Körbel: "Immer gern gegen Bayern gespielt"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014. Heute berichtet Rekordspieler Karl-Heinz Körbel (602 Einsätze) vor dem Topspiel am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) von den Duellen der Frankfurter Eintracht gegen Bayern München - der historische Erlebnisbericht.

Liebe Fans,

für mich waren Spiele gegen Bayern schon deshalb etwas Besonderes, weil ich gegen sie mein Bundesligadebüt gegeben habe. Als 17-Jähriger gleich gegen Gerd Müller - das war schon was. Ich habe zwar schon mittrainiert bei den Profis, war aber nicht im Kader. Doch dann riss bei unserem Friedel Lutz die Achillessehne, und die Eintracht musste mich suchen. Ich war schon mit dem Zug auf dem Heimweg nach Dossenheim, und es gab ja keine Handys. Ich kam dann zurück, und am Abend fragte mich Trainer Erich Ribbeck, ob ich mir zutraue, gegen Gerd Müller zu spielen. Natürlich traute ich es mir zu, schließlich hatte ich kurz zuvor bei einem Probetraining beim HSV selbst gegen Uwe Seeler gut ausgesehen. Jedenfalls wollte mich der HSV verpflichten…

Dann kam der Spieltag, der 14. Oktober 1972. Im Frankfurter Waldstadion waren 40.000 Zuschauer, mehr gingen damals nicht rein. Bayern war Meister und natürlich Favorit mit seinen sechs Europameistern Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Georg "Katsche" Schwarzenbeck, Paul Breitner, Uli Hoeneß und Gerd Müller, der im Vorjahr 40 Tore geschossen hatte. Aber wie danach noch oft, hatten sie Schwierigkeiten bei uns - ich weiß auch nicht, warum.

Beckenbauer scheiterte mit einem Elfmeter an Peter Kunter, nach der Pause schossen wir zwei Tore - durch Roland Weidle und den Holz (Bernd Hölzenbein; die Red.). Erst vier Minuten vor Schluss kam Gerd Müller doch zu seinem Tor, aber es war zu spät. Gerd Müller wurde mein Lieblingsgegenspieler, denn ich habe bald gemerkt, wie ich mich gegen ihn verhalten musste. Er wollte immer Kontakt zum Gegenspieler, klammern und sich dann um ihn drehen. Aber ich habe ihm keinen Kontakt ermöglicht und immer Abstand gehalten. Später hat er mir noch oft gesagt: "Gegen dich hab ich nie gern gespielt." Auch mit seinen Nachfolgern Dieter Hoeneß, Alan McInally und wie sie alle hießen, kam ich klar. Mein unangenehmster Gegenspieler war zwar auch ein Bayer, aber er spielte für Schalke: Klaus Fischer.

Alle waren also zufrieden mit mir nach meinem Debüt. Die Frankfurter Rundschau schrieb von "der Entdeckung eines Talents". Ich war auch der Meinung, ich hätte ein Superspiel gemacht. Erst 30 Jahre später sah ich eine Zusammenfassung des Spiels und war erschrocken, wie viel Glück ich gehabt hatte. Wir erhielten 3200 Mark Siegprämie, weil so viele Zuschauer da waren. Viermal so viel wie mein Gehalt… An diesem Tag war ich auch der jüngste Bundesligaspieler seit 1963, aber danach haben mich doch noch ein paar überholt.

Gegen die Bayern habe ich immer gerne gespielt, und die Siege gegen sie fühlten sich immer an wie ein Länderspiel. Am schönsten war die Woche im Herbst 1977, als wir sie gleich zweimal 4:0 geschlagen haben - in der Liga und im UEFA-Cup. Das hat es in der Bayern-Historie gewiss nie mehr gegeben. Ich habe 18 Jahre lang gegen Bayern München kein Heimspiel verloren. Das hat mich schon stolz gemacht. Andererseits habe ich auch nie in München gewonnen, das war schon verrückt. Damals machte der Heimvorteil noch mehr aus als heute.

Heute könnten wir die Bayern sicher nicht mehr 6:0 schlagen wie 1975, als sie auch amtierender Europapokalsieger waren. Aber wir hatten auch unsere kleinen Tricks: Zeugwart Toni Hübler hat den Ball - einen weißen der Marke Derby-Star - gegen Bayern immer besonders hart aufgepumpt. Sepp Maier hat sich nämlich mal beschwert, dass unser Ball so hart sei, und gerade deshalb haben wir das immer so gemacht. So kam auch das Eckball-Tor von Bernd Nickel im November 1975 gegen den Sepp zustande.

Besonders gern erinnere ich mich an ein UEFA-Pokalspiel im April 1980. Es war ein komplett deutsches Halbfinale, auch Gladbach und Stuttgart waren noch dabei. Wir hatten das Hinspiel 0:2 verloren und standen im Rückspiel kurz vor dem Aus, als Bruno Pezzey in der 87. Minute das 2:0 machte. In der Verlängerung haben wir die Bayern dann auseinandergenommen und 5:1 gewonnen, obwohl München kurz danach wieder Meister wurde mit seinen Stars Breitner und Rummenigge. Joker Harald Karger, unser "Schädel-Harry", hat zwei Tore gemacht - und dann haben wir ja auch den Pott gewonnen.

Wenn ich die Gegner von einst heute noch sehe, so wie "Kalle" Rummenigge, sagen sie immer: "Scheiß Eintracht, gegen euch haben wir immer Probleme gehabt." Ich hoffe, dass es am Samstag wieder so kommt, denn unsere Chance ist, dass wir keine haben.

Euer Karl-Heinz "Charly" Körbel

Charly Körbel spielte in der Bundesliga zwischen 1972 und 1991 insgesamt 35-mal gegen die Bayern, gewann neun Spiele bei zehn Remis und 16 Niederlagen. Er schoss drei Tore und sah vier Gelbe Karten.

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014. Heute berichtet Rekordspieler Karl-Heinz Körbel (602 Einsätze) vor dem Topspiel am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) von den Duellen der Frankfurter Eintracht gegen Bayern München - der historische Erlebnisbericht.

Liebe Fans,

für mich waren Spiele gegen Bayern schon deshalb etwas Besonderes, weil ich gegen sie mein Bundesligadebüt gegeben habe. Als 17-Jähriger gleich gegen Gerd Müller - das war schon was. Ich habe zwar schon mittrainiert bei den Profis, war aber nicht im Kader. Doch dann riss bei unserem Friedel Lutz die Achillessehne, und die Eintracht musste mich suchen. Ich war schon mit dem Zug auf dem Heimweg nach Dossenheim, und es gab ja keine Handys. Ich kam dann zurück, und am Abend fragte mich Trainer Erich Ribbeck, ob ich mir zutraue, gegen Gerd Müller zu spielen. Natürlich traute ich es mir zu, schließlich hatte ich kurz zuvor bei einem Probetraining beim HSV selbst gegen Uwe Seeler gut ausgesehen. Jedenfalls wollte mich der HSV verpflichten…

Dann kam der Spieltag, der 14. Oktober 1972. Im Frankfurter Waldstadion waren 40.000 Zuschauer, mehr gingen damals nicht rein. Bayern war Meister und natürlich Favorit mit seinen sechs Europameistern Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Georg "Katsche" Schwarzenbeck, Paul Breitner, Uli Hoeneß und Gerd Müller, der im Vorjahr 40 Tore geschossen hatte. Aber wie danach noch oft, hatten sie Schwierigkeiten bei uns - ich weiß auch nicht, warum.

Beckenbauer scheiterte mit einem Elfmeter an Peter Kunter, nach der Pause schossen wir zwei Tore - durch Roland Weidle und den Holz (Bernd Hölzenbein; die Red.). Erst vier Minuten vor Schluss kam Gerd Müller doch zu seinem Tor, aber es war zu spät. Gerd Müller wurde mein Lieblingsgegenspieler, denn ich habe bald gemerkt, wie ich mich gegen ihn verhalten musste. Er wollte immer Kontakt zum Gegenspieler, klammern und sich dann um ihn drehen. Aber ich habe ihm keinen Kontakt ermöglicht und immer Abstand gehalten. Später hat er mir noch oft gesagt: "Gegen dich hab ich nie gern gespielt." Auch mit seinen Nachfolgern Dieter Hoeneß, Alan McInally und wie sie alle hießen, kam ich klar. Mein unangenehmster Gegenspieler war zwar auch ein Bayer, aber er spielte für Schalke: Klaus Fischer.

Alle waren also zufrieden mit mir nach meinem Debüt. Die Frankfurter Rundschau schrieb von "der Entdeckung eines Talents". Ich war auch der Meinung, ich hätte ein Superspiel gemacht. Erst 30 Jahre später sah ich eine Zusammenfassung des Spiels und war erschrocken, wie viel Glück ich gehabt hatte. Wir erhielten 3200 Mark Siegprämie, weil so viele Zuschauer da waren. Viermal so viel wie mein Gehalt… An diesem Tag war ich auch der jüngste Bundesligaspieler seit 1963, aber danach haben mich doch noch ein paar überholt.

Gegen die Bayern habe ich immer gerne gespielt, und die Siege gegen sie fühlten sich immer an wie ein Länderspiel. Am schönsten war die Woche im Herbst 1977, als wir sie gleich zweimal 4:0 geschlagen haben - in der Liga und im UEFA-Cup. Das hat es in der Bayern-Historie gewiss nie mehr gegeben. Ich habe 18 Jahre lang gegen Bayern München kein Heimspiel verloren. Das hat mich schon stolz gemacht. Andererseits habe ich auch nie in München gewonnen, das war schon verrückt. Damals machte der Heimvorteil noch mehr aus als heute.

Heute könnten wir die Bayern sicher nicht mehr 6:0 schlagen wie 1975, als sie auch amtierender Europapokalsieger waren. Aber wir hatten auch unsere kleinen Tricks: Zeugwart Toni Hübler hat den Ball - einen weißen der Marke Derby-Star - gegen Bayern immer besonders hart aufgepumpt. Sepp Maier hat sich nämlich mal beschwert, dass unser Ball so hart sei, und gerade deshalb haben wir das immer so gemacht. So kam auch das Eckball-Tor von Bernd Nickel im November 1975 gegen den Sepp zustande.

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Besonders gern erinnere ich mich an ein UEFA-Pokalspiel im April 1980. Es war ein komplett deutsches Halbfinale, auch Gladbach und Stuttgart waren noch dabei. Wir hatten das Hinspiel 0:2 verloren und standen im Rückspiel kurz vor dem Aus, als Bruno Pezzey in der 87. Minute das 2:0 machte. In der Verlängerung haben wir die Bayern dann auseinandergenommen und 5:1 gewonnen, obwohl München kurz danach wieder Meister wurde mit seinen Stars Breitner und Rummenigge. Joker Harald Karger, unser "Schädel-Harry", hat zwei Tore gemacht - und dann haben wir ja auch den Pott gewonnen.

Wenn ich die Gegner von einst heute noch sehe, so wie "Kalle" Rummenigge, sagen sie immer: "Scheiß Eintracht, gegen euch haben wir immer Probleme gehabt." Ich hoffe, dass es am Samstag wieder so kommt, denn unsere Chance ist, dass wir keine haben.

Euer Karl-Heinz "Charly" Körbel

Charly Körbel spielte in der Bundesliga zwischen 1972 und 1991 insgesamt 35-mal gegen die Bayern, gewann neun Spiele bei zehn Remis und 16 Niederlagen. Er schoss drei Tore und sah vier Gelbe Karten.