Ittrich und "Die richtige Entscheidung"

Patrick Ittrich wird am heutigen Samstag das Erstrundenspiel des VfL Osnabrück im DFB-Pokal beim Oberligisten SV Todesfelde leiten. Eine Woche später startet er in seine sechste Saison als Unparteiischer der Bundesliga. Bevor er wieder von Spiel zu Spiel lebt, hat er sich die Zeit genommen, einmal zurückzuschauen.

In "Die richtige Entscheidung", Ende August im Edel-Verlag erschienen, gibt der 41-jährige Hamburger als erster aktiver Bundesliga-Schiedsrichter überhaupt spannende Einblicke in eine hochgradig durchgetaktete Leistungsgesellschaft.

Der Fußball hat sich verändert, das Leben der Spitzenschiedsrichter auch. Darüber berichtet Ittrich eindrucksvoll - und viele Details dürften selbst eingefleischte Fußballfans überraschen. "Erfrischend und unfassbar ehrlich", lobt Deniz Aytekin.

"Unglaublich ruhiges, abgeklärtes Auftreten"

Für junge ehrgeizige Schiedsrichter*innen sollte "Die richtige Entscheidung" ohnehin zur Pflichtlektüre zählen, genauso wie Ittrichs Buch allen empfohlen sei, die ihr ständiges Gemecker über den Schiedsrichter selbst hinterfragen und einfach mal besser verstehen wollen, wie die Lauf- und Entscheidungswege wirklich ausschauen. Ittrich beschreibt die Ehrlichkeit und Selbstkritik, die es eben im Spitzenbereich der Spielleiter braucht, das Teamwork im Gespann, den positiven, aber auch deutlichen Umgangston. Das ist oft lehrreich, selbst für Nicht-Fußballfans. Seinen Stil als Schiedsrichter beschreibt er selbst als "kommunikativ und streng".

Vor allem aber ist Ittrich ein begeisterter Spielleiter. "Schon kurz nach meinem ersten Spiel habe ich gemerkt, welche Freude mir der Umgang mit Menschen macht, mit ihnen zu kommunizieren, sie zu führen. Das Entscheiden!", beschreibt er seine Motivation, die bis heute nicht nachgelassen hat. Nur viereinhalb Jahre nach seinem ersten Spiel in der Kreisliga debütierte er in der Oberliga. Bei seinem ersten Herrenspiel überhaupt, damals war er 17 Jahre jung, war es im Hinspiel hoch hergegangen.

Zwei Streifenwagen standen vor der Anlage. Doch schon in seiner ersten Beurteilung attestierte ihm der Beobachter ein "unglaublich ruhiges, abgeklärtes Auftreten." Später stagnierte seine Laufbahn in der 2. Bundesliga, auch Folge des traumatischen Erlebnisses, Babak Rafati 2011 in dessen Hotelzimmer entdeckt und gerettet zu haben, bevor ihn der DFB, als er schon 36 Jahre alt war, in den exklusiven Kreis der Bundesliga-Schiedsrichter berief.

Erste Gelbe Karte muss sitzen

Für junge Schiedsrichter*innen hat Ittrich wertvolle Ratschläge zusammengestellt, etwa wie wichtig es ist, früh einen Mentor an der Seite zu wissen. Gerade die Beratung durch einen erfahrenen Schiedsrichter bringe einen weiter. Auch kleinere Tipps Ittrichs dürften hilfreich sein: etwa, dass man besser dem "Reiz des Balles widerstehen solle". Wer dauernd auf dem Platz die eigene Balltechnik demonstrieren will, beeindruckt nicht, sondern könnte sich lächerlich machen. Noch ein Beispiel: Die erste Gelbe Karte im Spiel, rät Ittrich, muss sitzen.

Ittrich nimmt die Leser mit in das Video-Assist-Center (VAC) in Köln ("das wohl berühmteste Souterrain Deutschlands") und lässt sie mithören beim Funk während eines Bundesligaspiels mit seinen Assistenten und dem 4. Offiziellen. Er beschreibt, wie fordernd der Alltag der Schiedsrichter in der Beletage tatsächlich aussieht. Denn mit der Diagonalen kommt man längst nicht mehr ans Ziel.

Direkt nach dem Spiel muss sich der Schiedsrichter der Beurteilung durch den Beobachter stellen, ein paar Tage später folgt ein längeres Analysegespräch mit einem der acht Coaches, die der DFB für seine Bundesliga-Schiris bereithält. Beurteilt wird Ittrich dann in den Kategorien Spielmanagement und Regelauslegung, Disziplinarkontrolle, Persönlichkeit, Laufverhalten und Zusammenarbeit im Schiedsrichterteam. Die Kategorien splitten sich auf in 76 Unterpunkte.

Hohe Eigenverantwortung der Schiedsrichter

Ittrich spricht über die hohe Eigenverantwortung der Spitzenschiedsrichter, etwa bei der Fitness oder auch wenn es darum geht, ein Netzwerk aus Ärzten und Physiotherapeuten aufzubauen.

Vor allem aber geht es Ittrich darum, dass sich wieder mehr Nachwuchs für die rund 55.000 aktiven Fußball-Schiedsrichter*innen in Deutschland findet.

Denn wer beschließt, Schiedsrichter zu werden, trifft gleich zu Beginn schon mal eines: die richtige Entscheidung.

Patrick Ittrich spendet die Hälfte seiner durch den Buchverkauf erzielten Einnahmen an die DFB-Stiftung Sepp Herberger. Die älteste deutsche Fußballstiftung kümmert sich unter anderem um Sportler, die durch die Coronakrise unverschuldet in Not geraten sind.

[th]

Patrick Ittrich wird am heutigen Samstag das Erstrundenspiel des VfL Osnabrück im DFB-Pokal beim Oberligisten SV Todesfelde leiten. Eine Woche später startet er in seine sechste Saison als Unparteiischer der Bundesliga. Bevor er wieder von Spiel zu Spiel lebt, hat er sich die Zeit genommen, einmal zurückzuschauen.

In "Die richtige Entscheidung", Ende August im Edel-Verlag erschienen, gibt der 41-jährige Hamburger als erster aktiver Bundesliga-Schiedsrichter überhaupt spannende Einblicke in eine hochgradig durchgetaktete Leistungsgesellschaft.

Der Fußball hat sich verändert, das Leben der Spitzenschiedsrichter auch. Darüber berichtet Ittrich eindrucksvoll - und viele Details dürften selbst eingefleischte Fußballfans überraschen. "Erfrischend und unfassbar ehrlich", lobt Deniz Aytekin.

"Unglaublich ruhiges, abgeklärtes Auftreten"

Für junge ehrgeizige Schiedsrichter*innen sollte "Die richtige Entscheidung" ohnehin zur Pflichtlektüre zählen, genauso wie Ittrichs Buch allen empfohlen sei, die ihr ständiges Gemecker über den Schiedsrichter selbst hinterfragen und einfach mal besser verstehen wollen, wie die Lauf- und Entscheidungswege wirklich ausschauen. Ittrich beschreibt die Ehrlichkeit und Selbstkritik, die es eben im Spitzenbereich der Spielleiter braucht, das Teamwork im Gespann, den positiven, aber auch deutlichen Umgangston. Das ist oft lehrreich, selbst für Nicht-Fußballfans. Seinen Stil als Schiedsrichter beschreibt er selbst als "kommunikativ und streng".

Vor allem aber ist Ittrich ein begeisterter Spielleiter. "Schon kurz nach meinem ersten Spiel habe ich gemerkt, welche Freude mir der Umgang mit Menschen macht, mit ihnen zu kommunizieren, sie zu führen. Das Entscheiden!", beschreibt er seine Motivation, die bis heute nicht nachgelassen hat. Nur viereinhalb Jahre nach seinem ersten Spiel in der Kreisliga debütierte er in der Oberliga. Bei seinem ersten Herrenspiel überhaupt, damals war er 17 Jahre jung, war es im Hinspiel hoch hergegangen.

Zwei Streifenwagen standen vor der Anlage. Doch schon in seiner ersten Beurteilung attestierte ihm der Beobachter ein "unglaublich ruhiges, abgeklärtes Auftreten." Später stagnierte seine Laufbahn in der 2. Bundesliga, auch Folge des traumatischen Erlebnisses, Babak Rafati 2011 in dessen Hotelzimmer entdeckt und gerettet zu haben, bevor ihn der DFB, als er schon 36 Jahre alt war, in den exklusiven Kreis der Bundesliga-Schiedsrichter berief.

Erste Gelbe Karte muss sitzen

Für junge Schiedsrichter*innen hat Ittrich wertvolle Ratschläge zusammengestellt, etwa wie wichtig es ist, früh einen Mentor an der Seite zu wissen. Gerade die Beratung durch einen erfahrenen Schiedsrichter bringe einen weiter. Auch kleinere Tipps Ittrichs dürften hilfreich sein: etwa, dass man besser dem "Reiz des Balles widerstehen solle". Wer dauernd auf dem Platz die eigene Balltechnik demonstrieren will, beeindruckt nicht, sondern könnte sich lächerlich machen. Noch ein Beispiel: Die erste Gelbe Karte im Spiel, rät Ittrich, muss sitzen.

Ittrich nimmt die Leser mit in das Video-Assist-Center (VAC) in Köln ("das wohl berühmteste Souterrain Deutschlands") und lässt sie mithören beim Funk während eines Bundesligaspiels mit seinen Assistenten und dem 4. Offiziellen. Er beschreibt, wie fordernd der Alltag der Schiedsrichter in der Beletage tatsächlich aussieht. Denn mit der Diagonalen kommt man längst nicht mehr ans Ziel.

Direkt nach dem Spiel muss sich der Schiedsrichter der Beurteilung durch den Beobachter stellen, ein paar Tage später folgt ein längeres Analysegespräch mit einem der acht Coaches, die der DFB für seine Bundesliga-Schiris bereithält. Beurteilt wird Ittrich dann in den Kategorien Spielmanagement und Regelauslegung, Disziplinarkontrolle, Persönlichkeit, Laufverhalten und Zusammenarbeit im Schiedsrichterteam. Die Kategorien splitten sich auf in 76 Unterpunkte.

Hohe Eigenverantwortung der Schiedsrichter

Ittrich spricht über die hohe Eigenverantwortung der Spitzenschiedsrichter, etwa bei der Fitness oder auch wenn es darum geht, ein Netzwerk aus Ärzten und Physiotherapeuten aufzubauen.

Vor allem aber geht es Ittrich darum, dass sich wieder mehr Nachwuchs für die rund 55.000 aktiven Fußball-Schiedsrichter*innen in Deutschland findet.

Denn wer beschließt, Schiedsrichter zu werden, trifft gleich zu Beginn schon mal eines: die richtige Entscheidung.

Patrick Ittrich spendet die Hälfte seiner durch den Buchverkauf erzielten Einnahmen an die DFB-Stiftung Sepp Herberger. Die älteste deutsche Fußballstiftung kümmert sich unter anderem um Sportler, die durch die Coronakrise unverschuldet in Not geraten sind.

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