Schiedsrichter
Krull: "Chance bei drei zu 84 Millionen"
Keine 20 Stunden nach seinem großen Auftritt in der Bundesliga stand Tobias Krull schon wieder bei "seinem" MTV Gifhorn zwischen den Pfosten. Der Landesligist verlor ein Testspiel gegen den SSV Vorsfelde aus der Oberliga Niedersachsen 1:4. Am Vortag war der 32 Jahre alte Krull als Stadionbesucher beim 1:1 des VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Köln kurzfristig als 4. Offizieller eingesprungen. Im DFB.de-Interview spricht Tobias Krull, der in Gifhorn auch als Sportlicher Leiter und Schiedsrichter auf Kreisebene engagiert ist, über sein ungewöhnliches Bundesligadebüt und das große Medieninteresse.
DFB.de: Mit Ihrem kurzfristigen Einsatz in der Bundesliga haben Sie für zahlreiche Schlagzeilen gesorgt. Wie sind die Reaktionen in Ihrem persönlichen Umfeld ausgefallen, Herr Krull?
Tobias Krull: Das war richtig wild. (lacht) Mein Handy hat ständig vibriert, ich konnte die Nachrichten gar nicht alle zählen. Auf Instagram verdoppelte sich die Anzahl meiner Follower innerhalb ganz kurzer Zeit. Klar, bei mir in der Familie, im Freundeskreis und in unserem Verein fanden das alle richtig geil, wenn ich das so sagen darf.
DFB.de: Hatten Sie mit einer solchen Resonanz gerechnet?
Krull: Um ehrlich zu sein, hatte ich gar keine Zeit, um darüber nachzudenken. Nach dem Spiel war es zunächst eigentlich nicht geplant, dass ich mich öffentlich äußere. Weil ich aber noch das Bändchen vom VIP-Raum um den Arm hatte, wollte ich noch mal kurz hoch und in aller Ruhe ein, zwei Bier trinken. Da hatte ich dann aber direkt die Kamera der ARD-Sportschau vor der Nase und kurz danach bestimmt 15 oder 16 Journalisten, die mit mir sprechen wollten. Und am Sonntag ging es dann erst richtig los.
DFB.de: Erzählen Sie uns mehr!
Krull: Es kam eine Medienanfrage nach der anderen rein. Weil wir mit dem MTV bereits um zwölf Uhr ein Testspiel in Vorsfelde hatten, musste ich ohnehin früh aufstehen und war schon um acht Uhr morgens in unserem Stadion, um mit dem Sportjournalisten und Moderator Ingo Rohrbach einen DFL-Imagefilm zu drehen und ein Interview zu führen. Es folgten um 9.20 Uhr eine Liveschalte zu Sky Sport News HD sowie später mehrere Telefonate, darunter mit dem Spiegel und dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der NDR hat ein Kamerateam zu unserem Spiel geschickt, am Nachmittag war ich live bei Bild-TV. Einfach Wahnsinn!
DFB.de: Das hört sich in der Tat turbulent an. Wie haben Sie den Rummel empfunden?
Krull: Das war für mich natürlich eine richtig coole Erfahrung und hat Riesenspaß gemacht. Auch unserem Verein schadet die unverhoffte Aufmerksamkeit sicherlich nicht. Die Chance, dass so etwas passiert, steht vielleicht bei drei zu 84 Millionen. Aber es ist passiert.
DFB.de: Lassen Sie uns vorne anfangen: Sind Sie regelmäßig in Wolfsburg im Stadion?
Krull: Vielleicht drei- bis viermal pro Saison, wenn es zeitlich passt. Ich bin schließlich nicht nur Torhüter, Sportlicher Leiter und Schiedsrichter für den MTV Gifhorn, sondern habe nebenbei auch noch einen Beruf. (lacht) Ich arbeite als Verkäufer für ein Autohaus. In diesem Fall war ich von der Aller Zeitung, die mit unserem Unternehmen kooperiert, in den VIP-Bereich eingeladen worden. Dort wollte ich eigentlich einen entspannten Fußballnachmittag verbringen.
DFB.de: Nach etwas mehr als einer Viertelstunde wurde Schiedsrichter-Assistent Thorben Siewer vom Spielball am Kopf getroffen und konnte nicht weitermachen. Wie kam es dann zu Ihrem Einsatz?
Krull: Als das Spiel unterbrochen wurde, habe ich zu meiner Begleiterin noch im Scherz gesagt, dass sie sich um Fortsetzung des Spiels keine Sorgen machen muss, weil ich einen Schiedsrichter-Schein habe und notfalls einspringen könnte. Sieben Minuten später kam dann die Stadiondurchsage, dass tatsächlich ein Schiri gesucht wird, um die Funktion des Vierten Offiziellen zu übernehmen, weil Nicolas Winter ja an der Linie einspringen musste. Da ich ohnehin sehr nah an der Wolfsburger Trainerbank saß, bin ich dann die Treppe heruntergegangen und habe mich gemeldet.
DFB.de: Mussten Sie sich "ausweisen"?
Krull: Es wurde zur Sicherheit in der Tat sofort im DFB.net gecheckt, dass ich wirklich seit einigen Jahren aktiver Schiedsrichter bin. Wir haben bei uns in Gifhorn eine Teilzeitregelung, die es mir ermöglicht, nicht an jedem Wochenende, sondern vielleicht zehn- bis zwölfmal im Jahr auf Kreisebene zu pfeifen. Da sind A- und B-Junioren-Spiele ebenso dabei wie Partien im Herren- und Frauenbereich.
DFB.de: Wie ging es weiter?
Krull: Alles musste rasend schnell gehen. Ich hatte nur kurz Zeit, mich in der Kabine umzuziehen - und dann ging es auch schon raus. Es gab deshalb kein spezielles Briefing, ich wurde quasi ins kalte Wasser geworfen. Einigermaßen wusste ich natürlich schon, was in etwa auf mich zukommt. An das Headset, mit dem der Vierte Offizielle mit den anderen Schiedsrichtern verbunden ist, musste ich mich aber erst einmal gewöhnen. In der zweiten Halbzeit hat das aber auch schon gut funktioniert.
DFB.de: Waren Sie gar nicht nervös?
Krull: Ich habe früher in der Jugend und bei der zweiten Mannschaft für den VfL Wolfsburg gespielt. Mit dem jetzigen Sportdirektor Sebastian Schindzielorz stand ich selbst auf dem Platz. Von daher hatte ich keine Berührungsängste. Das hat mir sicherlich geholfen.
DFB.de: Wie haben Sie die Stimmung an der Seitenlinie empfunden?
Krull: Bei der Kölner Bank hat man schon gemerkt, dass der Klub im Abstiegskampf steckt und die Stimmung daher aufgeheizt ist. Bei fast jeder Entscheidung springt der eine oder andere auf und muss beruhigt werden. Ein wenig kritisch war es aber nur, als die Kölner ein Handspiel gesehen haben wollten. Ich habe den Verantwortlichen um Thomas Kessler dann in Ruhe mitgeteilt, dass die Szene vom VAR überprüft und kein Bedarf für einen Eingriff gesehen wurde. Das haben sie dann auch akzeptiert.
DFB.de: Von FC-Trainer Timo Schultz und Schiedsrichter Sören Storks gab es öffentlich viel Lob für Ihr Bundesligadebüt. Wie haben Sie das empfunden?
Krull: Das freut mich natürlich. Grundsätzlich versucht jeder Schiedsrichter, seine Sache immer so gut wie möglich zu machen - ob es nun in der Kreisklasse ist oder eben in der Bundesliga. Für mich war der Einsatz auch deshalb etwas ganz Besonderes, weil es für mich als Spieler in Wolfsburg nicht für den großen Durchbruch gereicht hat.
DFB.de: Können Sie sich denn vorstellen, jetzt als Schiedsrichter noch mal oben anzugreifen?
Krull: Da ist der Zug vermutlich abgefahren. Solange ich noch selbst spiele, kann ich mich nicht voll auf den Schiedsrichterjob konzentrieren. Wenn es eines Tages dann soweit ist, werde ich zu alt sein, um es noch in höhere Spielklassen zu schaffen. Das ist aus meiner Sicht auch ein grundsätzliches Problem, um das man sich mal kümmern könnte. Schließlich bemühen sich der DFB und seine Landesverbände aktuell sehr darum, mehr Schiedsrichter zu gewinnen, beispielsweise durch das gerade durchgeführte "Jahr der Schiris".
DFB.de: Was wäre Ihr Vorschlag?
Krull: Ich würde es begrüßen, wenn aktive Spieler bei einer gewissen Erfahrung im höherklassigen Fußball auch als Schiedsrichter gleich in höheren Ligen beginnen könnten. Ich selbst habe beispielsweise fast 200 Spiele in der Regional- und Oberliga bestritten. Daher traue ich mir definitiv zu, auch sofort in der Bezirks- oder Landesliga pfeifen zu können. Ich denke, durch ein solches Programm würde es für aktive Spieler deutlich attraktiver, sich nach dem Ende ihrer Karriere als Schiedsrichter zur Verfügung zu stellen. Ich denke, davon könnten alle profitieren.
DFB.de: Mit dem MTV Gifhorn kämpfen Sie in dieser Saison um den Klassenverbleib in der Landesliga. Wie bewerten Sie die sportlichen Aussichten?
Krull: Nach dem Abstieg aus der Oberliga mussten wir ein komplett neues Team formen, das sich jetzt aber immer besser findet. Ich sehe gute Chancen, unser Ziel zu erreichen.
Kategorien: Schiedsrichter, Männer
Autor: mspw
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