Maradona 1986: Das Genie auf dem Gipfel

19 Weltmeisterschaften, 19 Stars: Vor der Jubiläumsauflage im Sommer erinnert DFB.de in einer Serie an prominente und weniger bekannte Spieler, die den bisherigen WM-Turnieren ihren Stempel aufdrückten. Heute: Diego Armando Maradona, Weltmeister und Superstar in Mexiko 1986.

Seinen ersten Fußball bekam er mit drei, und er war so verliebt in ihn, dass er ihn mit in sein Bett nahm. Die innige Beziehung zwischen Diego Armando Maradona und dem Fußball, der aus ihm einen Weltstar machte, begann in den Slums von Buenos Aires. Mit neun Jahren wurde er entdeckt und trat bei den Argentinos Juniors Buenos Aires ein. Das Wunderkind machte seinen Weg, riss die Zuschauer schon vor dem Anpfiff der Ligaspiele hin, weil der kleine Ballartist das Vorprogramm gestaltete. "Der macht Dinge am Ball, die habe ich noch nie gesehen", sagte Udo Lattek püber den Ballzauberer, noch bevor er sein Trainer in Barcelona wurde.

Diego Maradona ist bis heute Argentiniens jüngster Nationalspieler aller Zeiten, mit 16 Jahren und vier Monaten debütierter er 1977. Er war so gut, dass er es als 17-Jähriger fast schon in den Kader bei der Heim-WM 1978 geschafft hätte, immerhin war er im vorläufigen 40er-Aufgebot. 1982 in Spanien kam er dann zu seiner WM-Premiere, die mit einem Platzverweis im Prestigeduell gegen Brasilien und dem Aus in der Zwischenrunde endete. Es war das erste von vier WM-Turnieren, das "Dieguito" bestritt. Auf eine solche Anzahl kamen nur die Allergrößten: Pelé hatte es ihm vorgemacht, auch Uwe Seeler - und Maradonas Freund Lothar Matthäus zog nach.

Ein genialer Moment im Finale gegen Deutschland reicht aus

Die Frage, wer der Größte aller Zeiten war, ist bis heute vor allem in Südamerika heftig umstritten. Man könnte es sich einfach machen und sagen: Pelé wurde dreimal Weltmeister, Maradona nur einmal. Also Pelé! Aber selbst der große Brasilianer hat niemals ein Turnier so geprägt, wie es Maradona 1986 in Mexiko gelungen war. Die Sportjournalisten wählten den damaligen Italienlegionär (SSC Neapel) zum besten Spieler des Turniers, mit 1282 Stimmen. Auf Platz zwei folgte Toni Schumacher (344), keineswegs dicht dahinter. "Maradonas Gala war überwältigend, der König der Fußball-Weltmeisterschaft auf dem Höhepunkt seiner begnadeten Karriere: atemberaubend. Maradona, der Pelé der 80er-Jahre. Genial, großartig, eine Klasse für sich", schrieb der kicker nach dem Finale.

3:2 hatten es die Argentinier gegen eine vor allem kämpferisch überzeugende deutsche Nationalmannschaft gewonnen. Hochverdient und doch glücklich. Franz Beckenbauer hatte seine Besten auf den Weltbesten jener Epoche angesetzt: Lothar Matthäus in der ersten Halbzeit, Karl-Heinz Förster in der zweiten, als Matthäus in der Offensive gebraucht wurde.

Zu Maradonas fünf WM-Toren kam an diesem 29. Juni 1986 keines hinzu, aber es reichte ein einziger genialer Moment, um das Finale zu entscheiden. In der Euphorie nach dem 2:2-Ausgleich wollten die Deutschen noch in der regulären Spielzeit den Sieg und rückten zu weit auf. Aus dem Fußgelenk schleuderte Maradona unter Bedrängnis im Mittelfeld in der 86. Minute einen genialen Pass auf Jorge Burruchaga, der lief und traf - und aus war der deutsche Traum vom WM-Titel.

Ein stürmender Mittelfeldspieler, ein spielender Stürmer

Mit 25 Jahren stand Diego Armando Maradona auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er machte die Nummer 10 endgültig zum Kult, er war Spielführer, er war der Dirigent. Und er entschied die Spiele. Ein stürmender Mittelfeldspieler, ein spielender Stürmer - so genau wusste man es nicht zu sagen damals. Von einer "falschen Neun" hatte die Fußballwelt noch keinen Begriff. Aber im Grunde hat Maradona, der auf und neben dem Platz alle Freiheiten genoss, sie in Mexiko 1986 schon erfunden.

Seine größten Spiele bestritt er nach der Vorrunde. Im Viertelfinale gegen England schrieb er auf zwiespältige Weise WM-Geschichte. Vor dem 1:0 nahm der nur 1,66 Meter kleine Kerl gegenüber Torwart Peter Shilton die Hand zur Hilfe. Die Zeitlupe enttarnte das irreguläre Tor, für Maradona war es nie irregulär. "Ein bisschen Maradonas Kopf und ein bisschen Hand Gottes", sagte er nach dem Spiel.

Noch ein Jahr später sagte er der BBC: "Es war ein rechtmäßiges Tor, weil es der Schiedsrichter gegeben hat. Ich bin keiner, der die Ehrlichkeit der Schiedsrichter anzweifelt." Was er, am Rande gemerkt, oft genug tat. Als Argentinien 1990 die Finalrevanche gegen Deutschland durch einen umstrittenen Elfmeter verlor, zeterte er: "Gegen die Mafia kann man nicht gewinnen."

Solo zum Tor des Jahrhunderts

An jenem legendären 22. Juni 1986 zu Mexiko City gelang es sogar, ihm binnen drei Minuten zwei Tore zu erzielen, von denen die Fußballwelt noch immer spricht. Sein 2:0 begann in der eigenen Hälfte, sein Solo führte an fünf Engländern vorbei und endete mit einem Flachschuss aus spitzem Winkel. Mit links. Den rechten benutzte er nur im absoluten Ausnahmefall.

Dieses Tor wurde von der FIFA 1999 zum Tor des Jahrhunderts gewählt. Die Kurzfassung eines Fußballerlebens steckte in diesen drei Minuten von Mexiko City. Diego Maradona, ein geniales Schlitzohr, das seinen Vorteil mit nicht immer fairen Mitteln suchte, dessen Weg Skandale pflasterten und vor dem man sich dennoch anerkennend verbeugen muss.

"Ich danke Gott, dass Maradona Argentinier ist"

Im Halbfinale gegen Belgien schoss erneut der Kapitän die Tore zum 2:0. Er telefonierte noch aus der Kabine mit der Mutter und seinen Brüdern, während sein Trainer Carlos Bilardo pathetisch wurde: "Ich danke Gott, dass Maradona Argentinier ist." Der Held teilte mit, er verspüre "ein Gefühl von innerer Ruhe und Frieden".

Vor dem Finale jedoch befiel den "Überirdischen" plötzlich allzu menschliche Nervosität. Jorge Valdano hat in seiner Biographie erzählt, dass Maradona in der Kabine plötzlich laut nach seiner Mutter gerufen habe: "Tota, hilf mir. Ich habe Angst!"

Als es überstanden war, stand er wieder im Zentrum der Ovationen. Der Staatspräsident drückte ihn an seine Brust, während die anderen Helden nur einen Schulterklopfer bekamen. Eine argentinische Zeitung forderte im Überschwang der Gefühle, man möge die Hauptstadt Buenos Aires in "Maradonia" umbenennen. Soweit kam es dann doch nicht, aber die WM 1986 hat Maradona in Argentinien zu einem Nationalhelden gemacht, dem alles verziehen wurde und wird. Und natürlich würde kein Argentinier etwas anderes sagen, als dass Diego Maradona der Beste war, ist und bleibt.

Diego Armando Maradona

Geburtsdatum: 30. Oktober 1960 in Buenos Aires
Länderspiele/Tore: 91/34
WM-Spiele/Tore: 21/8
Vereine als Spieler: Argentinos Juniors (1969 bis 1981), Boca Juniors (1981/1982), FC Barcelona (1982 bis 1984), SSC Neapel (1984 bis 1991), FC Sevilla (1992/1993), Newells Old Boys (1993), Boca Juniors (1995 bis 1997)
Größte Erfolge im Nationalteam: Weltmeister 1986
Größte Erfolge im Verein: UEFA-Pokalsieger 1989, Italienischer Meister 1987 und 1990, Argentinischer Meister 1981, Spanischer Pokalsieger 1983, Italienischer Pokalsieger 1987
Auszeichnungen: Weltfußballer des Jahrhunderts, sechsmal Südamerikas Fußballer des Jahres, viermal Argentiniens Fußballer des Jahres, einmal Italiens Fußballer des Jahres

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19 Weltmeisterschaften, 19 Stars: Vor der Jubiläumsauflage im Sommer erinnert DFB.de in einer Serie an prominente und weniger bekannte Spieler, die den bisherigen WM-Turnieren ihren Stempel aufdrückten. Heute: Diego Armando Maradona, Weltmeister und Superstar in Mexiko 1986.

Seinen ersten Fußball bekam er mit drei, und er war so verliebt in ihn, dass er ihn mit in sein Bett nahm. Die innige Beziehung zwischen Diego Armando Maradona und dem Fußball, der aus ihm einen Weltstar machte, begann in den Slums von Buenos Aires. Mit neun Jahren wurde er entdeckt und trat bei den Argentinos Juniors Buenos Aires ein. Das Wunderkind machte seinen Weg, riss die Zuschauer schon vor dem Anpfiff der Ligaspiele hin, weil der kleine Ballartist das Vorprogramm gestaltete. "Der macht Dinge am Ball, die habe ich noch nie gesehen", sagte Udo Lattek püber den Ballzauberer, noch bevor er sein Trainer in Barcelona wurde.

Diego Maradona ist bis heute Argentiniens jüngster Nationalspieler aller Zeiten, mit 16 Jahren und vier Monaten debütierter er 1977. Er war so gut, dass er es als 17-Jähriger fast schon in den Kader bei der Heim-WM 1978 geschafft hätte, immerhin war er im vorläufigen 40er-Aufgebot. 1982 in Spanien kam er dann zu seiner WM-Premiere, die mit einem Platzverweis im Prestigeduell gegen Brasilien und dem Aus in der Zwischenrunde endete. Es war das erste von vier WM-Turnieren, das "Dieguito" bestritt. Auf eine solche Anzahl kamen nur die Allergrößten: Pelé hatte es ihm vorgemacht, auch Uwe Seeler - und Maradonas Freund Lothar Matthäus zog nach.

Ein genialer Moment im Finale gegen Deutschland reicht aus

Die Frage, wer der Größte aller Zeiten war, ist bis heute vor allem in Südamerika heftig umstritten. Man könnte es sich einfach machen und sagen: Pelé wurde dreimal Weltmeister, Maradona nur einmal. Also Pelé! Aber selbst der große Brasilianer hat niemals ein Turnier so geprägt, wie es Maradona 1986 in Mexiko gelungen war. Die Sportjournalisten wählten den damaligen Italienlegionär (SSC Neapel) zum besten Spieler des Turniers, mit 1282 Stimmen. Auf Platz zwei folgte Toni Schumacher (344), keineswegs dicht dahinter. "Maradonas Gala war überwältigend, der König der Fußball-Weltmeisterschaft auf dem Höhepunkt seiner begnadeten Karriere: atemberaubend. Maradona, der Pelé der 80er-Jahre. Genial, großartig, eine Klasse für sich", schrieb der kicker nach dem Finale.

3:2 hatten es die Argentinier gegen eine vor allem kämpferisch überzeugende deutsche Nationalmannschaft gewonnen. Hochverdient und doch glücklich. Franz Beckenbauer hatte seine Besten auf den Weltbesten jener Epoche angesetzt: Lothar Matthäus in der ersten Halbzeit, Karl-Heinz Förster in der zweiten, als Matthäus in der Offensive gebraucht wurde.

Zu Maradonas fünf WM-Toren kam an diesem 29. Juni 1986 keines hinzu, aber es reichte ein einziger genialer Moment, um das Finale zu entscheiden. In der Euphorie nach dem 2:2-Ausgleich wollten die Deutschen noch in der regulären Spielzeit den Sieg und rückten zu weit auf. Aus dem Fußgelenk schleuderte Maradona unter Bedrängnis im Mittelfeld in der 86. Minute einen genialen Pass auf Jorge Burruchaga, der lief und traf - und aus war der deutsche Traum vom WM-Titel.

Ein stürmender Mittelfeldspieler, ein spielender Stürmer

Mit 25 Jahren stand Diego Armando Maradona auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er machte die Nummer 10 endgültig zum Kult, er war Spielführer, er war der Dirigent. Und er entschied die Spiele. Ein stürmender Mittelfeldspieler, ein spielender Stürmer - so genau wusste man es nicht zu sagen damals. Von einer "falschen Neun" hatte die Fußballwelt noch keinen Begriff. Aber im Grunde hat Maradona, der auf und neben dem Platz alle Freiheiten genoss, sie in Mexiko 1986 schon erfunden.

Seine größten Spiele bestritt er nach der Vorrunde. Im Viertelfinale gegen England schrieb er auf zwiespältige Weise WM-Geschichte. Vor dem 1:0 nahm der nur 1,66 Meter kleine Kerl gegenüber Torwart Peter Shilton die Hand zur Hilfe. Die Zeitlupe enttarnte das irreguläre Tor, für Maradona war es nie irregulär. "Ein bisschen Maradonas Kopf und ein bisschen Hand Gottes", sagte er nach dem Spiel.

Noch ein Jahr später sagte er der BBC: "Es war ein rechtmäßiges Tor, weil es der Schiedsrichter gegeben hat. Ich bin keiner, der die Ehrlichkeit der Schiedsrichter anzweifelt." Was er, am Rande gemerkt, oft genug tat. Als Argentinien 1990 die Finalrevanche gegen Deutschland durch einen umstrittenen Elfmeter verlor, zeterte er: "Gegen die Mafia kann man nicht gewinnen."

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Solo zum Tor des Jahrhunderts

An jenem legendären 22. Juni 1986 zu Mexiko City gelang es sogar, ihm binnen drei Minuten zwei Tore zu erzielen, von denen die Fußballwelt noch immer spricht. Sein 2:0 begann in der eigenen Hälfte, sein Solo führte an fünf Engländern vorbei und endete mit einem Flachschuss aus spitzem Winkel. Mit links. Den rechten benutzte er nur im absoluten Ausnahmefall.

Dieses Tor wurde von der FIFA 1999 zum Tor des Jahrhunderts gewählt. Die Kurzfassung eines Fußballerlebens steckte in diesen drei Minuten von Mexiko City. Diego Maradona, ein geniales Schlitzohr, das seinen Vorteil mit nicht immer fairen Mitteln suchte, dessen Weg Skandale pflasterten und vor dem man sich dennoch anerkennend verbeugen muss.

"Ich danke Gott, dass Maradona Argentinier ist"

Im Halbfinale gegen Belgien schoss erneut der Kapitän die Tore zum 2:0. Er telefonierte noch aus der Kabine mit der Mutter und seinen Brüdern, während sein Trainer Carlos Bilardo pathetisch wurde: "Ich danke Gott, dass Maradona Argentinier ist." Der Held teilte mit, er verspüre "ein Gefühl von innerer Ruhe und Frieden".

Vor dem Finale jedoch befiel den "Überirdischen" plötzlich allzu menschliche Nervosität. Jorge Valdano hat in seiner Biographie erzählt, dass Maradona in der Kabine plötzlich laut nach seiner Mutter gerufen habe: "Tota, hilf mir. Ich habe Angst!"

Als es überstanden war, stand er wieder im Zentrum der Ovationen. Der Staatspräsident drückte ihn an seine Brust, während die anderen Helden nur einen Schulterklopfer bekamen. Eine argentinische Zeitung forderte im Überschwang der Gefühle, man möge die Hauptstadt Buenos Aires in "Maradonia" umbenennen. Soweit kam es dann doch nicht, aber die WM 1986 hat Maradona in Argentinien zu einem Nationalhelden gemacht, dem alles verziehen wurde und wird. Und natürlich würde kein Argentinier etwas anderes sagen, als dass Diego Maradona der Beste war, ist und bleibt.

Diego Armando Maradona

Geburtsdatum: 30. Oktober 1960 in Buenos Aires
Länderspiele/Tore: 91/34
WM-Spiele/Tore: 21/8
Vereine als Spieler: Argentinos Juniors (1969 bis 1981), Boca Juniors (1981/1982), FC Barcelona (1982 bis 1984), SSC Neapel (1984 bis 1991), FC Sevilla (1992/1993), Newells Old Boys (1993), Boca Juniors (1995 bis 1997)
Größte Erfolge im Nationalteam: Weltmeister 1986
Größte Erfolge im Verein: UEFA-Pokalsieger 1989, Italienischer Meister 1987 und 1990, Argentinischer Meister 1981, Spanischer Pokalsieger 1983, Italienischer Pokalsieger 1987
Auszeichnungen: Weltfußballer des Jahrhunderts, sechsmal Südamerikas Fußballer des Jahres, viermal Argentiniens Fußballer des Jahres, einmal Italiens Fußballer des Jahres