Karsten Neitzel und der Blick fürs Wesentliche

Zeigt's uns! DFB.de stellt die "Gesichter der 3. Liga" in seiner Serie vor. Heute: Trainer Karsten Neitzel von Holstein Kiel, der mit seiner Mannschaft überraschend an die Tür zur 2. Bundesliga klopft.

Den Blick auf das Wesentliche nie verlieren: Für Karsten Neitzel, Trainer des Drittligisten Holstein Kiel, ist das gerade jetzt besonders wichtig. Denn die Störche rangieren sieben Spieltage vor dem Saisonende überraschend auf Rang zwei. Sollte dieser Platz auch nach 38 Spieltagen zu Buche stehen, würden die Norddeutschen erstmals seit rund einem Vierteljahrhundert auf dem direkten Weg in die 2. Bundesliiga zurückkehren.

So weit in die Zukunft will der 47 Jahre alte Holstein-Trainer freilich nicht blicken. "Unser Ziel ist es, am Samstag gegen Mainz drei Punkte zu holen", sagt Neitzel zu DFB.de. "Wir sind bisher gut damit gefahren, den Blick immer nur auf den Wettkampf zu richten."

Seit zehn Spielen ungeschlagen

Seit zehn Partien haben die Kieler nicht mehr verloren, dabei zwischenzeitlich eine bemerkenswerte Serie von sieben Siegen hingelegt. Einen Zähler liegt Holstein vor dem Tabellendritten Stuttgarter Kickers, der Rückstand auf den souveränen Tabellenführer Arminia Bielefeld beträgt sechs Punkte. Ein Trumpf der Mannschaft von der Kieler Förde ist die Defensive. Mit nur 20 Gegentreffern nach 31 Spielen stellt die KSV die mit Abstand beste Abwehr der Liga.

Dabei hatte die Saison nicht optimal begonnen. Nach fünf Spieltagen standen lediglich fünf Zähler zu Buche. "Es hat im Umfeld bereits gegrummelt", erinnert sich Neitzel noch genau. "Das Transferfenster war zu diesem Zeitpunkt noch einige Tage offen. Viele andere Vereine hätten sicher personell nachgelegt. Wir dagegen haben uns zusammengesetzt und entschieden, den Kader noch einmal zu verschlanken. So hätten sicher nicht viele Klubs gehandelt. Für die Mannschaft war das aber ein wichtiges Zeichen. Sie wusste spätestens ab diesem Zeitpunkt ganz genau, dass wir auf sie setzen."

Dieses Beispiel zeigt, wie die Uhren in Kiel ticken. Schon in der abgelaufenen Saison hatten sich die Verantwortlichen um Geschäftsführer und Ex-Spitzenhandballer Wolfgang Schwenke trotz einer Serie von 13 Partien ohne Sieg nicht aus der Ruhe bringen lassen. "Das zeichnet Holstein Kiel für mich aus", sagt Neitzel. "Es gibt Menschen, die auch in unruhigen Zeiten nicht von ihrem Weg abweichen."

Europameister und WM-Dritter mit den DDR-Junioren

Seit Sommer 2013 ist der gebürtige Dresdner der "Kapitän" an der Kieler Förde. Zuvor hatte er den VfL Bochum trainiert und beim SC Freiburg viele Jahre als Co-Trainer und U 23-Trainer unter Volker Finke gearbeitet. Mit dem erfahrenen Fußball-Lehrer ging er sogar für zwei Jahre nach Japan zu den Urawa Red Diamonds.

Als Profi war Neitzel für Freiburg sowie die aktuellen Ligakonkurrenten Stuttgarter Kickers, Dynamo Dresden und Hallescher FC am Ball. Mit der U 19-Nationalmannschaft der DDR wurde er 1986 Europameister und ein Jahr später Dritter bei der Weltmeisterschaft.

Innerhalb Deutschlands war Neitzel also schon in allen vier Himmelsrichtungen aktiv. Wo aber gefällt es ihm am besten? "Ich bin anpassungsfähig wie eine Kakerlake", kommt prompt die Antwort mit einem breiten Grinsen, denn: "Ich komme überall zurecht."

"Niederlagen stören mich extrem"

Auch nach vielen Jahren im Geschäft kommt Karsten Neitzel mit Niederlagen allerdings nicht so einfach zurecht. "Sie stören mich extrem, die Unzufriedenheit ist bei mir dann sehr groß", erklärt der Ex-Profi, der bei sich mit der Zeit in anderen Bereichen Veränderungen festgestellt hat. "Meine Ungeduld kann ich in unpassenden Situationen recht gut verbergen, und auch meine Emotionen an der Seitenlinie haben etwas nachgelassen. So wirke ich jetzt vielleicht seriöser."

Abschalten vom Fußball kann Neitzel am besten mit - Fußball. "Es ist für mich Entspannung pur, ein Fußballspiel zu beobachten, bei dem es mir egal ist, wer gewinnt", lautet die etwas verblüffende Erklärung von Neitzel, für den es wichtig ist, auch in Stresssituationen immer authentisch zu bleiben.

Neitzel über Finke: "Gut, dass er mein erster Chef war"

Viel gelernt hat Neitzel von Volker Finke. Fast 15 Jahre spielte und arbeitete er unter der Freiburger Trainerlegende. Neitzel: "Gut, dass er mein erster Chef war. Ich hatte das Glück, gleichzeitig Co-Trainer bei den Profis und für die U 23 verantwortlich zu sein. Gerade in den Anfangsjahren habe ich alles aufgesogen. Als Trainer entwickelt man sich von Spieltag zu Spieltag weiter, lässt mit der Zeit immer mehr seine eigenen Ideen einfließen. Dabei ist es entscheidend, sich immer wieder neu auf veränderte Gegebenheiten anzupassen."

Das gilt auch für seine Spieler in Kiel. Neitzel erwartet in der Trainingswoche eine optimale Vorbereitung auf die Meisterschaftspartien, auch im privaten Bereich. In schwachen Phasen wird nicht alles auf den Kopf gestellt, im Erfolgsfall hebt keiner ab. "Läuft es einmal nicht rund, muss man den Blick auf das legen, was gut läuft und umgekehrt", meint Neitzel. "Bei unserer Mannschaft imponiert mir, dass sie die Trainingsinhalte im Wettkampf hervorragend umsetzt."

Aufstieg ausgerechnet gegen den Ex-Klub?

Unter anderem diese Qualität ist es, die eine Mannschaft ohne ganz große Namen an die Tür zur 2. Bundesliga klopfen lässt. "Bei uns spielt das Kollektiv eine ganz große Rolle", so Neitzel. "Zusätzlich verstehen es unsere Spieler, ihre Leistung konstant abzurufen. Ein bis zwei überragende Partien pro Saison hat jeder Drittligaakteur drin. Die Kunst ist es, über einen langen Zeitraum auf hohem Niveau zu bleiben. Wir legen außerdem viel Wert darauf, dass unsere gute Laune auch im Misserfolg nicht abhandenkommt. Jeder Spieler weiß, dass wir seine eventuell vorhandenen Sorgen ernst nehmen. Auf der anderen Seite kennt jeder auch die Grenzen."

Mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga würden die Störche die sportlichen Grenzen um eine Liga nach oben verschieben. Möglicherweise fällt die Entscheidung erst am 38. Spieltag im Heimspiel gegen den direkten Konkurrenten Stuttgarter Kickers. Für Neitzel könnte sich mit dieser Begegnung am 23. Mai gewissermaßen ein Kreis schließen. Denn seinen letzten Einsatz als Spieler in Liga zwei hatte der Holstein-Trainer ausgerechnet für den schwäbischen Traditionsverein absolviert, beim 4:1 gegen den FSV Mainz 05.

Zumindest einen flüchtigen Blick hinaus über das nächste Spiel am Samstag (ab 14 Uhr) gegen die U 23 des FSV Mainz 05 lässt Neitzel dann doch zu: "Wenn wir vor dem Kickers-Spiel noch die Chance haben, den Sprung in die zweite Liga direkt zu schaffen, dann hätten wir den nächsten Schritt innerhalb der laufenden Spielzeit geschafft."

[mspw]

Zeigt's uns! DFB.de stellt die "Gesichter der 3. Liga" in seiner Serie vor. Heute: Trainer Karsten Neitzel von Holstein Kiel, der mit seiner Mannschaft überraschend an die Tür zur 2. Bundesliga klopft.

Den Blick auf das Wesentliche nie verlieren: Für Karsten Neitzel, Trainer des Drittligisten Holstein Kiel, ist das gerade jetzt besonders wichtig. Denn die Störche rangieren sieben Spieltage vor dem Saisonende überraschend auf Rang zwei. Sollte dieser Platz auch nach 38 Spieltagen zu Buche stehen, würden die Norddeutschen erstmals seit rund einem Vierteljahrhundert auf dem direkten Weg in die 2. Bundesliiga zurückkehren.

So weit in die Zukunft will der 47 Jahre alte Holstein-Trainer freilich nicht blicken. "Unser Ziel ist es, am Samstag gegen Mainz drei Punkte zu holen", sagt Neitzel zu DFB.de. "Wir sind bisher gut damit gefahren, den Blick immer nur auf den Wettkampf zu richten."

Seit zehn Spielen ungeschlagen

Seit zehn Partien haben die Kieler nicht mehr verloren, dabei zwischenzeitlich eine bemerkenswerte Serie von sieben Siegen hingelegt. Einen Zähler liegt Holstein vor dem Tabellendritten Stuttgarter Kickers, der Rückstand auf den souveränen Tabellenführer Arminia Bielefeld beträgt sechs Punkte. Ein Trumpf der Mannschaft von der Kieler Förde ist die Defensive. Mit nur 20 Gegentreffern nach 31 Spielen stellt die KSV die mit Abstand beste Abwehr der Liga.

Dabei hatte die Saison nicht optimal begonnen. Nach fünf Spieltagen standen lediglich fünf Zähler zu Buche. "Es hat im Umfeld bereits gegrummelt", erinnert sich Neitzel noch genau. "Das Transferfenster war zu diesem Zeitpunkt noch einige Tage offen. Viele andere Vereine hätten sicher personell nachgelegt. Wir dagegen haben uns zusammengesetzt und entschieden, den Kader noch einmal zu verschlanken. So hätten sicher nicht viele Klubs gehandelt. Für die Mannschaft war das aber ein wichtiges Zeichen. Sie wusste spätestens ab diesem Zeitpunkt ganz genau, dass wir auf sie setzen."

Dieses Beispiel zeigt, wie die Uhren in Kiel ticken. Schon in der abgelaufenen Saison hatten sich die Verantwortlichen um Geschäftsführer und Ex-Spitzenhandballer Wolfgang Schwenke trotz einer Serie von 13 Partien ohne Sieg nicht aus der Ruhe bringen lassen. "Das zeichnet Holstein Kiel für mich aus", sagt Neitzel. "Es gibt Menschen, die auch in unruhigen Zeiten nicht von ihrem Weg abweichen."

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Europameister und WM-Dritter mit den DDR-Junioren

Seit Sommer 2013 ist der gebürtige Dresdner der "Kapitän" an der Kieler Förde. Zuvor hatte er den VfL Bochum trainiert und beim SC Freiburg viele Jahre als Co-Trainer und U 23-Trainer unter Volker Finke gearbeitet. Mit dem erfahrenen Fußball-Lehrer ging er sogar für zwei Jahre nach Japan zu den Urawa Red Diamonds.

Als Profi war Neitzel für Freiburg sowie die aktuellen Ligakonkurrenten Stuttgarter Kickers, Dynamo Dresden und Hallescher FC am Ball. Mit der U 19-Nationalmannschaft der DDR wurde er 1986 Europameister und ein Jahr später Dritter bei der Weltmeisterschaft.

Innerhalb Deutschlands war Neitzel also schon in allen vier Himmelsrichtungen aktiv. Wo aber gefällt es ihm am besten? "Ich bin anpassungsfähig wie eine Kakerlake", kommt prompt die Antwort mit einem breiten Grinsen, denn: "Ich komme überall zurecht."

"Niederlagen stören mich extrem"

Auch nach vielen Jahren im Geschäft kommt Karsten Neitzel mit Niederlagen allerdings nicht so einfach zurecht. "Sie stören mich extrem, die Unzufriedenheit ist bei mir dann sehr groß", erklärt der Ex-Profi, der bei sich mit der Zeit in anderen Bereichen Veränderungen festgestellt hat. "Meine Ungeduld kann ich in unpassenden Situationen recht gut verbergen, und auch meine Emotionen an der Seitenlinie haben etwas nachgelassen. So wirke ich jetzt vielleicht seriöser."

Abschalten vom Fußball kann Neitzel am besten mit - Fußball. "Es ist für mich Entspannung pur, ein Fußballspiel zu beobachten, bei dem es mir egal ist, wer gewinnt", lautet die etwas verblüffende Erklärung von Neitzel, für den es wichtig ist, auch in Stresssituationen immer authentisch zu bleiben.

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Neitzel über Finke: "Gut, dass er mein erster Chef war"

Viel gelernt hat Neitzel von Volker Finke. Fast 15 Jahre spielte und arbeitete er unter der Freiburger Trainerlegende. Neitzel: "Gut, dass er mein erster Chef war. Ich hatte das Glück, gleichzeitig Co-Trainer bei den Profis und für die U 23 verantwortlich zu sein. Gerade in den Anfangsjahren habe ich alles aufgesogen. Als Trainer entwickelt man sich von Spieltag zu Spieltag weiter, lässt mit der Zeit immer mehr seine eigenen Ideen einfließen. Dabei ist es entscheidend, sich immer wieder neu auf veränderte Gegebenheiten anzupassen."

Das gilt auch für seine Spieler in Kiel. Neitzel erwartet in der Trainingswoche eine optimale Vorbereitung auf die Meisterschaftspartien, auch im privaten Bereich. In schwachen Phasen wird nicht alles auf den Kopf gestellt, im Erfolgsfall hebt keiner ab. "Läuft es einmal nicht rund, muss man den Blick auf das legen, was gut läuft und umgekehrt", meint Neitzel. "Bei unserer Mannschaft imponiert mir, dass sie die Trainingsinhalte im Wettkampf hervorragend umsetzt."

Aufstieg ausgerechnet gegen den Ex-Klub?

Unter anderem diese Qualität ist es, die eine Mannschaft ohne ganz große Namen an die Tür zur 2. Bundesliga klopfen lässt. "Bei uns spielt das Kollektiv eine ganz große Rolle", so Neitzel. "Zusätzlich verstehen es unsere Spieler, ihre Leistung konstant abzurufen. Ein bis zwei überragende Partien pro Saison hat jeder Drittligaakteur drin. Die Kunst ist es, über einen langen Zeitraum auf hohem Niveau zu bleiben. Wir legen außerdem viel Wert darauf, dass unsere gute Laune auch im Misserfolg nicht abhandenkommt. Jeder Spieler weiß, dass wir seine eventuell vorhandenen Sorgen ernst nehmen. Auf der anderen Seite kennt jeder auch die Grenzen."

Mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga würden die Störche die sportlichen Grenzen um eine Liga nach oben verschieben. Möglicherweise fällt die Entscheidung erst am 38. Spieltag im Heimspiel gegen den direkten Konkurrenten Stuttgarter Kickers. Für Neitzel könnte sich mit dieser Begegnung am 23. Mai gewissermaßen ein Kreis schließen. Denn seinen letzten Einsatz als Spieler in Liga zwei hatte der Holstein-Trainer ausgerechnet für den schwäbischen Traditionsverein absolviert, beim 4:1 gegen den FSV Mainz 05.

Zumindest einen flüchtigen Blick hinaus über das nächste Spiel am Samstag (ab 14 Uhr) gegen die U 23 des FSV Mainz 05 lässt Neitzel dann doch zu: "Wenn wir vor dem Kickers-Spiel noch die Chance haben, den Sprung in die zweite Liga direkt zu schaffen, dann hätten wir den nächsten Schritt innerhalb der laufenden Spielzeit geschafft."