wir so gut waren. Das gilt im Übrigen auch für die beiden anderen Gruppenspiele.

DFB.de: Trotz der Niederlage gegen Serbien?

Meyer: Das Spiel war ja nur vom Ergebnis schlecht. Ein Spiel wie gegen Serbien kann immer passieren. Dass du einen Spieler verlierst, einen Elfmeter verschießt und dann gegen einen führenden Gegner vergeblich anrennst. Spanien hat auch gegen die Schweiz verloren. Das Spiel lief halt unglücklich. Und trotzdem war die Leistung insgesamt gut.

DFB.de: Gegen Ghana hat das Ergebnis gestimmt, aber - so sagen viele - die Leistung nicht.

Meyer: Das sehe ich anders. Ich schätze dieses Spiel viel höher ein als viele andere. Wir haben verdient gewonnen. Gegen einen guten Gegner mit sehr guten Einzelspielern, der nicht umsonst die Vorrunde überstanden hat. Es war übrigens das erste Spiel mit Riesenbedeutung, ein Remis hätte das Aus bedeuten können, da spielen auch erfahrenere Teams nicht frei und locker. Die Vorrunde insgesamt war sehr überzeugend. Gerade wenn man bedenkt, mit welchen Schwierigkeiten Joachim Löw in der Vorbereitung zu kämpfen gehabt hatte.

DFB.de: Zum Beispiel die Verletzungen von Simon Rolfes, Rene Adler, Christian Träsch, Heiko Westermann und Michael Ballack.

Meyer: Ja, aber nicht nur. Lukas Podolski ist nach einer schwierigen Saison zum Team gestoßen, auch Miroslav Klose, Arne Friedrich ist mit Hertha abgestiegen. Und dann spielt diese Mannschaft mit diesen Spielern so ein Turnier. Das ist eine Leistung, die man nicht hoch genug anrechnen kann. Joachim Löw hat einmal mehr bewiesen, dass er in der Lage ist, aus der Mannschaft in der Vorbereitung alles herauszukitzeln und jeden einzelnen Spieler zum Turnier an die Spitze seines Leistungsniveaus zu bringen.



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Mehr als vier Jahrzehnte hat Hans Meyer als Fußballtrainer im In- und Ausland gearbeitet. In Deutschland war der 67-Jährige zuletzt bei Borussia Mönchengladbach aktiv. Die WM in Südafrika hat er vor Ort als Fan und Experte verfolgt.

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke schwärmt Meyer vom Spiel der deutschen Nationalmannschaft und begrüßt die Verlängerung der Zusammenarbeit mit Bundestrainer Joachim Löw.

DFB.de: Herr Meyer, der Vertrag mit Joachim Löw wurde um zwei Jahre verlängert. Wie schätzen Sie seine Arbeit ein?

Hans Meyer: Was Joachim Löw für den deutschen Fußball leistet, ist fantastisch. Die Entscheidung, die Zusammenarbeit fortzusetzen, ist für mich deswegen nur logisch. Der Trainer hat die Mannschaft in die Weltspitze geführt, also ist es nur konsequent, dass er seinen Weg jetzt weiter gehen darf.

DFB.de: Direkt nach der WM haben Sie sich geradezu euphorisch über die Leistungen der deutschen Mannschaft geäußert. Gut eine Woche nach dem Finale - was bleibt für Sie von der Weltmeisterschaft in Südafrika?

Meyer: Ganz viel Begeisterung, zahlreiche tolle Erlebnisse und große Freude über die Auftritte der deutschen Mannschaft.

DFB.de: Welches Spiel hat Ihnen am besten gefallen?

Meyer: Das ist schwer zu sagen. Die WM war in ihrer Gesamtheit aus deutscher Sicht beeindruckend. Es ging gegen Australien los. Schon da hat die Mannschaft fantastischen Fußball gespielt. Es war ein glänzendes Spiel mit einer guten Raumaufteilung, mit einer guten Aufgabenverteilung zwischen und in den einzelnen Mannschaftsteilen. Wir haben aktiv gespielt, wir haben das Spiel dominiert und schnell und sicher kombiniert. Ich habe deshalb direkt nach dem Spiel gesagt, dass die Leistung dieser jungen Mannschaft so überzeugend war, dass mir um die Zukunft des deutschen Fußballs nicht bange ist.

DFB.de: Andere Stimmen haben nach dem Spiel vor Euphorie gewarnt und angemerkt, dass es "nur" gegen Australien ging.

Meyer: Dies ist etwas, was typisch deutsch ist. Wir zeigen berauschenden Fußball - und dann sagen alle: Das war ja nur gegen Australien. Was ist denn danach passiert? In den nächsten beiden Spielen war Australien schon lange nicht mehr so blind, wie es gegen uns gewirkt hat. Wir sahen nicht deshalb so gut aus, weil Australien so schlecht war - Australien sah schlecht aus, weil wir so gut waren. Das gilt im Übrigen auch für die beiden anderen Gruppenspiele.

DFB.de: Trotz der Niederlage gegen Serbien?

Meyer: Das Spiel war ja nur vom Ergebnis schlecht. Ein Spiel wie gegen Serbien kann immer passieren. Dass du einen Spieler verlierst, einen Elfmeter verschießt und dann gegen einen führenden Gegner vergeblich anrennst. Spanien hat auch gegen die Schweiz verloren. Das Spiel lief halt unglücklich. Und trotzdem war die Leistung insgesamt gut.

DFB.de: Gegen Ghana hat das Ergebnis gestimmt, aber - so sagen viele - die Leistung nicht.

Meyer: Das sehe ich anders. Ich schätze dieses Spiel viel höher ein als viele andere. Wir haben verdient gewonnen. Gegen einen guten Gegner mit sehr guten Einzelspielern, der nicht umsonst die Vorrunde überstanden hat. Es war übrigens das erste Spiel mit Riesenbedeutung, ein Remis hätte das Aus bedeuten können, da spielen auch erfahrenere Teams nicht frei und locker. Die Vorrunde insgesamt war sehr überzeugend. Gerade wenn man bedenkt, mit welchen Schwierigkeiten Joachim Löw in der Vorbereitung zu kämpfen gehabt hatte.

DFB.de: Zum Beispiel die Verletzungen von Simon Rolfes, Rene Adler, Christian Träsch, Heiko Westermann und Michael Ballack.

Meyer: Ja, aber nicht nur. Lukas Podolski ist nach einer schwierigen Saison zum Team gestoßen, auch Miroslav Klose, Arne Friedrich ist mit Hertha abgestiegen. Und dann spielt diese Mannschaft mit diesen Spielern so ein Turnier. Das ist eine Leistung, die man nicht hoch genug anrechnen kann. Joachim Löw hat einmal mehr bewiesen, dass er in der Lage ist, aus der Mannschaft in der Vorbereitung alles herauszukitzeln und jeden einzelnen Spieler zum Turnier an die Spitze seines Leistungsniveaus zu bringen.

DFB.de: Sie haben wiederholt geäußert, dass der Einfluss der Trainer generell überschätzt wird. Gilt dies auch für Nationalmannschaften? Ist nicht gerade das 4:0 gegen Argentinien auch ein Sieg von Löw über Diego Maradona?

Meyer: Das mit der Überschätzung erwähne ich doch auch immer nur nach Niederlagen. Aber im Ernst: Wenn wir von Maradona sprechen, dann bekomme ich glänzende Augen, wenn ich mich an ihn als Fußballspieler erinnere. Aber ich glaube, dass Jogi Löw sich mehr freut, wenn er sich gegen einen Trainer wie Fabio Capello durchsetzt, der nachgewiesen hat, dass er als Trainer etwas Großes geleistet hat. Ich habe vor dem Turnier gesagt, dass Argentinien mit diesen Individualisten in der Lage ist, Weltmeister zu werden. Aber ich habe immer angefügt: trotz Maradona. Ich denke, dass der Jogi stolz sein kann, Argentinien geschlagen zu haben. Aber ich glaube nicht, dass sein Herz so klein ist, dass er sich freut, den Trainer Maradona geschlagen zu haben.

DFB.de: Ein Markenzeichen der Mannschaft in Südafrika war die Jugend des Teams. Wie viel davon hat man dem deutschen Spiel angesehen?

Meyer: Wenn man davon ausgeht, dass die Jugend erfrischend, laufstark, unbekümmert, selbstbewusst und kämpferisch stark agiert, dann hat man der Spielweise der Mannschaft ihre Jugend angemerkt. Ich weiß aber nicht, ob man diese Attribute wirklich zwingend der Jugend zuschreiben muss. Ich habe immer gesagt - und dabei bleibe ich -, dass nicht jung oder alt, sondern gut oder schlecht, wichtig ist. Diese Mannschaft hat viele junge Spieler. Sie spielen aber nicht, weil sie jung sind, sondern weil sie trotz ihrer Jugend schon so gut sind, dass sie zu den Besten in Deutschland gehören. Die Jugend darf kein Selbstzweck sein, entscheidend muss immer die Leistung sein.

DFB.de: Die Tendenz zu jungen Mannschaften ist also keine Erkenntnis der WM. Gibt es denn sonst Erkenntnisse des Turniers in Südafrika?

Meyer: Es haben sich ein paar Entwicklungen gefestigt. Zum Beispiel die, dass nach wie vor in Europa und Südamerika der beste und erfolgreichste Fußball gespielt wird. Südamerika war mit vier Teilnehmern unter den letzten acht, Europa mit drei Teilnehmern unter den letzten vier Mannschaften.

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DFB.de: Die im Vorfeld gehandelten Stars wie Ronaldo, Messi und Kaka kamen wenig zur Geltung. Ist eine Erkenntnis der WM auch, dass sich die besten Teams durchgesetzt haben und nicht die Mannschaften mit den besten Einzelspielern?

Meyer: Das war schon immer so. Das ist keine neue Erkenntnis, sie hat sich nur bestätigt. Weltmeister werden in der Regel die Mannschaften, die A genügend Individualisten in ihren Reihen haben und B als Team funktionieren. Ein Messi kann zwar Großes leisten, er ist immer wieder in der Lage, Szenen zu haben, die das Publikum begeistern, Szenen für den Fußball-Liebhaber. Aber es geht um den Erfolg eines Teams, und da wird es sehr oft so sein, dass eine geschlossene Mannschaft über eine Ansammlung von Individualisten triumphiert. Deutschland ist 1954 Weltmeister geworden gegen eine Mannschaft wie die Ungarn, die ihnen individuell deutlich überlegen war.

DFB.de: Wie groß ist der Anteil von Joachim Löw an den Erfolgen der Nationalmannschaft?

Meyer: Der Deutsche Fußball-Bund hat mit Joachim Löw einen Trainer, der mittlerweile seit sechs Jahren für die Mannschaft mitverantwortlich beziehungsweise verantwortlich ist. Zusammen mit Jürgen Klinsmann hat Löw von Beginn dieser Ära an versucht, seine Vorstellungen vom Fußball durchzusetzen. Das war gleich im ersten Spiel ihrer Zusammenarbeit im August 2004 beim 3:1 in Österreich zu sehen. Ich weiß noch, wie ich damals vom Fernseher aufgestanden bin und gesagt habe: "Das war der Versuch, anderen Fußball zuspielen." Wir haben nicht abgewartet, wir haben nach vorne verteidigt, wir haben versucht, schneller in die Tiefe zu spielen. Die Mannschaft hat sich seitdem entwickelt. Der dritte Platz, aber vor allem die recht stabile Art, eine moderne und attraktive Spielweise durchzubringen, war eine neue Qualität. Unsere Fußballzukunft ist interessant und gibt Anlass zur Hoffnung.

DFB.de: Auch weil die Mannschaft über viele junge Spieler verfügt?

Meyer: Ja. Ich habe vorhin gesagt, dass es unwichtig ist, ob ein Spieler jung oder alt ist. Das stimmt natürlich nur für die aktuelle Leistung. Für den deutschen Fußball ist es natürlich toll, dass der Großteil unserer Nationalspieler jung ist. Bleiben sie trainierbar, demütig und arbeiten weiter hart an sich, können sie über einen langen Zeitraum ihre Leistungen für Deutschland bringen. Für diese Entwicklung muss man dem DFB insgesamt, muss man Jogi Löw und seinem Team, muss man Matthias Sammer und der ganzen Nachwuchsabteilung, muss man den Klubtrainern für ihre gewissenhafte Vorbereitung der Spieler ein Riesenkompliment machen. Ohne diese Arbeit wäre es nicht möglich, dass wir beispielsweise mit Özil, Khedira, Boateng, Müller, Badstuber solche Spieler haben, die den Übergang vom Junioren- in den Männerbereich nahtlos schaffen. Das ist der Unterschied zu früher. Die Spieler sind mittlerweile in der Jugend so gut ausgebildet, dass sie schneller in der Lage sind, sich auch bei den Großen durchzusetzen.

DFB.de: Sie sind also zuversichtlich, dass die Leistungen in Südafrika künftig der Standard der Nationalmannschaft sein werden?

Meyer: Ja. Wir haben in allen Bereichen Spieler mit einer großen Zukunft. Spieler, die schon jetzt - wie Schweinsteiger und Lahm - oder künftig zur absoluten Weltklasse zählen können. Dazu haben wir mit Joachim Löw einen Trainer, der die Spieler kennt und gut führen kann. Deswegen sind die Perspektiven glänzend.