Mario Götze: "Muss immer zielstrebig bleiben"

Die vergangene Saison war nicht einfach für Mario Götze. Der Nationalspieler fiel mit einer Schambeinentzündung für lange Zeit aus. In der Vorbereitung auf diese Spielzeit wurde er von einer Bindehautentzündung zurückgeworfen. Doch jetzt ist Götze zurück, auch wenn er beim BVB nur zu Kurzeinsätzen gekommen ist.

Die neue Saison begann für ihn dennoch verheißungsvoll, gleich im ersten Spiel gegen Werder Bremen erzielte er den Siegtreffer. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht er über seine Fitness, die Olympischen Spiele in London und sein ungeahntes Talent im Beachvolleyball.

team.dfb.de: Herr Götze sind Sie ein geduldiger Mensch?

Mario Götze: Eher weniger. Aber in der letzten Zeit musste ich einfach lernen, geduldig zu sein. Das Jahr war bisher ja nicht einfach für mich.

team.dfb.de: Wie schwer ist Ihnen die Untätigkeit gefallen, als Sie in Dortmund wegen der Schambeinentzündung nur zuschauen konnten?

Götze: Es ist nie einfach für einen Fußballer, wenn er nicht mitspielen kann. Man will ja dabei sein, vor allem, wenn man sieht, dass die Mannschaft richtig gut spielt und gewinnt. Für mich war das eine neue Erfahrung, es war ein Phase, die ich zum Glück hinter mich gebracht habe.

team.dfb.de: Außerhalb des Platzes wirken Sie sehr ruhig, sehr ausgeglichen, manchmal fast langsam. Eine übertriebene Eile strahlen Sie nicht aus. Was ändert sich, wenn Sie den Fußballplatz betreten?

Götze: Es ist schwierig, das zu beschreiben. Bei mir ist es so, dass ich alles um mich herum vergesse, wenn ich einen Fußballplatz betrete. Ich bin dann in einer komplett anderen Welt und habe ausschließlich den Fußball im Kopf.

team.dfb.de: Ansonsten haben Sie aber auch noch andere Sportarten im Kopf. Wie viel Zeit haben Sie in diesem Sommer vor dem Fernseher mit den Olympischen Spielen verbracht?

Götze: Olympia habe ich gesehen, klar. Vorher habe ich mir auch noch das EM-Finale angeschaut.

team.dfb.de: Tat das nicht weh?

Götze: Doch, wir hätten natürlich gerne selber auf dem Platz gestanden. Aber man kann an der Situation ja nichts mehr ändern. Es ist das Finale, die beiden besten Mannschaften des Turniers stehen sich gegenüber - für mich war es selbstverständlich, dass ich mir dieses Spiel anschaue.

team.dfb.de: Und In London? Welche olympischen Sportarten sind für Sie interessant?

Götze: Die Olympischen Spiele sind ganz generell eine tolle Sache. Mich begeistert die Vielfalt, es sind viele Sportarten vertreten, die ich mir sehr gerne anschaue. Schwimmen, Leichtathletik, Volleyball - diese Sportarten interessieren mich.

team.dfb.de: Was interessiert Sie am Schwimmen?

Götze: An trainingsfreien Tagen war ich früher sehr oft Schwimmen. Das ist ein guter Ausgleich zur Belastung beim Fußball. Und dann ist es klar, dass man sich für diese Sportart auch interessiert. Heute spiele ich eher Beachvolleyball, wenn es die Zeit zulässt. Deswegen habe ich vom Beachvolleyballtunier in London ziemlich viele Spiele gesehen. Es war natürlich schön, dass es ein Finale mit deutscher Beteiligung gab. Und dass die beiden dann so dramatisch gewonnen haben, hat mich sehr gefreut.

team.dfb.de: Sie spielen selber Beachvolleyball? Bei allem Respekt - einen Monsterblock dürften Sie bei Ihrer Körpergröße eigentlich nicht hinbekommen...

Götze: Es ist zumindest schwierig. (lacht) Ich weiß aber auch nicht, ob das Netz bei uns immer in der Höhe hängt, in der es eigentlich hängen müsste. Aber ich spiele meistens mit einem Kumpel zusammen, der etwas größer gewachsen ist. Der ist mehr fürs Blocken zuständig. Unser Niveau ist so schlecht nicht, manchmal zumindest.

team.dfb.de: In der Vorbereitung auf die aktuelle Spielzeit hat Sie eine Bindehautentzündung zurückgeworfen. Nach der langwierigen Schambeinverletzung - wie oft haben Sie gedacht: "Jetzt ist auch mal gut, was soll denn das jetzt"?

Götze: Ich war sehr verwundert. Ich wusste gar nicht, dass eine Bindehautentzündung so schlimm sein kann. Mein ganzes Auge war zugeschwollen, ich habe nicht mehr richtig gesehen. Es hat genervt, es war ärgerlich und auch irgendwie typisch für mein Jahr 2012.

team.dfb.de: Wie wichtig ist das räumliche Sehen für einen Fußballer?

Götze: Ganz wichtig. Man muss Distanzen einschätzen können. Auch Geschwindigkeiten, weil man ja sehen muss, wie schnell sich der Ball auf einen zu bewegt. Mit einem Auge ist das sehr schwierig. Vier, fünf Tage lang habe ich deswegen Einzeltraining absolvieren müssen.

team.dfb.de: Körperlich konnten sie aber arbeiten. Fühlen Sie sich aktuell zu 100 Prozent fit?

Götze: Körperlich ist alles gut. Auch das Selbstvertrauen ist vorhanden. Mir fehlt lediglich ein wenig die Spielpraxis, aber das kommt schon.

team.dfb.de: Es gibt viele Spieler, die sehr viel Talent haben, dann aber den Sprung in den Profibereich nicht schaffen. Sie haben es geschafft. Neben dem Talent - welche Faktoren sind entscheidend, ob aus einem Talent ein erfolgreicher Profi wird?

Götze: Das Wichtigste ist, dass man sich nicht von seinem Weg abbringen lässt. Man darf nie aufhören an sich zu arbeiten, man muss immer an sich glauben und zielstrebig bleiben.

team.dfb.de: Wie wichtig ist ein intaktes Umfeld?

Götze: Dafür bin ich ja ein gutes Beispiel. Ich wohne noch zu Hause, ich habe noch die Freunde um mich herum, die ich schon früher hatte. Ich habe mein altes Umfeld, mir gibt das ein gutes Gefühl.

team.dfb.de: Sie wohnen noch zu Hause, auch Ihr jüngerer Bruder Felix wohnt dort. Spielen Sie mit ihm noch manchmal im Keller Fußball?

Götze: Gelegentlich kommt das vor. Er geht noch zur Schule, hat dann auch Training. Und ich bin relativ oft unterwegs, habe selber Training. Aber manchmal spielen wir im Keller Fußball, so wie früher. Einfach aus Spaß.

team.dfb.de: Wie schwierig ist es für ihn, mit der Prominenz und dem Erfolg seines Bruders umzugehen?

Götze: Einfach ist es bestimmt nicht. Auch nicht für meinen großen Bruder Fabian. Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht leicht ist, häufig darauf reduziert zu werden, der Bruder von zu sein. Aber die beiden gehen sehr gut mit der Situation um.

team.dfb.de: Nicht nur in Köln, auch in Dortmund haben Fans zuletzt für negative Schlagzeilen gesorgt. Beim BVB hat sich eine rechte Gruppierung in Szene gesetzt. Wie sehr ärgert es Sie, wenn der Fußball als Bühne für rechte Propaganda benutzt wird?

Götze: Ob im Stadion oder woanders - rechtes Gedankengut ist im Allgemeinen nicht vertretbar, nirgends. Die Popularität des Fußballs wird leider missbraucht, solche Dinge will niemand sehen. Auch nicht das, was in Köln mit Kevin Pezzoni passiert ist. Davon müssen wir uns alle - auch die Spieler - klar distanzieren.

team.dfb.de: Die Nationalmannschaft plant, im nächsten Sommer eine Reise in die USA zu unternehmen. Sie haben dort als Kind einige Zeit gewohnt. Haben Sie deswegen noch einen besonderen Bezug zu den Vereinigten Staaten?

Götze: Ich war damals drei, vier Jahre alt. An die Zeit in Texas kann ich mich nur noch ganz schwach erinnern. Viel Bezug dorthin habe ich nicht mehr, dafür ist es einfach zu lange her.

team.dfb.de: Und wie gut ist Ihr Englisch noch?

Götze: Ich konnte es damals perfekt, heute leider nicht mehr. Das ist wirklich ärgerlich. Ich verstehe schon noch relativ viel, aber selber sprechen... da hapert es doch.

team.dfb.de: Ihr Englisch wird besser sein als ihr Färöisch. Was wissen Sie sonst über den ersten Gegner in der WM-Qualifikation?

Götze: Wir hatten heute eine Sitzung, auf der wir einige Informationen über den Gegner bekommen haben. Uns wurde gezeigt, wie sie in der jüngeren Vergangenheit gespielt haben. Davor wusste ich nichts über die Färöer, das gebe ich gerne zu.

team.dfb.de: Bundestrainer Löw hat in der Analyse der EM ausgemacht, dass sich die Nationalmannschaft im Umschaltverhalten verbessern muss und zunächst nicht das eigene Tor, sondern nach Ballverlust den Ball sichern soll. Dortmund spielt so. Kommt Ihnen diese Entwicklung auch in Ihrer Nationalmannschaftskarriere entgegen?

Götze: Es ist wichtig, dass man ein gutes Umschaltverhalten hat, dass man in der Defensive gut steht, dass man schnellstmöglich versucht, den Ball zu erobern. Das wird aber nicht nur in Dormund so praktiziert, das machen auch andere Vereine und Nationalmannschaften.

team.dfb.de: Kapitän Philipp Lahm sagt, dass 2014 nur der WM-Titel das Ziel sein kann. Teile Sie diese Einschätzung?

Götze: Jeder Fußballer spielt Fußball, um Spiele und letztlich auch Titel zu gewinnen. Es ist doch völlig klar, dass man als ambitionierter Sportler nicht zu einem Turnier fährt und sagt, dass man mit dem Erreichen des Halbfinales zufrieden ist. Für uns geht es jetzt aber nur darum, die Qualifikation zu schaffen. Alles andere kommt danach.