Lahm: "Die Anspannung kommt langsam"

Lahm: An 2004 fast gar nicht, wir haben damals auch nicht gegen, sondern in Portugal gespielt und sind damals nicht auf den EM-Gastgeber getroffen. Ich denke aber nicht nur an das Viertelfinale bei der Euro im Jahr 2008, sondern auch an das Spiel um Platz drei bei der WM in Deutschland. Beides waren sehr schöne Erlebnisse für mich und für die Mannschaft. Wenn ich an Portugal denke, ist das bei mir also absolut positiv besetzt.

team.dfb.de: Im Jahr 2004 haben Sie Ihr erstes Turnier gespielt, acht Jahre später führen Sie die deutsche Mannschaft als Kapitän auf den Rasen. Wenn man Ihnen das damals gesagt hätte....

Lahm: ...es war nie ein Ziel von mir, eines Tages Kapitän der Nationalmannschaft zu werden. Ich hatte vor dem Turnier 2004, bzw. vor der Vorbereitung gerade ein Länderspiel absolviert, ich musste mich bei der Nationalmannschaft erst etablieren. Ich bin in diese Rolle hineingewachsen. Und jetzt ist es schön so, wie es ist. Ich bin sehr gerne Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.

team.dfb.de: Wenn die deutsche Mannschaft die Vorrunde übersteht, werden Sie - was die Anzahl der Länderspiele als Kapitän angeht - Fritz Walter ein- und womöglich überholen.

Lahm: Echt?! Das habe ich nicht gewusst. Unglaublich. Fritz Walter ist eine Legende. Die Kapitäne der Nationalmannschaft sind allesamt Fußball-Größen in Deutschland. Dass ich mittlerweile in dieser Reihe stehe, erfüllt mich mit viel Stolz.

team.dfb.de: Als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft haben Sie kurz vor der EM die Gedenkstätte in Auschwitz besucht. Mit welchen Gedanken sind Sie dorthin gefahren – und mit welchen wieder zurück?

Lahm: Für mich persönlich war diese Erfahrung sehr interessant, in Auschwitz war ich vorher noch nicht. Ich habe mich natürlich in meinem Leben mit der deutschen Vergangenheit beschäftigt, ich war beispielsweise in der Gedenkstätte in Dachau. In Auschwitz war es für mich sehr bewegend, sehr herzzerreißend. Die Bilder der ermordeten Familien zu sehen, die Bilder der ermordeten Kinder, das hat mich zutiefst berührt. Ich weiß, wie viele Menschen, in Auschwitz ermordet worden sind. Bisher war diese Masse anonym, jetzt habe ich konkrete Gesichter vor Augen. Ich glaube, dass ich diese Bilder ein Leben lang in meinem Kopf haben werde. So soll es auch sein. Auschwitz ist Teil der deutschen Geschichte, ein trauriges Kapitel, das sich nie mehr wiederholen darf.

team.dfb.de: Sie haben in einem Interview mit dem "Spiegel" die Zustände in der Ukraine kritisiert und die Menschenrechtsverletzungen angeprangert. Haben Sie sich in diesem Zusammenhang als Philipp Lahm oder als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft geäußert?



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Philipp Lahm hat in diesem Sommer viel vor. Erst will er Europameister werden, dann wird er zum ersten Mal Vater. Im Interview mit DFB-Redakteur Steffen Lüdeke spricht Lahm kurz vor dem Beginn der EM in Polen und der Ukraine über seine Verantwortung als werdender Vater und als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.

team.dfb.de: Herr Lahm, wie sehr kribbelt es schon in Ihren Füßen, wie groß ist die Vorfreude auf die EM und das Spiel am Samstag gegen Portugal?

Philipp Lahm: Die Anspannung kommt langsam. Allein durch die Anreise und den Empfang in Polen war zu spüren, dass die EM jetzt so richtig begonnen hat. Am Freitag ist das Eröffnungsspiel, und wir freuen uns sehr auf unseren ersten Einsatz am Tag darauf. Wir haben zwei Jahre lang auf diesen Moment hingearbeitet. Es wird Zeit, dass es losgeht.

team.dfb.de: Sie gehen zum erstes Mal als "fester" Kapitän in ein Turnier. Inwieweit ist Ihre persönliche Vorbereitung davon beeinflusst?

Lahm: Ich bin jetzt schon zwei Jahre lang Kapitän dieser Mannschaft. Ich habe mich immer viel mit dem Team beschäftigt, viel über Taktik nachgedacht, auch als ich noch nicht Kapitän war. Aber es ist jetzt noch einmal mehr geworden. Ich achte mehr und anders auf die einzelnen Spieler, achte darauf, dass die Dinge so ablaufen, wie sie ablaufen sollten. Das ist jetzt hier noch einmal verstärkt im Vergleich zu den "normalen" Länderspielen. Schon durch die zeitliche Komponente, wir sind ja viel länger zusammen als das sonst der Fall ist. Aber im Großen und Ganzen werde ich immer so bleiben, wie ich bin und versuchen, an den richtigen Stellen Einfluss auf die Mannschaft zu nehmen.

team.dfb.de: Wie laufen die Dinge denn bisher aus Ihrer Sicht? Wie ist Ihr Eindruck von der Vorbereitung und Ihren Teamkollegen?

Lahm: Alles ist sehr positiv. Wenn man das Talent und die Qualität in der Mannschaft sieht - auch in der Breite - dann befinden wir uns auf einem Top-Niveau. Aus meiner Sicht läuft die Vorbereitung bisher sehr gut. Wir arbeiten alle daran, unser Ziel zu verwirklichen. Wir sind WM-Dritter, EM-Zweiter. Das sind große Erfolge, aber jetzt wollen wir mehr. Wir wissen jedoch auch, dass das kein Selbstläufer wird. Es gibt keine Garantien, dass man irgendwann den Titel gewinnt, nur weil man glaubt, dass man an der Reihe wäre. Hinter Erfolg steckt harte Arbeit. Das müssen wir, das werden wir tun. Aber ich bin optimistisch: Die Mannschaft hat das Talent, sie hat die Qualität und sie hat den Willen.

team.dfb.de: Am Samstag spielt Deutschland gegen Portugal. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit diesem Land? Denken Sie eher die EM 2004 oder das Viertelfinale der EM 2008?

Lahm: An 2004 fast gar nicht, wir haben damals auch nicht gegen, sondern in Portugal gespielt und sind damals nicht auf den EM-Gastgeber getroffen. Ich denke aber nicht nur an das Viertelfinale bei der Euro im Jahr 2008, sondern auch an das Spiel um Platz drei bei der WM in Deutschland. Beides waren sehr schöne Erlebnisse für mich und für die Mannschaft. Wenn ich an Portugal denke, ist das bei mir also absolut positiv besetzt.

team.dfb.de: Im Jahr 2004 haben Sie Ihr erstes Turnier gespielt, acht Jahre später führen Sie die deutsche Mannschaft als Kapitän auf den Rasen. Wenn man Ihnen das damals gesagt hätte....

Lahm: ...es war nie ein Ziel von mir, eines Tages Kapitän der Nationalmannschaft zu werden. Ich hatte vor dem Turnier 2004, bzw. vor der Vorbereitung gerade ein Länderspiel absolviert, ich musste mich bei der Nationalmannschaft erst etablieren. Ich bin in diese Rolle hineingewachsen. Und jetzt ist es schön so, wie es ist. Ich bin sehr gerne Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.

team.dfb.de: Wenn die deutsche Mannschaft die Vorrunde übersteht, werden Sie - was die Anzahl der Länderspiele als Kapitän angeht - Fritz Walter ein- und womöglich überholen.

Lahm: Echt?! Das habe ich nicht gewusst. Unglaublich. Fritz Walter ist eine Legende. Die Kapitäne der Nationalmannschaft sind allesamt Fußball-Größen in Deutschland. Dass ich mittlerweile in dieser Reihe stehe, erfüllt mich mit viel Stolz.

team.dfb.de: Als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft haben Sie kurz vor der EM die Gedenkstätte in Auschwitz besucht. Mit welchen Gedanken sind Sie dorthin gefahren – und mit welchen wieder zurück?

Lahm: Für mich persönlich war diese Erfahrung sehr interessant, in Auschwitz war ich vorher noch nicht. Ich habe mich natürlich in meinem Leben mit der deutschen Vergangenheit beschäftigt, ich war beispielsweise in der Gedenkstätte in Dachau. In Auschwitz war es für mich sehr bewegend, sehr herzzerreißend. Die Bilder der ermordeten Familien zu sehen, die Bilder der ermordeten Kinder, das hat mich zutiefst berührt. Ich weiß, wie viele Menschen, in Auschwitz ermordet worden sind. Bisher war diese Masse anonym, jetzt habe ich konkrete Gesichter vor Augen. Ich glaube, dass ich diese Bilder ein Leben lang in meinem Kopf haben werde. So soll es auch sein. Auschwitz ist Teil der deutschen Geschichte, ein trauriges Kapitel, das sich nie mehr wiederholen darf.

team.dfb.de: Sie haben in einem Interview mit dem "Spiegel" die Zustände in der Ukraine kritisiert und die Menschenrechtsverletzungen angeprangert. Haben Sie sich in diesem Zusammenhang als Philipp Lahm oder als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft geäußert?

Lahm: Ich werde doch nur gehört, weil ich nicht nur der Mensch, sondern auch der Fußballer Philipp Lahm bin. In diesem Fall aber habe ich nicht stellvertretend für die Mannschaft gesprochen, sondern als Philipp Lahm meine private Meinung zum Ausdruck gebracht.

team.dfb.de: Haben Sie sich mit Ihrem Bayern-Kollegen Anatolyi Timoschtschuk über dieses Thema ausgetauscht?

Lahm: Ich habe mich kurz mit ihm unterhalten. Aber nicht nur mit ihm, auch mit den anderen Mitspielern. Wenn wir am Essenstisch sitzen, reden wir auch über andere Themen als den Fußball.

team.dfb.de: Privat reden Sie sogar ziemlich wenig über Fußball. Ist Ihnen Fußball mitunter zu viel?

Lahm: Nein. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, auch mal vom Sport abschalten zu können. Ich liebe Fußball, ich mag diesen Sport, ich unterhalte mich gerne und häufig darüber. Aber es gibt auch andere Dinge in meinem Leben. Es gibt Freunde und Familien, die mir wichtig sind. Die Familie meiner Frau, meine Familie, jetzt unsere Familie. Das steht für mich an erster Stelle.

team.dfb.de: Zumal Ihre Familie größer wird. Sie bekommen einen Sohn. Ist Zuhause schon alles für den Nachwuchs vorbereitet?

Lahm: Klar. Ich bin jetzt - hoffentlich - einen Monat lang nicht daheim. Ich kann jetzt nicht mehr viel machen. Was jetzt noch zu erledigen ist, macht meine Frau. Mir bleibt nicht mehr, als mich riesig auf die Geburt und unseren Sohn zu freuen.

team.dfb.de: Und eines Tages sehen wir dann einen neuen Lahm in der Nationalmannschaft?

Lahm: Ich hatte ein sehr gutes Vorbild mit meinen Eltern. Sie haben immer mich entscheiden lassen. Sie haben mich stets mit ihren Ratschlägen begleitet, mir aber nie Vorgaben gemacht. Das Wichtigste ist immer - und das vermittle ich auch den Kindern bei meinen Sommercamps oder in den Projekten meiner Stiftung - das die Kinder Spaß am Fußball haben. Wenn unser Kind keinen Spaß am Fußball oder am Sport generell hat, dann ist es halt so. Ich werde meinen Sohn mit Sicherheit nicht dazu zwingen, in meine Fußstapfen zu treten.

team.dfb.de: Die Erfahrung, Vater zu werden, haben Ihnen einige Nationalspieler voraus. Haben Sie sich schon Ihren Kollegen Tipps geben lassen?

Lahm: Ich habe mich mit Per darüber unterhalten. Er ist ja noch nicht allzu lange Vater. Er hat mir erzählt, dass es eine große Umstellung im Leben ist. Es ist ja klar, dass sich das Leben ändert. Und darauf freuen wir uns sehr.

team.dfb.de: Zurück zur EM. Allgemein gelten Spanien und Deutschland als die großen Titelfavoriten. Teilen Sie diese Auffassung? Mit welchen Mannschaften rechnen Sie noch?

Lahm: Mit den üblichen Verdächtigen. Ich würde nicht nur uns und Spanien nennen, sondern genauso Portugal, die Niederlande, Italien, England, Frankreich. Im Fußball läuft es nicht immer so, wie viele das annehmen. So war es ja auch in der Champions League. Nur die Wenigsten haben damit gerechnet, dass Chelsea den Titel gewinnt.

team.dfb.de: Haben Sie danach als Kapitän eine besondere Verantwortung gespürt und gezielt das Gespräch mit ihren Kollegen aus der deutschen Nationalmannschaft gesucht?

Lahm: Es ist normal, dass wir Bayern-Spieler uns über das Finale ausgetauscht haben. Bei der ganzen Diskussion darf man aber nicht vergessen, dass wir in der Champions League eine starke Saison gespielt haben. Man muss erstmal ins Finale kommen. Wir haben zuvor große Siege gefeiert und tolle Leistungen gezeigt. Wir haben Real Madrid bezwungen, den Meister Spaniens, wir haben Manchester City in der Gruppenphase ausgeschaltet, den englischen Meister. Mit diesem Gedanken müssen wir ins Turnier gehen.

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team.dfb.de: Holger Badstuber hat gesagt, dass durch die Niederlage der Hunger größer geworden ist...

Lahm: Das war auch schon im Jahr 2010 so, und trotzdem haben wir den Titel nicht geholt. So ist der Sport. Es gibt keine Garantie, dass man irgendwann die Champions League gewinnt, es gibt auch keine Garantie, dass man irgendwann Europa- oder Weltmeister wird. Wir haben die Qualität, es zu schaffen. Wir können viel erreichen, aber wir haben noch nichts gewonnen.

team.dfb.de: Wie viel würde es Ihnen persönlich bedeuten, wenn Sie am 1. Juli in Kiew den Pokal in die Höhe halten?

Lahm: Das Größte ist ein internationaler Titel. Im Fußball kann man nicht mehr erreichen. Dieses Ziel, diesen Traum habe ich. Und ich glaube fest an unsere Chance. Wir haben die Klasse, spielerisch zu agieren. Wir hatten früher gegen defensivere Mannschaften Probleme, jetzt finden wir Lösungen. Der Charakter der Mannschaft stimmt, wir haben technisch starke Spieler, wir sind bereit.