Jürgen Kohler: "Ich bemühe mich um Neutralität"

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Weltmeister 1990, Europameister 1996, Champions-League-Sieger 1997, dreimal Deutscher Meister, UEFA-Cup-Sieger 1993 und italienischer Meister 1995 mit Juventus Turin - die Erfolge von Jürgen Kohler ließen sich beliebig erweitern. Heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) treffen in Bayern München und Borussia Dortmund zwei ehemalige Vereine des früheren Abwehrspielers im Viertelfinale des DFB-Pokals aufeinander.

"Ich bemühe mich um Neutralität", sagt der 105-fache deutsche Nationalspieler im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Sven Winterschladen. Aber der 47-Jährige spricht auch über den neuen Stellenwert des deutschen Fußballs: "Die Bundesliga ist mindestens wieder auf einer Stufe mit Spanien oder England."

DFB.de: Herr Kohler, Bayern München gegen Borussia Dortmund - verbinden Sie mit diesem Duell auch Ihre persönlich beste Zeit als Profifußballer?

Jürgen Kohler: Das ist schwer einzuschätzen. Insgesamt haben mir diese beiden Stationen geholfen, um mich als Sportler und Persönlichkeit zu entwickeln. Als recht junger Spieler bin ich vom 1. FC Köln zum FC Bayern gegangen. Juventus Turin war danach ein großes Abenteuer. Als ich nach Dortmund kam, hatte ich dann schon die entsprechende Erfahrung. Ich kann nicht sagen, was die beste oder schönste Zeit war. Wenn ich da eine Station herausheben würde, dann würde ich den anderen nicht gerecht werden. Ich habe mir aus allen Situationen etwas mitgenommen.

DFB.de: War Dortmund trotzdem Ihre beste Zeit?

Kohler: Es war auf jeden Fall meine längste Station. Und natürlich waren wir ziemlich erfolgreich. Wir sind zweimal Deutscher Meister geworden. Wir haben 1997 die Champions League gewonnen, danach auch noch den Weltpokal. Das war schon großartig. Aber besonders gerne denke ich an die fußballbegeisterten Menschen dort zurück.

DFB.de: Wem drücken Sie die Daumen, wenn Bayern gegen den BVB spielt?

Kohler: Ich bemühe mich um Neutralität. Ich bin da nicht mehr so involviert. Deshalb kann ich die Begegnung mit der nötigen Ruhe und dem entsprechenden Abstand genießen. Ich freue mich als Fan auf ein tolles Spiel. Vergangenes Jahr hat der BVB verdientermaßen den DFB-Pokal im Endspiel gegen den FC Bayern gewonnen. Die waren in allen Belangen besser.

DFB.de: Treffen nun die beiden derzeit besten deutschen Mannschaften aufeinander?

Kohler: Ja, das denke ich schon. Leverkusen ist auch nicht zu unterschätzen, die haben ebenfalls viel Potenzial. Aber ich sehe Bayer 04 noch lange nicht auf einem Niveau mit Dortmund oder den Bayern.

DFB.de: War damit zu rechnen, dass sich der BVB nach einigen schweren Jahren so entwickeln würde?

Kohler: Meiner Meinung nach war das abzusehen. In jeder Krise steckt ja auch die Chance auf einen Neuanfang. Deshalb war mir klar, dass der BVB zurückkommen wird. Das Potenzial innerhalb dieses Vereins ist riesig.

DFB.de: Welchen Anteil hat Trainer Jürgen Klopp?

Kohler: Es gibt wahrscheinlich keine zwei Meinungen, dass Jürgen Klopp der richtige Mann am richtigen Ort ist. Er hat großen Anteil, es passt einfach. Aber man darf auch den Verdienst von Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc nicht vergessen. Für ihn freut es mich besonders, weil er anfangs sehr in der Kritik stand. Aber Michael Zorc hat sich dieser gestellt und mit Jürgen Klopp den perfekten Trainer gefunden. Das passt wie die Faust aufs Auge.

DFB.de: Ist Bayern München gegen Borussia Dortmund auch das Duell zweier Trainergenerationen - Jupp Heynckes auf der einen, Jürgen Klopp auf der anderen Seite?

Kohler: Ich würde kein Generationenduell daraus machen wollen. Jürgen Klopp ist auch schon fast 15 Jahre in diesem Bereich tätig und wird entsprechende Erfahrungen gesammelt haben. Aber was sicherlich stimmt: Jupp Heynckes ist eher der introvertierte Typ, der alles sachlicher und nüchterner sieht. Jürgen Klopp lebt von seinen Emotionen, von seiner Impulsivität. Das passt hervorragend in den Ruhrpott. Da muss man einfach diese Explosivität haben.

DFB.de: Ist der FC Bayern in diesem Jahr überhaupt zu stoppen?

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Kohler: Das glaube ich nicht, zumindest nicht in der Meisterschaft. Die Verantwortlichen haben alles richtig gemacht. Mario Mandzukic und Dante waren absolute Glücksgriffe. Diese Jungs besitzen eine große individuelle Klasse. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer der Fall. Vor allem war der Kader in der Breite nicht stark genug. Sicherlich hatten die tolle Einzelspieler, aber die Bank war nicht so stark. Schauen Sie doch nur mal, wer da im Moment alles manchmal auf der Bank sitzt. Vergangenes Jahr konnten sie die personelle Probleme kaum gleichwertig kompensieren.

DFB.de: Wie sehen Sie die Personalie Pep Guardiola, der im Sommer Bayern-Trainer wird?

Kohler: Ich freue mich, dass ein junger und erfolgreicher Trainer den Weg in die Bundesliga findet. Das spricht für den deutschen Fußball. Wir sind mindestens wieder auf einem Niveau mit Spanien oder England. Die Bundesliga ist eine absolute Topadresse in Europa. Ich bin gespannt, wie sich Guardiola bei Bayern zurechtfinden wird. Das wird aus einem Grund eine ganz andere Hausnummer als vorher beim FC Barcelona: Dort ist er aufgewachsen, er hat der Mannschaft als Spieler seinen Stempel aufdrücken können, er weiß, wie die Stadt pulsiert, er war wahrscheinlich schon in jeder Ecke, er kennt die Menschen dort. In München muss er sich erst ganz neu einfinden. Das ist auch für einen Pep Guardiola Neuland.

DFB.de: Wie sehen Ihre persönlichen Ziele aus?

Kohler: Ich habe den Fußball-Lehrerschein nicht nur gemacht, um ihn bei bestimmten Veranstaltungen zu verlängern. Es wäre schon schön, wenn es mit einem Engagement bei einem Bundesligisten oder einem anderen ambitionierten Verein mal wieder klappen würde. Das würde mir Spaß machen.

DFB.de: Zuletzt waren Sie vor allem im Jugendbereich tätig.

Kohler: Ich habe die vergangenen drei Jahre genossen, in denen ich die A-Jugend des Grafschafter SV betreuen durfte. Das ist der Verein in meinem 500-Seelen-Heimatdorf. Wir sind jedes Jahr aufgestiegen. Inzwischen spielt die Mannschaft in der Rheinlandliga. Das ist zwei Klassen unter der Junioren-Bundesliga. Für so einen Ort ist das Wahnsinn, für die Spieler ist Fußball ein reines Hobby. Die kommen aus einem Umkreis von fünf oder sechs Kilometern. Aber ich konnte nicht weitermachen, ich schaffe es zeitlich einfach nicht mehr. Die Jungs müssen jetzt auch viermal die Woche trainieren, ich muss aber noch meine Firmen betreuen. Zeitlich klappt das leider alles nicht mehr.

DFB.de: In welcher Funktion sehen Sie sich?

Kohler: Da bin ich nicht festgelegt. Ich sehe mich als Trainer. Aber ich war bei Bayer 04 Leverkusen auch sehr erfolgreich als Sportdirektor tätig. Wichtig ist ein gutes Netzwerk, man muss sich im Fußball gut auskennen. Ich habe eine riesige Datenbank. Ich bin gewappnet - für alles, was jetzt kommen mag. Aber ich dränge mich nicht auf, ich bin kein Speichellecker. Das habe ich nicht nötig, das ist nicht meine Art. Ich habe Ecken und Kanten, und dazu stehe ich auch.

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Weltmeister 1990, Europameister 1996, Champions-League-Sieger 1997, dreimal Deutscher Meister, UEFA-Cup-Sieger 1993 und italienischer Meister 1995 mit Juventus Turin - die Erfolge von Jürgen Kohler ließen sich beliebig erweitern. Heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) treffen in Bayern München und Borussia Dortmund zwei ehemalige Vereine des früheren Abwehrspielers im Viertelfinale des DFB-Pokals aufeinander.

"Ich bemühe mich um Neutralität", sagt der 105-fache deutsche Nationalspieler im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Sven Winterschladen. Aber der 47-Jährige spricht auch über den neuen Stellenwert des deutschen Fußballs: "Die Bundesliga ist mindestens wieder auf einer Stufe mit Spanien oder England."

DFB.de: Herr Kohler, Bayern München gegen Borussia Dortmund - verbinden Sie mit diesem Duell auch Ihre persönlich beste Zeit als Profifußballer?

Jürgen Kohler: Das ist schwer einzuschätzen. Insgesamt haben mir diese beiden Stationen geholfen, um mich als Sportler und Persönlichkeit zu entwickeln. Als recht junger Spieler bin ich vom 1. FC Köln zum FC Bayern gegangen. Juventus Turin war danach ein großes Abenteuer. Als ich nach Dortmund kam, hatte ich dann schon die entsprechende Erfahrung. Ich kann nicht sagen, was die beste oder schönste Zeit war. Wenn ich da eine Station herausheben würde, dann würde ich den anderen nicht gerecht werden. Ich habe mir aus allen Situationen etwas mitgenommen.

DFB.de: War Dortmund trotzdem Ihre beste Zeit?

Kohler: Es war auf jeden Fall meine längste Station. Und natürlich waren wir ziemlich erfolgreich. Wir sind zweimal Deutscher Meister geworden. Wir haben 1997 die Champions League gewonnen, danach auch noch den Weltpokal. Das war schon großartig. Aber besonders gerne denke ich an die fußballbegeisterten Menschen dort zurück.

DFB.de: Wem drücken Sie die Daumen, wenn Bayern gegen den BVB spielt?

Kohler: Ich bemühe mich um Neutralität. Ich bin da nicht mehr so involviert. Deshalb kann ich die Begegnung mit der nötigen Ruhe und dem entsprechenden Abstand genießen. Ich freue mich als Fan auf ein tolles Spiel. Vergangenes Jahr hat der BVB verdientermaßen den DFB-Pokal im Endspiel gegen den FC Bayern gewonnen. Die waren in allen Belangen besser.

DFB.de: Treffen nun die beiden derzeit besten deutschen Mannschaften aufeinander?

Kohler: Ja, das denke ich schon. Leverkusen ist auch nicht zu unterschätzen, die haben ebenfalls viel Potenzial. Aber ich sehe Bayer 04 noch lange nicht auf einem Niveau mit Dortmund oder den Bayern.

DFB.de: War damit zu rechnen, dass sich der BVB nach einigen schweren Jahren so entwickeln würde?

Kohler: Meiner Meinung nach war das abzusehen. In jeder Krise steckt ja auch die Chance auf einen Neuanfang. Deshalb war mir klar, dass der BVB zurückkommen wird. Das Potenzial innerhalb dieses Vereins ist riesig.

DFB.de: Welchen Anteil hat Trainer Jürgen Klopp?

Kohler: Es gibt wahrscheinlich keine zwei Meinungen, dass Jürgen Klopp der richtige Mann am richtigen Ort ist. Er hat großen Anteil, es passt einfach. Aber man darf auch den Verdienst von Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc nicht vergessen. Für ihn freut es mich besonders, weil er anfangs sehr in der Kritik stand. Aber Michael Zorc hat sich dieser gestellt und mit Jürgen Klopp den perfekten Trainer gefunden. Das passt wie die Faust aufs Auge.

DFB.de: Ist Bayern München gegen Borussia Dortmund auch das Duell zweier Trainergenerationen - Jupp Heynckes auf der einen, Jürgen Klopp auf der anderen Seite?

Kohler: Ich würde kein Generationenduell daraus machen wollen. Jürgen Klopp ist auch schon fast 15 Jahre in diesem Bereich tätig und wird entsprechende Erfahrungen gesammelt haben. Aber was sicherlich stimmt: Jupp Heynckes ist eher der introvertierte Typ, der alles sachlicher und nüchterner sieht. Jürgen Klopp lebt von seinen Emotionen, von seiner Impulsivität. Das passt hervorragend in den Ruhrpott. Da muss man einfach diese Explosivität haben.

DFB.de: Ist der FC Bayern in diesem Jahr überhaupt zu stoppen?

[bild2]

Kohler: Das glaube ich nicht, zumindest nicht in der Meisterschaft. Die Verantwortlichen haben alles richtig gemacht. Mario Mandzukic und Dante waren absolute Glücksgriffe. Diese Jungs besitzen eine große individuelle Klasse. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer der Fall. Vor allem war der Kader in der Breite nicht stark genug. Sicherlich hatten die tolle Einzelspieler, aber die Bank war nicht so stark. Schauen Sie doch nur mal, wer da im Moment alles manchmal auf der Bank sitzt. Vergangenes Jahr konnten sie die personelle Probleme kaum gleichwertig kompensieren.

DFB.de: Wie sehen Sie die Personalie Pep Guardiola, der im Sommer Bayern-Trainer wird?

Kohler: Ich freue mich, dass ein junger und erfolgreicher Trainer den Weg in die Bundesliga findet. Das spricht für den deutschen Fußball. Wir sind mindestens wieder auf einem Niveau mit Spanien oder England. Die Bundesliga ist eine absolute Topadresse in Europa. Ich bin gespannt, wie sich Guardiola bei Bayern zurechtfinden wird. Das wird aus einem Grund eine ganz andere Hausnummer als vorher beim FC Barcelona: Dort ist er aufgewachsen, er hat der Mannschaft als Spieler seinen Stempel aufdrücken können, er weiß, wie die Stadt pulsiert, er war wahrscheinlich schon in jeder Ecke, er kennt die Menschen dort. In München muss er sich erst ganz neu einfinden. Das ist auch für einen Pep Guardiola Neuland.

DFB.de: Wie sehen Ihre persönlichen Ziele aus?

Kohler: Ich habe den Fußball-Lehrerschein nicht nur gemacht, um ihn bei bestimmten Veranstaltungen zu verlängern. Es wäre schon schön, wenn es mit einem Engagement bei einem Bundesligisten oder einem anderen ambitionierten Verein mal wieder klappen würde. Das würde mir Spaß machen.

DFB.de: Zuletzt waren Sie vor allem im Jugendbereich tätig.

Kohler: Ich habe die vergangenen drei Jahre genossen, in denen ich die A-Jugend des Grafschafter SV betreuen durfte. Das ist der Verein in meinem 500-Seelen-Heimatdorf. Wir sind jedes Jahr aufgestiegen. Inzwischen spielt die Mannschaft in der Rheinlandliga. Das ist zwei Klassen unter der Junioren-Bundesliga. Für so einen Ort ist das Wahnsinn, für die Spieler ist Fußball ein reines Hobby. Die kommen aus einem Umkreis von fünf oder sechs Kilometern. Aber ich konnte nicht weitermachen, ich schaffe es zeitlich einfach nicht mehr. Die Jungs müssen jetzt auch viermal die Woche trainieren, ich muss aber noch meine Firmen betreuen. Zeitlich klappt das leider alles nicht mehr.

DFB.de: In welcher Funktion sehen Sie sich?

Kohler: Da bin ich nicht festgelegt. Ich sehe mich als Trainer. Aber ich war bei Bayer 04 Leverkusen auch sehr erfolgreich als Sportdirektor tätig. Wichtig ist ein gutes Netzwerk, man muss sich im Fußball gut auskennen. Ich habe eine riesige Datenbank. Ich bin gewappnet - für alles, was jetzt kommen mag. Aber ich dränge mich nicht auf, ich bin kein Speichellecker. Das habe ich nicht nötig, das ist nicht meine Art. Ich habe Ecken und Kanten, und dazu stehe ich auch.