Metzelder: "Hier bin auch ich wieder Fan"

Für Christoph Metzelder ist es die Rückkehr zu den Wurzeln. Er wurde 2002 mit der deutschen Nationalmannschaft Vizeweltmeister. Er spielte für Borussia Dortmund, Real Madrid und den FC Schalke 04. Jetzt, mit 32 Jahren und nach dem Ende der Profikarriere, trägt Metzelder noch einmal das Trikot seines Heimatvereins TuS Haltern in der Landesliga Westfalen.

Metzelder ist ein Fan des Amateurfußballs. Bereits seit Jahren engagiert er sich für den TuS Haltern. In seinem neuen Job als Geschäftsführer einer Sportagentur begleitet er auch die Imagekampagne des DFB für den Amateurfußball, die im Oktober startet. Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Jochen Breideband redet Christoph Metzelder über die Faszination des Fußballs an der Basis, alte Privilegien, wiederentdeckte Fangefühle und die Kritik an deutschen Abwehrspielern.

DFB.de: Das erste Pokalspiel und das erste Punktspiel in der Landesliga liegen hinter Ihnen. Hatten Sie ein bisschen Lampenfieber, Herr Metzelder?

Christoph Metzelder: Na klar. Aber ich bin ja schon ein paar Wochen dabei. Es macht riesigen Spaß. Im Pokal war es ein bisschen mühsam, ein 3:2-Sieg. Beim Punktspielauftakt am Sonntag musste ich leider wegen einer Fußverletzung aussetzen. Aber wichtig ist, dass die Mannschaft mit 2:1 in Hamm gewonnen hat.

DFB.de: Wie groß ist die Umstellung für Sie?

Metzelder: Entscheidend ist die innere Einstellung. Ich weiß, dass ich mich nicht mehr im Profifußball bewege. Ich weiß, dass ich meine Tasche packen, mit dem Privatauto zum Spiel fahren und meine Sachen selbst waschen muss. Es ist kein Problem für mich, dass die Annehmlichkeiten des Profifußballs weg sind. Besonders schön ist, dass ich jetzt mehr am kreativen Teil des Spiels teilnehme, weil ich im Mittelfeld als Sechser oder Achter spiele.

DFB.de: Der Profifußball als eigene Welt, die in vielen Bereichen wenig mit dem realen Leben zu tun hat: Tatsache oder Klischee?

Metzelder: Nein, kein Klischee. Das ist definitiv so. Der Profifußball ist ein riesiges Geschäft geworden. Ich will darüber gar nicht klagen. Ich hatte als Profi viele tolle Momente. Die Protagonisten profitieren von dieser Entwicklung, verdienen viel Geld. Ich sehe nur die Gefahr, dass die Menschen irgendwann von der Tribüne oder vom Fernseher auf den Platz schauen und mit den Spielern nichts mehr anfangen können. Das wäre fatal. Vereine und Spieler dürfen sich nicht zu weit von den Fans entfernen.



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Für Christoph Metzelder ist es die Rückkehr zu den Wurzeln. Er wurde 2002 mit der deutschen Nationalmannschaft Vizeweltmeister. Er spielte für Borussia Dortmund, Real Madrid und den FC Schalke 04. Jetzt, mit 32 Jahren und nach dem Ende der Profikarriere, trägt Metzelder noch einmal das Trikot seines Heimatvereins TuS Haltern in der Landesliga Westfalen.

Metzelder ist ein Fan des Amateurfußballs. Bereits seit Jahren engagiert er sich für den TuS Haltern. In seinem neuen Job als Geschäftsführer einer Sportagentur begleitet er auch die Imagekampagne des DFB für den Amateurfußball, die im Oktober startet. Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Jochen Breideband redet Christoph Metzelder über die Faszination des Fußballs an der Basis, alte Privilegien, wiederentdeckte Fangefühle und die Kritik an deutschen Abwehrspielern.

DFB.de: Das erste Pokalspiel und das erste Punktspiel in der Landesliga liegen hinter Ihnen. Hatten Sie ein bisschen Lampenfieber, Herr Metzelder?

Christoph Metzelder: Na klar. Aber ich bin ja schon ein paar Wochen dabei. Es macht riesigen Spaß. Im Pokal war es ein bisschen mühsam, ein 3:2-Sieg. Beim Punktspielauftakt am Sonntag musste ich leider wegen einer Fußverletzung aussetzen. Aber wichtig ist, dass die Mannschaft mit 2:1 in Hamm gewonnen hat.

DFB.de: Wie groß ist die Umstellung für Sie?

Metzelder: Entscheidend ist die innere Einstellung. Ich weiß, dass ich mich nicht mehr im Profifußball bewege. Ich weiß, dass ich meine Tasche packen, mit dem Privatauto zum Spiel fahren und meine Sachen selbst waschen muss. Es ist kein Problem für mich, dass die Annehmlichkeiten des Profifußballs weg sind. Besonders schön ist, dass ich jetzt mehr am kreativen Teil des Spiels teilnehme, weil ich im Mittelfeld als Sechser oder Achter spiele.

DFB.de: Der Profifußball als eigene Welt, die in vielen Bereichen wenig mit dem realen Leben zu tun hat: Tatsache oder Klischee?

Metzelder: Nein, kein Klischee. Das ist definitiv so. Der Profifußball ist ein riesiges Geschäft geworden. Ich will darüber gar nicht klagen. Ich hatte als Profi viele tolle Momente. Die Protagonisten profitieren von dieser Entwicklung, verdienen viel Geld. Ich sehe nur die Gefahr, dass die Menschen irgendwann von der Tribüne oder vom Fernseher auf den Platz schauen und mit den Spielern nichts mehr anfangen können. Das wäre fatal. Vereine und Spieler dürfen sich nicht zu weit von den Fans entfernen.

DFB.de: Wie wirkt man dem entgegen?

Metzelder: Es ist wichtig, den Spielern immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, welches Privileg sie mit ihrem Beruf genießen und dass sie die Menschen, die viel Zeit, Geld und Emotionen in den Fußball stecken, ernst nehmen. Ich bin kein Romantiker. Der Personenkult hat so zugenommen, dass ich verstehe, wenn sich die absoluten Superstars der Branche privat etwas abschotten. Meine Erfahrung hat mir aber gezeigt, dass es kleine Gesten sind, welche die Fans unendlich zu schätzen wissen.

DFB.de: Haben Sie sich während Ihrer Karriere immer ein Stück Distanz zum Profigeschäft bewahrt?

Metzelder: Ich habe stets versucht, den Blick über den Fußball hinaus zu werfen. Darum habe ich früh meine Stiftung für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche gegründet, darum habe ich wieder eine Bindung zum Amateurfußball aufgebaut. Mir war immer wichtig, den Blick für die Realität zu behalten.

DFB.de: Was fasziniert Sie am Amateurfußball?

Metzelder: Die Leidenschaft, das Zusammengehörigkeitsgefühl, der Spaß am Spiel stehen im Vordergrund. Als Profi verliert man irgendwann das Gefühl, Fan zu sein. Dann steht man irgendwann auf dem Platz, schaut auf die Tribüne und fragt sich, warum die Fans durch die ganze Republik reisen, um ein Spiel zu sehen. Als ich in der Westfalenliga zu Spielen des TuS Haltern mitgefahren bin, konnte ich es wieder nachvollziehen. Hier war und bin auch ich wieder Fan, leidenschaftlich und zutiefst subjektiv.

DFB.de: Sie engagieren sich schon seit längerem aktiv für Ihren Heimatverein.

Metzelder: Diese Bindung hat sich erst in den vergangenen Jahren wieder entwickelt. Kurioserweise hat das zu einem Zeitpunkt begonnen, als die räumliche Distanz am größten war, als ich bei Real Madrid gespielt habe. Ich habe damals die Aufenthalte in der Heimat sehr genossen, und so ist die Verbindung nach Haltern wieder stärker geworden. Kurze Zeit später haben wir das "Projekt TuS Haltern" gestartet, um den Verein voranzubringen.

DFB.de: Was kann der Profifußball vom Amateurfußball lernen?

Metzelder: Im Amateurbereich lernt man, wieder den Ursprung zu erkennen, weswegen man als Kind mit diesem Sport angefangen hat. Der Fußball wird hier als Spiel begriffen, die Gedanken kreisen nicht in erster Linie darum, Titel zu holen und Geld zu verdienen.

DFB.de: Und was können die Amateure von den Profis lernen?

Metzelder: Vieles ist nicht umsetzbar, weil im Profifußball auch abseits des Platzes bezahlte Kräfte arbeiten. Andere Erkenntnisse kann man herunterbrechen: Wir legen in Haltern zum Beispiel Wert auf die Lizenzierung der Trainer und ein einheitliches Auftreten. Auch ordentliche Plätze sind wichtig. Man kann durch gute Bedingungen in einem Amateurverein eine enorme Eigendynamik erzeugen.

DFB.de: Sie setzen sich für die Imagekampagne des DFB, die im Oktober startet, und damit für den Amateurfußball ein. Was überzeugt Sie daran?

Metzelder: Ich freue mich sehr, dass ich die Kampagne begleiten darf. Deswegen steckt da auch viel persönliches Herzblut drin. Ich halte es für ein wichtiges Signal, die Basis zu unterstützen. Dort beginnt jede große internationale Karriere. Entscheidend ist für die Kampagne, ehrlich und authentisch zu sein. Daher werden darin keine Profis auftauchen, die Kampagne gehört alleine den Amateuren.

DFB.de: Im Frühjahr haben Sie gesagt, dass Sie mit einem Comeback als Spieler in Haltern der Mannschaft keinen Gefallen tun würden. Jetzt spielen Sie doch in der Landesliga. Woher der Sinneswandel?

Metzelder: Weil es mir unheimlich viel Spaß macht. Wir haben eine Mannschaft im Umbruch und viele junge Spieler, die von meiner Erfahrung hoffentlich profitieren können.

DFB.de: Sind Sie für Ihre neuen Mitspieler der berühmte Ex-Nationalspieler Metzelder oder einfach "Metze"?

Metzelder: Ich bin "Metze". Da ich Mannschaft und Verein schon seit einiger Zeit unterstütze, nehmen mir die Jungs das auch ab. Für mich gelten in der Mannschaft dieselben Regeln wie für die anderen Spieler. Strafen in die Mannschaftskasse musste ich aber noch nicht zahlen, da war ich schon in meiner Profizeit sehr diszipliniert.

DFB.de: Haben Sie dafür schon Ihren Einstand gegeben?

Metzelder: Nein, noch nicht. Da wartet wohl ein besonderes Ritual. Ich bin selbst gespannt.

DFB.de: Fußball-Deutschland diskutiert gerade wieder über die Nationalmannschaft und Ihr Abwehrverhalten. Kommen Ihnen diese Diskussionen bekannt vor?

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Metzelder: Ja, gerade vor großen Turnieren werden immer wieder Zweifel laut, und dann tritt die deutsche Mannschaft doch stabil auf. Wir haben aktuell qualitativ unheimlich viele gute Spieler in der Abwehr. Es wird wichtig sein, dass Joachim Löw eine Formation in der Viererkette findet. Gerade in der Nationalmannschaft ist die Abstimmung nicht einfach zu finden, weil die Spieler aus verschiedenen Vereinen kommen und das Abwehrverhalten unterschiedlich interpretieren.

DFB.de: Wie haben Sie damals die Kritik und Zweifel vor der WM 2006 und der EM 2008 empfunden? Als Ansporn, als konstruktiven Diskussionsstoff, als unberechtigten Unfug?

Metzelder: Von allem etwas. Ich wusste, dass ich als Innenverteidiger auf einer Position spiele, auf der Fehler entscheidenden Charakter haben. Wichtig ist eine gute Gesprächskultur innerhalb der Mannschaft. Mit der Kritik muss man umzugehen lernen. Per Mertesacker und ich wurden in der Presse mal "Schleich und Schnarch" genannt. Von so etwas muss man sich freimachen, ich musste über diesen Namen sogar schmunzeln. Für einen Profi gehört Kritik zum Beruf, und dafür wird er auch sehr gut bezahlt. Schwieriger ist es oft für das Umfeld des Spielers. Ich habe meiner Familie immer gesagt: "Lest nicht so viel Zeitung - und wenn ihr es tut, lasst uns nicht darüber sprechen!"

DFB.de: Worauf sind Sie im Rückblick auf Ihre Karriere besonders stolz, was ragt heraus?

Metzelder: Die schönste Zeit war die WM 2006 im eigenen Land. Es war fantastisch, auf und außerhalb des Platzes. Ich bin für vieles dankbar. Auch die Rückschläge mit meiner langen Verletzungspause oder die sportlich eher unbefriedigende Zeit bei Real Madrid gehören zu mir und haben mich geformt. Auch meine Stiftung ist ein wichtiger Teil. Ich habe damit ganz bewusst früh begonnen.

DFB.de: Sie engagieren sich dort für Kinder und Jugendliche. Gibt es eine Episode, die Sie besonders berührt hat?

Metzelder: Wir hatten in den Herbstferien mal einen Projektbesuch in Gelsenkirchen mit Stadionführung und Besuch des Trainings beim FC Schalke. Am Ende hat ein Junge aus Essen zu mir gesagt: "Vielen Dank für diesen schönen Urlaub." Dieser Tag, gerade mal zehn Kilometer entfernt von Zuhause, war für ihn etwas so Besonderes. Da spürt man, dass die Lebenswirklichkeit eine völlig andere ist, und man lernt eine große Portion Demut.