Jermaine Jones: "Ich bin Deutschland dankbar"

Im Februar 2008 debütierte Jermaine Jones in der deutschen Nationalmannschaft unter Bundestrainer Joachim Löw. Drei Einsätze hatte der gebürtige Frankfurter mit amerikanischen Wurzeln im A-Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Nach der Nichtberücksichtigung für die EM 2008 und die Asienreise 2009 entschied sich der defensive Mittelfeldspieler von Schalke 04 jedoch dazu, für die USA aufzulaufen. Seit 2010 hat der 31-Jährige für das US-Team inzwischen 28 Einsätze absolviert, in denen er zwei Tore schoss.

Im Heimatland seines Vaters trifft der kampfstarke Sechser am Sonntag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Washington erstmals auf seine Ex-Mannschaft. Für das US-Team und Trainer Jürgen Klinsmann ist die Partie gegen Deutschland anlässlich des 100-jährigen Bestehens des US-Verbandes auch ein wichtiger Test vor den WM-Qualifikationsspielen gegen Jamaika, Panama und Honduras.

Im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Thorsten Langenbahn spricht Jermaine Jones über seinen Verbandswechsel, die spezielle Konstellation des bevorstehenden Duells, sein Verhältnis zu Joachim Löw sowie sein Image in Deutschland und den USA.

DFB.de: Herr Jones, schlagen zwei Herzen in Ihrer Brust, wenn Sie mit den USA in Washington erstmals gegen Deutschland antreten?

Jermaine Jones: Nein, nicht direkt. Ich bin stolz, dass ich drei Länderspiele für Deutschland gemacht habe, und ich bin auch dem Land Deutschland dankbar für das, was ich hier erreichen konnte. Für uns ist der Test Deutschland wichtig, um vor den WM-Qualifikationsspielen gegen Jamaika, Panama und Honduras unseren Rhythmus zu finden. Wir haben vier Spiele - und die wollen wir gewinnen.

DFB.de: Vor vier Jahren haben Sie sich nach der Nichtnominierung für die Asienreise dazu entschieden, für die USA aufzulaufen. Haben Sie die Entscheidung irgendwann schon mal bereut?

Jones: Nein. Nur wenige wissen, dass ich auch früher schon mal nachgefragt habe, ob ich für die Amerikaner spielen dürfte, schon bevor ich für Deutschland gespielt hatte. Da wurde mir gesagt, ich dürfe nicht wechseln, weil ich in der deutschen U 20 bei der Weltmeisterschaft 2001 in Argentinien dabei war. Da habe ich mir dann gesagt: "Okay, du musst irgendwie versuchen, in den deutschen Kader reinzukommen." Ich glaube, ich hätte auch das ein oder andere Länderspiel mehr bekommen, wenn ich mich nicht in gewissen Phasen verletzt hätte.

DFB.de: Wann reifte Ihr Entschluss, für die USA aufzulaufen?



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Im Februar 2008 debütierte Jermaine Jones in der deutschen Nationalmannschaft unter Bundestrainer Joachim Löw. Drei Einsätze hatte der gebürtige Frankfurter mit amerikanischen Wurzeln im A-Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Nach der Nichtberücksichtigung für die EM 2008 und die Asienreise 2009 entschied sich der defensive Mittelfeldspieler von Schalke 04 jedoch dazu, für die USA aufzulaufen. Seit 2010 hat der 31-Jährige für das US-Team inzwischen 28 Einsätze absolviert, in denen er zwei Tore schoss.

Im Heimatland seines Vaters trifft der kampfstarke Sechser am Sonntag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Washington erstmals auf seine Ex-Mannschaft. Für das US-Team und Trainer Jürgen Klinsmann ist die Partie gegen Deutschland anlässlich des 100-jährigen Bestehens des US-Verbandes auch ein wichtiger Test vor den WM-Qualifikationsspielen gegen Jamaika, Panama und Honduras.

Im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Thorsten Langenbahn spricht Jermaine Jones über seinen Verbandswechsel, die spezielle Konstellation des bevorstehenden Duells, sein Verhältnis zu Joachim Löw sowie sein Image in Deutschland und den USA.

DFB.de: Herr Jones, schlagen zwei Herzen in Ihrer Brust, wenn Sie mit den USA in Washington erstmals gegen Deutschland antreten?

Jermaine Jones: Nein, nicht direkt. Ich bin stolz, dass ich drei Länderspiele für Deutschland gemacht habe, und ich bin auch dem Land Deutschland dankbar für das, was ich hier erreichen konnte. Für uns ist der Test Deutschland wichtig, um vor den WM-Qualifikationsspielen gegen Jamaika, Panama und Honduras unseren Rhythmus zu finden. Wir haben vier Spiele - und die wollen wir gewinnen.

DFB.de: Vor vier Jahren haben Sie sich nach der Nichtnominierung für die Asienreise dazu entschieden, für die USA aufzulaufen. Haben Sie die Entscheidung irgendwann schon mal bereut?

Jones: Nein. Nur wenige wissen, dass ich auch früher schon mal nachgefragt habe, ob ich für die Amerikaner spielen dürfte, schon bevor ich für Deutschland gespielt hatte. Da wurde mir gesagt, ich dürfe nicht wechseln, weil ich in der deutschen U 20 bei der Weltmeisterschaft 2001 in Argentinien dabei war. Da habe ich mir dann gesagt: "Okay, du musst irgendwie versuchen, in den deutschen Kader reinzukommen." Ich glaube, ich hätte auch das ein oder andere Länderspiel mehr bekommen, wenn ich mich nicht in gewissen Phasen verletzt hätte.

DFB.de: Wann reifte Ihr Entschluss, für die USA aufzulaufen?

Jones: Im Trainingslager auf Mallorca vor der EM 2008 hatte ich gut trainiert, das Feedback war ganz gut. Trotzdem bin ich nicht zur EM mitgenommen worden. Da bin ich dann zu der Entscheidung gekommen, das hat keinen Sinn für mich, egal woran es liegt. Deshalb habe ich mich dann entschieden, das Kapitel zu beenden. Ich habe mir nichts vorzuwerfen bei der Nationalmannschaft, und ich habe auch nichts falsch gemacht.

DFB.de: Wie ist heute Ihr Verhältnis zu Bundestrainer Joachim Löw?

Jones: Wir haben uns danach noch nicht wieder getroffen, aber für mich ist das Thema abgehakt. Auf der einen Seite bin ich ihm dankbar, weil ich durch ihn die Länderspiele für Deutschland bekommen habe, was mich auch stolz macht. Auf der anderen Seite bin ich ein bisschen traurig, dass es nicht direkt in der deutschen Nationalmannschaft geklappt hat. Aber dadurch konnte ich den Schritt nach Amerika machen. Ich bin jetzt froh, dass ich dort spielen und den Fußball in den USA ein bisschen pushen kann.

DFB.de: Das US-Team ist zurzeit 28. der FIFA-Weltrangliste. Wie groß ist die Lücke zur internationalen Spitze?

Jones: Man darf eins nicht vergessen: In den Nationen, die ganz oben sind, steht der Fußball an erster Stelle. In Amerika war der Fußball lange Zeit unbedeutend und stand nicht so im Mittelpunkt, wie es in Deutschland, Italien, Spanien oder insgesamt in Europa der Fall ist. Die Entwicklung ist positiv, das sieht man an unseren Spielen gegen große Nationen wie Italien, Frankreich, Spanien oder Brasilien. Ich denke, der Fußball in Amerika ist im Kommen.

DFB.de: Welchen Anteil hat Jürgen Klinsmann als US-Coach daran?

Jones: Anteil daran haben sicherlich alle, auch vorher schon Bob Bradley. Klinsmann bringt zusätzlich noch seine zahlreichen Erfahrungen und das Europäische mit rein. Das versucht er, in die Köpfe zu bekommen. Wer die Amerikaner ein bisschen kennt, der weiß, dass normalerweise alles ein bisschen lockerer und chilliger zugeht. Seit Klinsmann da ist, ist alles ein bisschen geradliniger und konsequenter.

DFB.de: Wie würden Sie den spielerischen Stil des US-Teams beschreiben?

Jones: Wir haben viele Athleten im Team, und das setzen wir auch ein. Nichtsdestotrotz spielt der überwiegende Teil inzwischen in Europa. Wenn alle da sind, haben wir allein fünf Spieler aus Deutschland, dazu kommen noch einige aus England, Holland oder Italien. Die Mannschaft hat dazugelernt und sich fußballerisch extrem verbessert. Wir können als Gegner sehr unangenehm werden.

DFB.de: In der WM-Qualifikations-Endrunde für Nord- und Mittelamerika ist die USA derzeit nur Dritter hinter Panama und Costa Rica. Wie schätzen Sie die Chancen ein, 2014 in Brasilien dabei zu sein?

Jones: Da ist noch alles offen, es sind ja gerade mal drei Spiele gespielt. Ich denke, die nächsten beiden Spiele werden mitentscheiden, wer sich oben festbeißt und dann die besseren Chancen hat, zur Weltmeisterschaft zu kommen.

DFB.de: Zuletzt hat die USA 1986 die WM verpasst. Steht Ihr Team unter Druck?

Jones: Normal müssen wir uns, so wie Mexiko auch, immer qualifizieren. Das ist aber kein Selbstläufer. Auch wenn man nach den Länderspielen nach Hause kommt und die Jungs auf Schalke einen fragen: Wie konntet ihr denn gegen Honduras verlieren? Dann erkläre ich, dass anders als in Europa eben nicht alle Plätze top sind, sondern wir häufig unter schwierigen Bedingungen spielen. Beim 1:2 in Honduras haben wir bei 36 Grad gespielt - das ist schon ein großer Unterschied. Aber die Weltmeisterschaft ist für uns das nächste große Ziel. Wenn man seine Heimspiele gewinnt, kommt man meistens schon durch, um sich als eine von drei Mannschaften direkt zu qualifizieren.

DFB.de: In Washington treffen Sie auf Ihre Schalke-Kollegen Benedikt Höwedes und Julian Draxler. Freuen die sich schon darauf?

Jones: Wir haben schon ab und zu geflachst und gesagt, dass es ein lustiges Spiel wird. Die Deutschen werden, egal wie viele Spieler aus Dortmund und Bayern fehlen, eine spielstarke Mannschaft zusammenkriegen - das hat man ja beim 4:2 gegen Ecuador gesehen. Mit Jule wird es vielleicht zu dem ein oder anderen Duell kommen, mit Bene wahrscheinlich nicht so oft. Wir haben schon aus Flachs gesagt: Ich werde Jule umgrätschen, er will mir einen Beinschuss verpassen. Aber wie gesagt: Alles nur Spaß!

DFB.de: Fungieren Sie als Sechser in der Nationalmannschaft in der gleichen Rolle wie im Verein?

Jones: Ja, würde ich schon sagen. Im Normalfall an der Seite von Michael Bradley. Ich fühle mich gut in der Mannschaft, bin sehr gut angenommen worden und habe mittlerweile eine Führungsposition inne. Auf das ein oder andere, was ich sage, hören die Mitspieler auch. (grinst)

DFB.de: Unterhalten Sie sich mit Jürgen Klinsmann auch ab und an auf Deutsch? Der eine spricht Schwäbisch, der andere Hessisch...

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Jones: Es kommt immer drauf an. Wenn wir in der Gruppe sind, sprechen wir schon Englisch. Aber wenn wir mal unter uns sind oder mit unserem Co-Trainer Andi Herzog, dann unterhalten wir uns auch mal kurz auf Deutsch.

DFB.de: Sie waren zwischendurch auch schon Spielführer des Teams. Wie ist die Kapitänsfrage aktuell geregelt?

Jones: Ja, ich hatte die Binde für einen Lehrgang, bei dem Carlos Bocanegra als etatmäßiger Kapitän nicht da war. Wir haben den einen oder anderen älteren Spieler dabei, wo der Trainer vielleicht eine neue Entscheidung treffen wird, was die Kapitänsfrage angeht. Irgendwann muss man die Frage stellen, auch - falls wir uns qualifizieren - mit Blick auf die WM. Ich bin für so was immer zu haben und verstecke mich nicht.

DFB.de: Hierzulande hängt Ihnen nach wie vor das Image des Bad Boy an. Wie werden Sie in Amerika wahrgenommen?

Jones: Ab und zu schwappt das mit dem Image rüber, das ist ja nicht nur bei mir, sondern auch bei Jürgen Klinsmann so. Drüben wird das aber nicht richtig angenommen. Die Leute sehen, was ich auf dem Platz leiste und wie ich mich dort verhalte - das ist absolut korrekt, und daher kriege ich auch immer wieder positives Feedback. Das Problem ist, dass in Deutschland in der Vergangenheit viel passiert ist. Als ich jünger war, habe ich auch mit dem Image gelebt und darin kein großes Problem gesehen. Mittlerweile bin ich Familienvater, habe fünf Kinder und bin eher zurückgezogener. Aber wer mich auf dem Platz sieht, der sieht einen anderen Jermaine.

DFB.de: Im Nationalteam liegt Ihre Zukunft in den USA. Wie sieht es auf Vereinsebene aus?

Jones: Die Familie hat sich schon mal zusammengesetzt und das Thema diskutiert. Ich war mir mit meiner Frau einig, dass wir gerne auf Schalke verlängern würden, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Sollte das nicht der Fall sein, würde ich mir eventuell noch mal Gedanken machen, ins Ausland zu gehen, aber in Europa. Mein Ziel ist es, noch drei Jahre in Europa zu spielen. Dann würde ich den Schritt machen zu sagen, wir gehen in die USA. Vielleicht würde ich drüben noch ein bisschen spielen, bevor ich dann wirklich sage, es ist vorbei.

DFB.de: Ihr Vater wohnt in Los Angeles. Sie haben dort bereits ein Haus gekauft und wollen irgendwann übersiedeln. Was spricht für die Vereinigten Staaten als Land zum Leben?

Jones: Weil der Fußball in Amerika nicht die Nummer eins ist, kann man dort im Privaten ein normales Leben führen. Man wird nicht nonstop beobachtet, was man tut und macht, sondern kann zum Beispiel ganz in Ruhe Essen gehen. Das ist ein Punkt, der mir einfach gefällt. Mit meiner Familie sind wir in jedem Urlaub dort, und wir genießen die Zeit. Ich habe dort auch Familie väterlicherseits, die leben ebenfalls in Los Angeles. Von daher ist das unser Rückzugsort.