Madjers Hackentor schmerzt immer noch

Matthäus: "80 Minuten Europapokalsieger, dann Pott hergeschenkt"

"Das ist die bitterste Niederlage meines Lebens", zeterte Trainer Udo Lattek. "Ich muss mir gratulieren, dass ich aufhöre. Ich bin nicht mehr dazu in der Lage, die Verantwortung dafür zu tragen, dass Spieler nicht das bringen, was sie können." Der Bayerische Rundfunk musste ein Interview mit Dieter Hoeneß abbrechen, denn der stammelte nur Unverständliches mit tränenerstickter Stimme. Andreas Brehme führte mentale Gründe an, drückte es nur etwas einfacher aus: "Auf alle Fälle lag's irgendwie an da oben", sagte er und fasste sich an die Stirn.

Die größte Kritik entlud sich zumindest intern an Lothar Matthäus, dem Jean-Marie Pfaff attestierte: "Er ist kein Chef!" Manager Uli Hoeneß, sonst kein Freund von Einzelkritiken, sagte, die Niederlage sei den "nervlichen Problemen des Lothar Matthäus, nicht aber unserer Auffassung von Fußball" geschuldet gewesen. Matthäus, der sein Trikot mit Madjer getauscht hatte, wehrte sich mit einer Fußballerfloskel: "Wir haben als ganze Mannschaft verloren." Unwidersprochen blieb ein anderer Satz von ihm: "80 Minuten waren wir Europapokalsieger, dann haben wir den Pott hergeschenkt."

Über Porto ärgerten sich die Bayern noch ein bisschen länger. Denn Hackentorschütze Rabah Madjer, von Uli Hoeneß spontan verpflichtet und im Januar 1988 als Zugang vermeldet, kam nie nach München. Inter Mailand bot mehr, Porto wollte den Transfer canceln, musste Bayern schließlich entschädigen. 1991 gestand Madjer: "Dass ich nicht zum FC Bayern gegangen bin, war der einzige Fehler meiner Laufbahn."

1991: Die "Rache für Wien"

Gefragt wurde er dazu, weil sich die Klubs im März 1991 wiedersahen. Nun im Viertelfinale des Meisterpokals - und wieder schien es kein gutes Ende zu nehmen für den Deutschen Meister. Die in den Medien propagierte "Rache für Wien" war nach dem Hinspiel in weiter Ferne. In München schafften die von Jupp Heynckes trainierten Bayern nur ein 1:1, und sie verloren Libero Klaus Augenthaler, der schon nach 18 Minuten nach einer Notbremse gegen den späteren Bayern-Stürmer Emil Kostadinov Rot sah. In Unterzahl griffen sie dennoch an, und Manfred Bender köpfte das 1:0 (31.), aber Domingos glich nach der Pause aus (67.).

"Nur" 40.000 waren in München gewesen, das Rückspiel wollten 80.000 sehen. Bei Bayern fehlten Klaus Augenthaler und Stürmer Brian Laudrup, die Ausgangslage war schlecht. Aber die Gäste ließen nichts unversucht. Auf Initiative von Jupp Heynckes wurde sogar das Bundesligaspiel gegen den KSC von Samstag auf Freitag vorverlegt, damit ein Tag mehr für die Vorbereitung blieb. In Porto - Anpfiff war um 22.30 Uhr Ortszeit - ging Heynckes Risiko und ließ den 19-jährigen Christian Ziege nach zuvor drei Kurzeinsätzen erstmals von Anfang an stürmen. Der dankte es ihm prompt. Sein Tor zum 0:1 (19.) stellte die Weichen um, nun waren die Portugiesen unter Zugzwang.

Trainer Artur Jorge brachte sein Auslaufmodell Madjer in der Hoffnung, dass allein dessen Name für Panik unter den vorgeschädigten Bajuwaren sorgen würde. Heynckes aber sagte nur: "Ein Psychotrick - über den ich nur lächeln kann." Die mit fünf Weltmeistern angetretenen Bayern ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, boten ein großes Spiel, das Manfred Bender mit einem Tor nach 60-Meter-Solo zum 2:0-Endstand krönte. "Viele hatten uns schon aufgegeben, nur wir uns nicht", jubilierte Uli Hoeneß.



Fünf Duelle zwischen dem FC Bayern und FC Porto gab es in der langen und ruhmreichen Geschichter beider Klubs, nur eins verloren die Münchner - allerdings das wichtigste. Vor dem Viertelfinalhinspiel in der Champions League am Mittwoch (ab 20.45 Uhr, live im ZDF und bei Sky) in Porto wirft DFB.de einen Blick in die Historie.

Es begann gleich mit einem Finale. In Wien ging es am 26. Mai 1987 um den begehrten Landesmeisterpokal. Mit Torwart Jean-Marie Pfaff, Libero Klaus Augenthaler, Stopper Norbert Eder und Mittelfeldrenner Lothar Matthäus hatten die Bayern, die in der Liga den zweiten Hattrick ansteuerten, international erfahrene Spieler im Kader, die alle bei der WM 1986 dabei waren.

Weltklassespieler hatte diese Mannschaft damals noch nicht, sie kam über das Kollektiv und über die Talente aus der zweiten Reihe. Im Halbfinale, das Bayern nun schon zum sechsten Mal im Meistercup erreicht hatte, schalteten sie Real Madrid aus (4:1; 0:1). Das machte sie zum Favoriten für das Finale gegen den FC Porto. Selbst dessen Fans glaubten nicht an ein Wunder, 4600 Karten gingen an die UEFA zurück und so feuerte die Masse der 58.000 den amtierenden und kommenden Deutschen Meister an. Der trug an diesem Mittwoch im Mai ungewohnte hellblaue Hosen zu roten Trikots.

1987: Bayern verliert trotz Kögls Kopfballtor

Klaus Augenthaler, Hans Dorfner und Roland Wohlfarth fehlten, aber die Siegesgewissheit nicht. Manager Uli Hoeneß sah den Klub schon "am Anfang einer neuen Ära" und Präsident Fritz Scherer hatte seine Siegesrede fürs Bankett längst vorbereitet. Er musste sie niemals halten. Dabei sah zunächst alles danach aus. Eine halbe Milliarde TV-Zuschauer in rund 70 Ländern sah einen starken, überlegenen FC Bayern, der verdient in Führung ging - wenngleich auf nie dagewesene Weise. Nach einem Einwurf von Pflügler glückte dem 1,70 Meter kleinen Ludwg Kögl ein Kopfballtor. "Dös hat's no nie net gebn", sagte der sympathische Ur-Bayer später.

Wenn schon Wiggerl Kögl Kopfballtore gelingen, was soll dann noch passieren? So oder ähnlich müssen sie gedacht haben, denn die Bayern legten nicht nach. Später bezeichneten es Spieler wie Dieter Hoeneß als "entscheidenden Fehler", dass in der Pause die Parole "Ergebnis halten" ausgegeben worden sei. Bis zwölf Minuten vor Abpfiff ging es gut, da nahm das Unheil seinen Lauf. Im Getümmel prallte der Ball zum Algerier Rabah Madjer, und der wusste sich nicht anders zu helfen, als die Hacke zu nehmen. Er stand mit dem Rücken zum Tor, aber er traf es - 1:1.

Wichtige Tore, die auch noch schön sind, vergisst man nie. Madjers Hackentrick war ein Tor für die Ewigkeit und traf die Bayern ins Mark. Nur zwei Minuten später kam dieser Madjer zum Flanken, und der eingewechselte Brasilianer Juary schoss aus vier Metern mühelos ein. 1:2, der zweite Schock. Dabei blieb es. Um 22.01 Uhr pfiff Schiedsrichter Ponnet aus Belgien ab und stürzte die Bayern ins Jammertal.

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Matthäus: "80 Minuten Europapokalsieger, dann Pott hergeschenkt"

"Das ist die bitterste Niederlage meines Lebens", zeterte Trainer Udo Lattek. "Ich muss mir gratulieren, dass ich aufhöre. Ich bin nicht mehr dazu in der Lage, die Verantwortung dafür zu tragen, dass Spieler nicht das bringen, was sie können." Der Bayerische Rundfunk musste ein Interview mit Dieter Hoeneß abbrechen, denn der stammelte nur Unverständliches mit tränenerstickter Stimme. Andreas Brehme führte mentale Gründe an, drückte es nur etwas einfacher aus: "Auf alle Fälle lag's irgendwie an da oben", sagte er und fasste sich an die Stirn.

Die größte Kritik entlud sich zumindest intern an Lothar Matthäus, dem Jean-Marie Pfaff attestierte: "Er ist kein Chef!" Manager Uli Hoeneß, sonst kein Freund von Einzelkritiken, sagte, die Niederlage sei den "nervlichen Problemen des Lothar Matthäus, nicht aber unserer Auffassung von Fußball" geschuldet gewesen. Matthäus, der sein Trikot mit Madjer getauscht hatte, wehrte sich mit einer Fußballerfloskel: "Wir haben als ganze Mannschaft verloren." Unwidersprochen blieb ein anderer Satz von ihm: "80 Minuten waren wir Europapokalsieger, dann haben wir den Pott hergeschenkt."

Über Porto ärgerten sich die Bayern noch ein bisschen länger. Denn Hackentorschütze Rabah Madjer, von Uli Hoeneß spontan verpflichtet und im Januar 1988 als Zugang vermeldet, kam nie nach München. Inter Mailand bot mehr, Porto wollte den Transfer canceln, musste Bayern schließlich entschädigen. 1991 gestand Madjer: "Dass ich nicht zum FC Bayern gegangen bin, war der einzige Fehler meiner Laufbahn."

1991: Die "Rache für Wien"

Gefragt wurde er dazu, weil sich die Klubs im März 1991 wiedersahen. Nun im Viertelfinale des Meisterpokals - und wieder schien es kein gutes Ende zu nehmen für den Deutschen Meister. Die in den Medien propagierte "Rache für Wien" war nach dem Hinspiel in weiter Ferne. In München schafften die von Jupp Heynckes trainierten Bayern nur ein 1:1, und sie verloren Libero Klaus Augenthaler, der schon nach 18 Minuten nach einer Notbremse gegen den späteren Bayern-Stürmer Emil Kostadinov Rot sah. In Unterzahl griffen sie dennoch an, und Manfred Bender köpfte das 1:0 (31.), aber Domingos glich nach der Pause aus (67.).

"Nur" 40.000 waren in München gewesen, das Rückspiel wollten 80.000 sehen. Bei Bayern fehlten Klaus Augenthaler und Stürmer Brian Laudrup, die Ausgangslage war schlecht. Aber die Gäste ließen nichts unversucht. Auf Initiative von Jupp Heynckes wurde sogar das Bundesligaspiel gegen den KSC von Samstag auf Freitag vorverlegt, damit ein Tag mehr für die Vorbereitung blieb. In Porto - Anpfiff war um 22.30 Uhr Ortszeit - ging Heynckes Risiko und ließ den 19-jährigen Christian Ziege nach zuvor drei Kurzeinsätzen erstmals von Anfang an stürmen. Der dankte es ihm prompt. Sein Tor zum 0:1 (19.) stellte die Weichen um, nun waren die Portugiesen unter Zugzwang.

Trainer Artur Jorge brachte sein Auslaufmodell Madjer in der Hoffnung, dass allein dessen Name für Panik unter den vorgeschädigten Bajuwaren sorgen würde. Heynckes aber sagte nur: "Ein Psychotrick - über den ich nur lächeln kann." Die mit fünf Weltmeistern angetretenen Bayern ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, boten ein großes Spiel, das Manfred Bender mit einem Tor nach 60-Meter-Solo zum 2:0-Endstand krönte. "Viele hatten uns schon aufgegeben, nur wir uns nicht", jubilierte Uli Hoeneß.

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2000: Premiere in der Champions League

Im April 2000 hatte das Duell dann seine Champions-League-Premiere. Das Hinspiel in Porto war das Spiel eins nach Lothar Matthäus in diesem Wettbewerb, der Rekordnationalspieler war im März nach New York gewechselt. Ottmar Hitzfelds Kader bot genügend Alternativen, vor dem Spiel musste er Neu-Nationalspieler Thomas Linke beibringen, dass für ihn in der Viererabwehrkette kein Platz mehr sei. Linke machte seiner Enttäuschung Luft: "Ich weiß nicht, ob man jetzt schon bestraft wird, wenn man in der Nationalelf spielt."

Aber das war nur eine von vielen Baustellen im Frühjahr 2000. Nach dem schier sensationellen 4:2 in der Zwischenrunde bei Real Madrid waren die Bayern in der Bundesliga eingebrochen, weshalb Hitzfeld monierte: "Seither sind wir selbstzufrieden, jeder kümmert sich vor allem um sich selbst." Jens Jeremies schob Frust, Bundestrainer Erich Ribbeck hatte ihn für ein Spiel aus der Nationalmannschaft suspendiert, weil er deren Zustand als "jämmerlich" bezeichnet hatte. Und nun war also auch Leitwolf Lothar Matthäus weg.

Die Kritik über ein 1:1 in Wolfsburg noch in den Ohren, reisten die Bayern nach Porto und lieferten ein schwaches Spiel ab. Stark war nur das Ergebnis, das 1:1 ließ alle Möglichkeiten. Das Kopfballtor des Brasilianers Jardel schien zwar den Sieg der Gastgeber zu sichern, Bayern kam kaum vor das gegnerische Tor. Doch zum Entsetzen der nur 20.125 Zuschauer schaltete Paulo Sergio nach einem Freistoßpfiff am schnellsten: Stefan Effenberg führte aus dem Mittelkreis aus und schickte den Münchner Brasilianer auf die Reise, der Rest war Formsache. Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge erkannte: "Das Ergebnis war gut, das Spiel war es nicht." Und niemand widersprach Hitzfeld, als der feststellte: "Wenn wir das Halbfinale der Champions League erreichen wollen, müssen wir uns erheblich steigern."

Linkes Last-Minute-Tor sichert Halbfinaleinzug

In der Liga gelang das nicht, im Derby gegen die Löwen setzte es eine schmerzliche Niederlage. Porto sollte das büßen. Am 18. April 2000 kamen 47.000 Menschen ins Olympiastadion, um Bayern ins Halbfinale einziehen zu sehen. Zunächst sah es gut aus, wieder traf Porto-Schreck Paulo Sergio, diesmal auf Vorarbeit von Michael Tarnat (15.). Die Gäste wurden offensiver, eine Flanke prallte gegen den Pfosten von Oliver Kahns Tor, aber sonst fiel ihnen wenig ein. Hitzfeld wechselte mit Sammy Kuffour noch einen Innenverteidiger ein, wollte das 1:0 über die Zeit retten. Da traf auch der andere Torschütze des Hinspiels: Jardel köpfte in der 90. Minute das 1:1.

Lange Gesichter auf der Bayern-Bank, es drohte eine Verlängerung. Carsten Jancker kam ins Spiel, zumindest er freute sich auf 30 Minuten Einsatzzeit. Noch hatte der schottische Referee Hugh Dallas nicht abgepfiffen, da kam der Moment des Mannes, für den im Hinspiel kein Platz gewesen war. Thomas Linke, für den sich nun doch ein Platz in der Viererkette gefunden hatte, wuchtete eine Flanke von Mehmet Scholl per Kopf ins Tor. 2:1, Ende, Halbfinale. Dort wartete wieder Real Madrid. Eine Konstellation, die auch 2015 gut vorstellbar ist.