Kehl vor dem Derby: Einmal Borusse, immer Borusse

Sie waren und sind es, die nicht nur den strahlenden Sieger kennen, den Fußballstar, den Derbyhelden. Sie haben auch die Verletzungen mitgemacht. Und Sebastian Kehl war oft verletzt. Die bis heute letzte langwierige Verletzung, eine tückische Muskelverletzung im Hüftbeuger des linken Oberschenkels, hatte ihm im Jahr zuvor die komplette Saison und somit die erste Meisterschaft des neuen BVB gekostet. Wollte man all seine Verletzungen auflisten, würde selbst dieser Platz hier nicht ausreichen. Bereits im Sommer 2010 hatte er sich daher von Journalisten fragen lassen müssen, ob denn nicht Sven Bender die Zukunft des BVB sei, und er selbst eher die Vergangenheit.

In Wahrheit ist Sebastian Kehl die Gegenwart – und das immer noch. Auch deshalb glaubt man ihm, wenn er jetzt feststellt: "Ich bin komplett mit mir im Reinen, wenn ich die Schuhe mit dann fünfunddreißigeinhalb an den Nagel hänge." Beweisen muss er niemandem mehr irgendetwas. Oft genug ist er zurückgekommen, wo andere zurückgeblieben wären. Sein Wille scheint unbändig zu sein. Und deshalb auch hat es Gewicht, wenn ausgerechnet Dortmunds Kapitän vor dem 144. Revierderby sagt: "Ich denke, dass der Wille eine große Rolle spielen wird."

Beide Mannschaften haben eine hohe Belastung und große personelle Probleme. Beim BVB, der von den letzten 14 Heimderbys nur zwei gewinnen konnte, fehlen fünf Leistungsträger. Beim FC Schalke sind sie auf der Ausfallliste im zweistelligen Bereich angekommen. Es könnte also ein Derby der jungen Wilden werden. In jedem Fall "wird es ein heißes Duell", hat Sebastian Kehl gesagt. "Es ist lange her, dass sich beide in dieser Konstellation gegenüber standen." Immerhin geht es neben dem im deutschen Fußball mittlerweile einzigartigen Prestige auch um Tabellenplatz zwei, also um die Stellung hinter den übermächtigen Super-Bayern.

"Dortmund - seit vielen Jahren meine Heimat"

Und genau in dieser besonderen Situation könnte auch ein solch in sich ruhender Fahrensmann wie Sebastian Kehl wertvoll sein; einer, der anspricht, die jüngeren Kollegen und die älteren Kritiker gleichermaßen. Immerhin war Borussias Kapitän schon einmal Derbyheld. Erst in der Halbzeit für einen gewissen Sven Bender eingewechselt, schoss er das Siegtor beim 2:1 des BVB in der Arena auf Schalke. Am 14. April 2012 war das. Eine Woche später war Borussia Dortmund zum zweiten Mal in Folge Deutscher Meister. Und Luis Kehl rannte vor 80.645 Zuschauern allein auf ein Fußballtor zu.

"Borussia Dortmund, unser wunderbares Team, die Fans und die Stadt Dortmund sind seit vielen Jahren meine Heimat", ließ Kehl nach der letzten Vertragsverlängerung seiner an Kapiteln reichen Karriere übermitteln. Sie haben es gern gehört in Dortmund. Vor allem vor dem Spiel gegen Schalke.

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Der Zeitpunkt der Verkündung war bewusst gewählt. Zwei Tage vor dem 144. Revierderby gegen Schalke 04, das heute (ab 20 Uhr, live bei Sky) steigt, lässt sich die Botschaft "Einmal Borusse, immer Borusse" besonders gut verkaufen. Sebastian Kehl bleibt also ein weiteres Jahr Dortmunder. Im Sommer 2015 dann wird der Kapitän des BVB die Fußballschuhe an den berühmten Nagel hängen. Es ist der angemessene Epilog einer an Kapiteln reichen Sportgeschichte.

"Ich hatte viele richtig schöne Momente, aber es gab auch einige Tiefpunkte", sagte der 31-malige Nationalspieler Kehl am Tag danach den Dortmunder Ruhrnachrichten – und fügte sogleich an: "Das macht meine Zeit hier auch so speziell und emotional."

13 Jahre werden es am Ende sein. Exakt genau so viele wie einst bei Publikumsliebling Dede. 289 Bundesligaspiele und 25 Tore sind es jetzt schon. Ebenso drei Meistertitel (2002, 2011, 2012), ein DFB-Pokalsieg (2012), die Mitgliedschaft bei den ersten Doublegewinnern der über 100-jährigen Vereinsgeschichte und das Erreichen des Champions-League-Finales 2013.

Zorc: "Sebastian ist ein wichtiger Führungsspieler"

Doch all dies sind nur Zahlen und Daten. Statistiken. Was die tatsächliche Bedeutung Sebastian Kehls für Borussia Dortmund erst angemessen zum Ausdruck bringt sind Worte – und Bilder. "Sebastian ist ein wichtiger Führungsspieler, verfügt über einen riesigen Erfahrungsschatz und dient dem Verein Borussia Dortmund obendrein als wertvolle Identifikationsfigur", hat Sportdirektor Michael Zorc nach der letzten Vertragsverlängerung kund getan. Jenes Bild, das die Vollkommenheit der Verbindung Kehl - Dortmund am besten zeigt, das sich eingebrannt hat ins Gedächtnis wie ein Vermächtnis, stammt vom frühen Abend des 21. April 2012.

Luis Kehl ist an diesem Abend fünf Jahre alt, erst fünf. Luis ist der Sohn von Sebastian. Und er ist in diesen Tagen Papas größter Kritiker. Hauptansatzpunkt: Der große Kehl schieße ständig zu wenig Tore. Also, dachte sich Luis, zeige ich Papa mal, wie's geht. An der Mittellinie dribbelt Klein-Kehl los, der Ball bald genauso groß wie der Junge, schnurstracks Richtung Tor. Zunächst ist es nur ein Raunen, das durch den vollbesetzten Signal Iduna Park geht, im nächsten Moment aber weitet es sich zu orkanartigem Jubel. Das Stadion gleicht einem Tollhaus. Kehls Kleiner hat eiskalt eingenetzt.

Warum diese Szene lange nach dem Abpfiff eines Bundesligaspiels zwischen den Borussen aus Dortmund und Mönchengladbach, an dessen Ende der BVB zum zweiten Mal in Folge Deutscher Meister ist, nicht nur so schön, sondern auch so wichtig, so prägend war? Weil sie einen der Menschen in den Vordergrund rückt, die Sebastian Kehl auch in den weniger schönen, aber gleichfalls wichtigen Zeiten den Rücken stärkten. "Es war auch ein toller Moment für meine Familie", sagte Kehl damals. Für Lebensgefährtin Tina. Für Töchterchen Leni. Und für Luis.

Trotz Verletzungen kämpft sich Kehl zurück

Sie waren und sind es, die nicht nur den strahlenden Sieger kennen, den Fußballstar, den Derbyhelden. Sie haben auch die Verletzungen mitgemacht. Und Sebastian Kehl war oft verletzt. Die bis heute letzte langwierige Verletzung, eine tückische Muskelverletzung im Hüftbeuger des linken Oberschenkels, hatte ihm im Jahr zuvor die komplette Saison und somit die erste Meisterschaft des neuen BVB gekostet. Wollte man all seine Verletzungen auflisten, würde selbst dieser Platz hier nicht ausreichen. Bereits im Sommer 2010 hatte er sich daher von Journalisten fragen lassen müssen, ob denn nicht Sven Bender die Zukunft des BVB sei, und er selbst eher die Vergangenheit.

In Wahrheit ist Sebastian Kehl die Gegenwart – und das immer noch. Auch deshalb glaubt man ihm, wenn er jetzt feststellt: "Ich bin komplett mit mir im Reinen, wenn ich die Schuhe mit dann fünfunddreißigeinhalb an den Nagel hänge." Beweisen muss er niemandem mehr irgendetwas. Oft genug ist er zurückgekommen, wo andere zurückgeblieben wären. Sein Wille scheint unbändig zu sein. Und deshalb auch hat es Gewicht, wenn ausgerechnet Dortmunds Kapitän vor dem 144. Revierderby sagt: "Ich denke, dass der Wille eine große Rolle spielen wird."

Beide Mannschaften haben eine hohe Belastung und große personelle Probleme. Beim BVB, der von den letzten 14 Heimderbys nur zwei gewinnen konnte, fehlen fünf Leistungsträger. Beim FC Schalke sind sie auf der Ausfallliste im zweistelligen Bereich angekommen. Es könnte also ein Derby der jungen Wilden werden. In jedem Fall "wird es ein heißes Duell", hat Sebastian Kehl gesagt. "Es ist lange her, dass sich beide in dieser Konstellation gegenüber standen." Immerhin geht es neben dem im deutschen Fußball mittlerweile einzigartigen Prestige auch um Tabellenplatz zwei, also um die Stellung hinter den übermächtigen Super-Bayern.

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"Dortmund - seit vielen Jahren meine Heimat"

Und genau in dieser besonderen Situation könnte auch ein solch in sich ruhender Fahrensmann wie Sebastian Kehl wertvoll sein; einer, der anspricht, die jüngeren Kollegen und die älteren Kritiker gleichermaßen. Immerhin war Borussias Kapitän schon einmal Derbyheld. Erst in der Halbzeit für einen gewissen Sven Bender eingewechselt, schoss er das Siegtor beim 2:1 des BVB in der Arena auf Schalke. Am 14. April 2012 war das. Eine Woche später war Borussia Dortmund zum zweiten Mal in Folge Deutscher Meister. Und Luis Kehl rannte vor 80.645 Zuschauern allein auf ein Fußballtor zu.

"Borussia Dortmund, unser wunderbares Team, die Fans und die Stadt Dortmund sind seit vielen Jahren meine Heimat", ließ Kehl nach der letzten Vertragsverlängerung seiner an Kapiteln reichen Karriere übermitteln. Sie haben es gern gehört in Dortmund. Vor allem vor dem Spiel gegen Schalke.