Jones: "Perfekte Werbung für den Frauenfußball"

Der verwandelte Elfmeter von Saki Kumagai kurz vor Mitternacht bedeutete den ersten Weltmeister-Titel für Japan. Er war zugleich der sportliche Schlusspunkt - nicht nur eines an Dramatik kaum zu überbietenden WM-Endspiels zwischen den USA und Japan, sondern auch der sechsten FIFA Frauen-Weltmeisterschaft vom 26. Juni bis 17. Juli 2011, der ersten Frauenfußball-WM in Deutschland.

Beeindruckt von einem enorm spannenden Endspiel, bezeichnet Steffi Jones das siegreiche japanische Team „als würdigen Weltmeister“ und gratuliert auch dem starken Vizeweltmeister USA. Im DFB.de-Gespräch der Woche mit OK-Pressechef Jens Grittner beschreibt die OK-Präsidentin auf den besonderen Moment, in dem sie dem WM-Pokal überreichen durfte.

Steffi Jones betont zudem, dass dieses Turnier vor allem im Hinblick auf die weltweite Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs Lust auf mehr gemacht hat und zieht eine insgesamt positive WM-Bilanz. Sie erwähnt aber auch so manche Hürde im Verlauf der gesamten WM-Vorbereitung und macht keinen Hehl aus der einen oder anderen Freudenträne.

DFB.de: Steffi Jones, Japan ist Weltmeister. Hatten Sie das erwartet?

Steffi Jones: Nein, das war nicht zu erwarten. Dass in einem WM-Finale der Weltranglisten-Erste gegen den Vierten antritt, ist aber nicht unbedingt eine Überraschung. Japan hat noch nie gegen die USA gewonnen und schafft es zum ersten Mal ausgerechnet in einem WM-Finale. Sensationell. Japan ist ein würdiger Weltmeister, und ich freue mich sehr für das ganze Land, für das es endlich mal wieder positive Signale gibt, die hoffentlich alle Menschen in Japan erreicht haben. Das ganze Land kann stolz sein auf seine Weltmeisterinnen. Sie haben sich nie aufgegeben und immer an sich geglaubt.

DFB.de: Was sagen Sie zum Spielverlauf?

Steffi Jones: Der war an Spannung und Dramatik nicht mehr zu überbieten. Ein solches Finale wünscht man sich. Da war wirklich alles drin. Ich bin total begeistert und noch immer beeindruckt. Auf das gesamte Turnier bezogen, sind für mich die besten Teams ins Endspiel eingezogen. Und dann braucht man eben auch das berühmte Quäntchen Glück, das gestern die Japanerinnen auf ihrer Seite hatten. Wobei sie sich das auch hart erarbeitet und letztlich auch absolut verdient haben. Die Mannschaft der USA besitzt eine unglaubliche Physis und großen Kampfgeist. Die Japanerinnen zeichnen sich durch Disziplin, aber auch durch spielerische Fähigkeiten aus, die sie in den vergangenen Jahren stark verbessert haben. Das haben sie beim Viertelfinale gegen uns unter Beweis gestellt, im Halbfinale gegen Schweden eindrucksvoll untermauert. Nun haben sie ihr Meisterstück gemacht.

DFB.de: Für Sie hat sich ein Traum erfüllt, als Sie den WM-Pokal überreichen durften. Was haben Sie dabei empfunden?

Steffi Jones: Das war ein atemberaubender Moment. Ich war natürlich aufgeregt. Wie schon bei der Eröffnung der WM in Berlin. Es ist eine ganz besondere Ehre, hautnah dabei sein zu dürfen, wenn der neue Weltmeister gekürt wird. Ganz besonders genossen habe ich die Umarmungen jeder einzelnen Spielerin, die so glücklich waren. Es geht aber nicht um mich, sondern um die Spielerinnen. Sie sollen im Rampenlicht stehen, nicht wir. Den Weltmeister-Pokal überreicht zu bekommen, ist der größte Augenblick, den man als Fußballerin erleben kann. Ich gratuliere von Herzen Japan, die über das gesamte Turnier wirklich verdient Weltmeister geworden sind. Ich habe aber auch mitgefühlt mit den Spielerinnen der USA, von denen ich ja viele persönlich kenne. Wenn man so nah dran ist, der Pokal in Griffweite ist, man zweimal in Führung geht und ihn dann doch nicht in Händen halten kann - dann denkt man, dass das alles nicht wahr sein kann. Die USA haben ein tolles WM-Turnier gespielt. Schnell, spektakulär, kraftvoll. Sie haben diese WM geprägt und bereichert. Natürlich sind sie enttäuscht, und es ist schwer, in solchen Momenten die richtigen Worte zu finden. Ich wünsche den Spielerinnen, dass sie irgendwann stolz darauf sein können, Vizeweltmeister geworden zu sein.

DFB.de: Wie sieht es einen Tag nach Abpfiff der WM in Ihnen aus: Sind Sie erleichtert, dass alles so reibungslos gelaufen ist, oder überkommt Sie bereits Wehmut?

Steffi Jones: Ich glaube, dass jeder verstehen kann, dass ich auch ein wenig Wehmut habe. Als Spielerin hat man die Chance, mehrmals an einem WM-Turnier teilzunehmen. Aber eine WM zu organisieren, noch dazu im eigenen Land - das erlebt nur einmal im Leben. Wir haben mit unserem großartigen Team fast vier Jahre gearbeitet an diesem Mammutwerk Frauen-WM. Wir hatten auch schwierige Phasen, mussten so manche Hürde überwunden. Wir haben mit der Organisation einer Frauen-WM als DFB ja selbst Neuland betreten. Es war ein Abenteuer, ein Wagnis, das wir alle beim DFB eingegangen sind. Ich gebe zu: Auch wir waren manchmal unsicher. Wie sollen wir die Stadien voll bekommen? Stimmen die Ticketpreise? Wie können wir die Vorfreude in der gesamten Bevölkerung schüren? Wie die Spielerinnen bekannter machen? Unser ganzes Team mit allen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der OK- und DFB-Zentrale und in den Außenstellen hat einen fantastischen Job gemacht. Das hat uns anfangs nicht jeder zugetraut. Wir aber haben immer daran geglaubt, dass wir es schaffen können. Das war schon eine sehr kräftezehrende Zeit. Ich will sie aber nicht missen, ganz im Gegenteil. Diese Zeit war sehr prägend, hat mich persönlich wieder reifen lassen. Ich bin sehr dankbar für diesen sehr intensiven Lebensabschnitt und bin unheimlich stolz auf das, was wir geleistet haben.

DFB.de: Welches Fazit der Frauen-WM zieht die OK-Präsidentin?

Steffi Jones: Ein sehr positives. Wir haben wirklich eine schöne, stimmungsvolle, friedfertige Frauen-Weltmeisterschaft erlebt und sind sehr zufrieden. Es ist schön, wenn man von vielen Seiten Lob bekommt. Von der FIFA, von den teilnehmenden WM-Nationen, vom Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, aber auch von vielen Menschen, die mich im Zug, auf der Straße oder eben im Stadion angesprochen haben. Das Medien-Interesse war gigantisch, das Publikum in den Stadien weltmeisterlich. Die Fans haben sehr genau differenziert, waren sehr feinfühlig. Besonders habe ich mich darüber gefreut, dass nach dem Abspielen der Hymnen immer applaudiert, nie gepfiffen wurde. Es ist uns gemeinsam mit der FIFA, den neun WM-Spielorten, den Partnern aus der Wirtschaft, den Medien, der Politik bis hin zu jedem einzelnen Volunteer und jugendlichem Zuschauer gelungen, für die weltbesten Frauenfußball-Teams eine wirklich großartige WM-Bühne zu bauen.

DFB.de: Wie bewerten Sie das sportliche fußballerische Niveau dieser WM?

Steffi Jones: Fußballerisch hat sich das Niveau zusehends gesteigert. Ich habe mit einigen Spielerinnen und Trainern gesprochen, die mir sagten, dass sie gerade bei den ersten Spielen unheimlich aufgeregt waren und angesichts der beeindruckenden Kulissen in den Stadien geradezu erstarrt sind vor Ehrfurcht. Anfangs war noch viel Nervosität zu spüren, die sich dann aber legte. Danach wurden die meisten Partien besser. Die Spannung war teilweise sehr hoch. Der Abstand zwischen den Teams ist sehr viel enger geworden, was daran zu erkennen ist, dass nicht mehr so viele Tore wie früher fallen. Natürlich hat sich der Frauenfußball weiter entwickelt im Vergleich zu den WM-Turnieren 2003 und 2007.

DFB.de: Was denken Sie: Welches Signal hat Deutschland 2011 ausgesendet?

Steffi Jones: "Seht her, hier haben selbstbewusste Frauen großartige Leistungen vollbracht!" Die Frauen-WM 2011 hat eindrucksvoll bewiesen, wie sich der Frauenfußball entwickelt hat. Spielen können sie auch in allen anderen Ländern. Frauenfußball hat ein riesiges Potenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Wir müssen weltweit weiter an den Strukturen arbeiten und Mädchen ermutigen, Fußball zu spielen. Dieses Turnier macht Mut und gibt Zuversicht. Ich glaube, Deutschland 2011 war die perfekte Werbung für den Frauenfußball, hat große Lust auf mehr gemacht. Das Turnier ist ein Quantensprung, vielleicht sogar die entscheidende Initialzündung für die internationale Weiterentwicklung des Frauenfußballs.

DFB.de: Mit dem überraschenden Viertelfinal-Aus der deutschen Mannschaften und dem Dopingfall Nordkoreas gab es jedoch auch unerfreuliche Aspekte dieser WM. Wie bewerten Sie diese in der Rückschau?

Steffi Jones: Schon vor dem Turnier habe ich gesagt, dass es Überraschungen geben wird. Dass aber unsere eigene Mannschaft dazu gehören sollte, das hätte ich, wie viele andere auch, nicht für möglich gehalten. Es wurde im Nachhinein ja viel vom hohen Druck gesprochen. Ich hätte der Mannschaft gewünscht, dass sie sich von der Welle der Begeisterung durch das Turnier tragen lässt, leichtfüßig aufspielt und Spaß hat. Das abruft, was sie kann. Fest steht für mich, dass durch das Ausscheiden nun nicht gleich wieder alles schlecht ist. Wir haben eine hervorragende Ausgangssituation, nach wie vor eine starke Nationalmannschaft und vor allem auch eine solide Basis als Grundvoraussetzung für eine starke Spitze.

DFB.de: Und der Fall Nordkorea?

Steffi Jones: Der Dopingfall mit Nordkorea hat bei aller Betroffenheit und allem Unverständnis als bemerkenswerten Nebenaspekt bewiesen, dass die Kontrollen und das Vorgehen der FIFA absolut greifen. Doping hat im Sport nichts zu suchen. Und alles, was dazu beiträgt, dagegen anzugehen, begrüße ich ausdrücklich. Der Fall liegt nun bei der Disziplinarkommission der FIFA. Leid tun mir allerdings die betroffenen Spielerinnen, die als Teil dieses Systems vielleicht gar nicht wussten, was sie da eingenommen haben und was vor sich ging. Der DFB und wir reichen Nordkorea aber weiterhin die Hand.

DFB.de: Wie wird es weitergehen mit dem deutschen Frauenfußball?

Steffi Jones: Wir kennen alle die Realität und wissen, dass eine Fußball-WM nie und nimmer verglichen werden kann mit dem Alltag in der Frauen-Bundesliga und dem laufenden Spielbetrieb. Dennoch glaube ich, dass sich das Image des Frauenfußballs nachhaltig und langfristig erheblich verbessert hat. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wir werden weiter an der Basis für unseren Sport werben, vor allem in Schulen und Vereinen. Denn nach wie vor ist es mein Wunsch, dass jedes Mädchen, das Fußball spielen möchte, dafür auch eine Mannschaft vor der eigenen Haustür findet. Wichtig ist, dass wir alle an einem Strang ziehen: wir beim DFB, die Gremien und Ausschüsse, die Nationalmannschaft, die Frauen-Bundesliga, die Klubs.

DFB.de: Was machen Sie als nächstes, was erwarten Sie von Ihrer neuen Aufgabe als Direktorin für Frauenfußball beim DFB?

Steffi Jones: Am 1. September schlage ich als DFB-Direktorin Frauenfußball ein neues Kapitel auf. Dann beginnt das nächste Abenteuer, bei dem ich aber nicht das Rad neu erfinden muss, sondern auf bewährte Strukturen zurückgreifen kann. Ich denke schon, dass mir dabei meine Erfahrungen aus der WM-Organisation zugute kommen werden. In ein paar Tagen aber fliege ich erst einmal in die Sonne. Ich gebe zu, dass ich urlaubsreif bin. Und das Bedürfnis verspüre, nun alles noch mal in Ruhe zu verarbeiten. Dazu hatte ich einfach noch keine Zeit. Weil ich auch ein emotionaler Mensch bin, werde ich dabei vielleicht zudem das ein oder andere Tränchen verdrücken. Aber keine Sorge: Es werden wohl eher Freudentränen sein.

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Der verwandelte Elfmeter von Saki Kumagai kurz vor Mitternacht bedeutete den ersten Weltmeister-Titel für Japan. Er war zugleich der sportliche Schlusspunkt - nicht nur eines an Dramatik kaum zu überbietenden WM-Endspiels zwischen den USA und Japan, sondern auch der sechsten FIFA Frauen-Weltmeisterschaft vom 26. Juni bis 17. Juli 2011, der ersten Frauenfußball-WM in Deutschland.

Beeindruckt von einem enorm spannenden Endspiel, bezeichnet Steffi Jones das siegreiche japanische Team „als würdigen Weltmeister“ und gratuliert auch dem starken Vizeweltmeister USA. Im DFB.de-Gespräch der Woche mit OK-Pressechef Jens Grittner beschreibt die OK-Präsidentin auf den besonderen Moment, in dem sie dem WM-Pokal überreichen durfte.

Steffi Jones betont zudem, dass dieses Turnier vor allem im Hinblick auf die weltweite Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs Lust auf mehr gemacht hat und zieht eine insgesamt positive WM-Bilanz. Sie erwähnt aber auch so manche Hürde im Verlauf der gesamten WM-Vorbereitung und macht keinen Hehl aus der einen oder anderen Freudenträne.

DFB.de: Steffi Jones, Japan ist Weltmeister. Hatten Sie das erwartet?

Steffi Jones: Nein, das war nicht zu erwarten. Dass in einem WM-Finale der Weltranglisten-Erste gegen den Vierten antritt, ist aber nicht unbedingt eine Überraschung. Japan hat noch nie gegen die USA gewonnen und schafft es zum ersten Mal ausgerechnet in einem WM-Finale. Sensationell. Japan ist ein würdiger Weltmeister, und ich freue mich sehr für das ganze Land, für das es endlich mal wieder positive Signale gibt, die hoffentlich alle Menschen in Japan erreicht haben. Das ganze Land kann stolz sein auf seine Weltmeisterinnen. Sie haben sich nie aufgegeben und immer an sich geglaubt.

DFB.de: Was sagen Sie zum Spielverlauf?

Steffi Jones: Der war an Spannung und Dramatik nicht mehr zu überbieten. Ein solches Finale wünscht man sich. Da war wirklich alles drin. Ich bin total begeistert und noch immer beeindruckt. Auf das gesamte Turnier bezogen, sind für mich die besten Teams ins Endspiel eingezogen. Und dann braucht man eben auch das berühmte Quäntchen Glück, das gestern die Japanerinnen auf ihrer Seite hatten. Wobei sie sich das auch hart erarbeitet und letztlich auch absolut verdient haben. Die Mannschaft der USA besitzt eine unglaubliche Physis und großen Kampfgeist. Die Japanerinnen zeichnen sich durch Disziplin, aber auch durch spielerische Fähigkeiten aus, die sie in den vergangenen Jahren stark verbessert haben. Das haben sie beim Viertelfinale gegen uns unter Beweis gestellt, im Halbfinale gegen Schweden eindrucksvoll untermauert. Nun haben sie ihr Meisterstück gemacht.

DFB.de: Für Sie hat sich ein Traum erfüllt, als Sie den WM-Pokal überreichen durften. Was haben Sie dabei empfunden?

Steffi Jones: Das war ein atemberaubender Moment. Ich war natürlich aufgeregt. Wie schon bei der Eröffnung der WM in Berlin. Es ist eine ganz besondere Ehre, hautnah dabei sein zu dürfen, wenn der neue Weltmeister gekürt wird. Ganz besonders genossen habe ich die Umarmungen jeder einzelnen Spielerin, die so glücklich waren. Es geht aber nicht um mich, sondern um die Spielerinnen. Sie sollen im Rampenlicht stehen, nicht wir. Den Weltmeister-Pokal überreicht zu bekommen, ist der größte Augenblick, den man als Fußballerin erleben kann. Ich gratuliere von Herzen Japan, die über das gesamte Turnier wirklich verdient Weltmeister geworden sind. Ich habe aber auch mitgefühlt mit den Spielerinnen der USA, von denen ich ja viele persönlich kenne. Wenn man so nah dran ist, der Pokal in Griffweite ist, man zweimal in Führung geht und ihn dann doch nicht in Händen halten kann - dann denkt man, dass das alles nicht wahr sein kann. Die USA haben ein tolles WM-Turnier gespielt. Schnell, spektakulär, kraftvoll. Sie haben diese WM geprägt und bereichert. Natürlich sind sie enttäuscht, und es ist schwer, in solchen Momenten die richtigen Worte zu finden. Ich wünsche den Spielerinnen, dass sie irgendwann stolz darauf sein können, Vizeweltmeister geworden zu sein.

DFB.de: Wie sieht es einen Tag nach Abpfiff der WM in Ihnen aus: Sind Sie erleichtert, dass alles so reibungslos gelaufen ist, oder überkommt Sie bereits Wehmut?

Steffi Jones: Ich glaube, dass jeder verstehen kann, dass ich auch ein wenig Wehmut habe. Als Spielerin hat man die Chance, mehrmals an einem WM-Turnier teilzunehmen. Aber eine WM zu organisieren, noch dazu im eigenen Land - das erlebt nur einmal im Leben. Wir haben mit unserem großartigen Team fast vier Jahre gearbeitet an diesem Mammutwerk Frauen-WM. Wir hatten auch schwierige Phasen, mussten so manche Hürde überwunden. Wir haben mit der Organisation einer Frauen-WM als DFB ja selbst Neuland betreten. Es war ein Abenteuer, ein Wagnis, das wir alle beim DFB eingegangen sind. Ich gebe zu: Auch wir waren manchmal unsicher. Wie sollen wir die Stadien voll bekommen? Stimmen die Ticketpreise? Wie können wir die Vorfreude in der gesamten Bevölkerung schüren? Wie die Spielerinnen bekannter machen? Unser ganzes Team mit allen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der OK- und DFB-Zentrale und in den Außenstellen hat einen fantastischen Job gemacht. Das hat uns anfangs nicht jeder zugetraut. Wir aber haben immer daran geglaubt, dass wir es schaffen können. Das war schon eine sehr kräftezehrende Zeit. Ich will sie aber nicht missen, ganz im Gegenteil. Diese Zeit war sehr prägend, hat mich persönlich wieder reifen lassen. Ich bin sehr dankbar für diesen sehr intensiven Lebensabschnitt und bin unheimlich stolz auf das, was wir geleistet haben.

DFB.de: Welches Fazit der Frauen-WM zieht die OK-Präsidentin?

Steffi Jones: Ein sehr positives. Wir haben wirklich eine schöne, stimmungsvolle, friedfertige Frauen-Weltmeisterschaft erlebt und sind sehr zufrieden. Es ist schön, wenn man von vielen Seiten Lob bekommt. Von der FIFA, von den teilnehmenden WM-Nationen, vom Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, aber auch von vielen Menschen, die mich im Zug, auf der Straße oder eben im Stadion angesprochen haben. Das Medien-Interesse war gigantisch, das Publikum in den Stadien weltmeisterlich. Die Fans haben sehr genau differenziert, waren sehr feinfühlig. Besonders habe ich mich darüber gefreut, dass nach dem Abspielen der Hymnen immer applaudiert, nie gepfiffen wurde. Es ist uns gemeinsam mit der FIFA, den neun WM-Spielorten, den Partnern aus der Wirtschaft, den Medien, der Politik bis hin zu jedem einzelnen Volunteer und jugendlichem Zuschauer gelungen, für die weltbesten Frauenfußball-Teams eine wirklich großartige WM-Bühne zu bauen.

DFB.de: Wie bewerten Sie das sportliche fußballerische Niveau dieser WM?

Steffi Jones: Fußballerisch hat sich das Niveau zusehends gesteigert. Ich habe mit einigen Spielerinnen und Trainern gesprochen, die mir sagten, dass sie gerade bei den ersten Spielen unheimlich aufgeregt waren und angesichts der beeindruckenden Kulissen in den Stadien geradezu erstarrt sind vor Ehrfurcht. Anfangs war noch viel Nervosität zu spüren, die sich dann aber legte. Danach wurden die meisten Partien besser. Die Spannung war teilweise sehr hoch. Der Abstand zwischen den Teams ist sehr viel enger geworden, was daran zu erkennen ist, dass nicht mehr so viele Tore wie früher fallen. Natürlich hat sich der Frauenfußball weiter entwickelt im Vergleich zu den WM-Turnieren 2003 und 2007.

DFB.de: Was denken Sie: Welches Signal hat Deutschland 2011 ausgesendet?

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Steffi Jones: "Seht her, hier haben selbstbewusste Frauen großartige Leistungen vollbracht!" Die Frauen-WM 2011 hat eindrucksvoll bewiesen, wie sich der Frauenfußball entwickelt hat. Spielen können sie auch in allen anderen Ländern. Frauenfußball hat ein riesiges Potenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Wir müssen weltweit weiter an den Strukturen arbeiten und Mädchen ermutigen, Fußball zu spielen. Dieses Turnier macht Mut und gibt Zuversicht. Ich glaube, Deutschland 2011 war die perfekte Werbung für den Frauenfußball, hat große Lust auf mehr gemacht. Das Turnier ist ein Quantensprung, vielleicht sogar die entscheidende Initialzündung für die internationale Weiterentwicklung des Frauenfußballs.

DFB.de: Mit dem überraschenden Viertelfinal-Aus der deutschen Mannschaften und dem Dopingfall Nordkoreas gab es jedoch auch unerfreuliche Aspekte dieser WM. Wie bewerten Sie diese in der Rückschau?

Steffi Jones: Schon vor dem Turnier habe ich gesagt, dass es Überraschungen geben wird. Dass aber unsere eigene Mannschaft dazu gehören sollte, das hätte ich, wie viele andere auch, nicht für möglich gehalten. Es wurde im Nachhinein ja viel vom hohen Druck gesprochen. Ich hätte der Mannschaft gewünscht, dass sie sich von der Welle der Begeisterung durch das Turnier tragen lässt, leichtfüßig aufspielt und Spaß hat. Das abruft, was sie kann. Fest steht für mich, dass durch das Ausscheiden nun nicht gleich wieder alles schlecht ist. Wir haben eine hervorragende Ausgangssituation, nach wie vor eine starke Nationalmannschaft und vor allem auch eine solide Basis als Grundvoraussetzung für eine starke Spitze.

DFB.de: Und der Fall Nordkorea?

Steffi Jones: Der Dopingfall mit Nordkorea hat bei aller Betroffenheit und allem Unverständnis als bemerkenswerten Nebenaspekt bewiesen, dass die Kontrollen und das Vorgehen der FIFA absolut greifen. Doping hat im Sport nichts zu suchen. Und alles, was dazu beiträgt, dagegen anzugehen, begrüße ich ausdrücklich. Der Fall liegt nun bei der Disziplinarkommission der FIFA. Leid tun mir allerdings die betroffenen Spielerinnen, die als Teil dieses Systems vielleicht gar nicht wussten, was sie da eingenommen haben und was vor sich ging. Der DFB und wir reichen Nordkorea aber weiterhin die Hand.

DFB.de: Wie wird es weitergehen mit dem deutschen Frauenfußball?

Steffi Jones: Wir kennen alle die Realität und wissen, dass eine Fußball-WM nie und nimmer verglichen werden kann mit dem Alltag in der Frauen-Bundesliga und dem laufenden Spielbetrieb. Dennoch glaube ich, dass sich das Image des Frauenfußballs nachhaltig und langfristig erheblich verbessert hat. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wir werden weiter an der Basis für unseren Sport werben, vor allem in Schulen und Vereinen. Denn nach wie vor ist es mein Wunsch, dass jedes Mädchen, das Fußball spielen möchte, dafür auch eine Mannschaft vor der eigenen Haustür findet. Wichtig ist, dass wir alle an einem Strang ziehen: wir beim DFB, die Gremien und Ausschüsse, die Nationalmannschaft, die Frauen-Bundesliga, die Klubs.

DFB.de: Was machen Sie als nächstes, was erwarten Sie von Ihrer neuen Aufgabe als Direktorin für Frauenfußball beim DFB?

Steffi Jones: Am 1. September schlage ich als DFB-Direktorin Frauenfußball ein neues Kapitel auf. Dann beginnt das nächste Abenteuer, bei dem ich aber nicht das Rad neu erfinden muss, sondern auf bewährte Strukturen zurückgreifen kann. Ich denke schon, dass mir dabei meine Erfahrungen aus der WM-Organisation zugute kommen werden. In ein paar Tagen aber fliege ich erst einmal in die Sonne. Ich gebe zu, dass ich urlaubsreif bin. Und das Bedürfnis verspüre, nun alles noch mal in Ruhe zu verarbeiten. Dazu hatte ich einfach noch keine Zeit. Weil ich auch ein emotionaler Mensch bin, werde ich dabei vielleicht zudem das ein oder andere Tränchen verdrücken. Aber keine Sorge: Es werden wohl eher Freudentränen sein.