Lahm übers Algerien-Spiel: "Druck ist etwas Schönes"

Lahm: Ich schlafe meistens gut. Schlechte Nächte habe ich nur, wenn der Kleine nachts wach wird und nicht mehr einschlafen will.

DFB.de: Auf der Position des Rechtsverteidigers kann Sie nichts mehr überraschen, da haben Sie alles schon erlebt. Sie haben das selbst mal so formuliert. Auf der Sechs spielen Sie im Verhältnis erheblich kürzer. Gibt es auf dieser Position mehr Situationen, in denen Sie die Lösung nicht sofort parat haben?

Lahm: Nein, eigentlich ist es ähnlich. Ich habe immer gesagt, dass man über Jahre auf einer Position gespielt haben muss, um sie zu 100 Prozent zu beherrschen. Das ist bei mir auf der Position vor der Abwehr aber der Fall. In den letzten Jugendjahren und bei den Amateuren des FC Bayern habe ich schon auf dieser Position gespielt. Es war für mich also nichts Neues, als ich diese Rolle nun auch bei den Profis übernommen habe. Bei den Bayern habe ich jetzt eine komplette Saison vor der Abwehr gespielt und trainiert, es ist nicht so, dass es mir an Lösungen für die Aufgaben fehlen würde, die einem Spieler auf der Sechs gestellt werden. Das Umsetzen dieser Lösungen klappt mal besser und mal schlechter, das ist aber auf jeder Position so. Das war auch nicht anders, als ich noch rechter Verteidiger gespielt habe.

DFB.de: Ist die Situation für Ihre Rolle im Vergleich Bayern und Nationalmannschaft nicht schon deswegen unterschiedlich, weil bei der WM der Ballbesitzfußball, den Sie aus München kennen, weniger zum Tragen kommt?

Lahm: Klar gibt es Unterschiede. Das sind Details, Kleinigkeiten. Wie die Räume zu besetzen sind, beispielsweise. Aber auch hier gilt: Diese Unterschiede betreffen jede Position. Und außerdem reden wir hier von Nuancen, das ist wirklich kein Problem.

DFB.de: Gegen Portugal war die Euphorie groß - Sie haben das Spiel nicht nur positiv gesehen und auch angemerkt, dass der Spielverlauf glücklich gewesen sei. Nach Ghana wurde kritisiert, während Sie auch die positiven Seiten gesehen haben. Nach dem Spiel gegen die USA haben Sie sich noch nicht geäußert. Wie bewerten Sie diesen Auftritt der Mannschaft?

Lahm: Portugal war definitiv ein gutes Spiel von uns. Aber es war nicht alles gut, das habe ich angesprochen. Im Spiel gegen die USA haben wir einen großen Schritt im Vergleich zum Ghana-Spiel gemacht. Wir waren wieder viel aggressiver, wir haben den Gegner besser angelaufen und das Spiel über 90 Minuten kontrolliert. Das ist es etwas Schönes - wenn man die Kontrolle über den Gegner hat, wenn man kaum Torchancen zulässt. Das war Resultat der Defensivarbeit der gesamten Mannschaft. Alle haben nach hinten gut agiert, das ist wichtig, das ist die Basis bei so einem Turnier.

DFB.de: Sie haben vom richtigen Anlaufen gesprochen. Können Sie dies näher erklären? Wann läuft man falsch und wann richtig an?



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Alles oder Nichts. Achtelfinale. K.o.-Spiel. Ein Fest für Fußballer wie Philipp Lahm. Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft hat viele große Titel gewonnen, in vielen entscheidenden Spielen hat er entscheidende Akzente gesetzt. Und heute (ab 22 Uhr MESZ, live im ZDF) im Spiel gegen Algerien? Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke skizziert der 30-Jährige seine Gefühle in den Stunden vor dem Spiel, erzählt über die Entwicklung der Mannschaft und warnt vor dem Gegner Algerien.

DFB.de: Herr Lahm, bisher ist Thomas Müller der Spieler der Nationalmannschaft, der die meisten Schlagzeilen geschrieben hat. Er hat bereits vier Tore erzielt. Sie kennen ihn sehr gut, sie beide sind befreundet. Hat der Lauf, den er hat, auch einen Nachteil? Steigt sein Wortschwall proportional zur Anzahl seiner Tore?

Philipp Lahm: Das ist fast nicht möglich. (lacht) Was seinen Redefluss angeht - da hat er immer die gleiche Frequenz, ob es gut oder schlecht läuft, spielt keine Rolle. Thomas ist ein sehr guter, sehr positiver Typ. Er redet viel, das stimmt. Ich höre ihm aber immer gerne zu. Er ist wirklich sehr lustig, variantenreich und unterhaltsam mit seinen Sprüchen. Es macht viel Spaß mit ihm. Am wichtigsten ist natürlich immer, dass er auf dem Fußballplatz Leistung bringt. Und die bringt er.

DFB.de: Sie gehen zusammen häufig auf den Golfplatz, dort ist es schwierig, gegen ihn zu gewinnen. Wie sieht es in anderen Disziplinen aus? Abends sieht man Sie im Campo Bahia häufig beim Schafkopf zusammen. Wer hat da bisher die bessere Karten?

Lahm: Es gibt durchaus Disziplinen, in denen man ihn schlagen kann. Aber insgesamt muss man anerkennen, dass er sehr breit gefächert ist. Er beherrscht viele Sachen sehr, sehr gut. Egal in welchem Sport oder Spiel: Thomas verhält sich in allem so wie beim Fußball - er steckt immer sehr viel Leidenschaft und sehr viel Willen rein.

DFB.de: Heute Abend steht das WM-Achtelfinale gegen Algerien an. Welche Empfindung dominiert bei Ihnen: Nervosität, Anspannung, Vorfreude?

Lahm: Vorfreude, ganz klar. Eine WM ist etwas Großes, etwas Seltenes. Die Gruppenphase ist überstanden, jetzt geht es in die K.o.-Spiele. Es geht jetzt um alles. Ein schlechter Tag - und man ist raus. Das macht diese Spiele so interessant. Für mich kann es kaum etwas Schöneres geben. Ich freue mich wahnsinnig auf heute Abend und kann kaum erwarten, dass es endlich losgeht.

DFB.de: Wie sind Ihre Nächte vor den großen Spielen: Können Sie gut schlafen?

Lahm: Ich schlafe meistens gut. Schlechte Nächte habe ich nur, wenn der Kleine nachts wach wird und nicht mehr einschlafen will.

DFB.de: Auf der Position des Rechtsverteidigers kann Sie nichts mehr überraschen, da haben Sie alles schon erlebt. Sie haben das selbst mal so formuliert. Auf der Sechs spielen Sie im Verhältnis erheblich kürzer. Gibt es auf dieser Position mehr Situationen, in denen Sie die Lösung nicht sofort parat haben?

Lahm: Nein, eigentlich ist es ähnlich. Ich habe immer gesagt, dass man über Jahre auf einer Position gespielt haben muss, um sie zu 100 Prozent zu beherrschen. Das ist bei mir auf der Position vor der Abwehr aber der Fall. In den letzten Jugendjahren und bei den Amateuren des FC Bayern habe ich schon auf dieser Position gespielt. Es war für mich also nichts Neues, als ich diese Rolle nun auch bei den Profis übernommen habe. Bei den Bayern habe ich jetzt eine komplette Saison vor der Abwehr gespielt und trainiert, es ist nicht so, dass es mir an Lösungen für die Aufgaben fehlen würde, die einem Spieler auf der Sechs gestellt werden. Das Umsetzen dieser Lösungen klappt mal besser und mal schlechter, das ist aber auf jeder Position so. Das war auch nicht anders, als ich noch rechter Verteidiger gespielt habe.

DFB.de: Ist die Situation für Ihre Rolle im Vergleich Bayern und Nationalmannschaft nicht schon deswegen unterschiedlich, weil bei der WM der Ballbesitzfußball, den Sie aus München kennen, weniger zum Tragen kommt?

Lahm: Klar gibt es Unterschiede. Das sind Details, Kleinigkeiten. Wie die Räume zu besetzen sind, beispielsweise. Aber auch hier gilt: Diese Unterschiede betreffen jede Position. Und außerdem reden wir hier von Nuancen, das ist wirklich kein Problem.

DFB.de: Gegen Portugal war die Euphorie groß - Sie haben das Spiel nicht nur positiv gesehen und auch angemerkt, dass der Spielverlauf glücklich gewesen sei. Nach Ghana wurde kritisiert, während Sie auch die positiven Seiten gesehen haben. Nach dem Spiel gegen die USA haben Sie sich noch nicht geäußert. Wie bewerten Sie diesen Auftritt der Mannschaft?

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Lahm: Portugal war definitiv ein gutes Spiel von uns. Aber es war nicht alles gut, das habe ich angesprochen. Im Spiel gegen die USA haben wir einen großen Schritt im Vergleich zum Ghana-Spiel gemacht. Wir waren wieder viel aggressiver, wir haben den Gegner besser angelaufen und das Spiel über 90 Minuten kontrolliert. Das ist es etwas Schönes - wenn man die Kontrolle über den Gegner hat, wenn man kaum Torchancen zulässt. Das war Resultat der Defensivarbeit der gesamten Mannschaft. Alle haben nach hinten gut agiert, das ist wichtig, das ist die Basis bei so einem Turnier.

DFB.de: Sie haben vom richtigen Anlaufen gesprochen. Können Sie dies näher erklären? Wann läuft man falsch und wann richtig an?

Lahm: Das hängt oft mit der Aggressivität zusammen und damit, wie und wann man als Mannschaft verschiebt. Man muss als Team in der Lage sein zu erkennen, in welchen Situationen und wie es sinnvoll ist, den Gegner anzulaufen. Darum geht es. Gegen Ghana waren wir einfach ein bisschen zu passiv. Das betrifft aber nicht nur die vorderste Reihe, das betrifft die ganze Mannschaft. Wir sind oft nicht richtig in die Zweikämpfe gekommen, waren häufig einen Tick zu spät dran. So gab es Phasen, in denen der Gegner die Kontrolle hatte. Und Kontrollverlust ist ein Zustand, den wir auf dem Fußballplatz nicht haben wollen.

DFB.de: Sie haben gesagt, dass die Mannschaft auf dem Weg ist, sich zu finden. Wie weit ist der Findungsprozess mittlerweile fortgeschritten?

Lahm: Ich finde, wir sind sehr weit. Ich finde, dass wir in drei Spielen gezeigt haben, dass wir als Mannschaft agieren, offensiv wie defensiv. Natürlich wissen wir aber, dass es immer noch Sachen gibt, die wir besser machen können.

DFB.de: Es wird viel über den Teamgeist gesprochen, das Verhalten der deutschen Bank wird gelobt. Wie viel davon bekommen Sie auf dem Platz mit, wie sehr hilft diese Unterstützung?

Lahm: Es ist viel mehr als nur das Verhalten während der 90 Minuten. Das ist sehr wichtig, aber es ist das Ganze. Wenn man sich anschaut, wie sich alle Spieler - wirklich alle Spieler - in allen Trainingseinheiten reinhauen. Das ist ein Faktor, der das Niveau der Mannschaft nach oben bringt. Es bringt uns weiter, dass wir bis zum letzten Spieler so stark besetzt sind. Die Qualität im Training ist hoch, in den Spielen können wir Qualität einwechseln. Dass man sich zusammen freut, ist eigentlich normal. Aber auch für mich war es eine sehr schöne Szene, als Mats Hummels nach seinem Tor gegen Portugal zur Bank gelaufen ist und sich dort alle Spieler mit ihm gefreut haben. Alle springen auf, alle jubeln, alle pushen die Mannschaft. Alle sind zu 100 Prozent da, alle sind zu 100 Prozent leistungsbereit. Genau so muss es sein: Wir müssen als Mannschaft agieren.

DFB.de: Sie erleben Ihr drittes WM-Turnier. Zum ersten Mal gehört das DFB-Team zu den absoluten Topfavoriten. Wie empfinden Sie den damit verbundenen Druck?

Lahm: Druck ist etwas Schönes. Er bringt zum Ausdruck, dass viele Leute einem viel zutrauen. Den Druck empfinde ich ausschließlich als positiv. Wir wissen, dass wir die Möglichkeit haben, im Turnier weit zu kommen. Wir wissen, dass wir die Möglichkeit haben, den Pokal zu gewinnen. Auch wenn es bis dahin noch ein sehr weiter Weg ist.

DFB.de: Wie schätzen Sie Attraktivität und Niveau der Spiele der WM 2014 im Vergleich zu den Turnieren in Deutschland und Südafrika ein?

Lahm: In vier beziehungsweise acht Jahren hat sich der Fußball verändert, deswegen finde ich es schwierig, WM-Turniere miteinander zu vergleichen. Aber die Spiele hier finden auf einem hohen Niveau statt, das stimmt. Wobei das nicht überraschend ist, wir sind schließlich bei einer WM. Und bei einer WM treffen sich die besten Spieler und die besten Mannschaften. Überraschend ist für mich, dass viele sehr gute Europäer schon in der Vorrunde ausgeschieden sind. Der Trend der vergangenen Turniere setzt sich fort. Die "Kleinen" sind sehr nah an die "Großen" herangerückt, die Unterschiede sind nur noch gering.

DFB.de: Heute Abend geht es gegen Algerien. Das Team hat sich in den Play-offs für die WM gegen Burkina Faso durchgesetzt. Beim Rückspiel in Algerien war das Stadion bereits sechs Stunden vor Anpfiff bis auf den letzten Platz gefüllt. Was sagt Ihnen das?

Lahm: Wie groß und wie wichtig der Fußball dort ist. Für die Algerier bietet die WM die Chance, sich der Welt zu zeigen. Und so spielen sie auch Fußball. Sie schenken nichts her, sie werfen immer alles, was in ihnen ist, in die Waagschale. Und das machen eben auch die Fans. Sie sind absolut leidenschaftlich, sie unterstützen die Mannschaft beinahe mit allen Mitteln. Für uns heißt das: Wir können ein interessantes Spiel erwarten.

DFB.de: Nur sieben der 23 Spieler wurden in Algerien geboren, der Rest in Frankreich. Viele haben in Frankreich viele Junioren-Nationalmannschaften durchlaufen. Kann man sagen, dass Deutschland im Turnier nun ziemlich viel Frankreich vor sich hat?

Lahm: Weil wir im Viertelfinale auf Frankreich treffen könnten? Langsam! Wir haben vor allem Algerien vor uns. Mit dem, was danach kommen könnte, beschäftigen wir uns null. Dass viele Spieler der Algerier in Frankreich ausgebildet wurden, zeigt die Qualität der Mannschaft, mehr nicht.

DFB.de: Beschreiben Sie doch mal, wie so ein Spieltag für Sie aussieht: Sie werden geweckt, stehen auf. Und dann? Wann geht Ihr Puls nach oben?

Lahm: Das hängt ja auch immer davon ab, wann wir spielen, ob um 13 Uhr oder am frühen Abend. Bei mir geht die Anspannung bereits los, wenn die Reise in die Spielorte beginnt. Das steigert sich dann immer weiter, beim Abschlusstraining am Vortag und dann am Spieltag selbst. Ein gewisses Kribbeln ist immer da, das muss auch so sein. Wir sind bei einer WM, es geht um den Einzug ins Viertelfinale. Dieses Kribbeln wird immer größer, bis wir uns dann in den Bus setzen und zum Stadion fahren.

DFB.de: Welche Gedanken werden nachher durch Ihren Kopf gehen, wenn sich der Bus durch die Menschenmassen den Weg zum Stadion bahnt?

Lahm: Ich bekomme sehr intensiv mit, was sich vor dem Fenster abspielt. Ich finde, dass man das auch aufsaugen sollte. Während der Fahrten bin ich eigentlich immer sehr entspannt, ich genieße die Eindrücke. Und ich freue mich. Endlich geht es los. Endlich können wir umsetzen, was wir im Training erarbeitet haben. Endlich können wir zeigen, was wir können.

DFB.de: Sie haben als Fußballer vieles gewonnen, der WM-Pokal fehlt noch. Was würde es in Ihnen auslösen, wenn Sie dieses Ziel erreichen würden?

Lahm: Es gab in Deutschland bisher lediglich drei Mannschaften, die Weltmeister geworden sind. Jeder, der mit dem Fußball anfängt, hat den großen Traum, irgendwann Weltmeister zu werden. Im Fußball gibt es viele sehr große Titel. Ich hatte das Glück, einige davon gewonnen zu haben. Aber der große Traum ist es, mit der Nationalmannschaft einen Titel zu gewinnen. Und da gibt es nicht Größeres als den Weltmeistertitel.