Khedira: "Es ist eine Frage der Einstellung"

Die Weltmeisterschaft in Südafrika war für Sami Khedira (23) das Sprungbrett zu Real Madrid. Trainer Jose Mourinho war angetan von den Leistungen des jungen Deutschen, in einem persönlichen Gespräch überzeugte er Khedira von einem Wechsel nach Madrid.

Vor dem EM-Qualifikationsspiel am Dienstag in Kasachstan (ab 19 Uhr MESZ, live im ZDF) spricht der defensive Mittelfeldspieler im DFB.de-Gespräch der Woche mit Online-Redakteur Steffen Lüdeke über Herzensangelegenheiten, Kritik von Jose Mourinho, ein drohendes Karriere-Ende und die Kälte in Kasachstan.

DFB.de: Herr Khedira, Jose Mourinho hat angekündigt, dass er Zinedine Zidane künftig näher an die Mannschaft bringen und in die Trainingsarbeit einbeziehen will. Sie müssten sich darüber sehr freuen, oder?

Sami Khedira: Ja, das stimmt. Ich habe Zidane vor zwei Wochen zum ersten Mal getroffen. Für mich war dies ein ganz spezielles Erlebnis. Wenn ich einen Kindheitstraum hatte, dann war das, Zinedine Zidane zu treffen. Deswegen würde es mich natürlich freuen, wenn er tatsächlich mehr mit uns arbeiten würde. Von ihm Tipps zu bekommen und mit ihm zu arbeiten, wäre etwas, was mich sehr stolz machen würde.

DFB.de: Was macht ihn so besonders?

Khedira: Für mich ist er der Fußballer schlechthin, der begnadetste und beste Spieler aller Zeiten. Ich habe ihn nicht nur dafür bewundert, wie er sich auf dem Fußballplatz bewegt, sondern auch dafür, wie er als Mensch ist. Um ihn gab es nie Skandale, er hat immer in Ruhe gelebt, hat seine Privatsphäre geschützt und seine Familie aus der Öffentlichkeit fern gehalten. Als Kind war er mein großes Vorbild.

DFB.de: Heute sind Sie selbst ein Vorbild für viele Kinder.

Khedira: Ich bin jetzt in der Position, in der sich jüngere Spieler bestimmt gewisse Dinge bei mir abschauen. Das heißt aber nicht, dass ich mir nicht selbst auch noch Dinge abschauen würde. Ich werde nie aufhören, zu lernen, ich werde immer andere Spieler und deren Verhalten beobachten. Es gibt viele Spieler, die über Jahre hinweg auf hohem Niveau konstant hervorragende Leistungen gebracht haben. Xabi Alonso zum Beispiel ist ein herausragender Fußballer, den ich jetzt täglich im Training erlebe. Im Gespräch mit ihm – und natürlich auch mit anderen – kann ich einige Dinge lernen. Ohne, dass ich meinen Spielstil komplett umstellen muss. Ich habe mein Spiel gefunden, aber Details und Kleinigkeiten zur Verfeinerung sind immer möglich.



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Die Weltmeisterschaft in Südafrika war für Sami Khedira (23) das Sprungbrett zu Real Madrid. Trainer Jose Mourinho war angetan von den Leistungen des jungen Deutschen, in einem persönlichen Gespräch überzeugte er Khedira von einem Wechsel nach Madrid.

Vor dem EM-Qualifikationsspiel am Dienstag in Kasachstan (ab 19 Uhr MESZ, live im ZDF) spricht der defensive Mittelfeldspieler im DFB.de-Gespräch der Woche mit Online-Redakteur Steffen Lüdeke über Herzensangelegenheiten, Kritik von Jose Mourinho, ein drohendes Karriere-Ende und die Kälte in Kasachstan.

DFB.de: Herr Khedira, Jose Mourinho hat angekündigt, dass er Zinedine Zidane künftig näher an die Mannschaft bringen und in die Trainingsarbeit einbeziehen will. Sie müssten sich darüber sehr freuen, oder?

Sami Khedira: Ja, das stimmt. Ich habe Zidane vor zwei Wochen zum ersten Mal getroffen. Für mich war dies ein ganz spezielles Erlebnis. Wenn ich einen Kindheitstraum hatte, dann war das, Zinedine Zidane zu treffen. Deswegen würde es mich natürlich freuen, wenn er tatsächlich mehr mit uns arbeiten würde. Von ihm Tipps zu bekommen und mit ihm zu arbeiten, wäre etwas, was mich sehr stolz machen würde.

DFB.de: Was macht ihn so besonders?

Khedira: Für mich ist er der Fußballer schlechthin, der begnadetste und beste Spieler aller Zeiten. Ich habe ihn nicht nur dafür bewundert, wie er sich auf dem Fußballplatz bewegt, sondern auch dafür, wie er als Mensch ist. Um ihn gab es nie Skandale, er hat immer in Ruhe gelebt, hat seine Privatsphäre geschützt und seine Familie aus der Öffentlichkeit fern gehalten. Als Kind war er mein großes Vorbild.

DFB.de: Heute sind Sie selbst ein Vorbild für viele Kinder.

Khedira: Ich bin jetzt in der Position, in der sich jüngere Spieler bestimmt gewisse Dinge bei mir abschauen. Das heißt aber nicht, dass ich mir nicht selbst auch noch Dinge abschauen würde. Ich werde nie aufhören, zu lernen, ich werde immer andere Spieler und deren Verhalten beobachten. Es gibt viele Spieler, die über Jahre hinweg auf hohem Niveau konstant hervorragende Leistungen gebracht haben. Xabi Alonso zum Beispiel ist ein herausragender Fußballer, den ich jetzt täglich im Training erlebe. Im Gespräch mit ihm – und natürlich auch mit anderen – kann ich einige Dinge lernen. Ohne, dass ich meinen Spielstil komplett umstellen muss. Ich habe mein Spiel gefunden, aber Details und Kleinigkeiten zur Verfeinerung sind immer möglich.

DFB.de: Dann irrte Bundestrainer Joachim Löw, als er nach der WM behauptete, dass Sie nicht besser spielen könnten als in Südafrika?

Khedira: (Lacht) Wenn ein Fachmann wie Joachim Löw so etwas sagt, dann kann ich ihm ja kaum widersprechen. Es ist doch aber klar, was er gemeint hat. Wir haben eine Top-WM gespielt, auch ich war sehr zufrieden mit mir. Die Herausforderung besteht jetzt darin, auf diesem Niveau konstant zu spielen. Das ist mein Ziel. Zu Beginn der Saison ist mir dies bei Real und auch mit der Nationalmannschaft zum Glück ganz gut gelungen.

DFB.de: In Madrid stimmen die Ergebnisse weitgehend, im Gegensatz zur Nationalmannschaft gab es aber mitunter Kritik an der Spielweise des Teams. Muss sich die Mannschaft noch mehr finden?

Khedira: Es ist ein neuer Trainer da, der Kader wurde verändert, es sind fünf, sechs Spieler neu hinzu gekommen, die Spielphilosophie hat sich geändert. Da ist es normal, dass sich die Automatismen erst noch entwickeln müssen. Aber man hat in den Spielen gesehen, dass wir uns immer besser finden, dass unser Zusammenspiel immer flüssiger läuft und die Abstimmung immer reibungsloser funktioniert. Wir sind mit Real auf einem guten Weg und setzen immer mehr von dem um, was Jose Mourinho von uns verlangt.

DFB.de: Bevor Sie den Vertrag in Madrid unterschrieben haben, haben Sie sich mit Mourinho zusammengesetzt und unterhalten. Wie wichtig war dieses Gespräch? Hätte Mourinho irgendetwas sagen können, was Sie vom Wechsel zu Real abgehalten hätte?

Khedira: Für mich war wichtig, zu wissen, wie der Trainer mich sieht, wie er meine Spielphilosophie einschätzt und wie er mich einzusetzen gedenkt. Aber im Grunde war von vorneherein klar, dass wir uns gut verstehen werden. Ich bewundere Mourinho seit Jahren und habe auch gesehen, welche Erfolge er bei verschiedenen Vereinen gefeiert hat. Ich war also recht sicher, dass wir uns gut verstehen werden. Für mich war es trotzdem wichtig, dies alles noch mal im persönlichen Gespräch bestätigt zu bekommen.

DFB.de: Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Jose Mourinho und Joachim Löw?

Khedira: Ich werde nie auf den Gedanken kommen, irgendwelche Trainer miteinander zu vergleichen oder ihre Arbeit zu bewerten. Jeder hat seine eigene Art. Löw und Mourinho sind beide Fußball-Fachmänner, sie sind beide hervorragende Trainer und auch hervorragende Menschen.

DFB.de: Mesut Özil hat Real Madrid als sehr familiären Verein bezeichnet. Teilen Sie diese Einschätzung?

Khedira: Da kann ich nur zustimmen, das hat mich am Anfang in dieser Form echt überrascht. Bei Real spielen so viele Weltstars und große Spielerpersönlichkeiten und dennoch ist in der Mannschaft ein riesiger Respekt im Umgang miteinander vorhanden. Jeder hilft jedem und jeder gönnt dem anderen auch dessen persönlichen Erfolg.

DFB.de: Wie äußert sich dies im täglichen Umgang?

Khedira: Bei Real ist es wie überall auf der Welt: Jeder will spielen. Und natürlich hat man auf seiner Position auch direkte Konkurrenten. Da hätte es mich nicht gewundert, wenn der eine oder andere Spieler mir gegenüber am Anfang verschlossen gewesen wäre. Aber im Gegenteil: Lassana Diarra ist zu mir gekommen und hat versucht, mir Tipps zu geben. Wie die Mentalität im Verein und im spanischen Fußball ist, auch Tipps, um meine Mitspieler noch besser zu verstehen. In diesen Ausmaßen habe ich das noch nie erlebt, dass mir ein direkter Konkurrent Hilfestellung gegeben hat.

DFB.de: Zu Beginn Ihrer Zeit bei Real war Rafael van der Vaart eine große Bezugsperson für Sie. Was hat sein Wechsel nach Tottenham für Sie bedeutet?

Khedira: Rafa ist ein hervorragender Fußballer und ein sehr offener und lockerer Mensch. In der kurzen Zeit, die er noch da war, hatte ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Aber auch der Kontakt zu den anderen Mitspielern ist sehr gut und sehr eng geworden. Wir reisen ja viel mit der Mannschaft und haben dabei immer sehr viel Spaß. Es ist aber nicht so, dass wir nur rumalbern würden, ich kann mich mit meinen Mitspielern auch über ernste Themen unterhalten. Dies zwar noch nicht auf Spanisch, aber die meisten sind in der Lage, Englisch zu sprechen.

DFB.de: Dann stimmt nicht, dass Sie Kommunikationsschwierigkeiten hatten? Trainer Mourinho soll Sie und Mesut Özil ja deswegen kritisiert haben, wie in den Zeitungen zu lesen war.

Khedira: Das Thema ist übertrieben worden. Mourinho hat nie erwartet, dass wir nach drei Wochen perfekt Spanisch sprechen. Nach der Weltmeisterschaft waren die Erwartungen an mich und Mesut sehr hoch. Mit seinen Äußerungen wollte Mourinho uns in Schutz nehmen, sie sind aber falsch interpretiert und in falschen Zusammenhang wiedergegeben worden. Der Trainer war von Anfang an zufrieden mit uns.

DFB.de: Dann stimmt auch nicht, dass Sie und Mesut Özil von der Mannschaft isoliert seien?

Khedira: Das ist absolut falsch. Wenn zwei Spieler sich lange kennen und fast zeitgleich in einen neuen Verein kommen, ist es völlig normal, dass sie anfangs viel Zeit miteinander verbringen. Das machen andere Spieler bei Madrid auch so. Cristiano Ronaldo verbringt die meiste Zeit mit Pepe, daran stört sich auch niemand. Es ist aber nicht so, dass er sich mit Pepe abschotten würde, genauso wenig machen dies Mesut und ich. Wir verstehen uns im gesamten Team sehr gut, aber natürlich gibt es Spieler mit denen man besser kann als mit anderen.

DFB.de: Sie haben den VfB Stuttgart einst als Herzensangelegenheit bezeichnet. Ist Real Madrid für Sie auch schon eine Herzensangelegenheit?

Khedira: Es ist schwierig, nach so kurzer Zeit von einer Herzensangelegenheit zu sprechen. Generell gilt, dass ich, egal wo ich bin, egal für welche Mannschaft ich spiele, mich immer zu 100 Prozent mit dem Verein und der Mannschaft identifiziere. Der der VfB wird für mich immer etwas Besonderes bleiben. Ich bin in Stuttgart geboren und aufgewachsen, ich habe dort gelernt, Fußball zu spielen. Deswegen habe ich zum VfB eine ganz andere emotionale Bindung. Aber ich bin jetzt Angestellter von Real Madrid und sehr stolz, dort spielen zu können. Ich fühle mich sehr wohl und bin mit dem ganzen Herzen dabei.

DFB.de: Vor fünf Jahren war Ihre Karriere in Gefahr. Wegen Problemen am Außenmeniskus mussten Sie um eine Fortsetzung bangen. Hatten Sie damals einen Plan B, falls es nichts geworden wäre mit der Fußball-Laufbahn?

Khedira: Es war keine einfache Zeit. Aber ich habe nie daran gezweifelt, dass ich es schaffen werde. Mir haben auch Dr. Müller Wohlfahrt und Klaus Eder immer Mut gemacht und mir gesagt, dass, wenn ich mir und meinem Körper Zeit zur Heilung gebe, ich dann zurückkommen werde. Ich habe in dieser Zeit eine innere Stärke entwickelt und gelernt, dass es sich lohnt, zu kämpfen. Ich habe über Monate keinen Ball gesehen, durfte nicht laufen. Das war enorm hart für mich. Es war aber auch eine Zeit, von der ich heute weiß, dass sie mich geprägt hat. Ich bin in dieser Zeit gewachsen, habe mich auch mit anderen Dingen als Fußball beschäftigt und generell meinen Horizont erweitert.

DFB.de: Sie haben vor gut einem Jahr für die Nationalmannschaft debütiert, heute sind Sie aus dem Team nicht mehr wegzudenken und Spieler von Real Madrid. Sind Sie überrascht von der Geschwindigkeit Ihrer Entwicklung, geht es Ihnen manchmal vielleicht sogar zu schnell?

Khedira: Man sollte nicht versuchen, Dinge, die schnell kommen, künstlich zu verlangsamen. Ich bin sehr froh über die Entwicklung in den vergangenen Monaten. Ich habe die Chancen, die sich mir geboten haben, ergriffen und bin sehr zufrieden mit dem Verlauf meiner Karriere.

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DFB.de: In dieser Karriere steht als nächstes das Spiel in Kasachstan an. Wie schwer ist die Umstellung für den Kopf. Gerade noch mit Real in der Champions League, dann mit Deutschland vor mehr als 70000 in Berlin gegen die Türkei – und jetzt Kasachstan?

Khedira: Es ist eine Frage der Einstellung. Natürlich könnte man dorthin fahren und sagen: Kasachstan, wer ist Kasachstan? Aber das wäre genau die falsche Art, an so ein Spiel heran zu gehen. Das passiert oft genug, so erklären sich auch die Ausrutscher von großen Mannschaften. Wir werden das nicht tun, wir gehen jedes Spiel mit voller Konzentration an. Im Normalfall werden wir dann nicht stolpern, dafür ist die spielerische Klasse der Mannschaft mittlerweile zu groß. Aber natürlich gibt es ein paar Faktoren, die wir im Auge haben müssen: ungewohnte Anstoßzeit, Kunstrasen im Stadion, es wird kalt sein.

DFB.de: Sie kommen aus dem warmen Spanien. Ist die Umstellung für Sie deswegen besonders groß?

Khedira: Eigentlich ist das völlig egal. Ob warm oder kalt, der Ball rollt überall gleich. Fußball ist überall Fußball, Regen, Sonne, Temperatur, das sind alles Randerscheinung. Ich sehe das als Ausreden. Als Spieler hat mich das nicht zu interessieren, ich muss auf dem Platz meine Aufgaben erledigen, unabhängig von äußeren Einflüsse wie der Temperatur.

DFB.de: Ist es nicht trotzdem besonders schön, nach dem Spiel in Kasachstan wieder nach Madrid in die Wärme zu kommen?

Khedira: (Lacht) Zum Leben ist es netter dort, das stimmt. Man kann es in Spanien zu dieser Jahreszeit gut aushalten.