Katarina Witt: "Der Fußball steht wie eine Elf hinter uns"

Witt: Tja, dass glaube ich ja auch manchmal. Nur da liegt wieder der Teufel im Detail. Zwei Grundphilosophien treffen aufeinander. Glaubt das IOC, mit der Expandierung Richtung Asien weiter neue Märkte zu erschließen? Oder nimmt es die Garantien unserer Münchner Bewerbung ernst und entscheidet sich für eine Partnerschaft, die zum richtigen Zeitpunkt, nämlich 2018, die olympische Bewegung noch mehr stärken kann? Das Ergebnis dieser Philosophie wird wohl bestimmen, wie die Feier ausfällt.

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In knapp einen Monat fällt eine Vorentscheidung über die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2018. Beim technischen Meeting des IOC am 18./ 19. Mai in Lausanne präsentieren sich die drei Bewerber – das südkoreanische Pyeongchang, das französische Annecy und der deutsche Bewerber, München.

Für die bayerische Weltstadt mit Herz wird Katarina Witt die Präsentation vortragen. München 2018 und die zweifache Olympiasiegerin erfahren derzeit breite Unterstützung: in der Öffentlichkeit, seitens der Politik und Wirtschaft und auch durch den Fußball. DFB und DFL unterstützen die Münchner Bewerbung.

Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Internetredakteur Thomas Hackbarth spricht Katarina Witt über die Münchner Chancen, den bevorstehenden Bürgerentscheid in Garmisch und den Teufel im Detail.

DFB.de: Sie haben versprochen, bei jeder Präsentation vor dem IOC ein neues Ass zu präsentieren. Haben Sie schon ein Ass parat für Lausanne?

Katarina Witt: Natürlich fahren wir auch mit einem Ass im Ärmel zur technischen Präsentation nach Lausanne, aber wenn wir dieses Ass heute schon verraten würden, wäre es ja maximal noch eine Pik 2.

DFB.de: Der Termin beim technischen IOC Meeting gilt als noch wichtiger als die finale Präsentation in Durban am 6. Juli.

Witt: Erstmals sind alle IOC Mitglieder eingeladen. Es gibt keine Generalversammlung, keinen Kongress oder etwas Ähnliches. Die ungeteilte Aufmerksamkeit liegt also auf den Präsentationen. Diese sind außerdem mit 45 Minuten sowie anschließender Fragerunde wesentlich länger und ausführlicher, als die bisherigen Präsentationen. Wir können also unser Gesamtkonzept, welches von Athleten für Athleten gemacht wurde, tiefgründiger darstellen.

DFB.de: Zehn Tage vor Lausanne kommt es in Garmisch-Partenkirchen zum Bürgerentscheid – pro oder contra München. Garmisch hat schon viel Diskussionsstoff geliefert. Was passiert diesmal?

Witt: Wir hoffen sehr darauf, dass die Mehrheit der Bürger, die in unseren eigenen Umfragen sich immer für die Spiele ausgesprochen hat, an diesem Tag auch zur Wahl gehen wird. Etwa zwei Drittel der Menschen in Garmisch haben sich vor Ort in repräsentativen Umfragen für die Winterspiele ausgesprochen. Das hat auch die begeisternde Atmosphäre bei den alpinen Ski-Weltmeisterschaften bestätigt.

DFB.de: Bundespräsident Christian Wulff, die Bundeskanzlerin und auch DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach unterstützen die Bewerbung. Ist München 2018 inzwischen ein nationales Anliegen?

Witt: Natürlich sind Olympische und Paralympische Spiele ein nationales Anliegen. Das gilt auch für die Bewerbung von München 2018. Die Kanzlerin und der Bundespräsident unterstützen uns von Anfang an. Der Deutsche Fußball steht wie eine Elf hinter der Bewerbung und auch Franz Beckenbauer ist bei mir im Kuratorium und engagiert sich für diese Idee.

DFB.de: Der südkoreanische Favorit Pyeongchang verspricht, 500 Million Dollar in das Sportförderprogramm „drive the dream“ zu investieren. Wie kann München dagegenhalten?

Witt: Diese 500 Millionen Dollar sind ein Programm für die eigenen Sportler in Südkorea. Der DOSB und die Bundesregierung unterstützen seit über 50 Jahren Athleten und Trainer weltweit in Entwicklungsländern. Es gibt über 1400 Projekte und mehr als 100.000 Athleten in über 100 Ländern. Sie konnten damit ihre persönlichen Hoffnungen und Träume erfüllen. Diese Unterstützung wird fortgeführt.

DFB.de: Dennoch, Pyeongchang bewirbt sich bereits zum dritten Mal. Haben die Südkoreaner es nicht verdient, den Zuschlag endlich zu erhalten?

Witt: Wissen Sie, wenn ich als Sportler zweimal hintereinander Silber gewinne, so heißt das nicht, dass ich beim nächsten Mal automatisch Gold verdiene. Doch die Entscheidung muss jedes IOC Mitglied für sich selbst ausmachen.

DFB.de: Deutschland ist eine Hochburg des Wintersports, heißt der erste Satz des Bewerbungsbuchs. Haben Sie Zahlen parat, die das belegen?

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Witt: Bei der Eishockey WM 2010 in Deutschland waren alleine beim Eröffnungsspiel 77.0000 Zuschauer im Stadion. Das war Weltrekord und sorgte für die unglaubliche Atmosphäre „Auf Schalke.“ Die Zuschauerzahlen und vollen Stadien bei der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen, der Bob-WM am Königssee und der Eisschnelllauf WM in Inzell belegen dies ebenfalls. Aber auch im Fernsehen oder im Sponsoring hat Deutschland die Nase vorn. Etwa 50 Prozent aller Sponsoren der sieben Olympischen Wintersportverbände weltweit sind deutsche Firmen.

DFB.de: Sie versprechen freundliche Winterspiele. Wo haben Sie sich als Olympionikin besonders freundlich empfangen gefühlt: In Sarejevo, Calgary oder Lillehammer?

Witt: Für mich gilt eher Leidenschaft als Freundlichkeit. Und genau diese habe ich bei allen Spielen erlebt. Im damaligen multikulturellen Sarajevo sowie bei den Eisfanatikern in Kanada oder beim Wintermärchen in Lillehammer, wo vor allen Dingen die Herzen meiner Eltern vor Aufregung am lautesten schlugen, da sie mich erstmals live bei Olympia erleben durften. Aber genau diese Eigenschaften haben auch wir Deutsche gemeinsam mit unseren begeisterten Gästen aus der ganzen Welt 2018 in Bayern zu bieten. Multikulti ist die Weltstadt mit Herz “München“ sowieso, die Stadien mit leidenschaftlichen Fans sind kein leeres Versprechen und wenn im romantischen Garmisch-Partenkirchen bei traumhafter Winterkulisse mit dem majestätischen Bergpanorama die Sonne scheint - hallo, Wintermärchen pur.

DFB.de: Zwischen 1983 und 1988 waren Sie praktisch nicht zu schlagen: 2 x Olympiasiegerin, 4 x Weltmeisterin, 6 x Europameisterin. Wie dicht ist Ihnen diese Zeit noch?

Witt: Das war natürlich meine Hochzeit als Leistungssportathletin, die ich nicht missen möchte und die mich auch heute noch prägt. Aber jetzt sind es andere Aufgaben die mich treiben. Derzeit dieses große Projekt der Bewerbung. Aber seit 1989 habe ich insgesamt 21 „Prime Time“ Fernsehshows mitkonzipiert und produziert, Bücher geschrieben, eine Stiftung für Hilfsprojekte initiiert und die Ideen gehen mir nicht aus. Die Basis dafür stammt sicher noch aus meiner Sportlerzeit: Zu wissen, das einem viel gelingen kann, wenn man es nur will und fleißig dran bleibt.

DFB.de: Eiskunstlauf gilt als sehr trainingsintensiv: Wie viele Stunden in der Woche standen Sie damals auf dem Eis? Und haben Sie heute noch Kontakt zu Jutta Müller? Sind Sie froh, dass die Schinderei hinter Ihnen liegt?

Witt: Also der Reihe nach. Bis zu 30 Stunden in der Woche habe ich trainiert. Einschließlich athletischem Training und Ballett. Aber viel lieber habe ich in den Pausen Fußball gespielt. Mit meiner damaligen einzigartigen Trainerin Frau Müller verbindet mich auch heute noch ein sehr enges familiäres Verhältnis. Wirklich treffen können wir uns leider allzu selten. Die zum Leistungssport dazugehörige Schinderei vergisst man zum Glück sofort, aber ich bin froh, diesen unglaublichen Erfolgsdruck loszusein. Den vermisse ich keine Sekunde. Auf´s Eis gehe ich nur heute noch, um im Werbefilm mit Lukas Podolski über München 2018 zu telefonieren.

DFB.de: Jetzt wollen Sie zum dritten Mal Olympia gewinnen. Sie mussten den Rücktritt von Willy Bogner verkraften, der im letzten Herbst den Vorsitz der Geschäftsführung niederlegte.

Witt: Nachdem Willy sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hatte, habe ich meine Rolle als Kuratoriumsvorsitzende fortgesetzt und bin mehr ins Rampenlicht gerückt. Gleichzeitig bemühe ich mich in Deutschland, den Funken der Begeisterung für unsere gemeinsame Idee am leuchten zu halten und führe zahllose persönliche Gespräche in der ganzen Welt. Bernhard Schwank hat die Rolle des Geschäftsführers übernommen und erfolgreich weitergeführt. Insgesamt arbeiten fast 200 Menschen an dieser Bewerbung – von den Festangestellten bis zu den Freiwilligen Helfern, von den Experten in den Fach-Ausschüssen bis zur Politik. Aber alle haben eines gemeinsam: Sie sind mit vollem Engagement dabei. Ich bin sehr gerne ein Teil dieses Teams, das mich in meiner Arbeit toll unterstützt. Seit fast einem Jahr bin ich ausschließlich im dieser Sache unterwegs und habe zum Leid meiner Geschäftspartnerin alle anderen geplanten Projekte aufs Eis gelegt. Es geht aber nur mit diesem vollen Einsatz.

DFB.de: Langen die finanziellen Mittel?

Witt: Das Budget ist mit 33 Millionen Euro festgeschrieben. Damit müssen wir auskommen. Und trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten haben wir rund 27 Millionen Euro aus der privaten Wirtschaft an Sponsorengeldern akquiriert. Eine tolle Leistung des Teams. Und ein tolles Kompliment an die deutsche Wirtschaft.

DFB.de: Eine Olympiabewerbung ist vor allem auch ein Ringen um viele technische Details: politische Garantien, Budgets, Zoll- und Einreisebestimmungen, Umweltschutz. Sicherheit, Marketing. Ist Ihnen das nicht manchmal viel zu technisch, viel zu faktisch?

Witt: Ja, mir fehlt das kreative „austoben“ auf dem Eis oder der Bühne. Nun tobe ich eben mit technischen Details. Jemand Schlaues sagte einmal: "Man muss nicht alles wissen, aber wissen, wer es weiß!" Tja, und so frage ich selbst nach, wenn ich eine Frage nicht beantworten kann. Wir haben hervorragende Experten zu jedem Thema. Und wenn in Gesprächen mit IOC Mitgliedern ein Detail nicht sofort beantwortet werden kann, wird es per eben E-mail nachgereicht. Allerdings macht gerade diese Kompaktheit der Bewerbung und die Nachfrage nach jedem nur erdenklichen Detail die Faszination dieses Projektes aus. Es ist ein einmaliges Erlebnis.

DFB.de: Welcher Spieler gefällt Ihnen denn im München-Spot am besten: Westermann, Aogo, Podolski, Barnetta, Kießling, Michael Zorc oder Jürgen Klopp?

Witt: Da sich alle gemeinsam für unsere Angelegenheit mit Leidenschaft engagieren, finde ich jeden einzelnen klasse.

DFB.de: Wir sind überzeugt, niemand kann Katarina Witt widerstehen. Also, wo feiern Sie am 6. Juli abends in Durban?

Witt: Tja, dass glaube ich ja auch manchmal. Nur da liegt wieder der Teufel im Detail. Zwei Grundphilosophien treffen aufeinander. Glaubt das IOC, mit der Expandierung Richtung Asien weiter neue Märkte zu erschließen? Oder nimmt es die Garantien unserer Münchner Bewerbung ernst und entscheidet sich für eine Partnerschaft, die zum richtigen Zeitpunkt, nämlich 2018, die olympische Bewegung noch mehr stärken kann? Das Ergebnis dieser Philosophie wird wohl bestimmen, wie die Feier ausfällt.

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