Jürgen Sparwasser feierte Mittwoch seinen 60. Geburtstag

Der Focus behauptet: "Er ist der einzige Ahnherr des ostdeutschen Fußballs, dessen Ruf bis in den Westen reicht: der Magdeburger Jürgen Sparwasser." Der ehemalige DDR-Nationalspieler wurde am Mittwoch 60 Jahre alt.

Dabei konnte der athletische Stürmer mit der 14 auf dem Trikot nicht sicher sein, dass er im deutsch-deutschen Duell von Hamburg 1974 spielen würde. Sowohl der Jenaer Peter Ducke, der beste ostdeutsche Angreifer aller Zeiten, als auch der schlitzohrige Rostocker Torjäger Achim Streich standen normalerweise in der Hierarchie vor ihm.

Der einstige DDR-Trainer Georg Buschner begründete seine damalige Entscheidung damit: "Spari war im Gegensatz zu den anderen beiden athletisch besser drauf. Und nur wenn du topfit bist, machst du auch so ein Tor." Für den Trainer Buschner war es "einer der bekanntesten Treffer in der Fußballgeschichte überhaupt." Der Torschütze selbst sah es immer eine Spur gelassener und spricht bis heute von "einem prima herausgespielten Tor bei einer Weltmeisterschaft. Das ist es aber auch schon."

Dennoch musste der Magdeburger gerade vor der Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 "mehr als ihm lieb war" immer wieder schildern, wie er in Hamburg das legendäre 1:0 zum WM-Sieg der DDR-Mannschaft im einzigen Länderspiel gegen das Team der Bundesrepublik erzielte: "Ein Superkonter. Unser Torhüter Jürgen Croy warf den Ball schnell zum eingewechselten Mittelfeldspieler Erich Hamann, der noch einige Schritte lief und dann einen langen Pass nach vorne spielte. Ich startete hinter der Mittellinie in die Spitze, war von Vogts, Höttges und Cullmann eingekreist. Da ich den Ball aber ins Gesicht bekam, änderte sich plötzlich der Laufweg. Das war meine Chance. Als Maier herauskam, hab' ich angetäuscht. Sepp reagierte, lag am Boden. Dann hatte ich alle Zeit der Welt und hab das Ding aus etwa zehn Metern reingelupft."

An dem Tag selbst, am 22. Juni 1974, brauchte der Jenaer Hochschuldozent Georg Buschner gar nicht so tief in die psychologische Trickkiste zu greifen, denn nach dem 0:0 zwischen Chile und Australien waren beide deutsche Teams bereits für die zweite Gruppenphase qualifiziert. "Dadurch war die Stimmung bei der Busfahrt ins Volksparkstadion natürlich unheimlich locker", erinnert sich heute der 59-jährige Jürgen Sparwasser und gibt zu: "Wir wussten, dass die westdeutsche Mannschaft individuell mit Beckenbauer, Müller, Breitner besser besetzt ist. Aber athletisch und taktisch konnten wir absolut mithalten."

Genau darauf hatte der "eiskalte Rechner" Buschner die Taktik ausgerichtet. Sparwasser: "Ich sollte Franz Beckenbauer stören, wenn er den Doppelpass mit Gerd Müller sucht." Das hat funktioniert – und noch mehr: Jürgen Sparwasser gelang 21.03 Uhr, in der 78. Minute, das Tor, das Geschichte schrieb.

Eine spezielle politische Vorbereitung, so Jürgen Sparwasser, habe es vor diesem Bruder-Duell nicht gegeben. "Keiner wurde da noch einmal gegen den Klassenfeind geimpft.Vor diesem Prestigekampf sah doch jeder zu, dass er topfit ist und seine Leistung auf dem Platz bringt."

Als Jürgen Sparwasser mit der DDR-Mannschaft letztlich einen honorigen sechsten Platz nach Hause gebracht hatte, verfolgte er den 2:1-Finalsieg der Bundesrepublik über die Niederlande mit ein paar Kumpels und ein paar Bierchen in seiner Zweieinhalb-Zimmer-Neubauwohnung in der Kleestraße 18 und amüsierte sich, als Franz Beckenbauer ihn noch einmal lobte: "Eigentlich gehört dem Jürgen Sparwasser noch eine Medaille. Der hat uns mit seinem Tor rechtzeitig wachgerüttelt."

Weniger Anerkennung und mehr Ärger hatte der Torschütze Sparwasser, der im Trikot des 1. FC Magdeburg 20 Europacuptore schoss, Europacupsieger der Pokalsieger, dreimal Meister und viermal Pokalgewinner wurde, nach seiner Rückkehr. Da wurden Gerüchte gestreut, "ich hätte ein Auto, ein Haus und eine Wahnsinnsprämie bekommen". Für das Vordringen in die zweite Runde hatten die Sportoberen eine Prämie von 2500 Mark West ausgelobt, "was zweifellos viel, viel Geld war."

Ihm persönlich habe auch geschadet, dass sein Tor "nicht nur in jeder Sportsendung, sondern auch in Unterhaltungsshows gezeigt wurde. Da hatten die Leute bald die Nase gestrichen voll. Schon wieder der Sparwasser..."

Nach seinem Karriereende 1979 arbeitete der Diplomsportlehrer an der Uni Magdeburg. Als er 1986, schon vertieft in seine Doktorarbeit auf dem Gebiet Sportspiele, dreimal den Posten des Cheftrainers vom 1. FC Magdeburg ablehnte, setzten ihn die Parteigewaltigen die Pistole auf die Brust: "Entweder Trainer oder Rausschmiss von der Uni." Jürgen Sparwasser, der in seiner Hochzeit "Angebote von Gladbach und Köln" ablehnte, weil er "die Familie nicht im Stich lassen wollte" zog die Konsequenzen und setzte sich im Januar 1988 mit seiner Frau Christa in den Westen ab. Tochter Silke folgte den Eltern mit Enkel Phillipp-Benjamin nach der Wende.

Seit 1988 wohnen die Sparwassers im hessischen Bad Vilbel. Anfangs habe ihnen der damalige Trainer der Frankfurter Eintracht, Karl-Heinz Feldkamp und seine Frau "unter die Arme gegriffen. Das werde ich nicht vergessen", meint Jürgen Sparwasser, der nach den Trainer-Stationen in Frankfurt und Darmstadt sowie dem Job als Präsident der Berufsspieler-Gewerkschaft jetzt leidenschaftlich sein Projekt einer eigenen Fußballschule im brandenburgischen Brieselang verfolgt.

Am Mittwoch holte ihn wieder einmal die Geschichte ein, als er seinen 60. Geburtstag im Magdeburger Hotel "Zum Lindenweiler" mit Kollegen aus mehreren Generationen feierte. Dazu gehören Martin Hoffmann, "Zappl" Zapf, "Paule" Seguin, Jürgen Pommerenke oder Achim Streich.

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Der Focus behauptet: "Er ist der einzige Ahnherr des ostdeutschen Fußballs, dessen Ruf bis in den Westen reicht: der Magdeburger Jürgen Sparwasser." Der ehemalige DDR-Nationalspieler wurde am Mittwoch 60 Jahre alt.

Dabei konnte der athletische Stürmer mit der 14 auf dem Trikot nicht sicher sein, dass er im deutsch-deutschen Duell von Hamburg 1974 spielen würde. Sowohl der Jenaer Peter Ducke, der beste ostdeutsche Angreifer aller Zeiten, als auch der schlitzohrige Rostocker Torjäger Achim Streich standen normalerweise in der Hierarchie vor ihm.

Der einstige DDR-Trainer Georg Buschner begründete seine damalige Entscheidung damit: "Spari war im Gegensatz zu den anderen beiden athletisch besser drauf. Und nur wenn du topfit bist, machst du auch so ein Tor." Für den Trainer Buschner war es "einer der bekanntesten Treffer in der Fußballgeschichte überhaupt." Der Torschütze selbst sah es immer eine Spur gelassener und spricht bis heute von "einem prima herausgespielten Tor bei einer Weltmeisterschaft. Das ist es aber auch schon."

Dennoch musste der Magdeburger gerade vor der Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 "mehr als ihm lieb war" immer wieder schildern, wie er in Hamburg das legendäre 1:0 zum WM-Sieg der DDR-Mannschaft im einzigen Länderspiel gegen das Team der Bundesrepublik erzielte: "Ein Superkonter. Unser Torhüter Jürgen Croy warf den Ball schnell zum eingewechselten Mittelfeldspieler Erich Hamann, der noch einige Schritte lief und dann einen langen Pass nach vorne spielte. Ich startete hinter der Mittellinie in die Spitze, war von Vogts, Höttges und Cullmann eingekreist. Da ich den Ball aber ins Gesicht bekam, änderte sich plötzlich der Laufweg. Das war meine Chance. Als Maier herauskam, hab' ich angetäuscht. Sepp reagierte, lag am Boden. Dann hatte ich alle Zeit der Welt und hab das Ding aus etwa zehn Metern reingelupft."

An dem Tag selbst, am 22. Juni 1974, brauchte der Jenaer Hochschuldozent Georg Buschner gar nicht so tief in die psychologische Trickkiste zu greifen, denn nach dem 0:0 zwischen Chile und Australien waren beide deutsche Teams bereits für die zweite Gruppenphase qualifiziert. "Dadurch war die Stimmung bei der Busfahrt ins Volksparkstadion natürlich unheimlich locker", erinnert sich heute der 59-jährige Jürgen Sparwasser und gibt zu: "Wir wussten, dass die westdeutsche Mannschaft individuell mit Beckenbauer, Müller, Breitner besser besetzt ist. Aber athletisch und taktisch konnten wir absolut mithalten."

Genau darauf hatte der "eiskalte Rechner" Buschner die Taktik ausgerichtet. Sparwasser: "Ich sollte Franz Beckenbauer stören, wenn er den Doppelpass mit Gerd Müller sucht." Das hat funktioniert – und noch mehr: Jürgen Sparwasser gelang 21.03 Uhr, in der 78. Minute, das Tor, das Geschichte schrieb.

Eine spezielle politische Vorbereitung, so Jürgen Sparwasser, habe es vor diesem Bruder-Duell nicht gegeben. "Keiner wurde da noch einmal gegen den Klassenfeind geimpft.Vor diesem Prestigekampf sah doch jeder zu, dass er topfit ist und seine Leistung auf dem Platz bringt."

Als Jürgen Sparwasser mit der DDR-Mannschaft letztlich einen honorigen sechsten Platz nach Hause gebracht hatte, verfolgte er den 2:1-Finalsieg der Bundesrepublik über die Niederlande mit ein paar Kumpels und ein paar Bierchen in seiner Zweieinhalb-Zimmer-Neubauwohnung in der Kleestraße 18 und amüsierte sich, als Franz Beckenbauer ihn noch einmal lobte: "Eigentlich gehört dem Jürgen Sparwasser noch eine Medaille. Der hat uns mit seinem Tor rechtzeitig wachgerüttelt."

Weniger Anerkennung und mehr Ärger hatte der Torschütze Sparwasser, der im Trikot des 1. FC Magdeburg 20 Europacuptore schoss, Europacupsieger der Pokalsieger, dreimal Meister und viermal Pokalgewinner wurde, nach seiner Rückkehr. Da wurden Gerüchte gestreut, "ich hätte ein Auto, ein Haus und eine Wahnsinnsprämie bekommen". Für das Vordringen in die zweite Runde hatten die Sportoberen eine Prämie von 2500 Mark West ausgelobt, "was zweifellos viel, viel Geld war."

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Ihm persönlich habe auch geschadet, dass sein Tor "nicht nur in jeder Sportsendung, sondern auch in Unterhaltungsshows gezeigt wurde. Da hatten die Leute bald die Nase gestrichen voll. Schon wieder der Sparwasser..."

Nach seinem Karriereende 1979 arbeitete der Diplomsportlehrer an der Uni Magdeburg. Als er 1986, schon vertieft in seine Doktorarbeit auf dem Gebiet Sportspiele, dreimal den Posten des Cheftrainers vom 1. FC Magdeburg ablehnte, setzten ihn die Parteigewaltigen die Pistole auf die Brust: "Entweder Trainer oder Rausschmiss von der Uni." Jürgen Sparwasser, der in seiner Hochzeit "Angebote von Gladbach und Köln" ablehnte, weil er "die Familie nicht im Stich lassen wollte" zog die Konsequenzen und setzte sich im Januar 1988 mit seiner Frau Christa in den Westen ab. Tochter Silke folgte den Eltern mit Enkel Phillipp-Benjamin nach der Wende.

Seit 1988 wohnen die Sparwassers im hessischen Bad Vilbel. Anfangs habe ihnen der damalige Trainer der Frankfurter Eintracht, Karl-Heinz Feldkamp und seine Frau "unter die Arme gegriffen. Das werde ich nicht vergessen", meint Jürgen Sparwasser, der nach den Trainer-Stationen in Frankfurt und Darmstadt sowie dem Job als Präsident der Berufsspieler-Gewerkschaft jetzt leidenschaftlich sein Projekt einer eigenen Fußballschule im brandenburgischen Brieselang verfolgt.

Am Mittwoch holte ihn wieder einmal die Geschichte ein, als er seinen 60. Geburtstag im Magdeburger Hotel "Zum Lindenweiler" mit Kollegen aus mehreren Generationen feierte. Dazu gehören Martin Hoffmann, "Zappl" Zapf, "Paule" Seguin, Jürgen Pommerenke oder Achim Streich.