Lahm: "Wir müssen unseren Stil weiterentwickeln"

DFB.de: Bis zur Europameisterschaft in Polen und der Ukraine hat das Team jetzt praktisch nur noch Testspiele. Könnte es ein Nachteil sein, dass die Mannschaft bis zum Turnier bei keinem Spiel unbedingt gewinnen muss?

Philipp Lahm: Ich sehe darin einen Vorteil. Wir haben tolle Spiele vor uns, die alle viel mehr als nur Freundschaftsspiel-Charakter haben. Das Aufeinandertreffen mit Brasilien ist ein absolutes Highlight, auf das wir uns alle sehr freuen. So wie auf die Partie in Polen. Und auch die restlichen Spiele in der EM-Qualifikation sind echte Höhepunkte. In der Türkei, zu Hause gehen Österreich und Belgien. Das sind Spiele, die wir für uns und unsere Fans unbedingt gewinnen wollen. Und dennoch gibt die Konstellation dem Bundestrainer die Chance, einige Dinge auszuprobieren. Er kann neue Spieler testen, die eine oder andere taktische Variante weiterentwickeln.

DFB.de: Dann hat es Spanien in einem Jahr schwer gegen Deutschland?

Philipp Lahm: Wir dürfen nicht den Fehler machen und nur auf Spanien schauen. Es gibt in Europa auch andere Nationen, die gut Fußball spielen können, selbst wenn sich momentan alles an Spanien orientiert. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir uns generell auf einem guten Weg befinden. Bei der EM 2008 war Spanien viel weiter weg von uns als bei der Weltmeisterschaft 2010. Wir haben uns in einigen Bereichen verbessert und gesteigert. Und wir haben eine junge Mannschaft, die sich auch in den kommenden Jahren weiterentwickeln kann und ihr Potenzial noch nicht voll ausgereizt hat. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Lücke zu den Spaniern bis zur EM schließen und auf dem gleichen hohen Niveau wie sie spielen können.

DFB.de: Klingt danach, als würde die Nationalmannschaft Spanien kopieren wollen.

Philipp Lahm: Nein, das ist nicht unser Anspruch und das würde auch nicht funktionieren. Wir haben einen eigenen Stil, haben ein anderes System, andere Spielertypen. Wir müssen an unserem Spiel feilen, unseren Stil weiterentwickeln. Wir müssen in allen Bereichen das Optimale anstreben. Dann können wir mit Spanien mithalten, dann sind wir in der Lage, auch diese Mannschaft zu besiegen.

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Rechts, links, auf dem Platz und außerhalb des Stadions. Philipp Lahm geht seinen Weg. Er bringt Leistung, er denkt mit, hat soziale Kompetenz und ist Vorbild. Mit 27 Jahren ist er Kapitän, auf zwei Schiffen. Bei der Nationalmannschaft trägt er die Binde, auch beim deutschen Rekordmeis­ter FC Bayern München ist Lahm mittlerweile der Spielführer.

Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht Lahm über eine lange Sommerpause, den FC Bayern, die Blockbildung in der Nationalmannschaft und darüber, wie Deutschland bei der EM 2012 gegen Spanien gewinnen will.

DFB.de: Herr Lahm, im vergangenen Jahr standen Sie mit dem FC Bayern im Finale der Champions League, direkt im Anschluss ging es für Sie ins Trainingslager der Nationalmannschaft nach Südtirol, von dort zur WM nach Südafrika und bald danach ging es schon wieder in der Bundesliga los. Sie hatten kaum Pause, kaum Zeit, sich im vergangenen Sommer von den Strapazen der Saison zu erholen. Ganz anders in diesem Jahr. Wie gut hat es Ihnen getan, einmal länger Urlaub machen zu können?

Philipp Lahm: Es ist natürlich toll, dass wir in diesem Jahr erheblich mehr Pause hatten. Es ist wichtig, mal abzuschalten und an andere Dinge als Fußball zu denken. Im Sommer 2010 hatten wir ja nicht nur wenig Urlaub, sondern deshalb auch keine optimale Vorbereitung auf die neue Saison. Nach ein paar Tagen im Trainingslager haben wir mit Bayern im Supercup gegen Schalke gespielt, kurz drauf die erste Runde im DFB-Pokal gegen Germania Windeck. Da war es bei den Bayern fast unmöglich, Mechanismen einzuspielen und sich als Mannschaft zu finden. Diesmal haben wir eine viel komfortablere Situation.

DFB.de: Die Situation ist neu, so wie auch der Trainer. Wie groß sind die Unterschiede zwischen der Arbeit mit Louis van Gaal und Jupp Heynckes?

Philipp Lahm: Es ist doch klar, dass unterschiedliche Trainer unterschiedlich arbeiten. Sonst wäre es ja auch nicht sinnvoll, einen Trainer zu tauschen. Jeder hat andere Methoden, eine andere Ansprache. Für uns ist es jetzt gut, dass wir mit Jupp Heynckes wieder einen sehr erfahrenen Trainer haben, der weiß, wie wir als Team fühlen und der FC Bayern funktioniert. Es macht großen Spaß, mit ihm zu arbeiten, ich bin sehr optimistisch für die kommende Saison.

DFB.de: In der Sie in Ihrem Verein und der Nationalmannschaft als Kapitän auflaufen. Gab es in Ihrer Jugend einen Kapitän, auf den Sie ganz besonders geschaut haben - bei Bayern und im DFB-Team?

Philipp Lahm: In der Nationalmannschaft war das Lothar Matthäus. Die erste Weltmeisterschaft, die ich bewusst erlebt habe, war die WM 1990 in Italien. Da war ich sechs, sieben Jahre alt und habe Matthäus bewundert. Seine Art, das Team auf den Platz zu führen, war einzigartig. Er ist immer vorangegangen und hat alle Mitspieler förmlich mitgerissen. Bei den Bayern ist Klaus Augenthaler für mich ein vorbildlicher Kapitän gewesen. Er war ein Muster-Profi, war immer topmotiviert, bei jedem Training, bei allem, was gemacht wurde. Dazu hat er sich immer das Bayerische in seinem Wesen bewahrt. Mir hat das imponiert.

DFB.de: Unterscheidet sich für Sie die Ausübung des Kapitänsamts beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft?

Philipp Lahm: Nicht wirklich. Es ist ja klar, dass in der täglichen Arbeit bei Bayern andere Themen aktuell sind als mit der Nationalmannschaft, mit der wir uns nur alle zwei Monate treffen. Aber im Grundsatz glaube ich nicht, dass ich bei den Bayern ein anderer Kapitän bin als bei der Nationalmannschaft. Ich beziehe alle Spieler bei der Erörterung anstehender Fragen mit ein und versuche, die Dinge immer konkret anzusprechen und auf meine Art kommunikativ zu regeln.

DFB.de: Der FC Bayern hat mit Jérôme Boateng und Manuel Neuer zwei weitere Nationalspieler hinzubekommen. Inwieweit ist das auch für die Nationalmannschaft gut?

Philipp Lahm: In erster Linie ist es gut für die Bayern. Der Anspruch des Vereins ist es, die besten Spieler in seinem Kader zu haben. Mit Manuel und Jérôme wird der Verein diesem Anspruch auf zwei weiteren Positionen gerecht. Und natürlich ist diese Situation auch für die Nationalmannschaft gut. Bei allen großen Erfolgen des DFB-Teams in früheren Zeiten hat Blockbildung eine Rolle gespielt. Auch die Erfolge der Spanier zeigen, dass die Situation mit vielen Spielern des FC Barcelona gut für den amtierenden Welt- und Europameis­ter ist. Deshalb: Der Bayern-Block in der Nationalmannschaft wird größer – ein Nachteil ist das mit Sicherheit nicht.

DFB.de: Durch die Verpflichtung von Rafinha erwarten viele, dass Sie im Verein und in der Nationalmannschaft die Seiten wechseln und nun wieder auf der linken Seite agieren werden. Wie beurteilen Sie diese Situation?

Philipp Lahm: Ich glaube, dass ich in den vergangenen Jahren bewiesen habe, dass ich auf der rechten und der linken Seite konstant Top-Leistungen bringen kann. Natürlich sind die Abläufe nicht identisch, es ändern sich schon Kleinigkeiten. Aber es gab auch Zeiten, bei denen ich in der Nationalmannschaft auf rechts und im Verein auf links gespielt habe. Oder umgekehrt. Ich weiß also auf beiden Seiten, wie ich mich zu verhalten habe.

DFB.de: Die Nationalmannschaft hat die Qualifikation zur Europameisterschaft so gut wie geschafft. Sind Sie überrascht, dass sich das Team in einer nicht gerade leichten Gruppe so schnell durchsetzen konnte?

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Philipp Lahm: Wir haben die EM-Qualifikation bislang auf eine beeindruckende Art gespielt. Sicher haben wir nicht immer geglänzt, aber eben alle Spiele gewonnen - auch das ist ein Zeichen von Qualität. Die Nationalmannschaft hat ihr gutes Niveau der WM in Südafrika halten können.

DFB.de: Bis zur Europameisterschaft in Polen und der Ukraine hat das Team jetzt praktisch nur noch Testspiele. Könnte es ein Nachteil sein, dass die Mannschaft bis zum Turnier bei keinem Spiel unbedingt gewinnen muss?

Philipp Lahm: Ich sehe darin einen Vorteil. Wir haben tolle Spiele vor uns, die alle viel mehr als nur Freundschaftsspiel-Charakter haben. Das Aufeinandertreffen mit Brasilien ist ein absolutes Highlight, auf das wir uns alle sehr freuen. So wie auf die Partie in Polen. Und auch die restlichen Spiele in der EM-Qualifikation sind echte Höhepunkte. In der Türkei, zu Hause gehen Österreich und Belgien. Das sind Spiele, die wir für uns und unsere Fans unbedingt gewinnen wollen. Und dennoch gibt die Konstellation dem Bundestrainer die Chance, einige Dinge auszuprobieren. Er kann neue Spieler testen, die eine oder andere taktische Variante weiterentwickeln.

DFB.de: Dann hat es Spanien in einem Jahr schwer gegen Deutschland?

Philipp Lahm: Wir dürfen nicht den Fehler machen und nur auf Spanien schauen. Es gibt in Europa auch andere Nationen, die gut Fußball spielen können, selbst wenn sich momentan alles an Spanien orientiert. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir uns generell auf einem guten Weg befinden. Bei der EM 2008 war Spanien viel weiter weg von uns als bei der Weltmeisterschaft 2010. Wir haben uns in einigen Bereichen verbessert und gesteigert. Und wir haben eine junge Mannschaft, die sich auch in den kommenden Jahren weiterentwickeln kann und ihr Potenzial noch nicht voll ausgereizt hat. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Lücke zu den Spaniern bis zur EM schließen und auf dem gleichen hohen Niveau wie sie spielen können.

DFB.de: Klingt danach, als würde die Nationalmannschaft Spanien kopieren wollen.

Philipp Lahm: Nein, das ist nicht unser Anspruch und das würde auch nicht funktionieren. Wir haben einen eigenen Stil, haben ein anderes System, andere Spielertypen. Wir müssen an unserem Spiel feilen, unseren Stil weiterentwickeln. Wir müssen in allen Bereichen das Optimale anstreben. Dann können wir mit Spanien mithalten, dann sind wir in der Lage, auch diese Mannschaft zu besiegen.