Kahn: "Herberger ist bis heute ein großes Vorbild"

Am 28. März 1977 gab Hermann Neuberger beim Festakt zum 80. Geburtstag von Sepp Herberger in Mannheim bekannt, dass der DFB gemeinsam mit dem Alt-Bundestrainer eine Stiftung gründen wird. 35 Jahre sind seitdem vergangen, viel Gutes ist geleistet worden. Auch dank des Engagements von Oliver Kahn. Der dreimalige Welttorwart setzt sich als Botschafter und Kuratoriumsmitglied für die Ziele der ältesten DFB-Stiftung ein.

Anlässlich der Feier zum Jahrestag der DFB-Stiftung Sepp Herberger an diesem Mittwoch in Herbergers Heimatstadt Mannheim hat sich Redakteur Thomas Hackbarth mit Oliver Kahn im DFB.de-Gespräch der Woche über JVA-Besuche, Kahns "Du packst es!"-Programm und die Nummer drei im deutschen Tor unterhalten.

DFB.de: Herr Kahn, welche Erfahrungen mussten Sie bei Ihren JVA-Besuchen machen?

Oliver Kahn: Als ich zum ersten Mal eine Justizvollzugsanstalt betreten habe, hat mich das schon sehr bewegt, die Räumlichkeiten, aber auch die jungen Menschen, die sich ja in einer sehr schwierigen Situation befinden. Je häufiger ich dann zurückkehrte, desto offener war der Umgang mit den Insassen.

DFB.de: Zurückgekehrt sind Sie mit Ihrem "Du packst es!"-Programm.

Kahn: Genau. Dadurch habe ich Beziehungen zu einigen Inhaftierten aufgebaut, die weit über den üblichen Ablauf – also Besuch, ein paar Autogramme und wieder weg - hinaus gingen. Im Kern geht es bei dem "Du packst es!"-Programm um die Fragen: Was ist meine Vision? Wie motiviere ich mich? Und wie gehe ich mit Rückschlägen und Niederlagen um? Zukünftig soll auch das Betreuungspersonal in das Programm integriert werden. Einen Vortrag halten, das ist der erste Schritt. Hier soll ein Programm entstehen, das nachhaltig funktioniert.

DFB.de: Schwere Delikte, hohe Rückfallquoten - eine schwierige Aufgabe.

Kahn: Das Engagement der DFB-Stiftung Sepp Herberger unter der Überschrift "Anstoß für ein neues Leben" schafft eine Chance für die Jugendlichen. Vielen stehen nach der Entlassung vor dem Nichts. Der Fußball kann helfen, den Sprung zu schaffen, ohne wieder rückfällig zu werden. Das Wichtigste ist, dass wir diese jungen Menschen nicht abschreiben. Zur Resozialisierung können der Fußball und das "Du packst es!"- Programm einen wertvollen Beitrag leisten.



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Am 28. März 1977 gab Hermann Neuberger beim Festakt zum 80. Geburtstag von Sepp Herberger in Mannheim bekannt, dass der DFB gemeinsam mit dem Alt-Bundestrainer eine Stiftung gründen wird. 35 Jahre sind seitdem vergangen, viel Gutes ist geleistet worden. Auch dank des Engagements von Oliver Kahn. Der dreimalige Welttorwart setzt sich als Botschafter und Kuratoriumsmitglied für die Ziele der ältesten DFB-Stiftung ein.

Anlässlich der Feier zum Jahrestag der DFB-Stiftung Sepp Herberger an diesem Mittwoch in Herbergers Heimatstadt Mannheim hat sich Redakteur Thomas Hackbarth mit Oliver Kahn im DFB.de-Gespräch der Woche über JVA-Besuche, Kahns "Du packst es!"-Programm und die Nummer drei im deutschen Tor unterhalten.

DFB.de: Herr Kahn, welche Erfahrungen mussten Sie bei Ihren JVA-Besuchen machen?

Oliver Kahn: Als ich zum ersten Mal eine Justizvollzugsanstalt betreten habe, hat mich das schon sehr bewegt, die Räumlichkeiten, aber auch die jungen Menschen, die sich ja in einer sehr schwierigen Situation befinden. Je häufiger ich dann zurückkehrte, desto offener war der Umgang mit den Insassen.

DFB.de: Zurückgekehrt sind Sie mit Ihrem "Du packst es!"-Programm.

Kahn: Genau. Dadurch habe ich Beziehungen zu einigen Inhaftierten aufgebaut, die weit über den üblichen Ablauf – also Besuch, ein paar Autogramme und wieder weg - hinaus gingen. Im Kern geht es bei dem "Du packst es!"-Programm um die Fragen: Was ist meine Vision? Wie motiviere ich mich? Und wie gehe ich mit Rückschlägen und Niederlagen um? Zukünftig soll auch das Betreuungspersonal in das Programm integriert werden. Einen Vortrag halten, das ist der erste Schritt. Hier soll ein Programm entstehen, das nachhaltig funktioniert.

DFB.de: Schwere Delikte, hohe Rückfallquoten - eine schwierige Aufgabe.

Kahn: Das Engagement der DFB-Stiftung Sepp Herberger unter der Überschrift "Anstoß für ein neues Leben" schafft eine Chance für die Jugendlichen. Vielen stehen nach der Entlassung vor dem Nichts. Der Fußball kann helfen, den Sprung zu schaffen, ohne wieder rückfällig zu werden. Das Wichtigste ist, dass wir diese jungen Menschen nicht abschreiben. Zur Resozialisierung können der Fußball und das "Du packst es!"- Programm einen wertvollen Beitrag leisten.

DFB.de: Sepp Herberger wäre heute 115 Jahre alt. Was fällt Ihnen zum Alt-Bundestrainer ein?

Kahn: Spontan seine Sprüche, "Ein Spiel dauert 90 Minuten", "Vor dem Spiel ist nach dem Spiel", die Weisheiten, die ich in meiner Jugendzeit erstmals gehört habe. Die allerdings bis heute bei aller anmutenden Banalität doch viel Wahres in sich tragen. Mit der Persönlichkeit Sepp Herberger hat sich jeder Fußballer auseinander gesetzt. Er hatte unglaubliche Fähigkeiten in der Führung einer Mannschaft. Seine taktischen Ideen, sein Führungsstil, das ist schon imposant, auch in der Überlieferung. Bis heute ist Sepp Herberger eines der großen Vorbilder und Traineridole, gerade auch wegen des Titelgewinns 1954, der in einer für Deutschland sehr schweren Zeit gelang.

DFB.de: Nach Ihrem Karriereende 2008 klopften sicher zahlreiche Projekte bei Ihnen an. Warum haben Sie sich für die DFB-Stiftung Sepp Herberger entschieden?

Kahn: Wegen der Tradition, dem Bezug zum Fußball, zudem passen die Aktionen, denen sich die DFB-Stiftung Sepp Herberger widmet, zu meinen eigenen Vorstellungen. Die Deckungsgleichheit in den Ansätzen hat mich überzeugt. Der Fußball hat eine integrative Kraft. Und ich kann dabei über meine Rolle als Vorbild sicher zusätzlich Kräfte mobilisieren. Stimmt schon, damals wurden sehr viele Angebote und Möglichkeiten an mich herangetragen. Aber ich brauchte keinen Zeitvertreib, es musste etwas sein, das Hand und Fuß hat. Darüber hinaus habe ich im vergangenen Jahr mein MBA-Studium abgeschlossen und die Oliver Kahn Stiftung gegründet, um das "Du packst es!"-Programm weiter auszubauen.

DFB.de: Vor einem Jahr haben Sie die Oliver Kahn Stiftung gegründet. Welchen Zweck verfolgen Sie mit dieser Stiftung?

Kahn: Es geht darum, junge Menschen stark zu machen. Das "Du packst es!"-Programm bringen wir gerade pädagogisch auf höchstes Niveau. Wir geben jungen Leuten ein Selbstmanagement an die Hand. Sie lernen, ihre Vision zu formulieren, aus dieser ein Ziel zu entwickeln und dann motiviert daran zu arbeiten. Beispielsweise wird das "Du packst es!"-Programm jetzt schon über unseren Programm-Partner Amandla EduFootball in einigen Townships in Südafrika angewendet. Dort werden inzwischen auch die Trainer und Coaches ausgebildet. "Rock your life!" ist ein anderer Programmpartner, bei dem es darum geht, dass ein Student einen Hauptschüler an die Hand nimmt, und ihn auf dem Weg zum Schul-Abschluss und Berufseintritt begleitet. Die tägliche Arbeit in meiner Stiftung wird von Iris Parsiegla, der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden, die hauptamtlich tätig ist, geleistet. Prof. Dr. h.c. Roland Berger leitet mit seiner großen Erfahrung in Stiftungs- und Wirtschaftsfragen unseren Beirat. Ich bin zufrieden, wir haben in kurzer Zeit viel erreicht. Im Mittelpunkt steht die Arbeit mit jungen Menschen, die mir sehr viel Freude bereitet.

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DFB.de: Zum Sportlichen: Noch rund sechs Wochen, dann beginnt für die Nationalmannschaft auf Sardinien die unmittelbare Turniervorbereitung. Worauf kommt es jetzt an?

Kahn: Ich persönlich fand es immer sehr gut, mit einem Erfolg im Gepäck zur Nationalmannschaft anzureisen. So ein paar Titel wären ein guter Start in das EM-Geschehen. Eine Traumkonstellation wäre es doch, wenn Real Madrid mit Özil und Khedira Spanischer Meister wird, Dortmund Deutscher Meister und die Bayern gewinnen die Champions League. Momentan geht es nur darum, sich voll auf den Vereinsfußball zu konzentrieren. Und dort erfolgreich zu sein.

DFB.de: Und gesund zu bleiben?

Kahn: Das ist eine Grundvoraussetzung. Gerade Bastian Schweinsteiger und Mario Götze oder auch Per Mertesacker müssen schauen, dass sie schnell wieder Anschluss finden. Denn du brauchst vor der Europameisterschaft eine gewisse Spielpraxis. Es wäre sehr eng kalkuliert, wenn ein Spieler dieses Kalibers erst während der Vorbereitung auf Sardinien und in Südfrankreich topfit wird. Hat es zwar auch schon gegeben, aber ist doch eher schwierig.

DFB.de: Zuletzt unterlag Deutschland gegen Frankreich. Welche Bedeutung geben Sie dem 1:2 von Bremen?

Kahn: Trotz unserer Niederlage habe ich einen Qualitätsunterschied gesehen. Während die Franzosen monoton ein Tempo gespielt haben, konnte die deutsche Mannschaft das Tempo variieren. Unsere Mannschaft hat im offensiven Bereich große Möglichkeiten. Wir sollten nicht vergessen: Man steht mitten in der Saison, in den Vereinen finden jetzt die entscheidenden Begegnungen statt. Drei Tage nach dem Spiel in Bremen kam es in der Bundesliga zur Begegnung Bayern gegen Bayer. Daneben weiß Jogi Löw natürlich, dass die Abstimmung im Defensivbereich noch besser werden muss.

DFB.de: Marc André ter-Stegen bekommt viel Lob. Würden Sie den erst 20-jährigen Gladbacher Torwart mit zur EURO nehmen?

Kahn: Löw hat angedeutet, dass die Position drei bei den Torwarten noch offen ist. Ron-Robert Zieler ist ein guter Kandidat, auch Marc-André ter Stegen. Löw sollte diese Position an einen sehr jungen und sehr talentierten Torwart vergeben, also an eine potenzielle zukünftige Nummer eins. Ich war 1994 die Nummer drei, und für mich als sehr junger Torwart war es damals eine großartige Erfahrung, bei der Weltmeisterschaft in den USA dabei zu sein. Jogi Löw und Andreas Köpke werden das in aller Ruhe entscheiden.

DFB.de: Wie groß ist Ihre Vorfreude auf die Europameisterschaft im Sommer?

Kahn: Seit 1994 war ich bei jedem Turnier dabei, früher als aktiver Spieler, jetzt als ZDF-Experte. Ich freue mich, zusammen mit Katrin Müller-Hohenstein die EURO 2012 zu begleiten. Zunächst mal wird das ZDF unser Studio an einem Strand in Usedom aufbauen, mit Publikum und hoffentlich viel Sonnenschein.

DFB.de: Es muss ja gefragt werden: Wer wird Europameister?

Kahn: Unsere Chancen sind hervorragend. Es ist doch kein Geheimnis, dass das Team um Jogi Löw es als Ziel ausgegeben hat, wieder mal einen Titel nach Deutschland zu holen. Die Planung stimmt, wir haben großartige Spieler, aber du brauchst auch ein wenig Glück. Das kann keiner besser einschätzen als ein Torwart. Wenn der Ball an den Innenpfosten knallt, geht er entweder rein oder springt wieder ins Feld. Fußball kann man nicht bis in die letzte Konsequenz planen. Unter dem Strich: Wir haben sehr, sehr gute Chancen.