ManUnited gegen Bayern: "Sekundentod" und Robben-Traumtor

Ein ungenauer Rückpass von Markus Babbel zwingt Thomas Linke dazu, den Ball ins Aus zu schlagen und nach dem Einwurf verursacht Stefan Effenberg einen Eckball. Die Spieluhr zeigt an: 90:16 Minuten. Das Drama beginnt. Die englischen Fans springen auf wie nach einem Treffer. Ecken von Beckham sind Torchancen, das wissen sie. Auf der Bayern-Bank wird gezittert. Co-Trainer Michael Henke wird später zugeben: „Wir haben uns nie super-sicher gefühlt, weil es bei den Standards von ManU immer gebrannt hat.“

Der Ball rauscht durch den Torraum, ausgerechnet Matthäus-Ersatz Fink befördert den Ball mit einem Querschläger in die Gefahrenzone zurück – und Sheringham verlängert den Schuss von Ryan Giggs zum 1:1. Vergeblich reklamieren die Bayern auf Abseits. Es war nicht mehr als ein Versuch, von eigenen Fehlern abzulenken. Matthäus steht wie versteinert am Spielfeldrand.

Das Schlimmste aber kommt noch. Die Bayern brechen innerlich zusammen und verlieren den Ball postwendend und Sammy Kuffour klärt gegen Solskjaer – erneut auf Kosten einer Ecke. Die Uhr zeigt an: 92:14 Minuten. Wieder tritt Beckham von links mit rechts, Sheringham gewinnt den Kopfball gegen Linke und verlängert auf Solskjaer, der drischt unter die Latte. 1:2! Die Bayern-Spieler fallen zu Boden, einige beginnen zu weinen. Es sind „die zwei unglaublichsten Minuten des Fußballs“, wird die englische Zeitung Sun titeln. Collina hat Mühe, das Spiel fortzusetzen und packt die Bayern mit einem bisschen Schul-Englisch bei der Ehre: „Stand up, when you are men“ ruft er ihnen zu. Sie stehen auf und sind doch am Boden zerstört.

Zwei Tore in 102 Sekunden Nachspielzeit machen Sieger zu Verlierern. Wer soll das verkraften? In den Fan-Blöcken brechen sich die Emotionen Bahn. Wunderkerzen hier, Tränen da. Auch die Kinder von Michael Henke, acht und zehn Jahre alt, fangen zu weinen an, weil plötzlich die anderen jubeln. Auf der Pressetribüne bricht Hektik aus. Reporter telefonieren mit ihren Redaktionen, die bereits gesendeten Texte sind nicht mehr druckreif. Den ganzen Irrwitz dieses dramatischen Epilogs von Barcelona verdeutlicht jedoch eine Episode in den Katakomben des Nou Camp. Um 22.30 Uhr besteigen drei VIPs den Aufzug, der von der Ehrentribüne ins Erdgeschoss führt. Lennart Johansson, der UEFA-Präsident, Franz Beckenbauer und Boris Becker müssen und wollen zur Siegerehrung. Das Spiel läuft noch.

Becker erzählt das Jahre später noch immer fassungslos: „Als wir in den Aufzug stiegen, stand es 1:0 für Bayern. In der Aufzugkabine hörten wir Jubel. Wir dachten: Okay, der Abpfiff. Als wir kurze Zeit später durch die Katakomben in Richtung Rasen gingen, sahen wir die ManU- Spieler jubeln, die Bayern lagen am Boden. „Mist, doch der Ausgleich“, dachte ich noch. Kurz darauf blinkt es an der Anzeigetafel: 1:2! Wir haben uns angeguckt und konnten es nicht glauben.“

Aber wer konnte das schon? Marcel Reif stöhnte nur: „Wissen Sie was, ich habe gar keine Lust, das hier zu analysieren.“ Ex-Nationalspieler Bernd Schuster, damals fürs spanische Fernsehen im Einsatz, sagte: „Ich habe schon viel Schreckliches erlebt im Fußball, aber etwas Schrecklicheres gibt es nicht mehr.“ Auf dem Bankett ergreift Franz Beckenbauer das Wort: „Wir haben keinen Kampf verloren, keine Schlacht. Wir haben auch nicht das Leben verloren, wir haben ein Spiel verloren. Ich betone: Es ist ein Spiel, es war ein Spiel und es wird immer ein Spiel bleiben.“ Es waren weise Worte des deutschen Fußball-Kaisers zu später Stunde auf dem Bankett der Verlierer, die vielleicht gesagt werden mussten in den Tagen, als in Europa ein Krieg tobte. Als Bilder von brennenden Häusern und langen Flüchtlingsströmen im Kosovo Mitleid und Beklemmung erregten und auch in Deutschland Erinnerungen weckten an Tage, als das tägliche Überleben wichtiger war als alles andere. Wichtiger als irgendein Fußballspiel.

Irgendwann verklingen sie, die Emotionen müssen raus: Frustfeiern im Hotel mit rund 1000 geladenen Gästen. Nachts um drei tanzen die Bayern-Spieler mit ihren Frauen auf den Tischen, und Scholl lässt sich sogar Autogramme von Journalisten geben. Morgens um halb sechs beschließt Matthäus im Gespräch mit Vereinskoch Alfons Schuhbeck, mal einen Kochkurs zu belegen. Erst in diesem Zustand haben sie begriffen, dass es wohl doch nur ein Spiel ist. Als der Tag vorbei ist, nimmt sich Stefan Effenberg etwas vor. „Diesen Pokal hol ich mir noch!“ Zwei Jahre muss er noch warten.

2000/2001: DAS VIERTELFINALE



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Es ist ein Klassiker der Königsklasse: Wenn Manchester United und Bayern München heute (ab 20.45 Uhr, live bei Sky) im Viertelfinalhinspiel aufeinander treffen, kommt es bereits zum zehnten Duell der europäischen Schwergewichte. Die bisherigen neun Europapokalspiele fanden immer in der erst 1993 gegründeten Champions League statt.

Für DFB.de blickt der Historiker Udo Muras auf diese Paarung zurück - und legt den Schwerpunkt auf das Finale am 26. Mai 1999, die "Mutter aller Niederlagen".

1998/1999: DIE ZWISCHENRUNDE

In der Saison 1998/1999 gab es gleich drei Treffen, denn die späteren Finalisten waren auch in der Zwischenrunde Gegner. Beide "Vorspiele" zum denkwürdigen Finale endeten Remis. In München unterlief ausgerechnet dem Mann, der im Finale die Wende bringen sollte, in letzter Minute ein Eigentor zum 2:2 – Teddy Sheringham. Im Rückspiel am 9. Dezember 1998 ging es für beide um das Weiterkommen – und mit einem 1:1 erreichten sie ihr Ziel. Was nach einem stillen Arrangement aussieht, war keineswegs der Fall. Beide wollten gewinnen, ManU ging durch Roy Keane (43.) verdient in Führung, die Hasan Salihamidzic ausglich (56.). Bayern wurde Gruppensieger, ManU Zweiter vor Barcelona. Ottmar Hitzfeld bewies prophetische Gaben, als er sagte: „Wen man diese Gruppe übersteht, dann hat man gute Chancen ins Finale zu kommen.“

26. MAI 1999: DAS HISTORISCHE FINALE

Was die Bayern am 26. Mai 1999 erlebten, stellt bis dato alles in den Schatten. Es war eine Tragödie, die im Fußball ihresgleichen sucht. An diesem schwül-warmen Tag schrieben sie in Barcelona eine Geschichte, die sie niemals lesen wollten. Eine, die doch immer wieder erzählt werden muss, weil sie kaum zu glauben ist. Es ist die Geschichte einer Mannschaft, die in 102 Sekunden ihren größten Traum wegwarf – den Gewinn der Champions League, der wahr geworden wäre, wenn nur Sepp Herbergers Worte noch Gesetz gewesen wären. Aber dieses Spiel dauerte eben nicht neunzig Minuten und deshalb ist es im Grunde bis heute nicht zu Ende.

Als der große Abend herangerückt ist, liegt knisternde Spannung über dem Stadion Camp Nou. 90.000 Menschen haben Karten erworben, so viel wie noch nie bei einem Champions League-Finale. Es wird in 200 Länder live übertragen. Für RTL ist Marcel Reif am Mikrofon. Günter Jauch ist Moderator im Studio, Bayern-Präsident Franz Beckenbauer sein nicht ganz unparteiischer Experte.

Einen Favoriten gibt es nicht. In den Gruppenspielen haben sie zweimal Remis gegeneinander gespielt und beide Klubs sind kurz zuvor Meister geworden. Aber die Bayern haben bereits 18 Tage vorher auf dem Marienplatz mit 35.000 Fans gefeiert und sich seitdem auf Barcelona konzentriert. Ottmar Hitzfeld kann zum Einstand gleich drei Titel holen, denn man steht später auch im DFB-Pokalfinale. ManU hat in England erst am Wochenende das Double gewonnen, nun will Coach Alex Ferguson das Triple. Die Parallelen zur Gegenwart sind verblüffend. Beiden Teams fehlen zwei wichtige Spieler: Bayern vermisst Weltmeister Bixente Lizarazu und Giovane Elber, ManU Kapitän Roy Keane und Paul Scholes. Im Stadion sind sie natürlich alle. Es ist ein idealer Tag für einen Vereinsausflug.

Beckenbauer hat die ganze Geschäftsstelle eingeladen zum größten Spiel seit 23 Jahren, als er selbst noch als Kapitän den Europapokal der Meister gewonnen hat. Boris Becker, der gerade von der Bühne abgetretene Tennis-Superstar des Jahrhunderts, darf nicht fehlen. Er ist glühender Bayern-Fan. Wäre Geld die wesentliche Motivation, müsste ManU haushoch gewinnen. Die Engländer zahlen umgerechnet 230.000 Euro pro Kopf, Bayern nur knapp ein Drittel. Doch es geht nicht um Geld an diesem Tag.

Wer an Omen glaubt, muss sich um die Bayern sorgen, schon am Vortag feierten die Briten einen ersten Sieg. Eine Münze entschied: Manchester spielt in Rot, dabei wollten die Münchner doch ihre neuen Trikots präsentieren. So bleibt ihnen nur das silberblaue Trikot mit den weinroten Ärmeln. Aber sie spielen wie immer in dieser Saison. Kontrolliert und effizient. Kein Fußball zum Verlieben, noch antiquiert mit Libero. Der heißt Lothar Matthäus und ist 38 Jahre. Der Chef aber heißt Stefan Effenberg. Kapitän ist er zwar nicht, aber er sagt jedem, wo es lang geht.

Als Schiedsrichter Collina nach fünf Minuten einen Freistoß gibt, schnappt sich Mario Basler den Ball. Effenberg beobachtet Torwart Peter Schmeichel und gibt Basler eine Regieanweisung: „Torwartecke! Ich glaube, der macht einen Schritt in die Mitte!“ Schmeichel macht einen Schritt in die Mitte, Basler schießt in die Torwartecke – und der eher harmlose Flachschuss rauscht ins Netz. 1:0! Ein frühes Tor ersehnen sich alle Teams, die nicht so recht von sich überzeugt sind. Einige Bayern-Spieler hatten vor Nervosität ihr Frühstück nicht heruntergebracht, doch nun verfliegt sie endlich.

Dem Spiel insgesamt tut das Tor jedoch entgegen aller Fußball-Weisheiten nicht gut. Man wird hinterher von einem enttäuschenden Finale sprechen, vom Epilog einmal abgesehen. Den Engländern fällt nicht viel ein, auch der blonde Wunderknabe mit der Nummer sieben, David Beckham, findet keinen Königsweg. Torwart Oliver Kahn wird es in seinem 50. Europapokalspiel schon beinahe langweilig. Mit 1:0 geht es in die Kabinen.

Alle 22 Spieler kommen wieder heraus und erst als sich die Besetzung auf dem Rasen ändert, wird es ein Drama. Es ist die 67. Minute. Kurz zuvor hat Basler voller Übermut aus 35 Metern geschossen und Schmeichel in Verlegenheit gebracht. Manchester droht nicht nur geschlagen, sondern auch noch verhöhnt zu werden. Ferguson reagiert, er bringt Teddy Sheringham, der gerade erst mit einem Tor das FA-Cup-Finale gegen Newcastle entschieden hat. Er ist 33 Jahre, aber Ferguson weiß: Alter schützt vor Toren nicht. Vor Müdigkeit aber auch nicht. Die Kameras zeigen immer wieder das verzerrte Gesicht von Lothar Matthäus. Er kann und will nicht mehr. Lässt die Schultern hängen als Signal für den Wunsch nach Auswechslung, „weil ich fast nur im Mittelfeld gespielt hatte und weil es verdammt heiß war in Barcelona“.

Hitzfeld schickt in der 80. Minute für den einstigen Weltfußballer des Jahres den unglamourösen Spieler Thorsten Fink aufs Feld, in dessen Vita Klubs wie Wattenscheid 09 und Karlsruher SC stehen. Später wird man diesen Wechsel als fatales Signal bezeichnen und . Hitzfeld zugeben müssen: „Die Auswechslung von Lothar hat uns nicht unbedingt sicherer gemacht.“ Dennoch bespricht Mediendirektor Markus Hörwick schon mit den Field-Reportern, welche Spieler gleich vor den Mikrofonen ihre Siegesfreude herauslassen sollten. Betreuer schleppen Getränke herbei, auch Champagner darunter, und eine Kiste voller Mützen mit der Aufschrift: „Champions League-Sieger 1999 – FC Bayern München.“ Mario Basler ist der erste, der eine trägt. Er wird in der 89. Minute ausgewechselt, auch damit der Kämpfer Hasan Salihamidzic noch teilhaben kann am Erfolg.

Ferguson hat ebenfalls noch mal gewechselt und mit Gunnar Solskjaer seinen zweiten Joker gebracht. Es wirkt: Er und Sheringham haben in zehn Minuten mehr Chancen zusammen als die Kollegen in 90. Aber die größeren haben die Bayern, Mehmet Scholl trifft den Pfosten und Carsten Jancker per Fallrückzieher die Latte. Das Unheil kündet sich an, soll es doch nicht sein? Die Bayern-Abwehr ohne Matthäus schwimmt immer mehr – und Collina lässt sie ersaufen. Er erteilt drei Minuten Zugabe. Hitzfeld denkt: „Verdammt, das ist lang.“

Ein ungenauer Rückpass von Markus Babbel zwingt Thomas Linke dazu, den Ball ins Aus zu schlagen und nach dem Einwurf verursacht Stefan Effenberg einen Eckball. Die Spieluhr zeigt an: 90:16 Minuten. Das Drama beginnt. Die englischen Fans springen auf wie nach einem Treffer. Ecken von Beckham sind Torchancen, das wissen sie. Auf der Bayern-Bank wird gezittert. Co-Trainer Michael Henke wird später zugeben: „Wir haben uns nie super-sicher gefühlt, weil es bei den Standards von ManU immer gebrannt hat.“

Der Ball rauscht durch den Torraum, ausgerechnet Matthäus-Ersatz Fink befördert den Ball mit einem Querschläger in die Gefahrenzone zurück – und Sheringham verlängert den Schuss von Ryan Giggs zum 1:1. Vergeblich reklamieren die Bayern auf Abseits. Es war nicht mehr als ein Versuch, von eigenen Fehlern abzulenken. Matthäus steht wie versteinert am Spielfeldrand.

Das Schlimmste aber kommt noch. Die Bayern brechen innerlich zusammen und verlieren den Ball postwendend und Sammy Kuffour klärt gegen Solskjaer – erneut auf Kosten einer Ecke. Die Uhr zeigt an: 92:14 Minuten. Wieder tritt Beckham von links mit rechts, Sheringham gewinnt den Kopfball gegen Linke und verlängert auf Solskjaer, der drischt unter die Latte. 1:2! Die Bayern-Spieler fallen zu Boden, einige beginnen zu weinen. Es sind „die zwei unglaublichsten Minuten des Fußballs“, wird die englische Zeitung Sun titeln. Collina hat Mühe, das Spiel fortzusetzen und packt die Bayern mit einem bisschen Schul-Englisch bei der Ehre: „Stand up, when you are men“ ruft er ihnen zu. Sie stehen auf und sind doch am Boden zerstört.

Zwei Tore in 102 Sekunden Nachspielzeit machen Sieger zu Verlierern. Wer soll das verkraften? In den Fan-Blöcken brechen sich die Emotionen Bahn. Wunderkerzen hier, Tränen da. Auch die Kinder von Michael Henke, acht und zehn Jahre alt, fangen zu weinen an, weil plötzlich die anderen jubeln. Auf der Pressetribüne bricht Hektik aus. Reporter telefonieren mit ihren Redaktionen, die bereits gesendeten Texte sind nicht mehr druckreif. Den ganzen Irrwitz dieses dramatischen Epilogs von Barcelona verdeutlicht jedoch eine Episode in den Katakomben des Nou Camp. Um 22.30 Uhr besteigen drei VIPs den Aufzug, der von der Ehrentribüne ins Erdgeschoss führt. Lennart Johansson, der UEFA-Präsident, Franz Beckenbauer und Boris Becker müssen und wollen zur Siegerehrung. Das Spiel läuft noch.

Becker erzählt das Jahre später noch immer fassungslos: „Als wir in den Aufzug stiegen, stand es 1:0 für Bayern. In der Aufzugkabine hörten wir Jubel. Wir dachten: Okay, der Abpfiff. Als wir kurze Zeit später durch die Katakomben in Richtung Rasen gingen, sahen wir die ManU- Spieler jubeln, die Bayern lagen am Boden. „Mist, doch der Ausgleich“, dachte ich noch. Kurz darauf blinkt es an der Anzeigetafel: 1:2! Wir haben uns angeguckt und konnten es nicht glauben.“

Aber wer konnte das schon? Marcel Reif stöhnte nur: „Wissen Sie was, ich habe gar keine Lust, das hier zu analysieren.“ Ex-Nationalspieler Bernd Schuster, damals fürs spanische Fernsehen im Einsatz, sagte: „Ich habe schon viel Schreckliches erlebt im Fußball, aber etwas Schrecklicheres gibt es nicht mehr.“ Auf dem Bankett ergreift Franz Beckenbauer das Wort: „Wir haben keinen Kampf verloren, keine Schlacht. Wir haben auch nicht das Leben verloren, wir haben ein Spiel verloren. Ich betone: Es ist ein Spiel, es war ein Spiel und es wird immer ein Spiel bleiben.“ Es waren weise Worte des deutschen Fußball-Kaisers zu später Stunde auf dem Bankett der Verlierer, die vielleicht gesagt werden mussten in den Tagen, als in Europa ein Krieg tobte. Als Bilder von brennenden Häusern und langen Flüchtlingsströmen im Kosovo Mitleid und Beklemmung erregten und auch in Deutschland Erinnerungen weckten an Tage, als das tägliche Überleben wichtiger war als alles andere. Wichtiger als irgendein Fußballspiel.

Irgendwann verklingen sie, die Emotionen müssen raus: Frustfeiern im Hotel mit rund 1000 geladenen Gästen. Nachts um drei tanzen die Bayern-Spieler mit ihren Frauen auf den Tischen, und Scholl lässt sich sogar Autogramme von Journalisten geben. Morgens um halb sechs beschließt Matthäus im Gespräch mit Vereinskoch Alfons Schuhbeck, mal einen Kochkurs zu belegen. Erst in diesem Zustand haben sie begriffen, dass es wohl doch nur ein Spiel ist. Als der Tag vorbei ist, nimmt sich Stefan Effenberg etwas vor. „Diesen Pokal hol ich mir noch!“ Zwei Jahre muss er noch warten.

2000/2001: DAS VIERTELFINALE

In Manchester gewinnen die Bayern durch ein Tor von Joker Paulo Sergio (86.), der erst sieben Minuten im Spiel war, verdient mit 1:0. Im Rückspiel sorgen frühe Tore von Giovane Elber und Mehmet Scholl noch vor der Pause für Sicherheit. Ryan Giggs, heute noch bei ManU kann noch zum 2:1-Endstand verkürzen. Wie 1999 wechselt Alex Ferguson wieder Sheringham und Solskjaer ein, diesmal aber treffen sie nicht. David Beckham ist gesperrt, so kann er auch keine Ecken gefährlichen Ecken treten. Die Revanche von Barcelona ist geglückt. Bemerkenswert: es gibt bei aller Rivalität und Brisanz keine Gelben Karten.

2001/2002: DIE ZWISCHENRUNDE

In München steht ManU dicht vor dem ersten Sieg, die Führung durch Ruud van Nistelrooy (74.) hält bis drei Minuten vor Schluss. Dann schlägt erneut Paulo Sergio zu und rettet den Punkt. Im torlosen Rückspiel wiederholt sich am 13. März 2002 Geschichte. Wie 1999 kommen beide Teams durch das Remis weiter ins Viertelfinale. 68.217 Zuschauer sehen eine taktisch anspruchsvolle Partie, Bixente Lizarazu legt David Beckham an die Kette und damit das Spiel der Gastgeber lahm. Auch im dritten Spiel bleiben die Münchner in Old Trafford ungeschlagen – letztmals ist es das Duell der Trainer Alex Ferguson und Ottmar Hitzfeld.

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2009/2010: DAS VIERTELFINALE

Das erste Duell in der Allianz Arena endet dramatisch und glücklich für die Bayern. Bis zur 76. Minute währt die Gäste-Führung durch einen Blitztreffer Wayne Rooneys nach 64 Sekunden. Dann gleicht Franck Ribery per Freistoß aus, Trainer Louis van Gaal aber will den Sieg. Mit Ivica Olic und den eingewechselten Nationalspielern Mario Gomez und Miroslav Klose stehen am Ende drei Stürmer auf dem Platz und einer sticht: Olic macht es in der Nachspielzeit mit links (90.+2.) und sagt keck: „Ich habe gezeigt, dass ich es kann. Auch dem Trainer.“ Das Polster aber ist dünn für das Rückspiel in acht Tagen.

Aber obwohl Bayern am 7. April 2010 seine erste Niederlage in Old Trafford kassiert, fühlt sie sich wie ein Sieg an. Wieder ist es ein Drama, auch wenn zunächst nichts dafür spricht. Der entfesselte englische Meister wirbelt die Bayern-Abwehr durcheinander wie lange kein Gegner zuvor und nach 41 Minuten haben Gibson (3.) und Nani (7., 41.) Hans-Jörg Butt schon dreimal überwunden. Da glückt Olic ein immens wichtiges Tor, die Hoffnung kehrt zurück ins Bayern-Lager. Sie wächst nach dem Platzverweis für Rafael da Silva (50.), der Ribery nur unfair zu bremsen weiß. Bayern drückt und drängt, aber es bedarf schon eines Traum-Tores, um Manchester aus dem Wettbewerb zu werfen. Arjen Robben, im Frühjahr 2010 in der Form seines Lebens, schmettert in der 74. Minute eine Eckball-Vorlage von Franck Ribery von der Strafraumgrenze volley neben den Pfosten. Edwin van der Sar wirft sich vergebens. „Das war ein Arjen Robben, wie es ihn besser nicht gibt“, sagt Sky-Kommentator Marcel Reif. Heute brauchen sie ihn wieder.