Klinsmann gegen Löw: Freundschaft ruht nur für 90 Minuten

Vor dem Spiel wird er beide Hymnen singen, nach dem Schlusspfiff ist er wieder Fan des deutschen Teams: Die Freundschaft zu Joachim Löw ruht bei Jürgen Klinsmann vor einem der "ungewöhnlichsten Spiele meines Lebens" nur für 90 Minuten.

"Natürlich ist es für mich etwas ganz Besonderes, so etwas gibt es vielleicht nur einmal im Leben", sagt Klinsmann vor dem Showdown seines US-Teams gegen die deutsche Nationalmannschaft heute (ab 18 Uhr MESZ, live im ZDF) in Recife. Eine gewisse Anspannung will er vor der Begegnung mit vielen alten Weggefährten gar nicht leugnen, "aber ich versuche, es zu genießen." Alles in allem freue er sich auf ein "wundervolles Wiedersehen mit all den alten Jungs".

Am Tag vor dem Spiel lobte Klinsmann noch einmal die Arbeit seines Nachfolgers Löw und würdigte das Verhältnis zu seinem damaligen Co-Trainer als "tiefe Freundschaft mit gegenseitiger Bewunderung". In den letzten Wochen habe es allerdings keinen Kontakt mehr gegeben. "Auch keine SMS", sagte Klinsmann, "jeder konzentriert sich auf seine Aufgabe. In drei Wochen werden wieder sprechen und die Familien werden sich sehen."

Klinsmann: "Wir sind voller Selbstvertrauen"

Trotz des emotionalen Rendezvous mit seiner Vergangenheit geht es für den ehrgeizigen Schwaben am Donnerstag aber vor allem um eines: den Einzug ins Achtelfinale. "Wir sind voller Selbstvertrauen und hungrig", sagt Klinsmann und richtet eine Kampfansage an Thomas Müller und Co.: "Wir fordern Euch raus, wir wollen gewinnen, wir setzen Euch unter Druck."

Seine "Hausaufgaben" habe sein Team gemacht. Nach der ohnehin schon "tollen Gruppenphase" wolle es "jetzt einen draufsetzen und das deutsche Team möglichst schlagen", sagt Klinsmann vor dem Duell gegen jenes Team, das der frühere Nationalspieler als Bundestrainer von 2004 bis 2006 betreute? "Gewinnen und Gruppenerster werden." Seine Mannschaft wolle nach vorne spielen und angreifen.

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Klinsmann: "Deutschland kann Weltmeister werden"

Ums deutsche Team macht sich Klinsmann ohnehin keine Sorgen. Und in der K.o.-Phase traut er der Mannschaft seines Nachfolgers Löw dann alles zu. Die DFB-Auswahl habe "genug Potenzial, um Weltmeister zu werden. Und wenn die 90 Minuten gegen uns vorbei sind, drücke ich Deutschland auch die Daumen dafür".

Als besondere Art des Dopings dienen Klinsmann, quasi als letzte Energie- und Motivationsspritze unmittelbar vor dem Anpfiff, die Nationalhymnen. "Ich werde natürlich beide mitsingen", kündigt Klinsmann an, "ist doch klar." Damit es mit dem Weiterkommen auch sicher klappt, müssen die US-Spieler wie auch die deutsche Mannschaft einen Punkt holen.

Bierhoff: "Klinsmann hat unglaubliche Energie, ein Bauchgefühl für Situationen"

Der große Respekt beruht auf Gegenseitigkeit. Auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) hat man Klinsmanns Wirken nicht vergessen. Er war es, der den deutschen Fußball aus dem Tiefschlaf gerissen und mit dem Sommermärchen 2006 hierzulande den Weg für eine beispiellose Erfolgsstory geebnet hat. Klinsmann habe in Deutschland entscheidend "Strukturen verändert, eine Initialzündung für die Bundesliga gegeben", sagt Oliver Bierhoff.

Der Nationalmannschaftsmanager sieht seinen früheren Kollegen längst nicht mehr als reinen Motivator. "Das wird Jürgen nicht gerecht, er ist in den letzten Jahren immer mehr Trainer geworden", sagt Bierhoff. Der 49-Jährige habe eine "unglaubliche Energie, ein Bauchgefühl für Situationen" und zudem ein Gespür, "Spieler anzustacheln".

Genau das will Klinsmann auch heute gegen seine alten Freunde tun - zumindest während der 90 Minuten.