Kahn: "Ein Pokalfinale wird nie Routine"

Kahn: Ja, die war immer groß, seit den 80ern schon: mit dem Kutzop-Elfmeter, Willi Lemke, Uli Hoeneß. Da gab es immer Konfrontationen. Spiele gegen Bremen sind immer besondere Begegnungen, früher wie heute. Ich weiß, ich habe mal einen großen Fehler gemacht, kurz vor Saison­ende 2004. Ich ließ einen Ball einfach fallen, Ailton machte das Tor. Bremen wurde Meister. In München! Ansonsten erinnere ich mich an eine Aussage von Oliver Reck, der Mitte der 90er-Jahre gesagt hat: Bayern ist keine große Mannschaft. Sie wollen erst eine werden. Das hat uns doppelt motiviert – obwohl er im Nachhinein recht gehabt hat.

DFB.de: Sie sind jetzt zwei Jahre nicht mehr aktiv. Beobachten Sie die Bayern noch genau?

Kahn: Ich bin keiner, der jeden Samstag Sportschau gucken muss oder ins Stadion geht. Kontakt hab’ ich natürlich noch. Mit Uli Hoeneß, Bastian Schweinsteiger oder mit den Masseuren. Der Kontakt wird auch nie abreißen. Aber da ist schon ein bisschen Abstand. Bayern hat auf jeden Fall mit Robben und Ribéry zwei Extrakönner, die du immer brauchst in einer großen Mannschaft, die außerdem sehr charakterstark ist. Und sie haben einen Trainer, der weiß, was er will.

DFB.de: Was unterscheidet Bremen von den Bayern?

Kahn: Bremen und Bayern definieren sich unterschiedlich. Bayern ist dazu verdammt, Titel zu gewinnen. In Bremen ist das eine schöne Zugabe. Das ist allein psychologisch ein großer Unterschied. Finals verlieren? Kannst du vergessen. In der Bundesliga Dritter? Kannst du vergessen. Bei Bayern interessiert das niemanden. Bei Werder eben schon. Thomas Schaaf hat der Mannschaft durch kontinuierliche Arbeit den Erfolg gebracht. Sie sind Meister geworden, Pokalsieger. Sie spielen sehr attraktiv, aber man hat immer das Gefühl, wenn sie defensiv besser stehen würden, könnten sie noch erfolgreicher sein.

DFB.de: Bei Bremen ist Ihr ehemaliger Mitspieler Claudio Pizarro der gefährlichste Stürmer. Kann man ihn überhaupt kontrollieren?

Kahn: Claudio gehört zu den Weltklasse-Stürmern in der Bundes­liga, aber Bayern hat auch eine sehr starke Abwehr. Da muss Claudio schon einen Supertag erwischen, um sich durchzusetzen.

DFB.de: Was erwarten Sie vom Spiel?



[bild1]

Die sechs Titel des Titans – keiner hat den DFB-Pokal so oft gewonnen wie Oliver Kahn. Alles begann mit einer Erstrundenniederlage gegen einen Regionalligisten und endete mit einer Glanzleistung im letzten Finale seiner Karriere. „Immer wenn es um etwas ging, konnten wir unsere Leistung abrufen“, sagt der ehemalige Nationaltorwart im Gespräch mit DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen. Heute kehrt der 40-Jährige als TV-Experte an die Stätte seiner Triumphe zurück. Und der frühere Bayern-Keeper versichert, dass er so objektiv wie möglich urteilen wird. Versprochen.

DFB.de: Herr Kahn, wissen Sie noch, welches Ihr erstes Pokal­spiel mit den Bayern war?

Oliver Kahn: Ja, das ging gleich mal daneben. Das war im Sommer 1994 in Vestenbergsgreuth. Dann gehst du vom Platz, guckst auf die Anzeigetafel, siehst 1:0 und denkst: Das darf doch nicht wahr sein. Was passiert denn hier?

DFB.de: Macht gerade das den besonderen Reiz des Pokals aus?

Kahn:Schon. Heute weiß man immer noch, dass zum Beispiel der FV Weinheim mal Bayern München geschlagen hat. Deshalb ist der Pokal am Anfang für die Bundesligisten eine große Gefahr, sich zu blamieren. Wir standen immer gewaltig unter Druck, konnten eigentlich immer nur verlieren. Das hat es schwierig gemacht. Man spielt lieber gegen Real Madrid als gegen einen Zweitligisten Alemannia Aachen, wo wir ja auch mal böse unter die Räder gekommen sind.

DFB.de: Haben Sie einige Pokalspiele noch besonders in Erinnerung?

Kahn: Die Niederlagen gegen Vestenbergsgreuth und Aachen, klar. Aber zuallererst die ganzen Pokalfinals natürlich. 1999 konnten wir drei Titel gewinnen, als erste deutsche Mannschaft das Triple holen. Meister waren wir schon. Dann haben wir das Champions-League-Finale in der Nachspielzeit gegen Manchester United verloren. Im Pokalendspiel hat uns dann Werder Bremen nach Elfmeterschießen geschlagen. Du warst Deutscher Meister, aber hast dich nicht richtig darüber freuen können vor lauter Schmerz.

DFB.de: Sie sind Rekord-Pokalsieger, haben den Titel zwischen 1998 und 2008 sechsmal gewonnen. Was bedeutet Ihnen das?

Kahn: Natürlich ist das eine tolle Sache. Wir haben immer gesagt: Wenn wir im Finale stehen, dann wollen wir auch gewinnen. Zumal der Pokal am Anfang für die Bayern-Spieler in Sachen Motivation alles andere als einfach ist. Du hast die Bundesliga, Champions League, National­mannschaft – und dann spielst du im Pokal gegen Vestenbergsgreuth. Da muss man sich immer das Finale in Berlin vor Augen führen. Dann geht es wieder.

DFB.de: Hat Ihnen etwas gefehlt, wenn Sie im Mai/Juni nicht in Berlin waren?

Kahn: Ja, natürlich. Wenn du da stehst, die Nationalhymne gespielt wird und du diese Stimmung erlebst, willst du da auch immer wieder hin. Meistens waren wir auch recht locker, weil wir vorher schon Meister waren. Die Fangruppen sind harmonisch. Es ist eine tolle Frühsommer-Atmosphäre, Spaß, Freude, Sonne, ein Fußball-Fest. Das sind Eindrücke, die man behält. Das wird nie Routine. Auch wenn man schon mehrmals da war.

DFB.de: Was hat die Bayern zu Ihrer Zeit im Pokal so stark gemacht?

Kahn: Das hängt mit den Charakteren zusammen, die unsere Mannschaft hatte. Wie Effenberg, Matthäus, Helmer. Wir wollten immer gewinnen, waren „gefräßig“. Und, ganz wichtig: Wir konnten unsere Leistung immer gerade dann abrufen, wenn wir es mussten. Wenn du zu Bayern kommst, musst du wissen, dass hier nur die höchsten Ziele zählen. Das kannst du mögen oder nicht.

DFB.de: Sie mögen das?

Kahn: Ja. Ich war schon als Kind so. Ich wollte nicht verlieren, immer bei den Siegern sein. Schon beim Spiel auf dem Pausenhof in der Schule hat es mir immer gestunken, wenn meine Mannschaft verloren hat. Da hab’ ich mir gedacht: Geh’ zu Bayern, da passiert das relativ selten.

DFB.de: Haben Sie als Spieler eine große Rivalität zwischen den Bayern und Werder Bremen ausmachen können?

Kahn: Ja, die war immer groß, seit den 80ern schon: mit dem Kutzop-Elfmeter, Willi Lemke, Uli Hoeneß. Da gab es immer Konfrontationen. Spiele gegen Bremen sind immer besondere Begegnungen, früher wie heute. Ich weiß, ich habe mal einen großen Fehler gemacht, kurz vor Saison­ende 2004. Ich ließ einen Ball einfach fallen, Ailton machte das Tor. Bremen wurde Meister. In München! Ansonsten erinnere ich mich an eine Aussage von Oliver Reck, der Mitte der 90er-Jahre gesagt hat: Bayern ist keine große Mannschaft. Sie wollen erst eine werden. Das hat uns doppelt motiviert – obwohl er im Nachhinein recht gehabt hat.

DFB.de: Sie sind jetzt zwei Jahre nicht mehr aktiv. Beobachten Sie die Bayern noch genau?

Kahn: Ich bin keiner, der jeden Samstag Sportschau gucken muss oder ins Stadion geht. Kontakt hab’ ich natürlich noch. Mit Uli Hoeneß, Bastian Schweinsteiger oder mit den Masseuren. Der Kontakt wird auch nie abreißen. Aber da ist schon ein bisschen Abstand. Bayern hat auf jeden Fall mit Robben und Ribéry zwei Extrakönner, die du immer brauchst in einer großen Mannschaft, die außerdem sehr charakterstark ist. Und sie haben einen Trainer, der weiß, was er will.

DFB.de: Was unterscheidet Bremen von den Bayern?

Kahn: Bremen und Bayern definieren sich unterschiedlich. Bayern ist dazu verdammt, Titel zu gewinnen. In Bremen ist das eine schöne Zugabe. Das ist allein psychologisch ein großer Unterschied. Finals verlieren? Kannst du vergessen. In der Bundesliga Dritter? Kannst du vergessen. Bei Bayern interessiert das niemanden. Bei Werder eben schon. Thomas Schaaf hat der Mannschaft durch kontinuierliche Arbeit den Erfolg gebracht. Sie sind Meister geworden, Pokalsieger. Sie spielen sehr attraktiv, aber man hat immer das Gefühl, wenn sie defensiv besser stehen würden, könnten sie noch erfolgreicher sein.

DFB.de: Bei Bremen ist Ihr ehemaliger Mitspieler Claudio Pizarro der gefährlichste Stürmer. Kann man ihn überhaupt kontrollieren?

Kahn: Claudio gehört zu den Weltklasse-Stürmern in der Bundes­liga, aber Bayern hat auch eine sehr starke Abwehr. Da muss Claudio schon einen Supertag erwischen, um sich durchzusetzen.

DFB.de: Was erwarten Sie vom Spiel?

Kahn: Ich hoffe, dass es spannend bleibt. Am besten, es werden 120 hochdramatische Minuten, nach denen es 3:3 oder 6:6 steht. (lacht) Und dann gibt es ein Elfmeterschießen, das 1:0 ausgeht.

DFB.de: Sie sind als ZDF-Experte vor Ort. Können Sie bei so einem Spiel überhaupt objektiv bleiben?

Kahn: Ja. Anfangs fiel mir das schwer, weil ich da ja doch noch irgendwie Spieler war. Nur: Ein journalistischer Ansatz ist das nicht. Es geht darum, neutral zu bleiben, sachlich und fachlich. Ich möchte den Leuten einen Mehrwert geben. Nämlich das, was man auf den ersten Blick vielleicht nicht sehen kann. Zu wissen, wie sich ein Spieler fühlt, unter wel­chem Druck er steht, warum er wie reagiert – das kann man eigentlich nur wissen, wenn man selbst mal da unten gestanden hat.

DFB.de: Hätte sich der Spieler Kahn über den Experten Kahn geärgert?

Kahn: Für mich war es immer entscheidend, dass jemand keine Sympathien oder Antipathien hegt, sondern dass jemand versucht, die Dinge aus der Sicht eines Spielers oder eines Trainers zu schildern. Ohne jemanden fertigmachen zu wollen. Kritik ja, aber sachlich. Mich haben Experten-Meinungen aber ehrlich gesagt nie beeinflusst, höchstens manchmal geärgert. Weil ich mir gedacht habe: Was erzählen die denn da?

DFB.de: Sind Sie eigentlich nervös vor solchen Auftritten?

Kahn: Nein. Am Anfang vielleicht ein bisschen, jetzt bin ich nur etwas angespannt. Aber das kann man nicht vergleichen mit der Nervosität vor einem Fußballspiel als aktiver Spieler. Der größte Unterschied ist: Als Experte weiß man im Grunde, was auf einen zukommt. Als Torwart nicht. Da kriegst du halt mal einen Ball, der von der Latte zurück­springt ins Gesicht, und der Ball geht ins Tor.

DFB.de: Können Sie sich noch emotional anstecken lassen von einem Fußballspiel?

Kahn: Ich habe einen großen Nachteil: Ich habe alles erlebt. Ich habe alles gewonnen und alles verloren. Für mich war alles Normalität. Deshalb ist für mich vieles nicht mehr so aufregend. Das ändert nichts an meiner Liebe und Begeisterung für den Fußball. Vielleicht muss ich mich noch mehr in den Zuschauer hineinversetzen, um diese Emotionen wieder zu wecken. Aber das ist nach 20 Jahren als Profi nicht so einfach.

DFB.de: Dürfen Sie einen Tipp fürs Finale haben?

Kahn: Ja, klar. Und ich muss natürlich für meinen alten Verein sein. Die Bayern haben eine Supermannschaft. Ich glaube, dass die das packen.