Jerome Boateng: Bloß keine Übung beim Verlieren bekommen

Heute (ab 20 Uhr, live bei Sky) ist eine Reaktion vom FC Bayern gefordert, auch von Jerome Boateng. Der Deutsche Meister will nach dem 1:4 in Wolfsburg zu Hause gegen Schalke 04 schnell wieder in die Spur finden. Ein Sieg muss her, dafür ist besseres Defensivverhalten vonnöten. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Weltmeister Boateng zu.

Wenn sich andere über Jerome Boateng äußern, endet dies gerne in Lobeshymnen. "Er ist jung, er ist schnell, er ist super mit dem Ball, mit rechts, mit links, er ist eine große Persönlichkeit, ein großer Teamplayer - er hat alles", sagt etwa Pep Guardiola, sein Trainer beim FC Bayern München.

Joachim Löw, der Welttrainer 2014, packt seine Euphorie in andere Worte: "Ich bin begeistert von ihm, weil er mit einer unglaublichen Konstanz spielt und eine sehr gute Spieleröffnung hat. Seine Pässe durch die erste Linie hindurch sind hervorragend, rechts wie links. Das macht einen guten Innenverteidiger aus." Es gibt viele solcher Äußerungen, der Tenor ist ähnlich: Es entsteht der Eindruck, dass Boateng dem Bild des idealen Verteidigers ziemlich nahe kommt.

"Ich bin seit Kindesbeinen ein extrem schlechter Verlierer"

Wenn Jerome Boateng sich über Jerome Boateng äußert, entsteht der Eindruck, dass Boateng vom Bild des idealen Verteidigers ziemlich weit entfernt ist. Was er in seinem Spiel verbessern kann, wurde Boateng kürzlich im Interview mit fifa.com gefragt. Seine Antwort: "Alles." Alles? Alles. Und was alles? "Stellungsspiel, Kopfballspiel, Torgefahr, Zweikampfverhalten." Boateng hat sogar ein Defizit unterschlagen, das aus dem Quartett an Mängeln ein Quintett wachsen lässt. Eine Fähigkeit Boatengs ist nicht nur verbesserungswürdig, sie ist so wenig ausgeprägt, dass die Bezeichnung als miserabel noch schön gefärbt wäre. Boateng ist nicht stolz darauf, aber er steht zu seiner Schwäche. Dem Magazin GQ hat er diese anvertraut: "Ich hasse es zu verlieren. Ich bin seit Kindesbeinen ein extrem schlechter Verlierer."

Kein Wunder, ihm fehlt die Übung. Im Leben von Boateng sind Niederlagen selten, mit Boateng auf dem Rasen haben die Bayern 56 Spiele in Folge nicht verloren. Zuletzt hat er sogar in einer fachfremden Disziplin den Rest Deutschlands hinter sich gelassen. Die Redaktion der GQ kürte den 26-Jährigen zum stilvollsten Mann der Republik, sieben Plätze hinter ihm landete mit Bastian Schweinsteiger auf Platz acht der zweite Fußballer. Die Wahl dürfte in seiner persönlichen Prioritätenliste andere über sich haben, und doch steht sie auch dafür, dass Boateng immer mehr auch abseits des Fußballplatzes glänzt.

Sozial engagiert, ohne das Rampenlicht zu suchen

Für sein Naturell ist das Rampenlicht zu grell, doch hat er gelernt, über seinen Schatten zu springen. Boateng erhebt seine Stimme, selten und leise - überhört wird er im Getöse der Fußballbranche gerade deswegen nicht mehr. Was Boateng macht, macht er gut, er engagiert sich nur, wenn er voll hinter einer Sache und einem Projekt steht. Der Verein MitternachtsSport, dessen Schirmherr Boateng ist, wurde vom DFB mit dem Integrationspreis ausgezeichnet, sein Projekt "LIVING A DREAM" der Stiftung UNESCO wurde zuletzt mit dem "Audi Generation Award 2014" prämiert.

Die Erfolge neben dem Platz laufen parallel zu denen, die ihm all das ermöglichen. Im Mittelpunkt seines Wirkens steht der Fußballer Boateng, der Weltmeister, bei dessen Erwähnung nur wenige verstanden haben, weshalb sein Name in der FIFA-Weltauswahl des Jahres 2014 fehlte, der mit den vielen Hymnen, der mit den selbst diagnostizierten Mängeln, der mit einer katastrophalen Schwäche im Umgang mit Erfolgen des Gegners.

Zuletzt hat Boateng üben dürfen. Gegen den VfL Wolfsburg haben Boateng und die Bayern zum Rückrundenauftakt eine Niederlage kassiert, es war eine Niederlage voller Wucht, 1:4. Für einen schlechten Verlierer war Boateng hernach zu einer ziemlich guten Analyse fähig. "Wir haben heute einfach schlecht gespielt", sagte er. "Heute kann man die Zweikämpfe, die wir gewonnen haben, an einer Hand abzählen. So ein Spiel darf uns nicht noch mal passieren, wir müssen jetzt wach werden. Im nächsten Spiel wird eine deutliche Steigerung nötig sein, um dieses Spiel wieder wettzumachen."

Boateng gratuliert deutschem Super-Bowl-Gewinner Vollmer

Nach der Niederlage hat sich Boateng abgelenkt. Mit Sport, mit einer anderen Art des Fußballs. In der Nacht zum Montag hat er den Super Bowl geschaut und erlebt, wie Sebastian Vollmer Sportgeschichte geschrieben hat. Als erster Deutscher gewann der gebürtige Kaarster (nahe Düsseldorf) den NFL-Titel, im Finale besiegten seine New England Patriots die Seattle Seahawks mit 28:24 und dürfen sich fortan an "World Champions" nennen. Die Gratulation Boatengs ließ nicht lange auf sich warten, via Twitter grüßte er Vollmer, von Weltmeister zu Weltmeister.

Danach galt Boatengs Konzentration wieder seiner Art des Fußballs. Schließlich ist die Woche englisch, schon heute steht die nächste Partie an. Für ihn es eine Partie mit spezieller Bedeutung. Für die Bayern geht es gegen den FC Schalke 04, und wenn es gegen Schalke geht, heißt die Unterzeile der Paarung immer auch: Boateng gegen Boateng, Jerome spielt gegen Kevin-Prince. Es ist nicht das erste Spiel, in dem sich die Halbbrüder als Kontrahenten begegnen, auch nicht das mit der höchsten Brisanz. Schließlich gab es diese Konstellation bei Spielen zwischen Deutschland und Ghana bereits zweimal auf der großen WM-Bühne. Also sagt der jüngere Boateng im Gespräch mit fifa.com: "Wir sind ja auch daran gewöhnt. Als wir klein waren, haben wir nie zusammen gespielt. Und danach, außer bei Hertha, auch nicht."

Für Jerome Boateng besteht das Ziel nicht darin, seinen Bruder zu schlagen, ihm geht es um die Ziele mit den Bayern. Die Meisterschaft ist nach dem Ausrutscher gegen Wolfsburg nicht ernsthaft in Gefahr, solange der der FCB zu gewohnter Dominanz zurückfindet und der Ausrutscher nicht zur Trendwende wird. Boateng will das Triple, und er scheut nicht davor, diese Ambition auch zu nennen. "Wir sind noch in jedem Wettbewerb vertreten und die Ziele sind hoch gesteckt und groß", sagt er. "Wir haben das Potenzial, und die Chancen stehen gut."

[sl]

Heute (ab 20 Uhr, live bei Sky) ist eine Reaktion vom FC Bayern gefordert, auch von Jerome Boateng. Der Deutsche Meister will nach dem 1:4 in Wolfsburg zu Hause gegen Schalke 04 schnell wieder in die Spur finden. Ein Sieg muss her, dafür ist besseres Defensivverhalten vonnöten. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Weltmeister Boateng zu.

Wenn sich andere über Jerome Boateng äußern, endet dies gerne in Lobeshymnen. "Er ist jung, er ist schnell, er ist super mit dem Ball, mit rechts, mit links, er ist eine große Persönlichkeit, ein großer Teamplayer - er hat alles", sagt etwa Pep Guardiola, sein Trainer beim FC Bayern München.

Joachim Löw, der Welttrainer 2014, packt seine Euphorie in andere Worte: "Ich bin begeistert von ihm, weil er mit einer unglaublichen Konstanz spielt und eine sehr gute Spieleröffnung hat. Seine Pässe durch die erste Linie hindurch sind hervorragend, rechts wie links. Das macht einen guten Innenverteidiger aus." Es gibt viele solcher Äußerungen, der Tenor ist ähnlich: Es entsteht der Eindruck, dass Boateng dem Bild des idealen Verteidigers ziemlich nahe kommt.

"Ich bin seit Kindesbeinen ein extrem schlechter Verlierer"

Wenn Jerome Boateng sich über Jerome Boateng äußert, entsteht der Eindruck, dass Boateng vom Bild des idealen Verteidigers ziemlich weit entfernt ist. Was er in seinem Spiel verbessern kann, wurde Boateng kürzlich im Interview mit fifa.com gefragt. Seine Antwort: "Alles." Alles? Alles. Und was alles? "Stellungsspiel, Kopfballspiel, Torgefahr, Zweikampfverhalten." Boateng hat sogar ein Defizit unterschlagen, das aus dem Quartett an Mängeln ein Quintett wachsen lässt. Eine Fähigkeit Boatengs ist nicht nur verbesserungswürdig, sie ist so wenig ausgeprägt, dass die Bezeichnung als miserabel noch schön gefärbt wäre. Boateng ist nicht stolz darauf, aber er steht zu seiner Schwäche. Dem Magazin GQ hat er diese anvertraut: "Ich hasse es zu verlieren. Ich bin seit Kindesbeinen ein extrem schlechter Verlierer."

Kein Wunder, ihm fehlt die Übung. Im Leben von Boateng sind Niederlagen selten, mit Boateng auf dem Rasen haben die Bayern 56 Spiele in Folge nicht verloren. Zuletzt hat er sogar in einer fachfremden Disziplin den Rest Deutschlands hinter sich gelassen. Die Redaktion der GQ kürte den 26-Jährigen zum stilvollsten Mann der Republik, sieben Plätze hinter ihm landete mit Bastian Schweinsteiger auf Platz acht der zweite Fußballer. Die Wahl dürfte in seiner persönlichen Prioritätenliste andere über sich haben, und doch steht sie auch dafür, dass Boateng immer mehr auch abseits des Fußballplatzes glänzt.

Sozial engagiert, ohne das Rampenlicht zu suchen

Für sein Naturell ist das Rampenlicht zu grell, doch hat er gelernt, über seinen Schatten zu springen. Boateng erhebt seine Stimme, selten und leise - überhört wird er im Getöse der Fußballbranche gerade deswegen nicht mehr. Was Boateng macht, macht er gut, er engagiert sich nur, wenn er voll hinter einer Sache und einem Projekt steht. Der Verein MitternachtsSport, dessen Schirmherr Boateng ist, wurde vom DFB mit dem Integrationspreis ausgezeichnet, sein Projekt "LIVING A DREAM" der Stiftung UNESCO wurde zuletzt mit dem "Audi Generation Award 2014" prämiert.

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Die Erfolge neben dem Platz laufen parallel zu denen, die ihm all das ermöglichen. Im Mittelpunkt seines Wirkens steht der Fußballer Boateng, der Weltmeister, bei dessen Erwähnung nur wenige verstanden haben, weshalb sein Name in der FIFA-Weltauswahl des Jahres 2014 fehlte, der mit den vielen Hymnen, der mit den selbst diagnostizierten Mängeln, der mit einer katastrophalen Schwäche im Umgang mit Erfolgen des Gegners.

Zuletzt hat Boateng üben dürfen. Gegen den VfL Wolfsburg haben Boateng und die Bayern zum Rückrundenauftakt eine Niederlage kassiert, es war eine Niederlage voller Wucht, 1:4. Für einen schlechten Verlierer war Boateng hernach zu einer ziemlich guten Analyse fähig. "Wir haben heute einfach schlecht gespielt", sagte er. "Heute kann man die Zweikämpfe, die wir gewonnen haben, an einer Hand abzählen. So ein Spiel darf uns nicht noch mal passieren, wir müssen jetzt wach werden. Im nächsten Spiel wird eine deutliche Steigerung nötig sein, um dieses Spiel wieder wettzumachen."

Boateng gratuliert deutschem Super-Bowl-Gewinner Vollmer

Nach der Niederlage hat sich Boateng abgelenkt. Mit Sport, mit einer anderen Art des Fußballs. In der Nacht zum Montag hat er den Super Bowl geschaut und erlebt, wie Sebastian Vollmer Sportgeschichte geschrieben hat. Als erster Deutscher gewann der gebürtige Kaarster (nahe Düsseldorf) den NFL-Titel, im Finale besiegten seine New England Patriots die Seattle Seahawks mit 28:24 und dürfen sich fortan an "World Champions" nennen. Die Gratulation Boatengs ließ nicht lange auf sich warten, via Twitter grüßte er Vollmer, von Weltmeister zu Weltmeister.

Danach galt Boatengs Konzentration wieder seiner Art des Fußballs. Schließlich ist die Woche englisch, schon heute steht die nächste Partie an. Für ihn es eine Partie mit spezieller Bedeutung. Für die Bayern geht es gegen den FC Schalke 04, und wenn es gegen Schalke geht, heißt die Unterzeile der Paarung immer auch: Boateng gegen Boateng, Jerome spielt gegen Kevin-Prince. Es ist nicht das erste Spiel, in dem sich die Halbbrüder als Kontrahenten begegnen, auch nicht das mit der höchsten Brisanz. Schließlich gab es diese Konstellation bei Spielen zwischen Deutschland und Ghana bereits zweimal auf der großen WM-Bühne. Also sagt der jüngere Boateng im Gespräch mit fifa.com: "Wir sind ja auch daran gewöhnt. Als wir klein waren, haben wir nie zusammen gespielt. Und danach, außer bei Hertha, auch nicht."

Für Jerome Boateng besteht das Ziel nicht darin, seinen Bruder zu schlagen, ihm geht es um die Ziele mit den Bayern. Die Meisterschaft ist nach dem Ausrutscher gegen Wolfsburg nicht ernsthaft in Gefahr, solange der der FCB zu gewohnter Dominanz zurückfindet und der Ausrutscher nicht zur Trendwende wird. Boateng will das Triple, und er scheut nicht davor, diese Ambition auch zu nennen. "Wir sind noch in jedem Wettbewerb vertreten und die Ziele sind hoch gesteckt und groß", sagt er. "Wir haben das Potenzial, und die Chancen stehen gut."