Marco Reus: Mit Anlauf an die Spitze

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In Mönchengladbach wurde Marco Reus zum Nationalspieler. Am heutigen Samstag wird er 25, morgen kehrt er zurück in die alte Heimat. Bei der Dortmunder Borussia hat er eine überragende Saison gespielt. Im Trikot der DFB-Auswahl möchte er dies wiederholen. Und bei der WM überzeugen.

Sonst behagt ihm das gar nicht, aber dieses eine Mal hat Marco Reus sich freiwillig auf die Bank gesetzt. Weil es ihm ein Bedürfnis war. Also nahm er an der Seite von Marc-André ter Stegen Platz. Frühsommer 2012, EM-Vorbereitung, Basel. Ter Stegen hatte gerade für Deutschland debütiert. Und nach dem 3:5 gegen die Schweiz benötigte er Zuspruch.

Es sollte zurück nach Frankreich gehen, zurück ins Teamhotel Terre Blanche, wo die Mannschaft den letzten Feinschliff für die EURO bekommen sollte. Am Flughafen setzte sich Reus neben den Torhüter. Die beiden schwiegen meistens, Reus war einfach nur da, das genügte.

"Ich kann durchaus auch ernst sein"

Als das Boarding anstand, zog Reus den Torhüter am Ohr. Reus sagte damit: "Kopf hoch, genug Trübsal geblasen." Die Aufmunterung hat geholfen, ter Stegens Mundwinkel gingen nach oben, zum ersten Mal nach Stunden. Der Zug am Ohr war die letzte Sequenz einer Szene, die einen anderen Marco Reus zeigt. Nicht den Lausbub, nicht den Hallodri, den leisen Marco Reus mit dem Gespür für die richtige Situation. "Ich kann durchaus auch ernst sein", sagt er.

Wenn es denn gar nicht anders geht. Aber meistens geht es anders, meistens will er Spaß haben und gute Laune verbreiten. Das ist die andere Seite von Marco Reus, es ist die dominierende. "Ich bin meistens gut gelaunt", sagt er. Und frei nach Monty Python: "Ich versuche immer, die Dinge von ihrer positiven Seite zu betrachten." Fast immer gelingt das, ziemlich oft ist Reus ziemlich gut drauf. Fast immer ist das so, wenn ein Ball an seinem Fuß klebt. Oder etwas anderes Rundes.

Extraschichten nach dem Training

Wenn nichts anderes zur Hand war, hat Marco Reus als Kind mitunter sogar Obst zweckentfremdet, wenn er seinen Spieltrieb ausleben musste. Reus hat mit allem gespielt, was rund war, wenig war vor ihm sicher. Heute kommt Reus eher selten in die Verlegenheit, keinen Fußball zur Hand zu haben.

Das Prinzip hat sich nicht verändert: Ohne Fußball hält Reus es nicht lange aus. Bei jedem Training ist das zu beobachten. Hält der Trainer eine Ansprache, hält Reus einen Ball in seinen Händen. Den Weg zur Trinkpause legt er mit Ball an den Füßen zurück. Und ist das Training offiziell beendet, ist es das für Reus noch lange nicht.

Markenzeichen: Immer den Ball am Fuß

Immer gehört er zu den Spielern, die noch auf dem Platz bleiben, die Freistöße oder Strafstöße üben, die sich mal auch selbst ins Tor stellen und die noch ein wenig herumalbern. "Ich habe einfach diesen Spieltrieb in mir", sagt Reus. Manchmal scheint er fast ein wenig trotzig, wenn Assistenztrainer Hansi Flick im Interesse der Spieler einschreitet und das fortgesetzte Training mit einem schrillen Pfiff beendet.

Reus hat einige Markenzeichen, seine Haare, seine Ohrringe, seine Tattoos. Für ihn sind sie nur Nebensachen, Hauptsache zu seinen Füßen liegt ein Ball, das ist der Kern der Marke Reus. "Man sieht ihn wirklich so gut wie nie ohne", sagt Flick. Angesichts seiner Anfänge bei der Nationalmannschaft ist nicht selbstverständlich, wie selbstverständlich sich Reus heute im Kreis der DFB-Auswahl bewegt.

Debüt beim Tests gegen die Türkei

Auf die Einladung des Bundestrainers folgte mit unschöner Regelmäßigkeit Absage oder Abreise, viermal ging das so. Reus war wahlweise krank oder verletzt, bis er am 7. Oktober 2011 in Istanbul endlich sein erstes Länderspiel absolvieren konnte. Gegen die Türkei kam er in der 90. Minute für Mario Götze ins Spiel, es war ein erstes Schnuppern im Kreis des DFB-Teams. Damals war er noch Gladbacher, es war das Jahr, in dem er die Borussia durch sein Tor im zweiten Relegationsspiel gegen Bochum vor dem Abstieg bewahrt hatte.

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So richtig kennengelernt hat Reus den Stab der Nationalmannschaft bei der EM 2012. Beim Turnier in Polen und der Ukraine hat er im Viertelfinale gegen Griechenland und in der zweiten Halbzeit des Halbfinales gegen Italien gespielt. Meistens allerdings musste er sich die Spiele von der Bank aus betrachten.

Sprung von der Bank in die Startelf

Eine Rolle, die ihm nicht behagte. "Wenn ich auf der Bank sitze, weiß ich gar nicht so recht, wie ich mich verhalten soll", sagt er. Zumal auf der Bank kein Ball in seiner Nähe ist, "diese Situation ist für mich total ungewohnt". Da trifft es sich gut, dass er in dieser Rolle nur noch selten glänzen muss. Bei Borussia Dortmund ohnehin nicht, mittlerweile auch nicht in der Nationalmannschaft.

Seit der EM vor zwei Jahren gilt als Regel: Ist Reus dabei, steht Reus von Beginn an auf dem Platz. Der Dortmunder hat den Sprung von der Bank aufs Feld gemacht. Zum Stammspieler? "Mit diesem Begriff kann ich nicht viel anfangen", sagt er. Und hat Recht, wenn er darauf verweist, dass der Bundestrainer "aus vielen Klassespielern" auswählen könne.

Nach Lewandowski Topscorer der Bundesliga

Dennoch: Marco Reus weiß, was er will, er weiß auch, wohin er will. "Ich bin kein Talent mehr. Es wird Zeit, dass ich etwas Großes in den Händen halte." Meisterschaften und Pokale gewann Dortmund vor seiner Zeit. 2013 reichte es mit ihm zu Platz zwei in der Liga und zum Finaleinzug in der Champions League, in diesem Jahr wieder zu zweiten Rängen in Liga und DFB-Pokal.

Starke Ergebnisse mit überragenden Leistungen, in dieser Saison war er nach Robert Lewandowski mit 16 Toren und 14 Vorlagen Top-Scorer der Bundesliga. Genug für die Ambitionen des "Fußballers des Jahres 2012" ist das aber nicht. "Mein Anspruch ist, dass in meiner Vita irgendwann auch Titel stehen", sagt er.

Das Ziel ist der WM-Titel

Das nächste Ziel lautet Brasilien, in sechs Tagen hebt der Flieger ab. Reus weiß, dass Träume nicht durch Ankündigungen, sondern durch harte Arbeit wahr werden. Das hat er im Trainingslager in Südtirol wieder unter Beweis gestellt. Sein Spiel sieht leicht, fast schwebend aus, doch hat er viel Energie investiert, diese Leichtigkeit entstehen zu lassen.

Und Reus weiß, dass eine Weltmeisterschaft in Brasilien die größte Herausforderung ist, vor der ein Fußballer aus Europa stehen kann. Er nennt deshalb die körperlichen Herausforderungen als erstes, wenn er nach dem Schlüssel für ein erfolgreiches Turnier gefragt wird. "Vor allem gegen Ende wird es von großer Bedeutung sein, dass die Fitness noch da ist", sagt er. "Aber alle können sicher sein, dass wir alles tun, um uns diesen Traum zu erfüllen."

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In Mönchengladbach wurde Marco Reus zum Nationalspieler. Am heutigen Samstag wird er 25, morgen kehrt er zurück in die alte Heimat. Bei der Dortmunder Borussia hat er eine überragende Saison gespielt. Im Trikot der DFB-Auswahl möchte er dies wiederholen. Und bei der WM überzeugen.

Sonst behagt ihm das gar nicht, aber dieses eine Mal hat Marco Reus sich freiwillig auf die Bank gesetzt. Weil es ihm ein Bedürfnis war. Also nahm er an der Seite von Marc-André ter Stegen Platz. Frühsommer 2012, EM-Vorbereitung, Basel. Ter Stegen hatte gerade für Deutschland debütiert. Und nach dem 3:5 gegen die Schweiz benötigte er Zuspruch.

Es sollte zurück nach Frankreich gehen, zurück ins Teamhotel Terre Blanche, wo die Mannschaft den letzten Feinschliff für die EURO bekommen sollte. Am Flughafen setzte sich Reus neben den Torhüter. Die beiden schwiegen meistens, Reus war einfach nur da, das genügte.

"Ich kann durchaus auch ernst sein"

Als das Boarding anstand, zog Reus den Torhüter am Ohr. Reus sagte damit: "Kopf hoch, genug Trübsal geblasen." Die Aufmunterung hat geholfen, ter Stegens Mundwinkel gingen nach oben, zum ersten Mal nach Stunden. Der Zug am Ohr war die letzte Sequenz einer Szene, die einen anderen Marco Reus zeigt. Nicht den Lausbub, nicht den Hallodri, den leisen Marco Reus mit dem Gespür für die richtige Situation. "Ich kann durchaus auch ernst sein", sagt er.

Wenn es denn gar nicht anders geht. Aber meistens geht es anders, meistens will er Spaß haben und gute Laune verbreiten. Das ist die andere Seite von Marco Reus, es ist die dominierende. "Ich bin meistens gut gelaunt", sagt er. Und frei nach Monty Python: "Ich versuche immer, die Dinge von ihrer positiven Seite zu betrachten." Fast immer gelingt das, ziemlich oft ist Reus ziemlich gut drauf. Fast immer ist das so, wenn ein Ball an seinem Fuß klebt. Oder etwas anderes Rundes.

Extraschichten nach dem Training

Wenn nichts anderes zur Hand war, hat Marco Reus als Kind mitunter sogar Obst zweckentfremdet, wenn er seinen Spieltrieb ausleben musste. Reus hat mit allem gespielt, was rund war, wenig war vor ihm sicher. Heute kommt Reus eher selten in die Verlegenheit, keinen Fußball zur Hand zu haben.

Das Prinzip hat sich nicht verändert: Ohne Fußball hält Reus es nicht lange aus. Bei jedem Training ist das zu beobachten. Hält der Trainer eine Ansprache, hält Reus einen Ball in seinen Händen. Den Weg zur Trinkpause legt er mit Ball an den Füßen zurück. Und ist das Training offiziell beendet, ist es das für Reus noch lange nicht.

Markenzeichen: Immer den Ball am Fuß

Immer gehört er zu den Spielern, die noch auf dem Platz bleiben, die Freistöße oder Strafstöße üben, die sich mal auch selbst ins Tor stellen und die noch ein wenig herumalbern. "Ich habe einfach diesen Spieltrieb in mir", sagt Reus. Manchmal scheint er fast ein wenig trotzig, wenn Assistenztrainer Hansi Flick im Interesse der Spieler einschreitet und das fortgesetzte Training mit einem schrillen Pfiff beendet.

Reus hat einige Markenzeichen, seine Haare, seine Ohrringe, seine Tattoos. Für ihn sind sie nur Nebensachen, Hauptsache zu seinen Füßen liegt ein Ball, das ist der Kern der Marke Reus. "Man sieht ihn wirklich so gut wie nie ohne", sagt Flick. Angesichts seiner Anfänge bei der Nationalmannschaft ist nicht selbstverständlich, wie selbstverständlich sich Reus heute im Kreis der DFB-Auswahl bewegt.

Debüt beim Tests gegen die Türkei

Auf die Einladung des Bundestrainers folgte mit unschöner Regelmäßigkeit Absage oder Abreise, viermal ging das so. Reus war wahlweise krank oder verletzt, bis er am 7. Oktober 2011 in Istanbul endlich sein erstes Länderspiel absolvieren konnte. Gegen die Türkei kam er in der 90. Minute für Mario Götze ins Spiel, es war ein erstes Schnuppern im Kreis des DFB-Teams. Damals war er noch Gladbacher, es war das Jahr, in dem er die Borussia durch sein Tor im zweiten Relegationsspiel gegen Bochum vor dem Abstieg bewahrt hatte.

[bild2]

So richtig kennengelernt hat Reus den Stab der Nationalmannschaft bei der EM 2012. Beim Turnier in Polen und der Ukraine hat er im Viertelfinale gegen Griechenland und in der zweiten Halbzeit des Halbfinales gegen Italien gespielt. Meistens allerdings musste er sich die Spiele von der Bank aus betrachten.

Sprung von der Bank in die Startelf

Eine Rolle, die ihm nicht behagte. "Wenn ich auf der Bank sitze, weiß ich gar nicht so recht, wie ich mich verhalten soll", sagt er. Zumal auf der Bank kein Ball in seiner Nähe ist, "diese Situation ist für mich total ungewohnt". Da trifft es sich gut, dass er in dieser Rolle nur noch selten glänzen muss. Bei Borussia Dortmund ohnehin nicht, mittlerweile auch nicht in der Nationalmannschaft.

Seit der EM vor zwei Jahren gilt als Regel: Ist Reus dabei, steht Reus von Beginn an auf dem Platz. Der Dortmunder hat den Sprung von der Bank aufs Feld gemacht. Zum Stammspieler? "Mit diesem Begriff kann ich nicht viel anfangen", sagt er. Und hat Recht, wenn er darauf verweist, dass der Bundestrainer "aus vielen Klassespielern" auswählen könne.

Nach Lewandowski Topscorer der Bundesliga

Dennoch: Marco Reus weiß, was er will, er weiß auch, wohin er will. "Ich bin kein Talent mehr. Es wird Zeit, dass ich etwas Großes in den Händen halte." Meisterschaften und Pokale gewann Dortmund vor seiner Zeit. 2013 reichte es mit ihm zu Platz zwei in der Liga und zum Finaleinzug in der Champions League, in diesem Jahr wieder zu zweiten Rängen in Liga und DFB-Pokal.

Starke Ergebnisse mit überragenden Leistungen, in dieser Saison war er nach Robert Lewandowski mit 16 Toren und 14 Vorlagen Top-Scorer der Bundesliga. Genug für die Ambitionen des "Fußballers des Jahres 2012" ist das aber nicht. "Mein Anspruch ist, dass in meiner Vita irgendwann auch Titel stehen", sagt er.

Das Ziel ist der WM-Titel

Das nächste Ziel lautet Brasilien, in sechs Tagen hebt der Flieger ab. Reus weiß, dass Träume nicht durch Ankündigungen, sondern durch harte Arbeit wahr werden. Das hat er im Trainingslager in Südtirol wieder unter Beweis gestellt. Sein Spiel sieht leicht, fast schwebend aus, doch hat er viel Energie investiert, diese Leichtigkeit entstehen zu lassen.

Und Reus weiß, dass eine Weltmeisterschaft in Brasilien die größte Herausforderung ist, vor der ein Fußballer aus Europa stehen kann. Er nennt deshalb die körperlichen Herausforderungen als erstes, wenn er nach dem Schlüssel für ein erfolgreiches Turnier gefragt wird. "Vor allem gegen Ende wird es von großer Bedeutung sein, dass die Fitness noch da ist", sagt er. "Aber alle können sicher sein, dass wir alles tun, um uns diesen Traum zu erfüllen."