Jerome Boateng: "Ich helfe dem Team mehr auf rechts"

DFB.de: Sie haben Ihre Aufgaben gegen Portugal ziemlich überzeugend gelöst.

Boateng: Danke.

DFB.de: Bitte. Aus der Position gespielt werden Sie sich damit nicht haben.

Boateng: Das war auch nicht mein Anliegen. Wie gesagt: Es geht immer darum, für die Mannschaft das Optimum zu bringen.

DFB.de: In Deutschland spielen sieben Millionen Menschen unter dem Dach des DFB organisiert Fußball. Sie sind einer von elf, die es in die Startformation der Nationalmannschaft geschafft haben. Macht Sie dies noch stolz? Oder nimmt dieses Gefühl mit der Zahl der Länderspiele ab? Immerhin schon 40 haben Sie auf dem Konto.

Boateng: Natürlich macht mich das stolz, auf jeden Fall. Ich habe viel dafür gearbeitet, ich hatte an einigen Stellen auch Glück. Aber es ist für mich immer wieder eine stolzer Augenblick, wenn ich für mein Land auflaufen darf. Daran hat sich seit dem ersten Spiel nichts geändert, daran wird sich nie etwas ändern.

DFB.de: Deutschland hat bei der WM in Brasilien erst ein Spiel bestritten, Weltmeister Spanien hat sich schon aus dem Turnier verabschiedet. Wie sehr hat Sie dies überrascht?

Boateng: Schon sehr. Sie waren für mich einer der Favoriten, sie haben immer noch eine sehr starke Mannschaft. Das Beispiel Spanien zeigt, dass es bei so einem Turnier sehr schnell gehen kann. Spanien war zwar in einer schwierigen Gruppe, aber ich glaube, dass niemand damit gerechnet hätte, dass die Mannschaft bereits nach zwei Spielen keine Chance mehr haben würden. Wir haben zwar selber erlebt, wie stark Chile ist, aber normalerweise ist Spanien stärker.



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Kein Gegentor zugelassen, Weltfußballer Cristiano Ronaldo aus dem Spiel genommen, nach vorne einiges initiiert - es gibt schlechtere Zeugnisse für einen Rechtsverteidiger. Zumal für einen Rechtsverteidiger, der eigentlich Innenverteidiger ist. Jerome Boateng hat beim 4:0 gegen Portugal zum WM-Auftakt äußerst überzeugend agiert, wie der Rest der deutschen Nationalmannschaft auch.

Am Samstag (ab 21 Uhr MESZ, live in der ARD) steht nun das zweite Gruppenspiel gegen Ghana an. Und noch mehr als sonst steht Boateng im Fokus: Es kommt zum zweiten Bruderduell, wie schon 2010 bei der WM in Südafrika spielt Jerome gegen Kevin-Prince. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat Jerome Boateng im DFB.de-Interview über das Spiel gegen seinen Halbbruder, seine ghanaischen Wurzeln und seine sozialen Projekte gesprochen.

DFB.de: Herr Boateng, wissen Sie, auf welcher Position Per Mertesacker sein erstes Spiel in der Bundesliga bestritten hat?

Jerome Boateng: Wenn Sie so fragen, dann bestimmt auf rechts.

DFB.de: Treffer. Sollen wir dem Bundestrainer mal zuflüstern, dass Ihr Verteidigerkollege ebenfalls Erfahrungen auf dieser Position hat?

Boateng: Ich gehe stark davon aus, dass der Bundestrainer das weiß. Aber ich glaube dennoch nicht, dass Per eine Option für diese Seite ist.

DFB.de: Wahrscheinlich. Sein Einstand war ein Wegweiser. Die Leistung ist mit mittelmäßig noch schöngefärbt. Seither kam kein Trainer mehr auf die Idee, ihn woanders einzusetzen als in der Innenverteidigung. Wünschten Sie sich manchmal auch, dass Sie ein schlechterer Rechtsverteidiger wären?

Boateng: Gar nicht. Ich werde immer so spielen, dass ich auf allen Positionen, auf denen ich eingesetzt werde, mein Bestes für die Mannschaft gebe. Zwischen dem Bundestrainer und mir ist alles klar besprochen. So wie die Situation aktuell ist, helfe ich der Mannschaft mehr, wenn ich auf rechts spiele. Und das wird immer im Vordergrund stehen. Fußball ist ein Mannschaftssport, der Erfolg des Teams ist alles, was zählt.

DFB.de: Sie haben Ihre Aufgaben gegen Portugal ziemlich überzeugend gelöst.

Boateng: Danke.

DFB.de: Bitte. Aus der Position gespielt werden Sie sich damit nicht haben.

Boateng: Das war auch nicht mein Anliegen. Wie gesagt: Es geht immer darum, für die Mannschaft das Optimum zu bringen.

DFB.de: In Deutschland spielen sieben Millionen Menschen unter dem Dach des DFB organisiert Fußball. Sie sind einer von elf, die es in die Startformation der Nationalmannschaft geschafft haben. Macht Sie dies noch stolz? Oder nimmt dieses Gefühl mit der Zahl der Länderspiele ab? Immerhin schon 40 haben Sie auf dem Konto.

Boateng: Natürlich macht mich das stolz, auf jeden Fall. Ich habe viel dafür gearbeitet, ich hatte an einigen Stellen auch Glück. Aber es ist für mich immer wieder eine stolzer Augenblick, wenn ich für mein Land auflaufen darf. Daran hat sich seit dem ersten Spiel nichts geändert, daran wird sich nie etwas ändern.

DFB.de: Deutschland hat bei der WM in Brasilien erst ein Spiel bestritten, Weltmeister Spanien hat sich schon aus dem Turnier verabschiedet. Wie sehr hat Sie dies überrascht?

Boateng: Schon sehr. Sie waren für mich einer der Favoriten, sie haben immer noch eine sehr starke Mannschaft. Das Beispiel Spanien zeigt, dass es bei so einem Turnier sehr schnell gehen kann. Spanien war zwar in einer schwierigen Gruppe, aber ich glaube, dass niemand damit gerechnet hätte, dass die Mannschaft bereits nach zwei Spielen keine Chance mehr haben würden. Wir haben zwar selber erlebt, wie stark Chile ist, aber normalerweise ist Spanien stärker.

DFB.de: Wie beeindruckt sind Sie vom Niveau der Spiele bisher? Sind Sie neben dem Scheitern von Spanien noch von etwas anderem überrascht?

Boateng: Vielleicht, dass das Tempo so hoch ist - trotz der Temperaturen. Und es fallen verhältnismäßig viele Tore. Mich freut das für die Fans, sie bekommen Spektakel geboten. Das Turnier ist bis jetzt sehr interessant, auffallend ist auch, dass viele Spiele noch gedreht werden konnten. Vorher hatte man ja gedacht, dass es angesichts der Temperaturen für die Mannschaften schwer sein würde, nach Rückständen wieder zurückzukommen. Bisher gefällt mir das Turnier sehr gut. Ich bin sicher, dass es noch viele gute Spiele geben wird.

DFB.de: Das Spiel gegen Ghana steht an. Wir müssen noch nach Ihrem Halbbruder Kevin-Prince fragen. Sie haben kürzlich gesagt, dass zwischen Ihnen aktuell kein Kontakt besteht, weil jeder voll auf die Aufgabe als Fußballer konzentriert ist. In Deutschland haben Sie fast täglich Kontakt. Fehlt Ihnen der Austausch nicht?

Boateng: Es ist schon ein bisschen ungewohnt, aber direkt fehlen tut mir der Austausch nicht. Die WM ist einfach eine besondere Situation. Ich finde, dass es einfach nicht passen würde, wenn wir hier ständig Kontakt hätten. Ich bin bei der deutschen Nationalmannschaft, meine ganze Konzentration gilt meinen Aufgaben hier.

DFB.de: Sie haben es noch nicht geschafft, Ghana, die Heimat Ihres Vaters, zu besuchen. Wie wichtig ist es Ihnen, eines Tages nach Ghana zu reisen?

Boateng: Sehr wichtig. Umso mehr bedauere ich, dass es bisher noch nicht geklappt hat. Ein Großteil der Familie lebt noch dort. Mich interessiert, wie sie dort leben, wie die Verhältnisse für die Menschen dort sind. Von den Menschen aus meiner Familie weiß ich, dass sie alle meine Spiele gucken, ich weiß, wie sehr sie mit mir mitfiebern.

DFB.de: Haben Sie eine Vorstellung, wie es bei Ihrer Familie in Ghana zugeht, wenn Ghana gegen Deutschland spielt?

Boateng: Ein bisschen, ja. Mein Vater hat mir davon erzählt. Spiele von Ghana sind im ganzen Land fast Feiertage. Und die von Deutschland in meiner Familie auch. Die ganze Familie ist versammelt, alle kommen zusammen und haben eine gute Zeit.

DFB.de: Ihr Vater sagt, dass er nur gewinnen kann, wenn Deutschland gegen Ghana spielt. Geht es der gesamten Familie so?

Boateng: Vielen wahrscheinlich, ja. Auf beiden Seiten spielt schließlich ein Mitglied der Familie. Wobei auch klar ist, dass es immer einen Teil geben wird, der traurig ist. Schließlich können nicht beide gewinnen.

DFB.de: Das 4:0 gegen Portugal war ein eindrucksvoller Auftakt. Die Euphorie in Deutschland ist groß. Sie haben bestimmt dennoch ein paar Szenen gesehen, die Ihnen nicht gefallen haben.

Boateng: Portugal hatte zwar nur eine richtig gute Chance, aber es gab im Spiel noch andere Situationen, aus denen etwas hätte entstehen können. Weil wir falsch standen, weil die Abstände nicht gestimmt haben, weil wir nicht richtig verschoben haben. Portugal hat das jeweils nicht richtig ausgespielt, aber wir können uns nicht darauf verlassen, dass dies auch bei unseren anderen Gegnern künftig so sein wird. Gegen Ghana müssen wir noch besser organisiert und noch konzentrierter sein.

DFB.de: Wie schätzen Sie die "Black Stars" sportlich ein?

Boateng: Gerade nach vorne ist die Mannschaft sehr stark. Fast alle Spieler sind in Europa aktiv, es sind große Namen und tolle Fußballer dabei. Die Spieler Ghanas sind alle gut am Ball, viele sind zu besonderen Aktionen in der Lage, sie haben starke Individualisten. Für uns kommt es darauf an, dass wir wieder gut als Team zusammenarbeiten. Wenn wir das machen, sehe ich große Chancen, dass wir ein positives Resultat erzielen.

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DFB.de: Sehen Sie die Gefahr, dass die deutsche Mannschaft nach dem erfolgreichen Auftakt die Konzentration verliert? Dass sich der Gedanke einschleicht, auch 90 Prozent würden genügen?

Boateng: Die Gefahr besteht immer. Aber wir dürfen nicht ein Prozent in diese Richtung denken. Wir haben noch nichts erreicht. Wir wollen daran anknüpfen, wo wir gegen Portugal aufgehört haben. Mehr als das: Wir wollen noch eine Schippe drauflegen.

DFB.de: Sie haben in Berlin mit Mitternachtssport ein mehrfach ausgezeichnetes Sozialprojekt. Sie haben einen Blick für die Bedürfnisse der Menschen. Wie sehr nehmen Sie wahr, in welchen Verhältnissen die Brasilianer teilweise leben?

Boateng: Die Unterschiede in diesem Land sind sehr groß. Materiell geht es vielen Menschen hier nicht gut. Viele Dinge, die für uns selbstverständlich sind, sind für die Menschen hier unvorstellbarer Luxus. Trotzdem sieht man die Menschen oft lachen, ich sehe in Brasilien viel gute Laune. Ähnlich wie ich es von der WM 2010 aus Südafrika kenne.

DFB.de: Auch in Rio betreiben Sie gemeinsam mit der UNESCO ein Sozialprojekt, es firmiert unter dem Label "Living a Dream". Können Sie näher beschreiben, worum es dabei geht?

Boateng: Wir wollten in Brasilien, im Land des Fußballs, im Fußball helfen. Der Traum vom Profi ist hier noch ausgeprägter als in vielen anderen Teilen der Welt. Die Kinder schwärmen von Neymar, es gibt viele Vorbilder, denen sie nacheifern. Leider wird dies häufig ausgenutzt, gerade wenn bei Kindern schon ein gewisses Talent zu erkennen ist. Spielerberater sehen nur das schnelle Geld, sie entscheiden nicht immer zum Wohle des Kindes. Hier setzen wir an. Wir haben einen Fußballplatz gebaut, wir haben Trainer ausgebildet und bezahlt. Und das Wichtigste: Wir haben eine Schule gebaut. Die Kinder können jetzt lesen und schreiben lernen, sie erfahren eine Bildung, die ihnen eine bessere Zukunft ermöglicht.

DFB.de: Sie haben nicht nur selbst finanziell geholfen. An deutschen Schulen haben Sie Schüler dazu animiert, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und selber Spendenaktionen für die Kinder in Brasilien durchzuführen und zu initiieren. Wie groß ist die Resonanz?

Boateng: Ich bin sehr wirklich sehr zufrieden, wir haben auch auf diese Weise schon einiges eingenommen. Mich freut, mit welcher Begeisterung sich die Kinder in Deutschland für die Kinder in Brasilien engagieren. Ich war vor der WM noch an einer Schule in München, um mit den Schülern über dieses Thema zu sprechen - schon da habe ich gespürt, dass die Schüler wirklich helfen wollen und bei diesem Thema sehr interessiert sind.

DFB.de: Das Projekt wird in einer Favela in Rio durchgeführt. Möglich ist, dass Deutschland zweimal in der Metropole spielt. Haben Sie geplant, das Projekt vor Ort zu besuchen?

Boateng: Geplant ist es nicht. Ich weiß auch nicht, ob dies logistisch möglich wäre. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn sich dies realisieren ließe. Aber klar ist, dass ich hier bin, um Fußball zu spielen. Das ist meine Priorität, ich werde nichts tun, was mich von diesem Fokus ablenkt. Und: Noch sind wir nicht in Rio.

DFB.de: Sie haben sich kürzlich ein neues Tattoo stechen lassen. Ihren rechten Ellbogen ziert nun das Symbol des Champions-League-Balles. Der Zusammenhang ist klar: Sie haben den Titel in der Königsklasse gewonnen. Haben Sie irgendwo noch Platz für…

Boateng: … den WM-Pokal?

DFB.de: Ja.

Boateng: Ja, habe ich schon (zeigt auf den linken Ellbogen). Ich will nicht zu früh zu viel über den Titel reden. Aber am Platz auf meinem Körper würde es nicht scheitern. (lacht)