Kevin-Prince gegen Jerome: Das Duell der Boateng-Brüder

Immer donnerstags stellt team.dfb.de einen Spieler des A-Teams vor, für den am Wochenende Außergewöhnliches ansteht. Heute: Jerome Boateng vom FC Bayern. Der Verteidiger trifft im Bundesliga-Topspiel auf Schalke am Samstag (ab 18.30 Uhr, live bei Sky) auf seinen Halbbruder Kevin-Prince.

Im Fußball sind drei Optionen denkbar: Sieg, Niederlage, Remis. Und mit allen drei Möglichkeiten könnte ein Boateng gut leben: Papa Prince. Einen Gewinner gibt es also schon jetzt, wenn am Samstag zwei seiner Söhne gegeneinander spielen. Schalke 04 empfängt im Topspiel der Fußball-Bundesliga den FC Bayern München. Kevin-Prince Boateng empfängt Jerome. Es ist das erste Aufeinandertreffen in dieser Konstellation in der Bundesliga.

Ein Duell vor den Augen der ganzen Welt

Ihr größtes Duell hatten die Brüder auf der größtmöglichen Bühne ausgetragen: vor den Augen der ganzen Welt. Das Spiel zwischen Deutschland und Ghana bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika war aus vielen Gründen beladen. Es war das Gruppenfinale, Deutschland stand zwischen Ende und Beginn des Wintermärchens. Mehr als das hat fast eine andere Geschichte die Menschen bewegt: die der Brüder Boateng. Zwei Brüder, ein Vater, zwei Nationen, Gegner.

Und dann war da natürlich noch die besondere Situation um Kevin-Prince, den der deutsche Boulevard nach dessen Foul an Michael Ballack unter Außerachtlassung journalistischer Ethik zum Abschuss freigegeben hatte. Es war jede Meneg drin, damals in Johannesburg. Durch ein Tor von Mesut Özil gewann Deutschland mit 1:0 gegen Ghana, die Grundlage für die Fußballfeste im Achtelfinale gegen England und im Viertelfinale gegen Argentinien war gelegt.

1:0 gegen Ghana bei der WM 2010: Jerome liegt vorn

"Das einzige richtige Duell gab es bei der WM - und da habe ich gewonnen", sagt Jerome Boateng. "Bei den wichtigen Spielen liege ich also vorn." Er sagt dies, weil er zuletzt wieder ziemlich häufig nach seinem Bruder gefragt wird. Das ist so, weil sein Bruder wieder in der Bundesliga spielt. Beim FC Schalke 04. Und der FC Schalke 04 spielt am Wochenende gegen den FC Bayern München. Dort spielt Jerome Boateng. Wer will, kann die Partie also zum Bruderduell hochstilisieren: Boateng gegen Boateng.

Die Neuauflage findet unter geänderten Vorzeichen statt. Es ist nicht das Duell "gut" gegen "böse" - war es auch nie. Diesmal wird nicht die ganze Welt zuschauen, aber ein nicht kleiner Teil der deutschen Fußballwelt. Mindestens. Die Geschichte der Brüder löst noch immer große Faszination aus. Einander gemocht haben sie immer, einander respektiert sowieso. Aber sie sind auch so verschieden temperiert, dass gelegentliche Reibereien fast unausweichlich waren.

Es gab Zeiten, da gab es keinen Kontakt, damals war das beispielsweise so, in den Tagen vor und nach dem Spiel in Johannesburg. Lange haben diese nie gedauert. Weil Kevin-Prince und Jerome in den Zeiten, in denen sie keine Kontakt hatten, gemerkt haben, wie sehr ihnen dieser Kontakt fehlt. So, wie das halt so ist unter Brüdern.

Kevin-Prince kämpft gegen Rassismus

In den vergangenen drei Jahren haben die beiden sich angenähert - in vieler Hinsicht. Bei der WM in Südafrika hat Kevin-Prince sein Talent eingelöst, mit Ghana begeisterte er die Welt und wurde endlich zum dem Star, als der er sich schon immer gesehen hat. Er ging dann zum AC Mailand, aus dem Talent wurde ein Leader, ein Unterschiedsspieler. Mit der wachsenden Anerkennung sank seine Lautstärke. Kevin-Prince wurde ruhiger. Er hat registriert, dass er gehört wird, auch wenn er nicht schreit.

Er taugt nicht mehr als Staatsfeind, heute ist er ist Vorreiter im Kampf gegen Menschenfeinde. Ausgelöst wurde diese Wendung durch einen Skandal. Anfang des Jahres absolvierte der AC Mailand ein Testspiel beim viertklassigen Team Pro Patria. Nach Schmährufen und Affenlauten von den Rängen gegen ihn verließ Kevin-Prince den Platz, seine Mitspieler folgten ihm. Ein Zeichen gegen Rassismus, das hohe Wellen schlug.

Jerome hat seinen Bruder dafür bewundert - und fast noch mehr dafür, mit welchem Selbstbewusstsein dieser im Anschluss vor den Vereinten Nationen in Genf über Rassismus und Möglichkeiten im Kampf dagegen geredet hat: "Er mag ja solche Aufgaben. Er mag solche Auftritte." Jerome kann das nicht. "Ich bin nicht der Typ für große Reden, ich wäre viel zu aufgeregt", sagt er offen.

Jerome Boateng - seine Karriere in Bildern

Jerome: "Meine Entwicklung ist eine andere als die Kevins"

Auch Jerome hat sich in den drei Jahren von Johannesburg bis Gelsenkirchen verändert. Seine Karriere entspricht nicht zufällig seinem Wesen: "Meine Entwicklung ist eine andere als die Kevins, meine verlief etwas ruhiger und stetiger." Sie führte ihn stetig nach oben, ins Zentrum des deutschen Fußballs, zur Nationalmannschaft, zum FC Bayern und hier wie dort über einige Flügelwechsel ins Zentrum des Spiels.

Und mittlerweile strahlt er als Innenverteidiger auch auf dem Platz die Souveränität und Ruhe aus, mit der er abseits des Platzes durchs Leben geht. Jerome spielt auffallend unaufgeregt, das Vertrauen, das er bei Bayern und in der Nationalmannschaft genießt, hat sein Spiel stabil werden lassen. Zuletzt zu besichtigen bei den 3:0-Siegen in der WM-Qualifikation gegen Österreich und die Färöer, davor bei Bayern in der Rückrunde 2012/2013, die in den historischen Tripletriumph mündete.

Jerome Boateng selber erklärt dies so: "Ich denke, dass ich von Jahr zu Jahr Schritte nach vorne gemacht habe. Und durch die vielen Spiele, besonders in der Champions League, bin ich einfach ruhiger am Ball geworden. Ich vertraue mehr meinen Fähigkeiten und setze mich selbst nicht mehr so unter Druck. Ich war oft zu verkrampft und wollte zu viel. Ich wollte immer zu schnell den Ball wiedergewinnen - und dann sind mir dumme Fouls passiert. Das hat sich geändert."

Jerome über Kevin-Prince: "Weglaufen wird er mir nicht"

Einen weiteren Beleg dafür kann er am Samstag liefern, im Spiel unter Brüdern. Die beiden leugnen nicht, dass diese Partie für die Familie eine spezielle ist. Beide freuen sich auf das sportliche Wiedersehen, doch während der 90 Minuten werden sie die Familienbande lösen. Wie er agieren wird, wenn Kevin-Prince ihm enteilt, wurde Jerome gefragt. Seine Antwort spricht Bände: "Ich versuche es ohne Umhauen. Aber wenn es nicht anders geht, mache ich es. Weglaufen wird er mir nicht."

Kevin hat sich über diese Antwort seines Bruders gefreut, er geht mit derselben Einstellung auf den Platz. "Im Spiel wird es keine Liebe geben", sagt er. Nur von Papa Prince, der auf der Tribüne sitzen und beiden Söhnen die Daumen drücken wird. Und am Ende Gewinner sein wird.

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Immer donnerstags stellt team.dfb.de einen Spieler des A-Teams vor, für den am Wochenende Außergewöhnliches ansteht. Heute: Jerome Boateng vom FC Bayern. Der Verteidiger trifft im Bundesliga-Topspiel auf Schalke am Samstag (ab 18.30 Uhr, live bei Sky) auf seinen Halbbruder Kevin-Prince.

Im Fußball sind drei Optionen denkbar: Sieg, Niederlage, Remis. Und mit allen drei Möglichkeiten könnte ein Boateng gut leben: Papa Prince. Einen Gewinner gibt es also schon jetzt, wenn am Samstag zwei seiner Söhne gegeneinander spielen. Schalke 04 empfängt im Topspiel der Fußball-Bundesliga den FC Bayern München. Kevin-Prince Boateng empfängt Jerome. Es ist das erste Aufeinandertreffen in dieser Konstellation in der Bundesliga.

Ein Duell vor den Augen der ganzen Welt

Ihr größtes Duell hatten die Brüder auf der größtmöglichen Bühne ausgetragen: vor den Augen der ganzen Welt. Das Spiel zwischen Deutschland und Ghana bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika war aus vielen Gründen beladen. Es war das Gruppenfinale, Deutschland stand zwischen Ende und Beginn des Wintermärchens. Mehr als das hat fast eine andere Geschichte die Menschen bewegt: die der Brüder Boateng. Zwei Brüder, ein Vater, zwei Nationen, Gegner.

Und dann war da natürlich noch die besondere Situation um Kevin-Prince, den der deutsche Boulevard nach dessen Foul an Michael Ballack unter Außerachtlassung journalistischer Ethik zum Abschuss freigegeben hatte. Es war jede Meneg drin, damals in Johannesburg. Durch ein Tor von Mesut Özil gewann Deutschland mit 1:0 gegen Ghana, die Grundlage für die Fußballfeste im Achtelfinale gegen England und im Viertelfinale gegen Argentinien war gelegt.

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1:0 gegen Ghana bei der WM 2010: Jerome liegt vorn

"Das einzige richtige Duell gab es bei der WM - und da habe ich gewonnen", sagt Jerome Boateng. "Bei den wichtigen Spielen liege ich also vorn." Er sagt dies, weil er zuletzt wieder ziemlich häufig nach seinem Bruder gefragt wird. Das ist so, weil sein Bruder wieder in der Bundesliga spielt. Beim FC Schalke 04. Und der FC Schalke 04 spielt am Wochenende gegen den FC Bayern München. Dort spielt Jerome Boateng. Wer will, kann die Partie also zum Bruderduell hochstilisieren: Boateng gegen Boateng.

Die Neuauflage findet unter geänderten Vorzeichen statt. Es ist nicht das Duell "gut" gegen "böse" - war es auch nie. Diesmal wird nicht die ganze Welt zuschauen, aber ein nicht kleiner Teil der deutschen Fußballwelt. Mindestens. Die Geschichte der Brüder löst noch immer große Faszination aus. Einander gemocht haben sie immer, einander respektiert sowieso. Aber sie sind auch so verschieden temperiert, dass gelegentliche Reibereien fast unausweichlich waren.

Es gab Zeiten, da gab es keinen Kontakt, damals war das beispielsweise so, in den Tagen vor und nach dem Spiel in Johannesburg. Lange haben diese nie gedauert. Weil Kevin-Prince und Jerome in den Zeiten, in denen sie keine Kontakt hatten, gemerkt haben, wie sehr ihnen dieser Kontakt fehlt. So, wie das halt so ist unter Brüdern.

Kevin-Prince kämpft gegen Rassismus

In den vergangenen drei Jahren haben die beiden sich angenähert - in vieler Hinsicht. Bei der WM in Südafrika hat Kevin-Prince sein Talent eingelöst, mit Ghana begeisterte er die Welt und wurde endlich zum dem Star, als der er sich schon immer gesehen hat. Er ging dann zum AC Mailand, aus dem Talent wurde ein Leader, ein Unterschiedsspieler. Mit der wachsenden Anerkennung sank seine Lautstärke. Kevin-Prince wurde ruhiger. Er hat registriert, dass er gehört wird, auch wenn er nicht schreit.

Er taugt nicht mehr als Staatsfeind, heute ist er ist Vorreiter im Kampf gegen Menschenfeinde. Ausgelöst wurde diese Wendung durch einen Skandal. Anfang des Jahres absolvierte der AC Mailand ein Testspiel beim viertklassigen Team Pro Patria. Nach Schmährufen und Affenlauten von den Rängen gegen ihn verließ Kevin-Prince den Platz, seine Mitspieler folgten ihm. Ein Zeichen gegen Rassismus, das hohe Wellen schlug.

Jerome hat seinen Bruder dafür bewundert - und fast noch mehr dafür, mit welchem Selbstbewusstsein dieser im Anschluss vor den Vereinten Nationen in Genf über Rassismus und Möglichkeiten im Kampf dagegen geredet hat: "Er mag ja solche Aufgaben. Er mag solche Auftritte." Jerome kann das nicht. "Ich bin nicht der Typ für große Reden, ich wäre viel zu aufgeregt", sagt er offen.

Jerome Boateng - seine Karriere in Bildern

Jerome: "Meine Entwicklung ist eine andere als die Kevins"

Auch Jerome hat sich in den drei Jahren von Johannesburg bis Gelsenkirchen verändert. Seine Karriere entspricht nicht zufällig seinem Wesen: "Meine Entwicklung ist eine andere als die Kevins, meine verlief etwas ruhiger und stetiger." Sie führte ihn stetig nach oben, ins Zentrum des deutschen Fußballs, zur Nationalmannschaft, zum FC Bayern und hier wie dort über einige Flügelwechsel ins Zentrum des Spiels.

Und mittlerweile strahlt er als Innenverteidiger auch auf dem Platz die Souveränität und Ruhe aus, mit der er abseits des Platzes durchs Leben geht. Jerome spielt auffallend unaufgeregt, das Vertrauen, das er bei Bayern und in der Nationalmannschaft genießt, hat sein Spiel stabil werden lassen. Zuletzt zu besichtigen bei den 3:0-Siegen in der WM-Qualifikation gegen Österreich und die Färöer, davor bei Bayern in der Rückrunde 2012/2013, die in den historischen Tripletriumph mündete.

Jerome Boateng selber erklärt dies so: "Ich denke, dass ich von Jahr zu Jahr Schritte nach vorne gemacht habe. Und durch die vielen Spiele, besonders in der Champions League, bin ich einfach ruhiger am Ball geworden. Ich vertraue mehr meinen Fähigkeiten und setze mich selbst nicht mehr so unter Druck. Ich war oft zu verkrampft und wollte zu viel. Ich wollte immer zu schnell den Ball wiedergewinnen - und dann sind mir dumme Fouls passiert. Das hat sich geändert."

Jerome über Kevin-Prince: "Weglaufen wird er mir nicht"

Einen weiteren Beleg dafür kann er am Samstag liefern, im Spiel unter Brüdern. Die beiden leugnen nicht, dass diese Partie für die Familie eine spezielle ist. Beide freuen sich auf das sportliche Wiedersehen, doch während der 90 Minuten werden sie die Familienbande lösen. Wie er agieren wird, wenn Kevin-Prince ihm enteilt, wurde Jerome gefragt. Seine Antwort spricht Bände: "Ich versuche es ohne Umhauen. Aber wenn es nicht anders geht, mache ich es. Weglaufen wird er mir nicht."

Kevin hat sich über diese Antwort seines Bruders gefreut, er geht mit derselben Einstellung auf den Platz. "Im Spiel wird es keine Liebe geben", sagt er. Nur von Papa Prince, der auf der Tribüne sitzen und beiden Söhnen die Daumen drücken wird. Und am Ende Gewinner sein wird.