Kempes: "Im deutschen Spiel ist eine klare Handschrift zu erkennen"

Mario Kempes war der Star des argentinischen Fußballs vor Diego Maradona und Lionel Messi. Heute arbeitet der 63 Jahre alte WM-Torschützenkönig von 1978, der unter dem legendären Trainer César Luis Menotti Weltmeister wurde, für den Sportsender ESPN. Mit DFB.de spricht "El Matador" über das besondere deutsch-argentinische Verhältnis, die Arbeit von Bundestrainer Joachim Löw und die Qualitäten der Torjäger von gestern und heute.

DFB.de: Wie gut ist noch Ihr Deutsch? Immerhin haben Sie ein paar Jahre in Österreich gespielt.

Mario Kempes: Früher konnte ich ein paar Brocken, heute habe ich fast alles vergessen. Aber ich erinnere mich gerne an die Zeit in Österreich, ein tolles Land und sehr, sehr herzliche Menschen. Wir Argentinier lieben ja den Kaffee, da war ich in den Wiener Cafés gut aufgehoben. Ich denke gerne an die Zeit in Österreich zurück. Wien war ein echtes Erlebnis, ich habe es genossen, dort zu leben. Ich habe mich dort wohlgefühlt, und die Österreicher haben mich immer sehr gut behandelt.

DFB.de: Sie haben in Ihrer Karriere etwas erreicht, was Ihren berühmten Nachfolgern Lionel Messi und Diego Maradona verwehrt blieb. Sie waren Torschützenkönig eines WM-Turniers. Und Sie haben das Finale 1978 gegen die Niederlande mit Ihren beiden Treffern und einer Vorarbeit zum 3:1 nach Verlängerung entschieden. Was ist Ihnen davon in Erinnerung geblieben?

Kempes: Dieses Ereignis hat natürlich mein Leben und meine Karriere auch nach dem Fußball geprägt. Wir würden heute nicht miteinander sprechen, wenn mir das damals nicht gelungen wäre. Aber glauben Sie mir, an dem, was ich damals gesagt habe, hat sich bis heute nichts geändert: Das wirklich Außergewöhnliche an diesem Spiel waren nicht die Tore, nicht der Sieg, sondern die Freude in den Gesichtern meiner Landsleute, die ich erkennen durfte.

DFB.de: Reden wir über den deutschen Fußball. Bei der WM 2014 gelang Miroslav Klose beim historischen 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien sein 16. WM-Treffer, der ihn zum Rekordtorschützen aufsteigen ließ. Was hat Klose zu einem so einzigartigen Stürmer gemacht?

Kempes: Zielstrebigkeit, harte Arbeit und außergewöhnliches Talent. Was ich an Klose bewundert habe, ist seine absolut seriöse und faire Art, Fußball zu spielen. Und er hatte diesen natürlichen Instinkt, da zu sein, wenn er gebraucht wurde. Das Glück, vier Weltmeisterschaften unverletzt spielen zu können, hat nicht jeder Spieler, vor allem in der Offensive ist das noch mal ein Stückchen schwieriger. Gute Stürmer werden ja hart bearbeitet. Aber über einen solch langen Zeitraum zuverlässig solch überragende Leistungen zu zeigen, ist außergewöhnlich. Deswegen steht er dort zu Recht ganz oben in dieser Liste und ist auch verdient Weltmeister geworden. Er war eben ein echter Torjäger.

DFB.de: Was macht den Unterschied zwischen dem Stürmerspiel Ihrer Zeit und dem heutigen Offensivspiel aus?

Kempes: Im Grunde hat sich gar nicht so viel verändert. Außer dem Preis, den die Vereine für gute Stürmer zahlen. Aber die Grundinstinkte, die physische und die Handlungsschnelligkeit sind genauso wie zu meiner Zeit die Voraussetzung. Auffällig ist allerdings, dass die Zahl der klassischen Torjäger gegenüber früheren Zeiten abgenommen hat.

DFB.de: In der jüngeren Geschichte der Weltmeisterschaften sind sich Argentinien und Deutschland seit 1986 insgesamt fünfmal in K.o.-Spielen begegnet. Im Jahr 1986 entschied Ihr Heimatland dank eines überragenden Diego Maradona das WM-Finale für sich. Vier Jahre später drehte die DFB-Auswahl in Rom den Spieß um und gewann 1:0. Auch 2006 und 2010 sowie im Finale 2014 gewann Deutschland. Was fehlte Argentinien in der jüngeren Vergangenheit?

Kempes: Sowohl im Viertelfinale von Berlin 2006 als auch im Finale 2014 in Rio de Janeiro hätte das Spiel auch in die andere Richtung kippen können. Da hat Deutschland auch das notwendige Quäntchen Glück gehabt. In Südafrika 2010 war es beim 4:0 ein verdienter klarer Sieg einer jungen deutschen Mannschaft, die damals schon erkennen ließ, dass sie sich zu einer starken Auswahl entwickeln und vier Jahre später zu den Favoriten gehören würde.



Mario Kempes war der Star des argentinischen Fußballs vor Diego Maradona und Lionel Messi. Heute arbeitet der 63 Jahre alte WM-Torschützenkönig von 1978, der unter dem legendären Trainer César Luis Menotti Weltmeister wurde, für den Sportsender ESPN. Mit DFB.de spricht "El Matador" über das besondere deutsch-argentinische Verhältnis, die Arbeit von Bundestrainer Joachim Löw und die Qualitäten der Torjäger von gestern und heute.

DFB.de: Wie gut ist noch Ihr Deutsch? Immerhin haben Sie ein paar Jahre in Österreich gespielt.

Mario Kempes: Früher konnte ich ein paar Brocken, heute habe ich fast alles vergessen. Aber ich erinnere mich gerne an die Zeit in Österreich, ein tolles Land und sehr, sehr herzliche Menschen. Wir Argentinier lieben ja den Kaffee, da war ich in den Wiener Cafés gut aufgehoben. Ich denke gerne an die Zeit in Österreich zurück. Wien war ein echtes Erlebnis, ich habe es genossen, dort zu leben. Ich habe mich dort wohlgefühlt, und die Österreicher haben mich immer sehr gut behandelt.

DFB.de: Sie haben in Ihrer Karriere etwas erreicht, was Ihren berühmten Nachfolgern Lionel Messi und Diego Maradona verwehrt blieb. Sie waren Torschützenkönig eines WM-Turniers. Und Sie haben das Finale 1978 gegen die Niederlande mit Ihren beiden Treffern und einer Vorarbeit zum 3:1 nach Verlängerung entschieden. Was ist Ihnen davon in Erinnerung geblieben?

Kempes: Dieses Ereignis hat natürlich mein Leben und meine Karriere auch nach dem Fußball geprägt. Wir würden heute nicht miteinander sprechen, wenn mir das damals nicht gelungen wäre. Aber glauben Sie mir, an dem, was ich damals gesagt habe, hat sich bis heute nichts geändert: Das wirklich Außergewöhnliche an diesem Spiel waren nicht die Tore, nicht der Sieg, sondern die Freude in den Gesichtern meiner Landsleute, die ich erkennen durfte.

DFB.de: Reden wir über den deutschen Fußball. Bei der WM 2014 gelang Miroslav Klose beim historischen 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien sein 16. WM-Treffer, der ihn zum Rekordtorschützen aufsteigen ließ. Was hat Klose zu einem so einzigartigen Stürmer gemacht?

Kempes: Zielstrebigkeit, harte Arbeit und außergewöhnliches Talent. Was ich an Klose bewundert habe, ist seine absolut seriöse und faire Art, Fußball zu spielen. Und er hatte diesen natürlichen Instinkt, da zu sein, wenn er gebraucht wurde. Das Glück, vier Weltmeisterschaften unverletzt spielen zu können, hat nicht jeder Spieler, vor allem in der Offensive ist das noch mal ein Stückchen schwieriger. Gute Stürmer werden ja hart bearbeitet. Aber über einen solch langen Zeitraum zuverlässig solch überragende Leistungen zu zeigen, ist außergewöhnlich. Deswegen steht er dort zu Recht ganz oben in dieser Liste und ist auch verdient Weltmeister geworden. Er war eben ein echter Torjäger.

DFB.de: Was macht den Unterschied zwischen dem Stürmerspiel Ihrer Zeit und dem heutigen Offensivspiel aus?

Kempes: Im Grunde hat sich gar nicht so viel verändert. Außer dem Preis, den die Vereine für gute Stürmer zahlen. Aber die Grundinstinkte, die physische und die Handlungsschnelligkeit sind genauso wie zu meiner Zeit die Voraussetzung. Auffällig ist allerdings, dass die Zahl der klassischen Torjäger gegenüber früheren Zeiten abgenommen hat.

DFB.de: In der jüngeren Geschichte der Weltmeisterschaften sind sich Argentinien und Deutschland seit 1986 insgesamt fünfmal in K.o.-Spielen begegnet. Im Jahr 1986 entschied Ihr Heimatland dank eines überragenden Diego Maradona das WM-Finale für sich. Vier Jahre später drehte die DFB-Auswahl in Rom den Spieß um und gewann 1:0. Auch 2006 und 2010 sowie im Finale 2014 gewann Deutschland. Was fehlte Argentinien in der jüngeren Vergangenheit?

Kempes: Sowohl im Viertelfinale von Berlin 2006 als auch im Finale 2014 in Rio de Janeiro hätte das Spiel auch in die andere Richtung kippen können. Da hat Deutschland auch das notwendige Quäntchen Glück gehabt. In Südafrika 2010 war es beim 4:0 ein verdienter klarer Sieg einer jungen deutschen Mannschaft, die damals schon erkennen ließ, dass sie sich zu einer starken Auswahl entwickeln und vier Jahre später zu den Favoriten gehören würde.

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DFB.de: Welchen Rat haben Sie für die argentinische Auswahl, sollte es 2018 in Russland wieder zum Duell Deutschland gegen Argentinien kommen?

Kempes: Das wissen die Spieler und der Trainer besser als ich. Ich kann nur sagen, dass man 90 Minuten voll konzentriert spielen und gegen Deutschland alle, wirklich alle Reserven abrufen muss. In Rio hat Argentinien gegen Deutschland das beste Spiel seines Turniers gezeigt und wegen eines einzigen Fehlers ist das Spiel verloren gegangen. Das wird sich hoffentlich nicht wiederholen.

DFB.de: Was macht für Sie den Spielstil der deutschen Nationalmannschaft heute aus?

Kempes: Wenn ich mir heute ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft anschaue, dann ist die Handschrift des Trainers zu erkennen. Mit Beginn der Zeit von Jürgen Klinsmann als Trainer bis 2006 und dann in den Jahren danach mit Joachim Löw hat sich der deutsche Fußball verändert. Und Löw war auch schon zusammen mit Klinsmann eine ganz wichtige Figur innerhalb des Konstrukts der Nationalmannschaft. Ihr Spiel ist technisch besser geworden und setzt nicht mehr nur vor allem auf die Physis, wie das kurz nach meiner Nationalmannschafts-Zeit in den 80er-Jahren der Fall war, als viele Spieler über die Kraft und die Kondition kamen. Das war auch erfolgreich, aber nicht immer so schön anzusehen. Heute erkennen sie eine deutsche Note, die unter Löw zum Tragen gekommen ist. Besonders deutlich wird das in Spielen, wenn die Mannschaft einmal ins Rollen kommt. Das 4:0 über Argentinien 2010 war ein Vorläufer dieser Entwicklung, die klaren Siege über Portugal und Brasilien bei der WM 2014 sind Belege für die spielerische Leichtigkeit. Aber auch die Deutschen tun sich manchmal schwer.

DFB.de: Was ist aus Ihrer Sicht Löws größter Verdienst?

Kempes: Der deutsche Fußball hat nach einer Durststrecke inzwischen wieder eine Vielzahl von sehr guten, talentierten Spielern. Das ist einerseits für einen Trainer natürlich eine wunderschöne Sache, andererseits muss er aber auch mit den vielen Egos zurechtkommen und sie zu einer Gruppe, einer echten Mannschaft formen. Wenn du viele gute Spieler hast, hast du auch viele Einzelinteressen, die es unter einen Hut zu bringen gilt. Das ist Löw in all den Jahren immer gut gelungen und man hatte immer den Eindruck, da steht nicht nur eine gute, sondern auch eine eingeschworene Mannschaft auf dem Platz, die ja auch die entsprechenden Resultate liefert. Es gibt auch Mannschaften, die viele gute Einzelspieler haben, aber an internen Streitigkeiten zerbrechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas unter Löw passieren kann.

DFB.de: Sie kommentieren für den TV-Sender ESPN gelegentlich die Spiele aus Deutschland. Wie bewerten Sie die Leistungsstärke der Bundesliga?

Kempes: Die Bundesliga ist eine der stärksten Ligen der Welt. Die Hegemonie des FC Bayern München ist unbestreitbar. Ich glaube, es würde der Bundesliga guttun, wenn es die eine oder andere Mannschaft schafft, die Bayern wieder stärker herauszufordern. Besonders gut hat mir die Liga gefallen, als sich Bayern und Dortmund auf Augenhöhe begegneten und sich gegenseitig zu Höchstleistungen antrieben. Die Jahre 2013 und 2014 waren doch aus deutscher Sicht mit dem deutschen Champions-League-Finale und dem WM-Gewinn echte Höhepunkte.

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DFB.de: Zu Ihrer aktiven Zeit, noch vor der Globalisierung, waren die südamerikanischen Ligen und die europäischen Ligen sportlich fast gleichwertig. Zumindest die großen Klubs aus Argentinien und Brasilien konnten mit den Top-Klubs aus Europa mithalten. In den zurückliegenden Auflagen der Klub-WM dominierten die europäischen Mannschaften klar. Liegt das nur an den ökonomischen Voraussetzungen?

Kempes: Es stimmt, zwischen den europäischen Top-Ligen und den südamerikanischen Ligen liegen inzwischen Welten. Man muss natürlich auch sagen, dass diese Probleme zum Teil hausgemacht sind. Das Niveau der Organisation und der Professionalität in Europa ist ein anderes als in Süd- oder in Mittelamerika. Die Europäer profitieren natürlich ganz enorm von den südamerikanischen Spielern, die bei ihnen unter Vertrag stehen. Süd- und mittelamerikanische Spieler sind individuell betrachtet immer Spieler mit einem sehr starken Charakter und sehr guten Fähigkeiten. Und diese Mischung zwischen den europäischen und den stärksten südamerikanischen Spielern verschafft den europäischen Teams natürlich einen Wettbewerbsvorteil. 

DFB.de: Wie sehr unterscheidet sich der heutige Fußball von dem zu Ihrer aktiven Zeit?

Kempes: Der Fußball hat sich gar nicht so sehr verändert. Fußball war immer Fußball. Natürlich ist die Sportart etwas schneller, etwas athletischer geworden. Die mediale Begleitung ist enorm. Wenn Sie heute sehen, wie sich die Menschen im Stadion freuen, dann ist das noch nicht viel anders als zu meiner Zeit. Der Fußball hatte und hat immer noch das Potenzial, die Menschen glücklich zu machen. Fußball ist Leidenschaft, das wird immer so sein.

DFB.de: Sie haben dem Turnier 1978 einen unvergesslichen Stempel aufgedrückt, danach war es Diego Maradona bei den Turnieren 1986 und 1990. Jetzt ist es Lionel Messi, der den Fußball in der argentinischen Nationalmannschaft prägt. Was kommt nach dieser Generation Messi?

Kempes: Der argentinische Fußball war immer in der Lage, außergewöhnliche Spieler und Talente hervorzubringen. Es wird neue Epochen geben, warum soll es keinen neuen Messi, keinen neuen Maradona in der Zukunft geben? Es gibt im Leben und auch im Fußball immer ein Vorher und ein Nachher.

DFB.de: Wer ist besser, Messi oder Maradona?

Kempes: Heute ist es Messi, gestern war es Maradona. Zwei überragende Spieler in ihren Epochen, unvergleichlich.

DFB.de: Wer wird Weltmeister 2018?

Kempes: Ich hoffe, Argentinien. Aber die Konkurrenz ist stark: Brasilien, Deutschland, Spanien, Frankreich, aber auch die Engländer sind für mich die Favoriten. Wir können uns auf ein interessantes Turnier freuen. Die Deutschen werden sicher wieder eine entscheidende Rolle spielen.

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