"Katsche" Schwarzenbeck feierte Donnerstag seinen 60. Geburtstag

[bild1]

Die alte Frau betritt ihren Zeitungsladen. Sie bezahlt das "Goldene Blatt" und hat noch einen Wunsch. "Ach, Herr Katsche", sagt sie verlegen lächelnd, "geben Sie mir doch bitte ein Autogramm für meinen Enkel." Der "Herr Katsche" steht hinter der Theke und schmunzelt. Er holt aus der Schublade eine Postkarte und schreibt mit dem Filzer schwungvoll unter ein Porträt seinen Namen: Hans-Georg Schwarzenbeck. Auffallend schnörkellos und gradlinig.

Wohl schon zehntausendmal hat Schwarzenbeck diese Unterschrift aufs Papier gesetzt. Verändert aber hat sie sich nie in all den Jahren. Typisch für einen wie ihn. Denn wenn er seinen Namen schreibt, dann beschreibt er sich selbst: Ein Mann, den der Sport zu einer Persönlichkeit gemacht hat und der als Person die gleiche geblieben ist. Ruhm konnte ihn nicht verbiegen. Am Donnerstag wurde aus einer Legende der Münchner "Bayern" ein Sechziger.

Der Alltag des Fußballspielers Hans-Georg Schwarzenbeck, den alle nur "Katsche" nennen, der 1974 Fußball-Weltmeister war, spielt sich vordergründig hier ab. In diesem engen Raum im Münchner Stadtteil Au, auf vielleicht zweieinhalb mal vier Metern. Das ist seit über 20 Jahren sein Laden, der bis an die Decke vollgestopft ist mit Büro- und Schreibwarenartikeln, mit Zeitungen und Zeitschriften. Geerbt, erzählt Schwarzenbeck, habe er das Geschäft vor Jahrzehnten von "Tante Maria, einer Frau Nitzinger". Ihr Name steht auch noch im Schaufenster, nichts dagegen zu lesen von Schwarzenbeck. "Da bin ich abergläubisch", sagt "Katsche", lächelt verschmitzt und ändert nichts.

Dass drinnen ein Weltmeister bedient, das wissen hier, an der Haltestelle der Münchner Straßenbahnlinie 27, ohnehin die meisten, die draußen vorbeikommen. Das Geschäft läuft gut. Nebenan sind eine "Pils-Klause", ein Waschcenter, ein Friseur. "Hier müssen die Leute überall Zeit aufbringen", sagt Schwarzenbeck und lächelt, "da brauchen viele was zum Lesen." Was er braucht, ist genug zum Leben, mehr will er nicht.

Wo bei anderen die Registrierkasse klingelt, schlägt bei ihm das Herz. Kein Wunder, dass er stolz berichtet, "etwa siebzig Prozent der Kunden sind Stammkäufer". Wenn einer seiner Treuen den Laden betritt, hat "Katsche" oft schon die Zeitung in der Hand, die der andere gerade haben will. Es scheint, als gehörten hier alle zu einer Familie.

Und dann wäre da ja noch der Großabnehmer FC Bayern: Schwarzenbeck ist schon seit vielen Jahren zuständig für die Belieferung sämtlicher Büro-Utensilien, die in der Klubzentrale gebraucht werden. Auch sonst hat man ihn nicht vergessen. Regelmäßig kriegt er Einladungen und Freikarten. Zuletzt war Schwarzenbeck beim 2:1-Sieg gegen Leverkusen in der Allianz-Arena. Besuche im Stadion aber sind eher die Ausnahme. "I mog halt mei Ruah", sagt Schwarzenbeck, der immer ein stiller Star war. Ein Weltmeister der Bescheidenheit und Zufriedenheit.

Seine großen Tage als Fußballer mögen mit den Jahren im Nebel der Vergangenheit verschwinden, vergessen aber sind sie nicht. Er war einer, der in der Nationalelf oder beim FC Bayern weder Tod noch Teufel fürchtete und als Eisenfuß in der Verteidigung abräumte. Der dem Libero Franz Beckenbauer den Rücken freihielt. Kein Wunder, dass der "Kaiser" von seinem treuen Adjutanten spricht wie ein Meerestaucher von seiner kostbarsten Perle.

[bild2]

"Jo mei, der Franz", sagt Schwarzenbeck und rollt schwärmerisch mit den Augen, - das war ein Genie. Und überhaupt - wir hatten eine tolle Zeit! Das war in den siebziger Jahren, in denen er hinten abräumte und am Gegner kleben konnte wie ein lästiger Kaugummi, den man nicht wegkriegt von der Schuhsohle.

Ein Image, das er gern auch mal korrigiert: "Eigentlich wird ganz vergessen, dass ich in der Saison 1973/74 zehn Tore für die Bayern geschossen habe." Darunter jenes, von dem er noch heute den Kunden erzählen muss: "Dieses Ding gegen Atletico Madrid." Es war am 15. Mai 1974 in Brüssel, im Europapokalfinale der Landesmeister, in der Verlängerung kurz vor Schluss, nichts ging mehr. Bis Schwarzenbeck über die Mittellinie preschte und aus etwa 30 Metern einfach draufhielt - das 1:1 in der 120. Minute! Die Wiederholung gewann Bayern mit 4:0: "Des war scho a Wahnsinn."

Fußball spielt er schon lange nicht mehr. Vor drei Jahren haben sie ihm eine neue Hüfte eingesetzt. Fit hält ihn heute die Arbeit. Raus muss er täglich in aller Herrgottsfrühe, schon kurz vor sechs schleppt er die Pakete mit den noch druckfrischen Zeitungen in seinen Laden, positioniert die Schlagzeilen, denn "um eins ist das Tagesgeschäft vorbei." Dann macht er zu bis um drei, legt danach bis sechs Uhr noch einmal eine Schicht drauf.

So sieht es aus für ihn, ein strammer Tag für seinen Ein-Mann-Betrieb. Das schlaucht. Und doch spannt eine satte Kugel den Hosengürtel: "Ich esse halt gern, trink mein Bier oder a Glaserl Roten." Das rundet ab und macht ihn ärgerlich. "Aus Wut" stellt er sich nicht mehr auf die Waage. "Ich hatte 91 Kilo, als ich mich zum letzten Mal wog." Und das muss verdammt lange her sein - so gesund wie er aussieht. Aus dem einst kantigen "Katsche" ist mit sechzig ein barocker Bayer geworden.

[db]

[bild1]

Die alte Frau betritt ihren Zeitungsladen. Sie bezahlt das "Goldene Blatt" und hat noch einen Wunsch. "Ach, Herr Katsche", sagt sie verlegen lächelnd, "geben Sie mir doch bitte ein Autogramm für meinen Enkel." Der "Herr Katsche" steht hinter der Theke und schmunzelt. Er holt aus der Schublade eine Postkarte und schreibt mit dem Filzer schwungvoll unter ein Porträt seinen Namen: Hans-Georg Schwarzenbeck. Auffallend schnörkellos und gradlinig.

Wohl schon zehntausendmal hat Schwarzenbeck diese Unterschrift aufs Papier gesetzt. Verändert aber hat sie sich nie in all den Jahren. Typisch für einen wie ihn. Denn wenn er seinen Namen schreibt, dann beschreibt er sich selbst: Ein Mann, den der Sport zu einer Persönlichkeit gemacht hat und der als Person die gleiche geblieben ist. Ruhm konnte ihn nicht verbiegen. Am Donnerstag wurde aus einer Legende der Münchner "Bayern" ein Sechziger.

Der Alltag des Fußballspielers Hans-Georg Schwarzenbeck, den alle nur "Katsche" nennen, der 1974 Fußball-Weltmeister war, spielt sich vordergründig hier ab. In diesem engen Raum im Münchner Stadtteil Au, auf vielleicht zweieinhalb mal vier Metern. Das ist seit über 20 Jahren sein Laden, der bis an die Decke vollgestopft ist mit Büro- und Schreibwarenartikeln, mit Zeitungen und Zeitschriften. Geerbt, erzählt Schwarzenbeck, habe er das Geschäft vor Jahrzehnten von "Tante Maria, einer Frau Nitzinger". Ihr Name steht auch noch im Schaufenster, nichts dagegen zu lesen von Schwarzenbeck. "Da bin ich abergläubisch", sagt "Katsche", lächelt verschmitzt und ändert nichts.

Dass drinnen ein Weltmeister bedient, das wissen hier, an der Haltestelle der Münchner Straßenbahnlinie 27, ohnehin die meisten, die draußen vorbeikommen. Das Geschäft läuft gut. Nebenan sind eine "Pils-Klause", ein Waschcenter, ein Friseur. "Hier müssen die Leute überall Zeit aufbringen", sagt Schwarzenbeck und lächelt, "da brauchen viele was zum Lesen." Was er braucht, ist genug zum Leben, mehr will er nicht.

Wo bei anderen die Registrierkasse klingelt, schlägt bei ihm das Herz. Kein Wunder, dass er stolz berichtet, "etwa siebzig Prozent der Kunden sind Stammkäufer". Wenn einer seiner Treuen den Laden betritt, hat "Katsche" oft schon die Zeitung in der Hand, die der andere gerade haben will. Es scheint, als gehörten hier alle zu einer Familie.

Und dann wäre da ja noch der Großabnehmer FC Bayern: Schwarzenbeck ist schon seit vielen Jahren zuständig für die Belieferung sämtlicher Büro-Utensilien, die in der Klubzentrale gebraucht werden. Auch sonst hat man ihn nicht vergessen. Regelmäßig kriegt er Einladungen und Freikarten. Zuletzt war Schwarzenbeck beim 2:1-Sieg gegen Leverkusen in der Allianz-Arena. Besuche im Stadion aber sind eher die Ausnahme. "I mog halt mei Ruah", sagt Schwarzenbeck, der immer ein stiller Star war. Ein Weltmeister der Bescheidenheit und Zufriedenheit.

Seine großen Tage als Fußballer mögen mit den Jahren im Nebel der Vergangenheit verschwinden, vergessen aber sind sie nicht. Er war einer, der in der Nationalelf oder beim FC Bayern weder Tod noch Teufel fürchtete und als Eisenfuß in der Verteidigung abräumte. Der dem Libero Franz Beckenbauer den Rücken freihielt. Kein Wunder, dass der "Kaiser" von seinem treuen Adjutanten spricht wie ein Meerestaucher von seiner kostbarsten Perle.

[bild2]

"Jo mei, der Franz", sagt Schwarzenbeck und rollt schwärmerisch mit den Augen, - das war ein Genie. Und überhaupt - wir hatten eine tolle Zeit! Das war in den siebziger Jahren, in denen er hinten abräumte und am Gegner kleben konnte wie ein lästiger Kaugummi, den man nicht wegkriegt von der Schuhsohle.

Ein Image, das er gern auch mal korrigiert: "Eigentlich wird ganz vergessen, dass ich in der Saison 1973/74 zehn Tore für die Bayern geschossen habe." Darunter jenes, von dem er noch heute den Kunden erzählen muss: "Dieses Ding gegen Atletico Madrid." Es war am 15. Mai 1974 in Brüssel, im Europapokalfinale der Landesmeister, in der Verlängerung kurz vor Schluss, nichts ging mehr. Bis Schwarzenbeck über die Mittellinie preschte und aus etwa 30 Metern einfach draufhielt - das 1:1 in der 120. Minute! Die Wiederholung gewann Bayern mit 4:0: "Des war scho a Wahnsinn."

Fußball spielt er schon lange nicht mehr. Vor drei Jahren haben sie ihm eine neue Hüfte eingesetzt. Fit hält ihn heute die Arbeit. Raus muss er täglich in aller Herrgottsfrühe, schon kurz vor sechs schleppt er die Pakete mit den noch druckfrischen Zeitungen in seinen Laden, positioniert die Schlagzeilen, denn "um eins ist das Tagesgeschäft vorbei." Dann macht er zu bis um drei, legt danach bis sechs Uhr noch einmal eine Schicht drauf.

So sieht es aus für ihn, ein strammer Tag für seinen Ein-Mann-Betrieb. Das schlaucht. Und doch spannt eine satte Kugel den Hosengürtel: "Ich esse halt gern, trink mein Bier oder a Glaserl Roten." Das rundet ab und macht ihn ärgerlich. "Aus Wut" stellt er sich nicht mehr auf die Waage. "Ich hatte 91 Kilo, als ich mich zum letzten Mal wog." Und das muss verdammt lange her sein - so gesund wie er aussieht. Aus dem einst kantigen "Katsche" ist mit sechzig ein barocker Bayer geworden.