Joggen auf Krücken: Ein Besuch bei der Amputierten-Nationalmannschaft

Heute ist der internationale Tag für Menschen mit Behinderung. Für DFB.de hat der Journalist Sven Winterschladen die Nationalmannschaft der Amputierten-Fußballer bei einem Trainingslager in der Sportschule Hennef besucht. Die Regeln sind ähnlich wie in der Kreisklasse oder der Bundesliga, die Voraussetzungen völlig anders: Die Feldspieler dürfen nur ein Bein, der Torhüter nur einen Arm haben.

Die Liebe zum Fußball hingegen ist genauso groß, sie vereint alle. Christian Heintz hat vor drei Jahren bei einem schweren Autounfall sein rechtes Bein verloren. Er ist eines der größten Talente im Kader. Und Marco Reinecke spielt in Berlin sogar in einer ganz normalen Freizeitliga mit. Auf eines arbeiten sie nun hin: Sie wollen sich für die WM 2014 in Mexiko qualifizieren.

Fußball war seine Leidenschaft, seine Liebe, sein Leben. Aber dann kam dieser tragische Autounfall vor drei Jahren, der beinahe alles zerstört hätte. Christian Heintz ist dem Tod von der Schippe gesprungen. Sein rechtes Bein musste er zurück lassen. "Es gab keine andere Möglichkeit als die Amputation", sagt der 28-Jährige rückblickend. Dabei perlt der Schweiß auf seiner Stirn. Er ist etwas außer Atem, er steht auf zwei Krücken, er hat jetzt nur noch ein Bein. Heintz ist gerade beim Training, beim Fußballtraining, beim Fußballtraining mit seinen neuen Kollegen der Nationalmannschaft der Amputierten-Fußballer.

DFB-Stiftung unterstützt die Amputierten-Nationalmannschaft

Unterstützt wird das Projekt durch die Sepp-Herberger-Stiftung. Diese finanziert sich vor allem aus Zuwendungen des Deutschen Fußball-Bundes, Zinserträgen sowie Spenden. Seit Gründung konnten bereits über 20 Millionen Euro für verschiedene soziale Projekte und Aktivitäten aufgewendet werden. Dabei stützen sich die Fördertätigkeiten auf die Säulen des Behindertenfußballs, der Resozialisierung von Strafgefangenen, der Förderung des Nachwuchses in Schulen & Vereinen sowie des DFB-Sozialwerks. Mit dem DFB-Sozialwerk unterstützt die Stiftung Fußballspieler in Not. Es war der ausdrückliche Wunsch von Sepp und Eva Herberger, dass dazu ihr Privatvermögen eingesetzt wird.

Am vergangenen Wochenende hat sich der deutsche Kader der Amputierten-Fußballer in der Sportschule Hennef getroffen. Die Mannschaft wird seit einem Monat von Hans-Jürgen Huth betreut. Der 48-Jährige trainiert auch die Futsal-Mannschaft von Hertha BSC. Die Regeln im Amputierten-Fußball und beim Futsal sind ähnlich - beides wird auf dem Kleinfeld trainiert. Huth hat keine leichte Aufgabe. Seine neue Mannschaft ist erst vor drei Jahren gegründet worden. Derzeit besteht sie aus 20 Spielern. Das größte Problem: Auf den ersten Sieg warten die Amputierten-Fußballer noch. Das soll möglichst im kommenden Jahr gegen die Niederlande oder Frankreich gelingen.

Alles wie überall: "Die Jungs wolllen am liebsten kicken"

Huth aber sieht riesiges Potential innerhalb des Teams und hat deshalb ein großes Ziel: "2014 findet die nächste Weltmeisterschaft statt. Wir wollen in Mexiko dabei sein." Um das zu erreichen, kommen die Sportler einmal im Monat aus allen Teilen Deutschlands zusammen. Dann treffen sie sich an einem langen Wochenende in irgendeiner Sportschule der Republik. Sie üben die Technik, sie studieren die Taktik ein. Das machen sie in einigen Einheiten auf dem Platz. "Aber wir arbeiten ebenfalls viel in der Theorie an der Tafel", sagt Coach Huth. "Das ist genauso wichtig. Auch wenn die Jungs natürlich am liebsten kicken wollen." Christian Heintz ist dafür eines der besten Beispiele. Wenn der Ball in der Nähe ist, ist alles andere ganz weit weg. Er ist eine der Säulen des Teams.

Bereits vor seinem Unfall galt er als großes Talent. Bei der SG Alfbachtal hat er in der A-Jugend noch in der Regionalliga gespielt. Im Seniorenbereich war er später in der Bezirks- und Landesliga aktiv. Aber dann kam dieser verheerende Tag. Seine Liebe zum Fußball ist dadurch nur noch größer geworden: "Ich liebe diesen Sport", sagt Heintz. "Es war für mich ein großer Schlag, als mir gesagt wurde, dass ich wahrscheinlich nie mehr auf dem Platz zurückkehren kann." Aber durch einen Aushang im Krankenhaus ist er auf diese Nationalmannschaft aufmerksam geworden. Seit etwa einem halben Jahr ist er jetzt dabei. "Es ist ein großartiges Gefühl wieder Fußball spielen zu können", betont Heintz. "Ich bin stolz darauf, dass ich das geschafft habe. Diese Gemeinschaft und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl unter Fußballern haben mir gefehlt. Jetzt geht es mir wieder gut." Im Alltag trägt er eine Prothese. Wenn er aber seinen Fußballschuh angezogen hat, wenn es endlich wieder auf den Platz geht, dann nutzt er wie alle anderen auch eine Gehhilfe. Er bereitet sich gewissenhaft vor: "Ich gehe mit diesen Krücken joggen, um mich fit zu halten", sagt Heintz. Er nimmt die ganze Sache ziemlich ernst.

Fairplay geht über alles

Am Ende dieser Einheit steht noch ein kleines Trainingsspielchen auf dem Programm – auf beiden Seiten stehen fünf Feldspieler, ein Schlussmann. Diejenigen, die die Tore machen wollen, dürfen nur ein Bein haben. Diejenigen, die die Tore verhindern wollen, dürfen nur einen Arm haben. Die Ausgangslage ist ganz einfach. Das Spiel selbst ist extrem anstrengend. Schon nach wenigen Minuten schnappen die ersten nach Luft. Ausruhen gibt es hier nicht. Und die Sprache untereinander ist genau die gleiche wie in der Bundesliga, der Verbandsliga, der Kreisliga – "Spiel doch ab! Leg zurück! Hintermann! Kopf hoch, weiter geht’s." Wenn einer stürzt, ist sofort eine helfende Hand in der Nähe. Fairplay geht hier über alles.

Trainer Huth verfolgt das Geschehen, ohne dabei Anweisung zu geben. Er macht das ganz bewusst, er will seine Jungs erst mal kennen lernen. Er sieht schnell, dass Marco Reinecke aus dem Kollektiv herausragt. Das ist kein Wunder, schließlich spielt der 35-Jährige in Berlin in einer ganz normalen Freizeitliga. "Für viele Nicht-Behinderte ist es da natürlich ungewöhnlich, auf einen Gegner mit nur einem Bein und zwei Krücken zu treffen. Am Anfang gehen sie vielleicht etwas vorsichtiger in den Zweikampf, aber das relativiert sich ganz schnell wieder." Nach ein paar Minuten ist auch Reinecke nur einer von vielen, und anders will er es auch gar nicht. Denn: "Egal ob mit oder ohne Amputation. Letztlich geht es doch nur um Fußball."

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Heute ist der internationale Tag für Menschen mit Behinderung. Für DFB.de hat der Journalist Sven Winterschladen die Nationalmannschaft der Amputierten-Fußballer bei einem Trainingslager in der Sportschule Hennef besucht. Die Regeln sind ähnlich wie in der Kreisklasse oder der Bundesliga, die Voraussetzungen völlig anders: Die Feldspieler dürfen nur ein Bein, der Torhüter nur einen Arm haben.

Die Liebe zum Fußball hingegen ist genauso groß, sie vereint alle. Christian Heintz hat vor drei Jahren bei einem schweren Autounfall sein rechtes Bein verloren. Er ist eines der größten Talente im Kader. Und Marco Reinecke spielt in Berlin sogar in einer ganz normalen Freizeitliga mit. Auf eines arbeiten sie nun hin: Sie wollen sich für die WM 2014 in Mexiko qualifizieren.

Fußball war seine Leidenschaft, seine Liebe, sein Leben. Aber dann kam dieser tragische Autounfall vor drei Jahren, der beinahe alles zerstört hätte. Christian Heintz ist dem Tod von der Schippe gesprungen. Sein rechtes Bein musste er zurück lassen. "Es gab keine andere Möglichkeit als die Amputation", sagt der 28-Jährige rückblickend. Dabei perlt der Schweiß auf seiner Stirn. Er ist etwas außer Atem, er steht auf zwei Krücken, er hat jetzt nur noch ein Bein. Heintz ist gerade beim Training, beim Fußballtraining, beim Fußballtraining mit seinen neuen Kollegen der Nationalmannschaft der Amputierten-Fußballer.

DFB-Stiftung unterstützt die Amputierten-Nationalmannschaft

Unterstützt wird das Projekt durch die Sepp-Herberger-Stiftung. Diese finanziert sich vor allem aus Zuwendungen des Deutschen Fußball-Bundes, Zinserträgen sowie Spenden. Seit Gründung konnten bereits über 20 Millionen Euro für verschiedene soziale Projekte und Aktivitäten aufgewendet werden. Dabei stützen sich die Fördertätigkeiten auf die Säulen des Behindertenfußballs, der Resozialisierung von Strafgefangenen, der Förderung des Nachwuchses in Schulen & Vereinen sowie des DFB-Sozialwerks. Mit dem DFB-Sozialwerk unterstützt die Stiftung Fußballspieler in Not. Es war der ausdrückliche Wunsch von Sepp und Eva Herberger, dass dazu ihr Privatvermögen eingesetzt wird.

Am vergangenen Wochenende hat sich der deutsche Kader der Amputierten-Fußballer in der Sportschule Hennef getroffen. Die Mannschaft wird seit einem Monat von Hans-Jürgen Huth betreut. Der 48-Jährige trainiert auch die Futsal-Mannschaft von Hertha BSC. Die Regeln im Amputierten-Fußball und beim Futsal sind ähnlich - beides wird auf dem Kleinfeld trainiert. Huth hat keine leichte Aufgabe. Seine neue Mannschaft ist erst vor drei Jahren gegründet worden. Derzeit besteht sie aus 20 Spielern. Das größte Problem: Auf den ersten Sieg warten die Amputierten-Fußballer noch. Das soll möglichst im kommenden Jahr gegen die Niederlande oder Frankreich gelingen.

Alles wie überall: "Die Jungs wolllen am liebsten kicken"

Huth aber sieht riesiges Potential innerhalb des Teams und hat deshalb ein großes Ziel: "2014 findet die nächste Weltmeisterschaft statt. Wir wollen in Mexiko dabei sein." Um das zu erreichen, kommen die Sportler einmal im Monat aus allen Teilen Deutschlands zusammen. Dann treffen sie sich an einem langen Wochenende in irgendeiner Sportschule der Republik. Sie üben die Technik, sie studieren die Taktik ein. Das machen sie in einigen Einheiten auf dem Platz. "Aber wir arbeiten ebenfalls viel in der Theorie an der Tafel", sagt Coach Huth. "Das ist genauso wichtig. Auch wenn die Jungs natürlich am liebsten kicken wollen." Christian Heintz ist dafür eines der besten Beispiele. Wenn der Ball in der Nähe ist, ist alles andere ganz weit weg. Er ist eine der Säulen des Teams.

Bereits vor seinem Unfall galt er als großes Talent. Bei der SG Alfbachtal hat er in der A-Jugend noch in der Regionalliga gespielt. Im Seniorenbereich war er später in der Bezirks- und Landesliga aktiv. Aber dann kam dieser verheerende Tag. Seine Liebe zum Fußball ist dadurch nur noch größer geworden: "Ich liebe diesen Sport", sagt Heintz. "Es war für mich ein großer Schlag, als mir gesagt wurde, dass ich wahrscheinlich nie mehr auf dem Platz zurückkehren kann." Aber durch einen Aushang im Krankenhaus ist er auf diese Nationalmannschaft aufmerksam geworden. Seit etwa einem halben Jahr ist er jetzt dabei. "Es ist ein großartiges Gefühl wieder Fußball spielen zu können", betont Heintz. "Ich bin stolz darauf, dass ich das geschafft habe. Diese Gemeinschaft und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl unter Fußballern haben mir gefehlt. Jetzt geht es mir wieder gut." Im Alltag trägt er eine Prothese. Wenn er aber seinen Fußballschuh angezogen hat, wenn es endlich wieder auf den Platz geht, dann nutzt er wie alle anderen auch eine Gehhilfe. Er bereitet sich gewissenhaft vor: "Ich gehe mit diesen Krücken joggen, um mich fit zu halten", sagt Heintz. Er nimmt die ganze Sache ziemlich ernst.

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Fairplay geht über alles

Am Ende dieser Einheit steht noch ein kleines Trainingsspielchen auf dem Programm – auf beiden Seiten stehen fünf Feldspieler, ein Schlussmann. Diejenigen, die die Tore machen wollen, dürfen nur ein Bein haben. Diejenigen, die die Tore verhindern wollen, dürfen nur einen Arm haben. Die Ausgangslage ist ganz einfach. Das Spiel selbst ist extrem anstrengend. Schon nach wenigen Minuten schnappen die ersten nach Luft. Ausruhen gibt es hier nicht. Und die Sprache untereinander ist genau die gleiche wie in der Bundesliga, der Verbandsliga, der Kreisliga – "Spiel doch ab! Leg zurück! Hintermann! Kopf hoch, weiter geht’s." Wenn einer stürzt, ist sofort eine helfende Hand in der Nähe. Fairplay geht hier über alles.

Trainer Huth verfolgt das Geschehen, ohne dabei Anweisung zu geben. Er macht das ganz bewusst, er will seine Jungs erst mal kennen lernen. Er sieht schnell, dass Marco Reinecke aus dem Kollektiv herausragt. Das ist kein Wunder, schließlich spielt der 35-Jährige in Berlin in einer ganz normalen Freizeitliga. "Für viele Nicht-Behinderte ist es da natürlich ungewöhnlich, auf einen Gegner mit nur einem Bein und zwei Krücken zu treffen. Am Anfang gehen sie vielleicht etwas vorsichtiger in den Zweikampf, aber das relativiert sich ganz schnell wieder." Nach ein paar Minuten ist auch Reinecke nur einer von vielen, und anders will er es auch gar nicht. Denn: "Egal ob mit oder ohne Amputation. Letztlich geht es doch nur um Fußball."