Irische Geschichten: Die "Tragik von Dublin"

Am Freitag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) steht für die Nationalmannschaft das WM-Qualifikationsspiel gegen Irland auf dem Programm. Es ist bereits das 17. Aufeinandertreffen beider Nationen - DFB.de schaut bis dahin täglich auf besonders brisante Duelle einer bewegten Länderspielhistorie zurück. Heute: der "Torklau" von 1951.

Im Oktober 1951 flog die deutsche Nationalmannschaft nach Dublin. Es war das vierte Aufeinandertreffen mit den Iren, mit denen der DFB erstmals 1935 (3:1 in Dortmund) Länderspiele ausgetragen hatte. In Dublin befand sich eine deutsche Elf zum zweiten Mal, die Premiere am 17. Oktober 1936 war gewaltig in die Hose gegangen (2:5).

Diese Scharte wollte die neu formierte Nationalelf, die in Folge des Krieges erst im November 1950 wieder zu Länderspielen berechtigt war, auswetzen. Auf den Tag genau 15 Jahre später. Doch es sollte anders kommen, in den Chroniken stand danach eine weitere Niederlage, aber nicht nur Bundestrainer Sepp Herberger sprach von "einem moralischen Sieg". Die 28-köpfige DFB-Delegation, die schon vier Tage vor dem Spiel von Düsseldorf abflog, wurde Zeuge der "Tragik von Dublin", wie das Sport-Magazin titelte.

Deutsche Amateure gegen irische Profis

Die DFB-Elf hatte sich wacker geschlagen gegen die aus Profis bestehende irische Elf, was in den Fünfzigern noch eine Erwähnung wert war. In Deutschland gab es den Profi bekanntlich noch nicht, und so war jeder Kontrahent, dessen Elf mit Profis gespickt war, automatisch Favorit. In Irlands Team standen acht Spieler aus der ersten englischen Division, ein Schottland-Legionär und nur zwei Iren, die in der heimischen Liga kickten. Herberger präsentierte die Stars der Oberliga 1950/1951, allen voran Fritz Walter und Jupp Posipal, aber Länderspielerfahrung hatten sie herzlich wenig. Die meisten kamen auf weniger als fünf Einsätze. DFB-Präsident Peco Bauwens versuchte für gute Stimmung zu sorgen und engagierte einen Bänkel-Sänger, der als Schornsteinfeger verkleidet den Spielern von Toren vorsang, die sie in Dublin erzielen würden. Jupp Posipal, der Verteidiger des HSV, musste etwas missverstanden haben.

Zwar eröffnete er an jenem 17. Oktober 1951, einem Mittwochabend, den Torreigen, doch zur Freude der 31.000 im Dalymount-Park überwand er Toni Turek mit einem eleganten Heber, weil er dessen Herauslaufen übersah. "Das erste Eigentor meiner Laufbahn", stöhnte Posipal hernach. War es das an Tragik? Keineswegs. Der Ire Fallon trat Fritz Walter rüde um und während der behandelt wurde, fiel das 0:2 durch Fitzsimmons (39.) aus 20 Metern. Entsetzen auf der Pressetribüne: "Wir gestehen ein, dass wir in diesem Moment nicht mehr an ein ehrenvolles Ergebnis glaubten." (Sport Magazin) Aber nach der Pause kam Fritz Walter wieder und mit ihm der deutsche Kampfgeist. Max Morlock nahm sein Zuspiel in der 62. Minute auf und verkürzte auf 1:2, worüber auch die Heimat jubelte. Denn mit der zweiten Halbzeit begann die Radio-Übertragung. 45 Minuten vom Länderspiel, damals noch ein Luxus. Dann kümmerte sich Fritz Walter selbst ums Toreschießen, in der 75. Minute überwand sein Direktschuss Keeper Kearman von Southampton. 2:2!

Turek und Posipal kamen von hinten zum Jubeln herbeigeeilt, schien doch der Kapitän ihren Eigentor-Patzer ausgebügelt zu haben. Und doch sorgten die beiden späteren Berner Helden für das nächste Gegentor. Wieder entsprang es einem Missverständnis und einem gut Teil Rücksicht. Als der von Glynn getretene Ball über die Linie hoppelte, unterließ es Posipal zu klären weil er glaubte, Turek käme noch dran. Für das Sport Magazin "eine groteske Szene", nach der Hunderte Zuschauer auf den Platz stürmten, einige "mit Autogrammblöcken", wie sich Fritz Walter erinnerte. Dies war der Tragödie dritter Teil, aber der Fußball-Gott hatte noch einen weiteren Schabernack im Sinn.

Erst Freudentänze, dann "bedeppert"

Es lief die letzte Minute, als Münsters Felix Gerritzen eine Ecke trat. Bayern-Verteidiger Jackl Streitle, sprang am höchsten und köpfte sein erstes Länderspieltor – dachten alle. Das Sport-Magazin schrieb: "Die deutschen Spieler führten wahre Freudentänze auf. Niemand zweifelte an der Gültigkeit dieses Tores, da der englische Schiedsrichter Ling nach diesem Tor erst zur Mitte und dann in die Richtung der Kabinen gezeigt hatte. Die irischen Spieler debattierten temperamentvoll mit dem Schiedsrichter und sprangen plötzlich freudestrahlend hoch. Ling gab damit zu, dass er bereits vor dem Torschuß abgepfiffen hatte." Was angesichts der Nachspielzeit, die wegen der Unterbrechung durch den Platzsturm anstand, ein schlechter Witz war. Die Zuschauer waren jedoch irritiert und blieben noch minutenlang auf ihren Plätzen, ehe der Stadionsprecher das Ergebnis (3:2) durchgab.

Fritz Walter schrieb in seinem Buch Spiele, die ich nie vergesse: "Wir zogen bedeppert in unsere Kabine ab. Herberger hatte es nicht leicht, uns wieder aufzumöbeln." Er versuchte es dennoch: "Trotz allem war es ein großes Länderspiel."

Die Deutschen trugen es dennoch mit Fassung, sie waren in jenen Tagen froh überhaupt wieder Spiele bestreiten zu dürfen. Zudem war es ein Freundschaftsspiel, und der englische Schiedsrichter Ling, dem Spaßvögel auf dem Bankett eine Stoppuhr schenken wollten – es blieb bei der Idee –, machte drei Jahre später alles wieder gut. Im Finale vorn Bern entschied er bei Puskas’ Schuss kurz vor Schluss auf Abseits, was zumindest die Ungarn bis heute anders sehen.

Die deutsche Aufstellung

Turek – Streitle, Kohlmeyer – Mebus, Posipal, Schanko – Preißler, Morlock – Gerritzen, Fritz Walter, Herrmann

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Am Freitag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) steht für die Nationalmannschaft das WM-Qualifikationsspiel gegen Irland auf dem Programm. Es ist bereits das 17. Aufeinandertreffen beider Nationen - DFB.de schaut bis dahin täglich auf besonders brisante Duelle einer bewegten Länderspielhistorie zurück. Heute: der "Torklau" von 1951.

Im Oktober 1951 flog die deutsche Nationalmannschaft nach Dublin. Es war das vierte Aufeinandertreffen mit den Iren, mit denen der DFB erstmals 1935 (3:1 in Dortmund) Länderspiele ausgetragen hatte. In Dublin befand sich eine deutsche Elf zum zweiten Mal, die Premiere am 17. Oktober 1936 war gewaltig in die Hose gegangen (2:5).

Diese Scharte wollte die neu formierte Nationalelf, die in Folge des Krieges erst im November 1950 wieder zu Länderspielen berechtigt war, auswetzen. Auf den Tag genau 15 Jahre später. Doch es sollte anders kommen, in den Chroniken stand danach eine weitere Niederlage, aber nicht nur Bundestrainer Sepp Herberger sprach von "einem moralischen Sieg". Die 28-köpfige DFB-Delegation, die schon vier Tage vor dem Spiel von Düsseldorf abflog, wurde Zeuge der "Tragik von Dublin", wie das Sport-Magazin titelte.

Deutsche Amateure gegen irische Profis

Die DFB-Elf hatte sich wacker geschlagen gegen die aus Profis bestehende irische Elf, was in den Fünfzigern noch eine Erwähnung wert war. In Deutschland gab es den Profi bekanntlich noch nicht, und so war jeder Kontrahent, dessen Elf mit Profis gespickt war, automatisch Favorit. In Irlands Team standen acht Spieler aus der ersten englischen Division, ein Schottland-Legionär und nur zwei Iren, die in der heimischen Liga kickten. Herberger präsentierte die Stars der Oberliga 1950/1951, allen voran Fritz Walter und Jupp Posipal, aber Länderspielerfahrung hatten sie herzlich wenig. Die meisten kamen auf weniger als fünf Einsätze. DFB-Präsident Peco Bauwens versuchte für gute Stimmung zu sorgen und engagierte einen Bänkel-Sänger, der als Schornsteinfeger verkleidet den Spielern von Toren vorsang, die sie in Dublin erzielen würden. Jupp Posipal, der Verteidiger des HSV, musste etwas missverstanden haben.

Zwar eröffnete er an jenem 17. Oktober 1951, einem Mittwochabend, den Torreigen, doch zur Freude der 31.000 im Dalymount-Park überwand er Toni Turek mit einem eleganten Heber, weil er dessen Herauslaufen übersah. "Das erste Eigentor meiner Laufbahn", stöhnte Posipal hernach. War es das an Tragik? Keineswegs. Der Ire Fallon trat Fritz Walter rüde um und während der behandelt wurde, fiel das 0:2 durch Fitzsimmons (39.) aus 20 Metern. Entsetzen auf der Pressetribüne: "Wir gestehen ein, dass wir in diesem Moment nicht mehr an ein ehrenvolles Ergebnis glaubten." (Sport Magazin) Aber nach der Pause kam Fritz Walter wieder und mit ihm der deutsche Kampfgeist. Max Morlock nahm sein Zuspiel in der 62. Minute auf und verkürzte auf 1:2, worüber auch die Heimat jubelte. Denn mit der zweiten Halbzeit begann die Radio-Übertragung. 45 Minuten vom Länderspiel, damals noch ein Luxus. Dann kümmerte sich Fritz Walter selbst ums Toreschießen, in der 75. Minute überwand sein Direktschuss Keeper Kearman von Southampton. 2:2!

Turek und Posipal kamen von hinten zum Jubeln herbeigeeilt, schien doch der Kapitän ihren Eigentor-Patzer ausgebügelt zu haben. Und doch sorgten die beiden späteren Berner Helden für das nächste Gegentor. Wieder entsprang es einem Missverständnis und einem gut Teil Rücksicht. Als der von Glynn getretene Ball über die Linie hoppelte, unterließ es Posipal zu klären weil er glaubte, Turek käme noch dran. Für das Sport Magazin "eine groteske Szene", nach der Hunderte Zuschauer auf den Platz stürmten, einige "mit Autogrammblöcken", wie sich Fritz Walter erinnerte. Dies war der Tragödie dritter Teil, aber der Fußball-Gott hatte noch einen weiteren Schabernack im Sinn.

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Erst Freudentänze, dann "bedeppert"

Es lief die letzte Minute, als Münsters Felix Gerritzen eine Ecke trat. Bayern-Verteidiger Jackl Streitle, sprang am höchsten und köpfte sein erstes Länderspieltor – dachten alle. Das Sport-Magazin schrieb: "Die deutschen Spieler führten wahre Freudentänze auf. Niemand zweifelte an der Gültigkeit dieses Tores, da der englische Schiedsrichter Ling nach diesem Tor erst zur Mitte und dann in die Richtung der Kabinen gezeigt hatte. Die irischen Spieler debattierten temperamentvoll mit dem Schiedsrichter und sprangen plötzlich freudestrahlend hoch. Ling gab damit zu, dass er bereits vor dem Torschuß abgepfiffen hatte." Was angesichts der Nachspielzeit, die wegen der Unterbrechung durch den Platzsturm anstand, ein schlechter Witz war. Die Zuschauer waren jedoch irritiert und blieben noch minutenlang auf ihren Plätzen, ehe der Stadionsprecher das Ergebnis (3:2) durchgab.

Fritz Walter schrieb in seinem Buch Spiele, die ich nie vergesse: "Wir zogen bedeppert in unsere Kabine ab. Herberger hatte es nicht leicht, uns wieder aufzumöbeln." Er versuchte es dennoch: "Trotz allem war es ein großes Länderspiel."

Die Deutschen trugen es dennoch mit Fassung, sie waren in jenen Tagen froh überhaupt wieder Spiele bestreiten zu dürfen. Zudem war es ein Freundschaftsspiel, und der englische Schiedsrichter Ling, dem Spaßvögel auf dem Bankett eine Stoppuhr schenken wollten – es blieb bei der Idee –, machte drei Jahre später alles wieder gut. Im Finale vorn Bern entschied er bei Puskas’ Schuss kurz vor Schluss auf Abseits, was zumindest die Ungarn bis heute anders sehen.

Die deutsche Aufstellung

Turek – Streitle, Kohlmeyer – Mebus, Posipal, Schanko – Preißler, Morlock – Gerritzen, Fritz Walter, Herrmann