Lidija Kulis und Potsdam: Plötzlich wieder gute Titelchancen

Lidija Kulis hatte diesen Traum. Schon an jenem Tag im Sommer 2010, als sie das Endspiel um die Champions League zwischen Turbine Potsdam und Olympique Lyon zu Hause vor dem Fernseher verfolgte. Turbine gewann 6:5 nach Elfmeterschießen, Kulis war beeindruckt: "Ich habe gesehen, dass Potsdam eine große Mannschaft ist. Da hat sich bei mir der Wunsch entwickelt, auch irgendwann einmal für diesen Verein spielen zu wollen."

Und tatsächlich, inzwischen ist Kulis fester Bestandteil der Teams von Bernd Schröder. Zunächst war sie als Stürmerin aus Bosnien Herzegowina gekommen. Sie musste sich nach oben arbeiten, über die zweite Mannschaft, sie war zweitbeste Torschützin der 2. Bundesliga mit 22 Treffern. Aber Schröder hatte ganz schnell ein anderes Talent bei der 22-Jährigen entdeckt. Seitdem ist Kulis Abwehrspielerin.

Auch im Topspiel heute (ab 18 Uhr, live bei DFB-TV) gegen den Tabellendritten FC Bayern München wird Kulis wahrscheinlich wieder ihre Position in der Viererkette einnehmen – auch wenn sie zuletzt beim überzeugenden 2:0 gegen den VfL Wolfsburg gelbgesperrt nicht dabei war.

"In der Bundesliga geht es wirklich eng zu"

Seit dem vergangenen Wochenende hat sich die Ausgangslage in der Spitzengruppe der Allianz Frauen-Bundesliga dramatisch verändert. Plötzlich können sich alle vier Topteams wieder berechtigte Hoffnungen auf die Deutsche Meisterschaft machen. Nicht nur Spitzenreiter VfL Wolfsburg und Bayern München. Auch die zwischendurch fast schon abgeschlagenen Teams des 1. FFC Frankfurt und eben auch von Turbine Potsdam.

"In der Bundesliga geht es in diesem Moment wirklich eng zu", sagt Kulis. "Wir haben vier ganz starke Mannschaften und es zeigt uns, warum die Allianz Frauen-Bundesliga eine der besten in der Welt ist. Die Konkurrenz zwischen den Vereinen ist groß und jeder Ausrutscher kann dich in der Tabelle gleich ein Paar Plätze kosten. Es bleibt spannend, und das ist gut so."

"Wir wollen wieder Champions League spielen"

Gleichzeitig macht Kulis deutlich, dass es für sie und Turbine nur ein Ziel geben kann: "Wir wollen Platz eins oder zwei erreichen. Wir wollen wieder Champions League spielen. Wir wissen genau, dass wir uns keine Fehler erlauben dürfen und bis zum Ende noch härter an uns arbeiten müssen."

Die nächste große Herausforderung auf dem Weg dorthin ist nun das richtungsweisende Duell beim FC Bayern: "Es wird ein sehr schweres Spiel. Für beide Mannschaften ist es extrem wichtig, diese Partie zu gewinnen. Bayern hat sehr viele gute Einzelspielerinnen und eine richtig gute Mannschaft. Wir müssen geduldig und clever sein und versuchen, unser Spiel durchzubringen. Wir müssen gut stehen und unsere Chancen nutzen."

Viele Rückschläge erfolgreich verkraftet

Kulis musste lange und hart dafür kämpfen, um den Sprung in eines der besten Teams in Deutschland zu schaffen. Lange stand die gelernte Angreiferin in zweiter Reihe. Aber die gebürtige Bosnien-Herzegowinerin hat nicht nur auf ihre Chance gewartet, sie hat intensiv dafür gearbeitet. Und sie musste auch den einen oder anderen Rückschlag wegstecken. Sie war sich allerdings immer sicher, eines Tages die große Chance zu bekommen.

Sie kann sich noch immer gut an ihre ersten Schritt in Potsdam erinnern. Natürlich kann sie das, so ein einschneidendes Erlebnis vergisst man nicht mehr. Über einen Bekannten des Vaters war sie im Winter 2011 zu einem einwöchigen Probetraining nach Deutschland gekommen. Aber sie hatte ein großes Problem: Sie war nicht fit. "Und das hat Bernd Schröder ziemlich schnell gemerkt. Deshalb konnte ich nicht wirklich zeigen, was ich kann."

Trotzdem hatte Schröder bei ihr das nötige Potenzial entdeckt: "Er hat mich zurück nach Bosnien-Herzegowina geschickt mit dem Hinweis, dass wir uns im Sommer erneut verständigen. Und er hat ihr einen Trainingsplan mitgegeben: Den habe ich eisern abgearbeitet. Ich wollte dem Trainer zeigen, was ich wirklich kann. Ich wusste aber auch, dafür muss ich etwas tun." Rundum fit wurde sie im Sommer 2011 erneut vorstellig und mit Bernd Schröder einig. Er nahm die damals 19-Jährige in seinen Kader auf.

Große Diskrepanz zwischen Potsdam und bosnischer Heimat

Seitdem hat sie sich ziemlich schnell in Potsdam eingelebt. "Ich habe meine Entscheidung, nach Potsdam zu gehen, nie bereut. Wenn ich ein, zwei Wochen mit der Nationalmannschaft oder in Bosnien bin, vermisse ich Potsdam bereits", sagt Kulis. "Ich habe hier so viele neue Dinge gelernt, viele neue Leute kennengelernt, eine neue Sprache gelernt. Ich denke, ich habe meine Chance gut genutzt."

Und dennoch freut sie sich natürlich, wenn es zwischendurch mal wieder in die Heimat geht. Auch wenn es für sie einer Reise in eine andere Welt gleicht: "Wenn ich in meine Heimat nach Bosnien-Herzegowina fahre, ist das schon ein ziemlicher Unterschied. Der Krieg hat viel zerstört, vieles ist noch nicht wieder aufgebaut. Ich sehe dort zahlreiche Menschen, die auf der Straße leben und gar nichts haben. Das macht mich sehr traurig."

Muntere "Balkan-Fraktion" bei Turbine

Ihre Heimatstadt Kresnovo, in der sie aufgewachsen und das Fußballspielen begonnen hat und wo die Familie lebt, sieht sie nur selten. Kontakt zu ihren Eltern, zu Schwester Monika (19) und zu Bruder Vedran (30) hält sie vor allem über die modernen Kommunikationswege: "Wir telefonieren oder skypen mehrmals pro Woche." Ein Stück Heimat in Potsdam hat Lidija Kulis mit Natasa und Sijce Andonova gefunden, mannschaftsintern auch die "Balkan-Fraktion" genannt. "Wir verstehen uns sehr gut. Es macht einiges einfacher, wenn man jemanden hat, der aus der Heimatregion kommt. Man hat eben die gleiche Mentalität."

Gemeinsam wollen sie nun mit Turbine den nächsten Schritt machen. Dem VfL Wolfsburg hat Potsdam am vergangenen Wochenende die erste Saisonniederlage beigebracht. Der FC Bayern ist nun als einzige Mannschaft der Allianz Frauen-Bundesliga noch ungeschlagen. Noch.

[sw]

Lidija Kulis hatte diesen Traum. Schon an jenem Tag im Sommer 2010, als sie das Endspiel um die Champions League zwischen Turbine Potsdam und Olympique Lyon zu Hause vor dem Fernseher verfolgte. Turbine gewann 6:5 nach Elfmeterschießen, Kulis war beeindruckt: "Ich habe gesehen, dass Potsdam eine große Mannschaft ist. Da hat sich bei mir der Wunsch entwickelt, auch irgendwann einmal für diesen Verein spielen zu wollen."

Und tatsächlich, inzwischen ist Kulis fester Bestandteil der Teams von Bernd Schröder. Zunächst war sie als Stürmerin aus Bosnien Herzegowina gekommen. Sie musste sich nach oben arbeiten, über die zweite Mannschaft, sie war zweitbeste Torschützin der 2. Bundesliga mit 22 Treffern. Aber Schröder hatte ganz schnell ein anderes Talent bei der 22-Jährigen entdeckt. Seitdem ist Kulis Abwehrspielerin.

Auch im Topspiel heute (ab 18 Uhr, live bei DFB-TV) gegen den Tabellendritten FC Bayern München wird Kulis wahrscheinlich wieder ihre Position in der Viererkette einnehmen – auch wenn sie zuletzt beim überzeugenden 2:0 gegen den VfL Wolfsburg gelbgesperrt nicht dabei war.

"In der Bundesliga geht es wirklich eng zu"

Seit dem vergangenen Wochenende hat sich die Ausgangslage in der Spitzengruppe der Allianz Frauen-Bundesliga dramatisch verändert. Plötzlich können sich alle vier Topteams wieder berechtigte Hoffnungen auf die Deutsche Meisterschaft machen. Nicht nur Spitzenreiter VfL Wolfsburg und Bayern München. Auch die zwischendurch fast schon abgeschlagenen Teams des 1. FFC Frankfurt und eben auch von Turbine Potsdam.

"In der Bundesliga geht es in diesem Moment wirklich eng zu", sagt Kulis. "Wir haben vier ganz starke Mannschaften und es zeigt uns, warum die Allianz Frauen-Bundesliga eine der besten in der Welt ist. Die Konkurrenz zwischen den Vereinen ist groß und jeder Ausrutscher kann dich in der Tabelle gleich ein Paar Plätze kosten. Es bleibt spannend, und das ist gut so."

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"Wir wollen wieder Champions League spielen"

Gleichzeitig macht Kulis deutlich, dass es für sie und Turbine nur ein Ziel geben kann: "Wir wollen Platz eins oder zwei erreichen. Wir wollen wieder Champions League spielen. Wir wissen genau, dass wir uns keine Fehler erlauben dürfen und bis zum Ende noch härter an uns arbeiten müssen."

Die nächste große Herausforderung auf dem Weg dorthin ist nun das richtungsweisende Duell beim FC Bayern: "Es wird ein sehr schweres Spiel. Für beide Mannschaften ist es extrem wichtig, diese Partie zu gewinnen. Bayern hat sehr viele gute Einzelspielerinnen und eine richtig gute Mannschaft. Wir müssen geduldig und clever sein und versuchen, unser Spiel durchzubringen. Wir müssen gut stehen und unsere Chancen nutzen."

Viele Rückschläge erfolgreich verkraftet

Kulis musste lange und hart dafür kämpfen, um den Sprung in eines der besten Teams in Deutschland zu schaffen. Lange stand die gelernte Angreiferin in zweiter Reihe. Aber die gebürtige Bosnien-Herzegowinerin hat nicht nur auf ihre Chance gewartet, sie hat intensiv dafür gearbeitet. Und sie musste auch den einen oder anderen Rückschlag wegstecken. Sie war sich allerdings immer sicher, eines Tages die große Chance zu bekommen.

Sie kann sich noch immer gut an ihre ersten Schritt in Potsdam erinnern. Natürlich kann sie das, so ein einschneidendes Erlebnis vergisst man nicht mehr. Über einen Bekannten des Vaters war sie im Winter 2011 zu einem einwöchigen Probetraining nach Deutschland gekommen. Aber sie hatte ein großes Problem: Sie war nicht fit. "Und das hat Bernd Schröder ziemlich schnell gemerkt. Deshalb konnte ich nicht wirklich zeigen, was ich kann."

Trotzdem hatte Schröder bei ihr das nötige Potenzial entdeckt: "Er hat mich zurück nach Bosnien-Herzegowina geschickt mit dem Hinweis, dass wir uns im Sommer erneut verständigen. Und er hat ihr einen Trainingsplan mitgegeben: Den habe ich eisern abgearbeitet. Ich wollte dem Trainer zeigen, was ich wirklich kann. Ich wusste aber auch, dafür muss ich etwas tun." Rundum fit wurde sie im Sommer 2011 erneut vorstellig und mit Bernd Schröder einig. Er nahm die damals 19-Jährige in seinen Kader auf.

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Seitdem hat sie sich ziemlich schnell in Potsdam eingelebt. "Ich habe meine Entscheidung, nach Potsdam zu gehen, nie bereut. Wenn ich ein, zwei Wochen mit der Nationalmannschaft oder in Bosnien bin, vermisse ich Potsdam bereits", sagt Kulis. "Ich habe hier so viele neue Dinge gelernt, viele neue Leute kennengelernt, eine neue Sprache gelernt. Ich denke, ich habe meine Chance gut genutzt."

Und dennoch freut sie sich natürlich, wenn es zwischendurch mal wieder in die Heimat geht. Auch wenn es für sie einer Reise in eine andere Welt gleicht: "Wenn ich in meine Heimat nach Bosnien-Herzegowina fahre, ist das schon ein ziemlicher Unterschied. Der Krieg hat viel zerstört, vieles ist noch nicht wieder aufgebaut. Ich sehe dort zahlreiche Menschen, die auf der Straße leben und gar nichts haben. Das macht mich sehr traurig."

Muntere "Balkan-Fraktion" bei Turbine

Ihre Heimatstadt Kresnovo, in der sie aufgewachsen und das Fußballspielen begonnen hat und wo die Familie lebt, sieht sie nur selten. Kontakt zu ihren Eltern, zu Schwester Monika (19) und zu Bruder Vedran (30) hält sie vor allem über die modernen Kommunikationswege: "Wir telefonieren oder skypen mehrmals pro Woche." Ein Stück Heimat in Potsdam hat Lidija Kulis mit Natasa und Sijce Andonova gefunden, mannschaftsintern auch die "Balkan-Fraktion" genannt. "Wir verstehen uns sehr gut. Es macht einiges einfacher, wenn man jemanden hat, der aus der Heimatregion kommt. Man hat eben die gleiche Mentalität."

Gemeinsam wollen sie nun mit Turbine den nächsten Schritt machen. Dem VfL Wolfsburg hat Potsdam am vergangenen Wochenende die erste Saisonniederlage beigebracht. Der FC Bayern ist nun als einzige Mannschaft der Allianz Frauen-Bundesliga noch ungeschlagen. Noch.