Manuel Neuer: "Gegen Portugal war nicht alles perfekt"

DFB.de: Die Vierer-Kette vor Ihnen hat gegen Portugal in ungewohnter Besetzung gespielt. Wie sehr ist Ihr Spiel davon beeinflusst, wer unmittelbar vor Ihnen agiert?

Neuer: Es war auch für mich neu, dass vor mir vier Spieler gespielt haben, die im Grunde alle Innenverteidiger sind. Wir hatten auf diese Weise eine sehr zweikampfstarke Viererkette. Das hat vor allem in den Situation geholfen, in denen es galt, Konter zu verhindern. Wir haben früh gestört, haben die Zweikämpfe gesucht und häufig auch gewonnen.

DFB.de: Mussten Sie aufgrund der ungewohnten personellen Konstellation mehr als sonst dirigieren?

Neuer: Ich dirigiere nicht anders, nur weil andere Spieler in der Viererkette gespielt haben. Meine Aufgabe ist es immer, so mit meinen Mitspielern zu reden, dass die Defensive gut steht.

DFB.de: Schon klar. Aber mussten Sie mehr sprechen, um dies zu erreichen?

Neuer: Nicht zwangsläufig, das hängt ja davon ab, wie sich die Spieler verhalten. Wenn alles in Ordnung ist, wenn sie richtig stehen und richtig laufen, dann brauche ich keine Kommandos zu geben. Ich bin kein Freund davon, sinnlos rumzuschreien. Wie gesagt, dass Spiel war nicht perfekt. Aber wir haben zu Null gewonnen, richtig viel falsch hat die Defensive also nicht gemacht.

DFB.de: Sie sind mittlerweile seit zehn Tagen in Brasilien. Wie gefällt es Ihnen im Campo Bahia?

Neuer: Ich erlebe jetzt mein drittes Turnier. So gut wie hier war es zuvor noch nicht. Wir haben keine weite Anreise zum Trainingsplatz, wir habe es phantastisch getroffen, was das Leben im Teamquartier betrifft. Uns geht’s gut hier. Wir sind gut versorgt, wir können gut abschalten. Es passt.



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In vier Jahren kann sich viel ändern. Kurz vor der WM 2010 in Südafrika war Manuel Neuer die Nummer eins im deutschen Tor geworden, an seiner Seite trainierten Tim Wiese und Jörg Butt. Vier Jahre später haben sich zwei von drei Stellen im Torhüter-Team geändert. Ron-Robert Zieler und Roman Weidenfeller sind dabei – sie unterstützen die Nummer eins, Manuel Neuer. Auch für Neuer hat sich in vier Jahren viel geändert. Er ging von Schalke zum FC Bayern, er gewann das Triple und wurde zum Welttorhüter gewählt.

In Brasilien will Neuer Torhüter der Weltmeistermannschaft werden, am Samstag (ab 21 Uhr MESZ, live in der ARD) steht mit dem Spiel in Fortaleza gegen Ghana Schritt Nummer zwei auf dem Weg dorthin an. Über die WM, über seine Verletzung und über seine Torhüter-Kollegen hat Neuer für DFB.de mit Redakteur Steffen Lüdeke gesprochen.

DFB.de: Herr Neuer, 4:0 gegen Portugal. Vier Tore sind schön. Aber stimmen Sie zu: Null Gegentore noch schöner?

Manuel Neuer: Das Schönste waren drei Punkte. Wichtig war, dass wir gut starten und gleich ein Ausrufezeichen setzen. Was das Ergebnis betrifft.

DFB.de: Nur was das Ergebnis betrifft? Das Team hat doch auch überzeugend Fußball gespielt…

Neuer: Ich finde, dass wir mit der Art und Weise nur teilweise zufrieden sein können. In der Zeit, in der Portugal nur mit zehn Spielern auf dem Platz stand, haben wir nicht alles richtig gemacht. In der Bewertung sollten wir ehrlich sein. Wir bekommen den Strafstoß, der Gegner bekommt die Rote Karte - in diesem Spiel ist im Prinzip alles für uns gelaufen. In der zweiten Halbzeit haben wir das Spiel dann in Überzahl kontrolliert, dennoch müssen wir auch sehen, dass der Gegner noch Möglichkeiten hatte. Es war nicht alles perfekt. Aber das hilft uns. Wir hatten nach dem Spiel ein paar Punkte, an denen wir im Training ansetzen konnten. Außerdem ist dadurch die Gefahr geringer, dass wir uns von dem 4:0 blenden lassen.

DFB.de: Dann besteht die Gefahr nicht, dass das Team nach dem 4:0 glauben könnte, gegen Ghana würden 90 Prozent genügen?

Neuer: Nein, glaube ich nicht. Diesen Eindruck hat das Team im Training auch nicht gemacht. Wir wissen alle, dass wir nicht nachlassen dürfen. Und wie gesagt: Gegen Portugal war nicht alles perfekt, das wissen wir.

DFB.de: Kurz vor Ende haben Sie bei einem Freistoß von Ronaldo die Mauer verkleinert, warum?

Neuer: Das war nichts Ungewöhnliches. Ich versuche, immer relativ wenig Spieler in die Mauer zu stellen. Je kleiner die Mauer ist, desto besser ist meine Position. Ich stehe dann mittig im Tor, komme mit einem Schritt in beide Ecken. Und ich habe einen besseren Blick auf den Ball. Ab einer gewissen Distanz fühle ich mich bei den Freistößen auf diese Art relativ sicher. Gegen Portugal war die Situation genau so. Ich wusste zwar, dass Ronaldo einen guten Schuss hat, ich war aber sicher, dass er mir aus dieser Distanz nicht gefährlich werden konnte.

DFB.de: War es für Sie nach Ihrer Verletzung noch wertvoller, dass Sie ohne Gegentor geblieben sind? Und dass es auch Aktionen gab, in denen Sie sich auszeichnen konnten?

Neuer: Ich bin ein Freund davon, in der Anfangsphase ein bisschen gefordert zu werden. Auch wenn mein Spiel natürlich darauf angelegt ist, das dies nicht passiert. (lacht) Wenn ich sofort im Spiel bin, tue ich mich im weiteren Verlauf leichter. Das hilft immer. Was das zu Null angeht - das freut mich immer, unabhängig von der Verletzung. Vor dem Spiel hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, dass ich zuvor eine Zeit lang ausgefallen war. Für mich war das kein großes Thema, ich wusste immer, dass ich rechtzeitig zurückkommen würde.

DFB.de: Sie hatte nie die geringste Sorge? Gab es bei Ihnen nie einen Zweifel?

Neuer: Ich war mir nach den ersten Bildern der Kernspintomografie sicher, dass es reichen würde. Denn das ist das, was mir die Ärzte gesagt hatten. Ich wusste, dass ich darauf vertrauen konnte.

DFB.de: Sie werden hier im Campo noch von den Ärzten behandelt. Weil Sie noch kleine Probleme haben?

Neuer: Nein, es ist ganz normal, dass ich noch behandelt werde. Ich kann alle Sachen, die ich für mein Spiel benötige, ohne Probleme machen. Die Behandlung hier ist mehr oder weniger Kosmetik, das ist keine große Sache.

DFB.de: Die Vierer-Kette vor Ihnen hat gegen Portugal in ungewohnter Besetzung gespielt. Wie sehr ist Ihr Spiel davon beeinflusst, wer unmittelbar vor Ihnen agiert?

Neuer: Es war auch für mich neu, dass vor mir vier Spieler gespielt haben, die im Grunde alle Innenverteidiger sind. Wir hatten auf diese Weise eine sehr zweikampfstarke Viererkette. Das hat vor allem in den Situation geholfen, in denen es galt, Konter zu verhindern. Wir haben früh gestört, haben die Zweikämpfe gesucht und häufig auch gewonnen.

DFB.de: Mussten Sie aufgrund der ungewohnten personellen Konstellation mehr als sonst dirigieren?

Neuer: Ich dirigiere nicht anders, nur weil andere Spieler in der Viererkette gespielt haben. Meine Aufgabe ist es immer, so mit meinen Mitspielern zu reden, dass die Defensive gut steht.

DFB.de: Schon klar. Aber mussten Sie mehr sprechen, um dies zu erreichen?

Neuer: Nicht zwangsläufig, das hängt ja davon ab, wie sich die Spieler verhalten. Wenn alles in Ordnung ist, wenn sie richtig stehen und richtig laufen, dann brauche ich keine Kommandos zu geben. Ich bin kein Freund davon, sinnlos rumzuschreien. Wie gesagt, dass Spiel war nicht perfekt. Aber wir haben zu Null gewonnen, richtig viel falsch hat die Defensive also nicht gemacht.

DFB.de: Sie sind mittlerweile seit zehn Tagen in Brasilien. Wie gefällt es Ihnen im Campo Bahia?

Neuer: Ich erlebe jetzt mein drittes Turnier. So gut wie hier war es zuvor noch nicht. Wir haben keine weite Anreise zum Trainingsplatz, wir habe es phantastisch getroffen, was das Leben im Teamquartier betrifft. Uns geht’s gut hier. Wir sind gut versorgt, wir können gut abschalten. Es passt.

DFB.de: Sie spielen Ihre zweite WM. Kurz vor der WM in Südafrika waren Sie zur Nr. 1 geworden. Wenn sie den Neuer vor Südafrika mit dem Neuer vor Südamerika vergleichen - wie viele Gemeinsamkeiten gibt es, wie groß sind die Unterschiede?

Neuer: Ich glaube, dass ich eine ganz normale Entwicklung durchgemacht habe. Ich bin älter geworden, ich habe viele wichtige Erfahrungen sammeln können. Jedes Spiel hilft mir, ich habe international viel mitgemacht. Als Spieler reift man durch solche Erlebnisse. Man wird ruhiger, man wird sicherer. Ansonsten glaube ich nicht, dass ich mich in irgendeiner Weise übermäßig verändert hätte.

DFB.de: Bei der WM 2014 sind Sie im Torhüterteam in ungewohnter Konstellation. Sie trainieren gemeinsam mit Ron-Robert Zieler und Roman Weidenfeller. Wie läuft die Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht?

Neuer: In meiner ganzen Zeit bei der Nationalmannschaft war es so, dass wir im Torhüterteam immer sehr gut zusammengearbeitet haben. Das war vor vier Jahren so, das war vor zwei Jahren so, das ist auch diesmal so. Gegenseitiger Respekt und gegenseitiges Verständnis ist für uns sehr wichtig. Und das ist in diesem Team zusammen mit Andi Köpke absolut gegeben. Wir helfen einander, wir unterstützen uns – so wie es sein muss.

DFB.de: Viele Feldspieler sagen, dass die WM in Brasilien für sie etwas ganz Besonderes ist. Brasilien ist fünfmaliger Weltmeister, Brasilien steht für das schöne Spiel, für Pelé, für Zico, für Ronaldo. Für herausragende Torhüter steht Brasilien eher nicht. Oder gibt es einen brasilianischen Torhüter, den Sie früher bewundert haben?

Neuer: Es ist ja immer so, dass man sich an die erfolgreichen Mannschaften und Spieler erinnert. Mir fallen schon ein paar gute brasilianische Torhüter ein, Taffarel zum Beispiel, der mit Brasilien 1994 Weltmeister geworden ist. Aber es stimmt, es ist nicht so, dass ich mich an einem brasilianischen Torhüter orientiert hätte. Woran das liegt – keine Ahnung. So viele brasilianische Torhüter haben früher auch nicht in Europa gespielt.

DFB.de: In München spielen Sie mit zwei Brasilianern in einer Mannschaft. Wie oft haben Sie sich mit Dante und Rafinha über die WM ausgetauscht?

Neuer: Schon im Vorfeld sehr oft. Und jetzt auch. Der Kontakt ist nicht abgerissen. Wir schicken uns Nachrichten und Fotos. Ich freue mich, dass ich jetzt ein wenig von ihrem Land kennenlerne. Sie haben viel erzählt, aber es ist immer etwas anderes, die Dinge mit eigenen Augen zu sehen.

DFB.de: Wie gefallen Ihnen denn die Dinge, die Sie mit eigenen Augen sehen?

Neuer: Was ich bisher sagen kann, ist, dass Brasilien sehr facettenreich ist. Obwohl wir bisher lediglich im Nordosten des Landes unterwegs waren, habe ich schon viel Abwechslungsreiches gesehen. Ich bin gespannt, wie es wird, wenn wir weiter in den Süden kommen. Nicht zu übersehen ist, dass die Schere zwischen arm und reich in Brasilien sehr weit auseinander liegt, die Gegensätze hier sind groß. Was ich auch spüre, ist, dass die Menschen trotz ihrer Armut sehr positiv sind. Sie haben eine gute Einstellung, sie haben eine gute Ausstrahlung. Ihre Probleme sind offenkundig, trotzdem geht von ihnen viel Lebensfreude aus.

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DFB.de: In welchen Situationen erleben Sie das?

Neuer: Auch hier im Campo, bei den Menschen, die für uns tolle Arbeit machen. Ihre Sprache ist die Musik, ist der Tanz. Ich erlebe es oft, dass die Mitarbeiter hier singend durch die Gegend laufen. Wenn ich in die Gesichter schaue, sehe ich fast immer Fröhlichkeit. Das fällt einfach auf, und das ist ansteckend.

DFB.de: Heute Abend geht es schon wieder weiter. Das Team verlässt das Campo Bahia, es geht zum zweiten Gruppenspiel. In Fortaleza steht die Partie gegen Ghana an. Was erwarten Sie von diesem Vergleich?

Neuer: Ich habe immer gesagt, dass wir mit dem ersten Finale beginnen und hoffentlich insgesamt sieben Finals spielen werden. Gegen Ghana erwartet uns also das zweite Finale. Im Vergleich zum Spiel gegen Portugal müssen wir versuchen, ein bisschen enger zu stehen, wir müssen die Räume kleiner machen. Und wir dürfen nicht zu weit zurückrücken. Ghana hat sehr selbstbewusste Einzelspieler, sie versuchen verrückte Dinge und schießen aus allen Lagen.