"Matthias Sammer hat ein ganz starkes Zeichen gesetzt"

DFB.de: Sie haben 2005 das Leistungszentrum in Leverkusen übernommen. Was wurde seitdem erreicht?

Gelsdorf: Der Verein hat eine Menge Geld in die Hand genommen und dadurch viel bewegt. Wolfgang Holzhäuser und Rudi Völler haben ein offenes Ohr für die Jugendförderung. Im Sommer werden wir einen hauptamtlichen Psychologen für den Jugendbereich einstellen.

DFB.de: Wie hoch ist der Jahresetat für das Nachwuchs-Leistungszentrum in Leverkusen?

Gelsdorf: Ohne eine konkrete Zahl nennen zu wollen – er beträgt mehrere Millionen Euro.

DFB.de: Wie viele Spieler besuchen das Leverkusener Leistungszentrum?

Gelsdorf: Rund 160. Wir lassen unsere Jüngsten direkt in der B-Junioren-Bundesliga spielen, selbst auf die Gefahr hin, dass die es dort anfangs schwer haben und wir ein paar Spiele verlieren. Wir versuchen die Kader möglichst klein zu halten, um auf den einzelnen Spieler eingehen zu können.

DFB.de: Weil ihnen die nachhaltige Entwicklung des einzelnen Spielers wichtiger ist, als der kurzfristige mannschaftliche Erfolg?

Gelsdorf: Das sagen alle, aber zu einer individuellen Entwicklung gehört auch der Erfolg des Teams. Der Einzelne muss seine individuelle Entwicklung in die Gemeinschaft einbringen. Wir wollen den Jungs beibringen, dass man Fußball schon auch spielt, um zu gewinnen. Alles andere halte ich für verkehrt. In meinem Stab arbeiten 66 Leute, hauptberuflich oder ehrenamtlich. Wir werden daran gemessen, wie viele Spieler welcher Qualität wir für die erste Mannschaft ausbilden, das ist unser Lehrauftrag. Ganz sicher gelten zwei Eckpfeiler: Wir machen hier keinen Breitensport. Gleichzeitig verstehen wir, dass wir im Leistungszentrum keine Profis ausbilden können. Wir schaffen hier nur Voraussetzungen.



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Das Netz ist lückenlos, die Qualität international vorbildlich. Deutschlands fußballerischer Nachwuchs wird in 46 Leistungszentren und in 366 Stützpunkten systematisch gefördert. Das war nicht immer so. Als Reaktion auf das enttäuschende Abschneiden bei der EM ging im Jahr 2000 ein Ruck durch den Fußball in Deutschland.

In den Landesverbänden wurde der Ausbau der Stützpunkte forciert und die Lizenzvereine verpflichtet, Leistungszentren zu betreiben.

Neun Jahre sind seit vergangen, in denen der Deutsche Fußball-Bund rund 100 Millionen Euro für die Förderung des Nachwuchses ausgegeben hat. Das Jahresbudget eines einzigen Bundesliga-Leistungszentrums liegt im siebenstelligen Bereich, wie Jürgen Gelsdorf attestiert. Der 57-jährige ehemalige Profispieler und -trainer, der zwischen 1972 und 1986 für Arminia Bielefeld und Bayer Leverkusen 416 Bundesligaspiele bestritten hat, leitet seit 2005 Bayers Leistungszentrum. Anders als noch vor einem Jahrzehnt, und auch dank Jürgen Gelsdorf, hat der deutsche Fußball viele spielstarke Talente.

Anlässlich einer Tagung der Leistungszentren-Leiter in Frankfurt sprach DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth mit Jürgen Gelsdorf über die Nachwuchsarbeit in Deutschland.

DFB.de: Herr Gelsdorf, geht die Entwicklung bei der Förderung der Fußballtalente in Deutschland in die richtige Richtung?

Jürgen Gelsdorf: Ich denke, darüber gibt es keine zwei Meinungen. Der Aufbau der Leistungszentren wurde den Vereinen vor zehn Jahren aufgedrückt, aber heute will sicher kein Klub im bezahlten Fußball mehr auf sein Leistungszentrum verzichten.

DFB.de: Was hat sich konkret verbessert?

Gelsdorf: Vor 25 Jahren war ich einer von drei oder vier hauptamtlichen Jugendtrainern in Deutschland. Damals gab es Hermann Gerland und in Hamburg noch Rudi Kargus, das war’s schon fast. Man muss sich das nur mal vorstellen, 1990 wurde Deutschland zwar Weltmeister, aber im ganzen Land gab es vielleicht fünf hauptamtliche Jugendtrainer. Heute hat jedes einzelne Leistungszentrum rund zehn hauptamtliche Mitarbeiter. Heute arbeiten 400 hochqualifizierte Menschen tagtäglich im Jugendfußball. Die Entwicklung ist positiv und unverzichtbar.

DFB.de: Sie haben 2005 das Leistungszentrum in Leverkusen übernommen. Was wurde seitdem erreicht?

Gelsdorf: Der Verein hat eine Menge Geld in die Hand genommen und dadurch viel bewegt. Wolfgang Holzhäuser und Rudi Völler haben ein offenes Ohr für die Jugendförderung. Im Sommer werden wir einen hauptamtlichen Psychologen für den Jugendbereich einstellen.

DFB.de: Wie hoch ist der Jahresetat für das Nachwuchs-Leistungszentrum in Leverkusen?

Gelsdorf: Ohne eine konkrete Zahl nennen zu wollen – er beträgt mehrere Millionen Euro.

DFB.de: Wie viele Spieler besuchen das Leverkusener Leistungszentrum?

Gelsdorf: Rund 160. Wir lassen unsere Jüngsten direkt in der B-Junioren-Bundesliga spielen, selbst auf die Gefahr hin, dass die es dort anfangs schwer haben und wir ein paar Spiele verlieren. Wir versuchen die Kader möglichst klein zu halten, um auf den einzelnen Spieler eingehen zu können.

DFB.de: Weil ihnen die nachhaltige Entwicklung des einzelnen Spielers wichtiger ist, als der kurzfristige mannschaftliche Erfolg?

Gelsdorf: Das sagen alle, aber zu einer individuellen Entwicklung gehört auch der Erfolg des Teams. Der Einzelne muss seine individuelle Entwicklung in die Gemeinschaft einbringen. Wir wollen den Jungs beibringen, dass man Fußball schon auch spielt, um zu gewinnen. Alles andere halte ich für verkehrt. In meinem Stab arbeiten 66 Leute, hauptberuflich oder ehrenamtlich. Wir werden daran gemessen, wie viele Spieler welcher Qualität wir für die erste Mannschaft ausbilden, das ist unser Lehrauftrag. Ganz sicher gelten zwei Eckpfeiler: Wir machen hier keinen Breitensport. Gleichzeitig verstehen wir, dass wir im Leistungszentrum keine Profis ausbilden können. Wir schaffen hier nur Voraussetzungen.

DFB.de: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Junioren-Nationalmannschaften und mit dem übergeordneten DFB-Sportdirektor Matthias Sammer?

Gelsdorf: Wenn man sich vorstellt, dass ein ehemaliger Nationalspieler, Europas Fußballer des Jahres, der als junger Trainer Deutscher Meister wurde, danach in den Junioren-Bereich wechselte, ist das ein ganz starkes Zeichen und ein riesiger Gewinn für die Sache. Und dass Matthias beim deutschen Nachwuchs eine Menge angeschoben hat, ist an den wenigsten vorbeigegangen. Er hat die Dinge eindrucksvoll, mit Emotion und Leidenschaft, angepackt. Dazu ist er ein Fußballer, wir können fachlich miteinander reden.

DFB.de: Sie können auf 14 Jahre als Profispieler zurückblicken, anschließend waren Sie unter anderem Cheftrainer in Leverkusen, Mönchengladbach und Bochum. Seit 2005 kümmern Sie sich ausschließlich um den Nachwuchs. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?

Gelsdorf: Es ist ja manchmal witzig im Leben. Nach meiner Profikarriere wollte ich sicher nicht Bundesligatrainer werden. Ich war leidenschaftlich gerne Jugendtrainer. Dann bekam ich aber die Möglichkeit bei Bayer Leverkusen, die erste Mannschaft zu trainieren. Plötzlich sitzt man auf dem Karussell, man weiß gar nicht warum, aber es ist dann doch zwanzig Jahre zufriedenstellend für mich gelaufen. Rudi Völler holte mich als Scout zurück zu Bayer Leverkusen. Als Ralf Minge ging, sollte ich den Posten als Leiter des Leistungszentrums nur kommissarisch übernehmen. Es sind mittlerweile fünf Jahre geworden. Der Job macht mir nach wie vor großen Spaß, sicher auch, weil die Bedingungen in Leverkusen top sind. Die Akzeptanz auch seitens Völler und Holzhäuser für die Nachwuchsarbeit ist hundertprozentig vorhanden. Wenn ich gesund bleibe, möchte ich die Aufgabe noch ein paar Jahre schultern.

DFB.de: In der Bundesliga sind heute 15 Prozent der Spieler jünger als 21 Jahre alt. Das entspricht einer Verdopplung der Anzahl gegenüber 2001, als man begann, die Nachwuchsförderung auszubauen. Zufrieden mit dem Wert?

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Gelsdorf: Die Saison zeigt doch überdeutlich, wie wichtig die jungen Spieler sind. Bayern München ist völlig zurecht Deutscher Meister geworden. Die Bayern hatten mit Thomas Müller und Holger Badstuber zwei junge Spieler im Team, die bis zum Saisonabschluss auf ganz hohem Niveau gespielt haben, dahinter stehen noch Alaba und Contento. Der Bundesliga-Zweite ist mit 18- oder 19-jährigen Spielern angetreten, die hatte vor der Saison doch niemand auf der Rechnung – Joel Matip, Christoph Moritz und Lukas Schmitz etwa. Wenn ich in die 2. Bundesliga schaue, dann ist Nürnberg letzte Jahr mit drei Junioren-Europameistern aufgestiegen: Dennis Diekmeier und die von uns ausgeliehenen Marcel Risse und Stefan Reinartz. Auch beim FC St. Pauli, einem der diesjährigen Aufsteiger, spielen drei Europameister, nämlich Deniz Naki, Richard Sukuta-Pasu und Bastian Oczipka. Die jungen Spieler sind heute hervorragend ausgebildet. Sie sorgen für einen gewissen unbekümmerten Schwung und sind unersetzlich für jedes Mannschaftsgefüge.

DFB.de: Die Nationalmannschaft geht mit einem Schnitt von knapp über 25 Jahren ins Turnier.

Gelsdorf: Das macht mir keine Sorge, man kann den jungen Spielern Einiges zutrauen.

DFB.de: Wie wird die WM aus deutscher Sicht laufen?

Gelsdorf: Michael Ballack ist eine absolute Persönlichkeit. Er hat eine große Ausstrahlung und er wird unserer Mannschaft als Führungsspieler fehlen. Nur trotz aller Rückschläge in den vergangenen Wochen ist, meiner Meinung nach, die Zuversicht nicht gebrochen, nicht bei der Mannschaft und auch nicht bei den Fans in Deutschland. Wenn wir durch die Vorrunde kommen, ist mit dieser Mannschaft alles möglich.