Meyer: "Fußball über 40 wirkt lebensverlängernd"

DFB.de: Wie haben sich die älteren Herren denn beim Ausdauertest geschlagen?

Meyer: (lacht)Viel schlechter als unsere Nationalspieler, das liegt in der Natur der Sache. Aber Spaß beiseite - ich meine schon, dass die Ergebnisse etwas besser sein könnten. Das Spiel am Sonntag und alle drei Wochen vielleicht mal eine Trainingseinheit reichen als Reiz eben nicht, um die Ausdauer auf einem wünschenswerten Niveau zu halten. Insbesondere in dieser Hinsicht wäre aber aus medizinischer Sicht ein effektiveres Trainings vorteilhaft.

DFB.de: Was besonders wollten Sie mit der Studie ermitteln?

Meyer: In so einer Gruppe sind Krankheiten weitaus wahrscheinlicher als im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. In einer Beobachtungsgruppe von 100 Fußballern zwischen 40 und 60 Jahren haben einige Spieler auch Herz-Kreislauferkrankungen. Durch Sport und damit auch durch Fußball können sie sich vielleicht sogar gefährden, insbesondere wenn sie von ihrer Vorerkrankung nichts wissen und Warnzeichen ignorieren - beispielsweise Schmerzen oder ein Engegefühl in der Brust oder unklare Bewusstlosigkeiten. Wir wollten genauer wissen, ob und wie der Fußball die Gesundheit älterer Spieler fördert, aber auch wie groß das Gefährdungspotenzial einzuschätzen ist.

DFB.de: Sind nicht Schwimmen oder Nordic Walking aufgrund der geringeren Belastung für die Knochen gesündere Sportarten für Ältere?

Meyer: Dahinter steckt der Gedanke, Körperstrukturen immer dann zu schonen, wenn die Leistungsfähigkeit abnimmt oder Beschwerden auftreten. Ideal ist eine angemessene Belastung, nachdem akute Beschwerden abgeklungen sind. Sonst könnte man ja Älteren relativ pauschal empfehlen, es sich im Sessel schön bequem zu machen. Nein, diese Denkweise ist veraltet, das sieht die Medizin heute anders.

DFB.de: Was bedeutet das?

Meyer:Das Problem beim Fußball für ältere Spieler ist ein anderes: Durch den direkten Wettbewerb auf dem Feld kann man die Beanspruchung des einzelnen Spielers nicht kontrollieren. Weder Trainer noch Arzt können einen Spieler erfolgreich instruieren, beispielsweise nie über einen Pulsschlag von 150 hinauszugehen. Eine solche Kontrolle fällt mit den heutigen technischen Mitteln beim Joggen sicher leichter. Die häufigste Erkrankung in der Altersgruppe der Altherren-Fußballer ist die koronare Herzerkrankung, also die Verkalkung der Herzkranzgefässe. Ab einem bestimmten Puls ist bei solchen Patienten häufig die Durchblutung des Herzmuskels nicht mehr ideal. Derart Erkrankte sollten möglichst identifiziert und behandelt, zumindest aber im Hinblick auf gesundheitsförderliche körperliche Aktivität beraten werden. Dann wird es auch einzelne Personen geben, denen man vom Fußball abraten muss.



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Normalerweise betreut er die Besten der Besten. Seine Schützlinge legen die 40-Meter-Sprintdistanz weit unter fünf Sekunden zurück, laufen in 90 Minuten an die zehn Kilometer oder mehr, springen aus dem Stand fast einen Meter hoch.

Professor Dr. Tim Meyer ist Arzt der deutschen Nationalmannschaft und damit verantwortlich für die leistungsdiagnostischen Untersuchungen des Teams. In den vergangenen Wochen beobachtete er ganz andere Probanden. Die meisten sprinten im Spiel einfach nicht über eine Distanz von 40 Metern.

Meyer hat als Professor der Universität Saarland eine Studie über den "Fußball im Altherrenbereich" vorangetrieben, die noch im Herbst veröffentlicht wird. Hundert Spieler zwischen 40- und 60 Jahren wurden beobachtet. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass der Fußball für über 40-Jährige immer wichtiger wird. An diesem Wochenende gewann Hertha BSC Berlin den DFB-Ü 40-Cup - ein Turnier, zu dem der DFB schon seit 2007 Deutschlands beste Altherrenteams nach Berlin einlädt.

"Unsere Gesellschaft wird älter, als Folge steigen gewiss auch die Zahlen der Altherren-Fußballer. Aber der vorliegende Kenntnisstand war unbefriedigend, wir wussten schlicht zu wenig über den Fußball für Ältere", erklärt Meyer im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Thomas Hackbarth, in dem er auch wichtige Tipps für die Fußballer in der zweiten Lebenshälfte parat hat.

DFB.de: Prof. Dr. Meyer, Sie haben gerade die Studie "Prävention durch Fußball im Altherrenbereich" durchgeführt. Wer hat Sie auf die Idee gebracht?

Prof. Dr. Tim Meyer: Der Anstoß kam aus dem Deutschen Fußball-Bund. Für uns als Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes bot sich die Gelegenheit, zwei Schwerpunkte unserer Forschung, den Fußball und den Gesundheitssport, zusammenzubringen. Unsere Gesellschaft wird älter, als Folge steigen gewiss auch die Zahlen der Altherren-Fußballer. Aber der vorliegende Kenntnisstand war unbefriedigend, wir wussten schlicht zu wenig über den Fußball für Ältere. Wie wirkt er sich gesundheitlich aus, welche Risiken bestehen vielleicht? Welche Regeln sollten wie für welche Altersklasse angepasst werden? Solche Aspekte wollen wir genauer untersuchen.

DFB.de: Und wie sind Sie das angegangen?

Meyer: Wir haben hundert Altherrenfußballer im Saarland rekrutiert, etwa die Hälfte zwischen 40 und 50 Jahren, die anderen zwischen 50 und 60 Jahren. Auch bei Kriterien wie etwa der Stadt-Land-Verteilung achteten wir auf eine möglichst repräsentative Gruppe. Im Institut unterzog sich jeder Proband einem ausführlichen Gesundheitscheck. Dann folgte ein Ausdauertest, übrigens sehr ähnlich zu dem, den die Nationalspieler absolvieren müssen. Schließlich haben wir jeden Teilnehmer im Training besucht und bei einem Spiel seiner Mannschaft beobachtet.

DFB.de: Wie haben sich die älteren Herren denn beim Ausdauertest geschlagen?

Meyer: (lacht)Viel schlechter als unsere Nationalspieler, das liegt in der Natur der Sache. Aber Spaß beiseite - ich meine schon, dass die Ergebnisse etwas besser sein könnten. Das Spiel am Sonntag und alle drei Wochen vielleicht mal eine Trainingseinheit reichen als Reiz eben nicht, um die Ausdauer auf einem wünschenswerten Niveau zu halten. Insbesondere in dieser Hinsicht wäre aber aus medizinischer Sicht ein effektiveres Trainings vorteilhaft.

DFB.de: Was besonders wollten Sie mit der Studie ermitteln?

Meyer: In so einer Gruppe sind Krankheiten weitaus wahrscheinlicher als im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. In einer Beobachtungsgruppe von 100 Fußballern zwischen 40 und 60 Jahren haben einige Spieler auch Herz-Kreislauferkrankungen. Durch Sport und damit auch durch Fußball können sie sich vielleicht sogar gefährden, insbesondere wenn sie von ihrer Vorerkrankung nichts wissen und Warnzeichen ignorieren - beispielsweise Schmerzen oder ein Engegefühl in der Brust oder unklare Bewusstlosigkeiten. Wir wollten genauer wissen, ob und wie der Fußball die Gesundheit älterer Spieler fördert, aber auch wie groß das Gefährdungspotenzial einzuschätzen ist.

DFB.de: Sind nicht Schwimmen oder Nordic Walking aufgrund der geringeren Belastung für die Knochen gesündere Sportarten für Ältere?

Meyer: Dahinter steckt der Gedanke, Körperstrukturen immer dann zu schonen, wenn die Leistungsfähigkeit abnimmt oder Beschwerden auftreten. Ideal ist eine angemessene Belastung, nachdem akute Beschwerden abgeklungen sind. Sonst könnte man ja Älteren relativ pauschal empfehlen, es sich im Sessel schön bequem zu machen. Nein, diese Denkweise ist veraltet, das sieht die Medizin heute anders.

DFB.de: Was bedeutet das?

Meyer:Das Problem beim Fußball für ältere Spieler ist ein anderes: Durch den direkten Wettbewerb auf dem Feld kann man die Beanspruchung des einzelnen Spielers nicht kontrollieren. Weder Trainer noch Arzt können einen Spieler erfolgreich instruieren, beispielsweise nie über einen Pulsschlag von 150 hinauszugehen. Eine solche Kontrolle fällt mit den heutigen technischen Mitteln beim Joggen sicher leichter. Die häufigste Erkrankung in der Altersgruppe der Altherren-Fußballer ist die koronare Herzerkrankung, also die Verkalkung der Herzkranzgefässe. Ab einem bestimmten Puls ist bei solchen Patienten häufig die Durchblutung des Herzmuskels nicht mehr ideal. Derart Erkrankte sollten möglichst identifiziert und behandelt, zumindest aber im Hinblick auf gesundheitsförderliche körperliche Aktivität beraten werden. Dann wird es auch einzelne Personen geben, denen man vom Fußball abraten muss.

DFB.de: Ist die Prävention bei den Vereinen ausreichend?

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Meyer: Mit Abschluss der Studie im Herbst sollten wir Daten vorliegen haben, wie häufig eine gesundheitliche Gefährdung bei Altherren-Fußballspielern vorliegt. Einen verpflichtenden Gesundheits-Check gibt es zwar im Profibereich. Bei den Alten Herren im Amateurbereich wird es aber schwierig. Die Vereine dürfte man finanziell damit kaum belasten können, die Krankenkassen werden hier auch nicht ohne Weiteres über den normalen Check up hinaus zahlen. Einiges wird wohl zunächst der Eigeninitiative überlassen bleiben.

DFB.de: Beim DFB-Ü 40-Cup wird generell mit einem Grätschverbot gespielt. Stimmen Sie zu?

Meyer: Das ist schon der Altersklasse angemessen.

DFB.de: Sollten sich ältere Fußballer länger aufwärmen?

Meyer: Sie sollten es zunächst einmal überhaupt tun. Wir haben im Rahmen der Studie gelegentlich beobachtet, dass Trainingseinheiten so begannen: Ball in die Mitte, und los geht´s. Die meisten Fußballer vermuten als Zweck des Aufwärmens allein die Verletzungsvermeidung, dabei ist wohl viel entscheidender, das Herz-Kreislaufsystem auf Touren zu bringen und auf die Belastung vorzubereiten.

DFB.de: Wir haben jetzt ausgiebig über Risiken gesprochen. Wo liegen denn die positiven Auswirkungen des Fußballspielens im Alter?

Meyer: Der Motivationscharakter des Fußballs kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wir haben dies sehr deutlich in einer Studie an übergewichtigen Kindern gemerkt, die wir im Frühjahr veröffentlicht haben. Viele Menschen würden wahrscheinlich gar keinen Sport treiben, wenn man ihnen aus irgendeinem Grund das Fußballspielen verbietet. Generell ist regelmäßiger, angemessener Sport für Menschen jenseits der 40 sehr wünschenswert. Dadurch verbessern sich erwiesenermaßen Risikofaktoren, letztlich wirkt der Sport lebensverlängernd. Ich bin ja selbst "Altherren-Fußballer". Aus Zeitgründen muss ich oft Joggen gehen, aber ganz ehrlich, viel lieber spiele ich Fußball.

DFB.de: Wie schaut es bei den Profis aus: Wie verändert sich das Fußballerleben eines Nationalspielers nach dem 35. oder 40. Geburtstag?

Meyer: Manche hören als Profi auf und nehmen abrupt zu. Viele wollen einfach nicht im normalen Altherrenbereich spielen, denn dort fühlen sie sich völlig unterfordert. Die Gefahren sind aber im Grunde die gleichen, denn nur weil man bis zum 33. Geburtstag in der Bundesliga gespielt hat, ist man nicht gefeit gegen die koronare Herzerkrankung.

DFB.de: Und wer war der fitteste alte Spieler?

Meyer: Jürgen Klinsmann war schon unheimlich fit.