Joko Winterscheidt: „Schnell herausgefunden, dass das Lug und Trug war“

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Joko Winterscheidt ist der Meister des Streichs. Niemand organisiert seine Schelmenstücke professioneller als der Moderator. Sie sind der rote Faden seiner Arbeit. Der 35-Jährige scheint mit allen Wassern gewaschen zu sein. Was durchaus wörtlich zu verstehen ist. Schließlich saß auch er einmal einem Bluff auf.

Seine Schwester machte ihm glauben, ein guter Fußballer zu sein. Die Realität traf ihn aber nicht so hart, dass er dem Fußball hätte absprechen wollen. Im Gegenteil: Joko Winterscheidt ist noch heute ein großer Fußballfan.

Im fanclub.dfb.de-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer spricht er über Borussia Mönchengladbach, eine Schnapsidee, eine Elefantenrunde und einen Tauchkurs.

fanclub.dfb.de: Herr Winterscheidt, mit sieben Jahren haben Sie ein T-Shirt mit einem aufgedruckten Logo von Borussia Mönchengladbach erhalten. Gibt es das noch?

Joko Winterscheidt: Das gibt es tatsächlich noch. Das ist quasi das erste Trikot, das ich bekommen habe. Meine Schwester hatte es mir geschenkt. Das ist noch wohlbehalten und liegt bei meinem Vater im alten Kinderzimmer.

fanclub.dfb.de: Wollten Sie das nicht an Ihre Neffen vererben?

Joko Winterscheidt: Meine Neffen sind zwar fußballinteressiert, aber leider nicht so, dass ich sie mit irgendeinem Trikot happy machen könnte. Die haben den falschen Verein gewählt. Es ist das klassische Ich-weiß-es-nicht-besser-und-werde-FC-Bayern-Fan. Da hat man ein entspannteres Fandasein als bei Borussia Mönchengladbach, bei der man auch mal schlechtere Zeiten durchleben muss. Von daher habe ich es noch nicht vererbt.

fanclub.dfb.de: Wollte Sie Ihre Schwester mit dem Geschenk ein wenig zum Fußball hinleiten?

Joko Winterscheidt: Ja, das hat sie auch gut hingekriegt. Sie hat auch mit mir im Garten Fußball gespielt. Sie hat mich immer haushoch gewinnen lassen. Damit ich das Gefühl hatte, es voll drauf zu haben. Und tatsächlich hatte ich mich dann auch bei einem Verein angemeldet.

fanclub.dfb.de: Wann kam die Borussia ins Spiel?

Joko Winterscheidt: Meine Schwester war schon immer Gladbach-Fan. Als kleiner Junge habe ich natürlich zu ihr aufgeschaut. Und weil es ihr Verein war, war es dann auch mein Verein.

fanclub.dfb.de: Gab es kein Erlebnis, was die Liebe manifestierte?

Joko Winterscheidt: Doch: Ich habe 1992 das unfassbare Pokal-Halbfinale gegen Leverkusen gesehen. Da hat Uwe Kamps alle vier Elfmeter gehalten. Da saß ich das erste Mal im Stadion und habe gleich Rotz und Wasser geheult. Womit meine Schwester etwas überfordert gewesen ist, weil ich mich so sehr gefreut habe, dass der Mann die ganzen Bälle gehalten hat.

fanclub.dfb.de: Wurde Uwe Kamps Ihr Idol?

Joko Winterscheidt: Naja, die Wahl war schon Torwart. Das kam so, weil mich meine Schwester im Garten so angeschossen hatte, das ich die Dinger auch halten konnte. Aber ich habe schnell herausgefunden, dass das Lug und Trug war, was sie mit mir veranstaltet hatte. Gleich im ersten Spiel kamen die Jungs, die das richtig konnten – und ich habe sofort 18 Tore kassiert. Von da an habe ich nur noch linker Verteidiger gespielt – als Rechtsfuß.

fanclub.dfb.de: Wie kam es dazu, dass Sie sich Holger Fach nannten?

Joko Winterscheidt: Weil ich immer groß und dünn war und zudem kurze Haare hatte. Das war halt Holger Fach. Ich hatte noch andere Kumpels, die sich ebenfalls Namen von Gladbacher Spielern ausgesucht hatten. Das ging nach dem Typ – also wie man aussah. Aber ich war wirklich ein großer Fan von ihm. Auch als er später dann Trainer wurde. Ich war der Erste, der gesagt hat, das ist ein Guter.

fanclub.dfb.de: Haben Sie außer dem Kinder-T-Shirt sonstige Fan-Artikel gesammelt?

Joko Winterscheidt: Ja, ich kriege immer Ärger mit meiner Freundin, weil ich die Raute aufs Auto klebe, wenn wir einen neuen Wagen bekommen. Die fragt mich jedes Mal: Warum machst Du das? Na, weil man in Berlin Farbe bekennen muss. Das ist ein Diskussionsthema zu Hause. Es gibt ganz viele, die sich in Berlin B-MG aufs Nummernschild machen, das geht ja ganz leicht. Es gibt in Berlin durchaus viele Menschen, die in Sachen Fußball einen guten Geschmack beweisen.

fanclub.dfb.de: Gibt es außer Autoaufklebern noch etwas?

Joko Winterscheidt: Mittlerweile habe ich noch ein paar Trikots. Freunde haben mir zum Beispiel ein Gladbach-Trikot mit der Rückennummer 1 geschenkt. Es ist ein Feldspieler-Trikot, aber die 1 wird ja nur vom Torwart getragen. Wenn ich mit den Jungs kicken gehen will, lasse ich es lieber im Schrank hängen, weil sich alle immer lustig machen, dass ein Spielertrikot die Nummer 1 hat. Ich muss dann immer erklären, dass ich das geschenkt bekommen habe. Und das glaubt mir natürlich keiner. Jeder glaubt, ich war der Dumme.

fanclub.dfb.de: Und gibt es Devotionalien aus der Jugendzeit?

Joko Winterscheidt: Ich habe noch einen Schal und eine Fahne – die liegen auch beide bei meinem Vater. Die Fahne ist eigentlich ein Besenstil mit einem weißen Kopfkissen dran, was grün und schwarz besprüht wurde von mir. Damit bin ich nie zum Fußball gegangen. Aber zuhause habe ich sie im Garten herumgeschwenkt, so wie das kleine Jungen halt machen. Aber viel mehr gibt es dann auch nicht mehr.

fanclub.dfb.de: Autogramme haben Sie auch gesammelt.

Joko Winterscheidt: Ja, ich habe immer unfrankierte Briefumschläge an die Borussia geschickt. Ich vermute aus reinem Good Will ist dann auch etwas zurückgekommen. An der krakeligen Schrift konnten die ja erkennen, dass ich ein kleiner Junge war. Da kamen dann auch relativ häufig gleiche Autogrammkarten an. Zum Beispiel von Uwe Rahn. Was natürlich super war, weil der bei uns im Ort gewohnt hat. Das ist auch eine schöne Geschichte. Wir sind immer zu ihm gerannt und haben da geklingelt, um um Autogramme zu betteln. Ungefähr jeden Tag. Irgendwann hat er gesagt: So, ihr kriegt jetzt ein Eis und dann ist Schluss. Das war natürlich ein großer Fehler. Weil das war ja eine Belohnung. Also sind wir in den kommenden Tagen wieder hin, haben nicht nach Autogrammen gefragt, sondern gesagt: Wir hätten gerne ein Eis, Herr Rahn.

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fanclub.dfb.de: Beinahe wäre der Mannschaftsbus der Borussia nach Ihnen benannt worden. Was steckte dahinter?

Joko Winterscheidt: Das war eine Schnapsidee. Ich saß in der Redaktion und sah den Post von der Borussia, dass ein Name für den Bus gesucht wurde. Ich habe einfach mal meinen Vorschlag abgeschickt. Das Ganze habe ich dann über meine Facebook-Seite gespielt, auf der ich mittlerweile 1,3 Millionen Follower habe. Insofern hatte ich einen großen Background, der mit abstimmen konnte. Und das hat dann auch funktioniert. Das Ergebnis war mehr als deutlich, ich hatte rund 90 Prozent aller Stimmen. Der Name des Gefährts sollte tatsächlich der meine sein. Aber diesen Spaß haben dann doch einige Menschen nicht verstanden. Deswegen bin ich davon zurückgetreten, den Bus auf meinen Namen taufen zu lassen. Dabei war es das Schönste, dass anschließend einige Spieler auf mich zugekommen sind, mich beiseite genommen haben und mir erzählten, dass sie sehr darüber lachen konnten. Mittlerweile kann ich es aber auch verstehen, das der ein oder andere sagt, das finde ich doof.

fanclub.dfb.de: Wie viel Zeit haben Sie derzeit für Fußball und wie intensiv fiebern Sie mit?

Joko Winterscheidt: Wenn ich in der Heimat bin, dann bin ich im Stadion. Das ist meistens so. Weil ich häufig am Wochenende komme. Wenn ich dann mit meiner Schwester telefoniere, sagt die sofort: Aber dann hat Gladbach ein Heimspiel. Dann ist meistens klar, dass ich am Samstag doch nicht zu Hause bin. Weil ich den Tag im Stadion verbringe. Ansonsten versuche ich auch so jedes Spiel der Borussia zu sehen. Und damit ich auch sonst meine Borussia verfolgen kann, habe ich mir Sky geholt.

fanclub.dfb.de: Was fasziniert sie am Fußball?

Joko Winterscheidt: Für mich sind schöne Spielzüge wichtig, zu sehen, mit welcher Leichtigkeit der Ball durch die eigenen Reihen zirkuliert. Wenn dann der tödliche Pass kommt und der Ball versenkt wird, das liebe ich. Mir geht es um die Schönheit des Fußballs. Bei mir zählt die Ästhetik des Spiels, nicht das klassische Fußball-Fachwissen.

fanclub.dfb.de: Wie lassen Sie sich von der Stadionatmosphäre leiten?

Joko Winterscheidt: Ich bin der Erste, der aufsteht, wenn gesungen wird „Steh auf, wenn Du ein Gladbacher bist“. Auch wenn ich nicht mehr in der Kurve stehe. Ich bin der Erste, der rumschreit zwischen den sitzenden Menschen. Da ist das Herz voll dabei.

fanclub.dfb.de: Sie waren als Experte für kabeleins beim Finale der Europa League. Wie war das?

Joko Winterscheidt: Das war absurd! So nah bei einem solchen Spiel am Geschehen dran sein zu dürfen, das sind die Momente, in denen man einfach Glück hat. So etwas erleben zu dürfen. Mit Michael Ballack, Christian Nerlinger und Felix Magath in einer Elefantenrunde sitzen zu dürfen, das gibt es doch nicht. Die konnten natürlich ihr volles Fußballwissen auspacken – da bin ich dann leider raus. Das sind Mega-Profis. Dann durfte ich mir mit Magath noch das Stadion angucken. Was für ein netter und lustiger Kauz das ist. Ich hatte eigentlich Schiss und Respekt vor ihm. Ich dachte mir, dass das eigentlich ein relativ unangenehmer Zeitgenosse sein müsste auf Grund seines Rufs als Trainer, er ist ja nicht umsonst der Drill Sergeant. Ich war relativ überrascht, wie lustig und nett der Mann ist.

fanclub.dfb.de: Hat dieser Job Zukunft für Sie?

Joko Winterscheidt: Ich würde mich nicht als Fußballexperten bezeichnen wollen. Fußball-Unterhalter wäre eher der Fall. Ich könnte in einer solchen Runde dazu beitragen, die Leute zum Lachen zu bringen.

fanclub.dfb.de: International hätten bei der WM auch Marc-André ter Stegen und Max Kruse dabei sein können. Fiebert man mit den Spielern des eigenen Klubs bei der WM-Nominierung mit?

Joko Winterscheidt: Ich habe sogar bei Marcell Jansen mitgefiebert, weil der vom Herzen für mich auch noch ein Gladbacher ist. Ich hätte mich für jeden einzelnen gefreut. Dafür ist Christoph Kramer noch in der Verlosung. Man freut sich natürlich, wenn der eigene Verein einen Nationalspieler stellt. Das ist schon was, bei dem man sagt: Geil! Da erhält die WM noch eine weitere Dimension.

fanclub.dfb.de: Wie sehr sind Sie der Nationalmannschaft verbunden?

Joko Winterscheidt: Als Fan total! Ich hoffe, dass ich nach 1990 mal wieder feiern kann. Damals habe ich mit Panini-Sammelalbum vor dem Fernseher gelegen und mir das Finale angeschaut. Ich hatte mich gewundert, dass es selbst in einem so kleinen Orten wie unserem einen Autokorso gab. Aber ich hoffe, dass dieser Moment mir irgendwann noch einmal zuteil wird und ich noch einmal einen Gewinn der Weltmeisterschaft feiern darf.

fanclub.dfb.de: Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Mannschaft in Brasilien ein?

Joko Winterscheidt: Ich habe das Gefühl, dass hier in Deutschland jeder mit der Erwartung in eine WM geht, dass wir den Titel holen. Aber ich bin dieses Jahr nicht so optimistisch. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass es nichts gibt. Das soll nicht demotivierend klingen. Das ist einfach nur mein Gefühl. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren, wenn die deutschen Spieler die WM ihres Lebens spielen. Wenn ich meine Skepsis formuliere, dann auch nur, damit das irgendein Nationalspieler liest und sich dann denkt: Dem Kerl zeig’ ich’s.

fanclub.dfb.de: Werden Sie zum Länderspiel gegen Kamerun mal wieder zu Hause sein?

Joko Winterscheidt: Nein, leider nicht. Da muss ich für „Duell um die Welt“ einen Tauchkurs machen. Und deswegen sind derzeit auch die ganzen Wochenenden blockiert. Ich wäre gerne gekommen, weil auch mein Neffe Geburtstag hat. Dann hätte ich mal wieder ein Familien-Wochenende mit einem Fußballspiel verbinden können.

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Joko Winterscheidt ist der Meister des Streichs. Niemand organisiert seine Schelmenstücke professioneller als der Moderator. Sie sind der rote Faden seiner Arbeit. Der 35-Jährige scheint mit allen Wassern gewaschen zu sein. Was durchaus wörtlich zu verstehen ist. Schließlich saß auch er einmal einem Bluff auf.

Seine Schwester machte ihm glauben, ein guter Fußballer zu sein. Die Realität traf ihn aber nicht so hart, dass er dem Fußball hätte absprechen wollen. Im Gegenteil: Joko Winterscheidt ist noch heute ein großer Fußballfan.

Im fanclub.dfb.de-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer spricht er über Borussia Mönchengladbach, eine Schnapsidee, eine Elefantenrunde und einen Tauchkurs.

fanclub.dfb.de: Herr Winterscheidt, mit sieben Jahren haben Sie ein T-Shirt mit einem aufgedruckten Logo von Borussia Mönchengladbach erhalten. Gibt es das noch?

Joko Winterscheidt: Das gibt es tatsächlich noch. Das ist quasi das erste Trikot, das ich bekommen habe. Meine Schwester hatte es mir geschenkt. Das ist noch wohlbehalten und liegt bei meinem Vater im alten Kinderzimmer.

fanclub.dfb.de: Wollten Sie das nicht an Ihre Neffen vererben?

Joko Winterscheidt: Meine Neffen sind zwar fußballinteressiert, aber leider nicht so, dass ich sie mit irgendeinem Trikot happy machen könnte. Die haben den falschen Verein gewählt. Es ist das klassische Ich-weiß-es-nicht-besser-und-werde-FC-Bayern-Fan. Da hat man ein entspannteres Fandasein als bei Borussia Mönchengladbach, bei der man auch mal schlechtere Zeiten durchleben muss. Von daher habe ich es noch nicht vererbt.

fanclub.dfb.de: Wollte Sie Ihre Schwester mit dem Geschenk ein wenig zum Fußball hinleiten?

Joko Winterscheidt: Ja, das hat sie auch gut hingekriegt. Sie hat auch mit mir im Garten Fußball gespielt. Sie hat mich immer haushoch gewinnen lassen. Damit ich das Gefühl hatte, es voll drauf zu haben. Und tatsächlich hatte ich mich dann auch bei einem Verein angemeldet.

fanclub.dfb.de: Wann kam die Borussia ins Spiel?

Joko Winterscheidt: Meine Schwester war schon immer Gladbach-Fan. Als kleiner Junge habe ich natürlich zu ihr aufgeschaut. Und weil es ihr Verein war, war es dann auch mein Verein.

fanclub.dfb.de: Gab es kein Erlebnis, was die Liebe manifestierte?

Joko Winterscheidt: Doch: Ich habe 1992 das unfassbare Pokal-Halbfinale gegen Leverkusen gesehen. Da hat Uwe Kamps alle vier Elfmeter gehalten. Da saß ich das erste Mal im Stadion und habe gleich Rotz und Wasser geheult. Womit meine Schwester etwas überfordert gewesen ist, weil ich mich so sehr gefreut habe, dass der Mann die ganzen Bälle gehalten hat.

fanclub.dfb.de: Wurde Uwe Kamps Ihr Idol?

Joko Winterscheidt: Naja, die Wahl war schon Torwart. Das kam so, weil mich meine Schwester im Garten so angeschossen hatte, das ich die Dinger auch halten konnte. Aber ich habe schnell herausgefunden, dass das Lug und Trug war, was sie mit mir veranstaltet hatte. Gleich im ersten Spiel kamen die Jungs, die das richtig konnten – und ich habe sofort 18 Tore kassiert. Von da an habe ich nur noch linker Verteidiger gespielt – als Rechtsfuß.

fanclub.dfb.de: Wie kam es dazu, dass Sie sich Holger Fach nannten?

Joko Winterscheidt: Weil ich immer groß und dünn war und zudem kurze Haare hatte. Das war halt Holger Fach. Ich hatte noch andere Kumpels, die sich ebenfalls Namen von Gladbacher Spielern ausgesucht hatten. Das ging nach dem Typ – also wie man aussah. Aber ich war wirklich ein großer Fan von ihm. Auch als er später dann Trainer wurde. Ich war der Erste, der gesagt hat, das ist ein Guter.

fanclub.dfb.de: Haben Sie außer dem Kinder-T-Shirt sonstige Fan-Artikel gesammelt?

Joko Winterscheidt: Ja, ich kriege immer Ärger mit meiner Freundin, weil ich die Raute aufs Auto klebe, wenn wir einen neuen Wagen bekommen. Die fragt mich jedes Mal: Warum machst Du das? Na, weil man in Berlin Farbe bekennen muss. Das ist ein Diskussionsthema zu Hause. Es gibt ganz viele, die sich in Berlin B-MG aufs Nummernschild machen, das geht ja ganz leicht. Es gibt in Berlin durchaus viele Menschen, die in Sachen Fußball einen guten Geschmack beweisen.

fanclub.dfb.de: Gibt es außer Autoaufklebern noch etwas?

Joko Winterscheidt: Mittlerweile habe ich noch ein paar Trikots. Freunde haben mir zum Beispiel ein Gladbach-Trikot mit der Rückennummer 1 geschenkt. Es ist ein Feldspieler-Trikot, aber die 1 wird ja nur vom Torwart getragen. Wenn ich mit den Jungs kicken gehen will, lasse ich es lieber im Schrank hängen, weil sich alle immer lustig machen, dass ein Spielertrikot die Nummer 1 hat. Ich muss dann immer erklären, dass ich das geschenkt bekommen habe. Und das glaubt mir natürlich keiner. Jeder glaubt, ich war der Dumme.

fanclub.dfb.de: Und gibt es Devotionalien aus der Jugendzeit?

Joko Winterscheidt: Ich habe noch einen Schal und eine Fahne – die liegen auch beide bei meinem Vater. Die Fahne ist eigentlich ein Besenstil mit einem weißen Kopfkissen dran, was grün und schwarz besprüht wurde von mir. Damit bin ich nie zum Fußball gegangen. Aber zuhause habe ich sie im Garten herumgeschwenkt, so wie das kleine Jungen halt machen. Aber viel mehr gibt es dann auch nicht mehr.

fanclub.dfb.de: Autogramme haben Sie auch gesammelt.

Joko Winterscheidt: Ja, ich habe immer unfrankierte Briefumschläge an die Borussia geschickt. Ich vermute aus reinem Good Will ist dann auch etwas zurückgekommen. An der krakeligen Schrift konnten die ja erkennen, dass ich ein kleiner Junge war. Da kamen dann auch relativ häufig gleiche Autogrammkarten an. Zum Beispiel von Uwe Rahn. Was natürlich super war, weil der bei uns im Ort gewohnt hat. Das ist auch eine schöne Geschichte. Wir sind immer zu ihm gerannt und haben da geklingelt, um um Autogramme zu betteln. Ungefähr jeden Tag. Irgendwann hat er gesagt: So, ihr kriegt jetzt ein Eis und dann ist Schluss. Das war natürlich ein großer Fehler. Weil das war ja eine Belohnung. Also sind wir in den kommenden Tagen wieder hin, haben nicht nach Autogrammen gefragt, sondern gesagt: Wir hätten gerne ein Eis, Herr Rahn.

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fanclub.dfb.de: Beinahe wäre der Mannschaftsbus der Borussia nach Ihnen benannt worden. Was steckte dahinter?

Joko Winterscheidt: Das war eine Schnapsidee. Ich saß in der Redaktion und sah den Post von der Borussia, dass ein Name für den Bus gesucht wurde. Ich habe einfach mal meinen Vorschlag abgeschickt. Das Ganze habe ich dann über meine Facebook-Seite gespielt, auf der ich mittlerweile 1,3 Millionen Follower habe. Insofern hatte ich einen großen Background, der mit abstimmen konnte. Und das hat dann auch funktioniert. Das Ergebnis war mehr als deutlich, ich hatte rund 90 Prozent aller Stimmen. Der Name des Gefährts sollte tatsächlich der meine sein. Aber diesen Spaß haben dann doch einige Menschen nicht verstanden. Deswegen bin ich davon zurückgetreten, den Bus auf meinen Namen taufen zu lassen. Dabei war es das Schönste, dass anschließend einige Spieler auf mich zugekommen sind, mich beiseite genommen haben und mir erzählten, dass sie sehr darüber lachen konnten. Mittlerweile kann ich es aber auch verstehen, das der ein oder andere sagt, das finde ich doof.

fanclub.dfb.de: Wie viel Zeit haben Sie derzeit für Fußball und wie intensiv fiebern Sie mit?

Joko Winterscheidt: Wenn ich in der Heimat bin, dann bin ich im Stadion. Das ist meistens so. Weil ich häufig am Wochenende komme. Wenn ich dann mit meiner Schwester telefoniere, sagt die sofort: Aber dann hat Gladbach ein Heimspiel. Dann ist meistens klar, dass ich am Samstag doch nicht zu Hause bin. Weil ich den Tag im Stadion verbringe. Ansonsten versuche ich auch so jedes Spiel der Borussia zu sehen. Und damit ich auch sonst meine Borussia verfolgen kann, habe ich mir Sky geholt.

fanclub.dfb.de: Was fasziniert sie am Fußball?

Joko Winterscheidt: Für mich sind schöne Spielzüge wichtig, zu sehen, mit welcher Leichtigkeit der Ball durch die eigenen Reihen zirkuliert. Wenn dann der tödliche Pass kommt und der Ball versenkt wird, das liebe ich. Mir geht es um die Schönheit des Fußballs. Bei mir zählt die Ästhetik des Spiels, nicht das klassische Fußball-Fachwissen.

fanclub.dfb.de: Wie lassen Sie sich von der Stadionatmosphäre leiten?

Joko Winterscheidt: Ich bin der Erste, der aufsteht, wenn gesungen wird „Steh auf, wenn Du ein Gladbacher bist“. Auch wenn ich nicht mehr in der Kurve stehe. Ich bin der Erste, der rumschreit zwischen den sitzenden Menschen. Da ist das Herz voll dabei.

fanclub.dfb.de: Sie waren als Experte für kabeleins beim Finale der Europa League. Wie war das?

Joko Winterscheidt: Das war absurd! So nah bei einem solchen Spiel am Geschehen dran sein zu dürfen, das sind die Momente, in denen man einfach Glück hat. So etwas erleben zu dürfen. Mit Michael Ballack, Christian Nerlinger und Felix Magath in einer Elefantenrunde sitzen zu dürfen, das gibt es doch nicht. Die konnten natürlich ihr volles Fußballwissen auspacken – da bin ich dann leider raus. Das sind Mega-Profis. Dann durfte ich mir mit Magath noch das Stadion angucken. Was für ein netter und lustiger Kauz das ist. Ich hatte eigentlich Schiss und Respekt vor ihm. Ich dachte mir, dass das eigentlich ein relativ unangenehmer Zeitgenosse sein müsste auf Grund seines Rufs als Trainer, er ist ja nicht umsonst der Drill Sergeant. Ich war relativ überrascht, wie lustig und nett der Mann ist.

fanclub.dfb.de: Hat dieser Job Zukunft für Sie?

Joko Winterscheidt: Ich würde mich nicht als Fußballexperten bezeichnen wollen. Fußball-Unterhalter wäre eher der Fall. Ich könnte in einer solchen Runde dazu beitragen, die Leute zum Lachen zu bringen.

fanclub.dfb.de: International hätten bei der WM auch Marc-André ter Stegen und Max Kruse dabei sein können. Fiebert man mit den Spielern des eigenen Klubs bei der WM-Nominierung mit?

Joko Winterscheidt: Ich habe sogar bei Marcell Jansen mitgefiebert, weil der vom Herzen für mich auch noch ein Gladbacher ist. Ich hätte mich für jeden einzelnen gefreut. Dafür ist Christoph Kramer noch in der Verlosung. Man freut sich natürlich, wenn der eigene Verein einen Nationalspieler stellt. Das ist schon was, bei dem man sagt: Geil! Da erhält die WM noch eine weitere Dimension.

fanclub.dfb.de: Wie sehr sind Sie der Nationalmannschaft verbunden?

Joko Winterscheidt: Als Fan total! Ich hoffe, dass ich nach 1990 mal wieder feiern kann. Damals habe ich mit Panini-Sammelalbum vor dem Fernseher gelegen und mir das Finale angeschaut. Ich hatte mich gewundert, dass es selbst in einem so kleinen Orten wie unserem einen Autokorso gab. Aber ich hoffe, dass dieser Moment mir irgendwann noch einmal zuteil wird und ich noch einmal einen Gewinn der Weltmeisterschaft feiern darf.

fanclub.dfb.de: Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Mannschaft in Brasilien ein?

Joko Winterscheidt: Ich habe das Gefühl, dass hier in Deutschland jeder mit der Erwartung in eine WM geht, dass wir den Titel holen. Aber ich bin dieses Jahr nicht so optimistisch. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass es nichts gibt. Das soll nicht demotivierend klingen. Das ist einfach nur mein Gefühl. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren, wenn die deutschen Spieler die WM ihres Lebens spielen. Wenn ich meine Skepsis formuliere, dann auch nur, damit das irgendein Nationalspieler liest und sich dann denkt: Dem Kerl zeig’ ich’s.

fanclub.dfb.de: Werden Sie zum Länderspiel gegen Kamerun mal wieder zu Hause sein?

Joko Winterscheidt: Nein, leider nicht. Da muss ich für „Duell um die Welt“ einen Tauchkurs machen. Und deswegen sind derzeit auch die ganzen Wochenenden blockiert. Ich wäre gerne gekommen, weil auch mein Neffe Geburtstag hat. Dann hätte ich mal wieder ein Familien-Wochenende mit einem Fußballspiel verbinden können.