Integrationspreis: Der Dröscheder Weg

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders, an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: der für den DFB-Integrationspreis nominierte FC Borussia Dröschede aus Iserlohn.

DFB-Integrationspreis wird vor Länderspiel in Stuttgart verliehen

Am kommenden Dienstag wird der Integrationspreis des Deutschen Fußball-Bundes und von Mercedes-Benz in Stuttgart vor dem Länderspiel gegen Chile am Mittwoch (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) verliehen. Drei von 130 Bewerbern sind in der Kategorie Verein noch im Rennen. Mit dabei: der FC Borussia Dröschede. Seit einer richtungsweisenden Entscheidung geht der Klub aus Nordrhein-Westfalen seinen ganz eigenen Weg.

"Entscheidend is' auf'm Platz." In Iserlohn sieht man das anders. Entgegen dem Kultmotto von Alfred Preißler engagiert sich der FC Borussia Dröschede nicht nur im sportlichen Bereich, sondern greift in der Vereinsarbeit auch wichtige gesellschaftliche Themen auf. Dabei haben die Dröscheder einen wegweisenden Umgang mit ehrenamtlicher Arbeit im Klub etabliert.

Offensiv tritt der Klub Fremdenfeindlichkeit entgegen. Podiumsdiskussionen, Plakataktionen und das Aufstellen eines Mahnmals gegen Antisemitismus verdeutlichen die Vielfalt eines Engagements, das aus gutem Grund betrieben wird. Rund 60 Prozent der Mitglieder haben ihre kulturellen Wurzeln außerhalb Deutschlands. Bei Spielen werden sie nicht selten zur Zielscheibe bewusster Provokationen. "Die Gegner wissen häufig sehr genau, welche Worte sie wählen müssen, um bestimmte Reaktionen bei unseren Spielern hervorzurufen", berichtet Astrid Nussbaumer, Mitglied des Jugendausschusses.

Integrationsschulungen für Trainer und Spieler

Um emotionale Ausraster zu verhindern, führte der Verein deshalb Integrationsschulungen für Trainer und Spieler ein. In vielen kleineren und zwei großen Veranstaltungen im Jahr sollen Respekt und Toleranz gegenüber Gegenspielern, Schiedsrichtern und Zuschauern geschult werden.

Obwohl unschöne Ereignisse seitdem seltener vorkommen, gibt es in dem langwierigen Prozess auch Rückschläge. "Als ein Elternteil nach dem Spiel mit der Eckfahne auf einen Zuschauer losging, habe ich mich natürlich gefragt, was wir hier überhaupt machen", gesteht Nussbaumer. Allerdings müsse man bei diesen Zwischenfällen konsequent einschreiten und stets aufmerksam sein. Genaues Hinhören genüge nicht: "Man muss auch reagieren."

Das tat Dröschede. Der cholerische Vater musste ein paar Stunden soziale Dienste ableisten. Mehr noch: 15 Verhaltensregeln wurden zu einem Vereinskodex zusammengefasst, der das respektvolle Miteinander fördert. Leitsätze wie "Ich bin stolz auf meinen Verein und vertrete ihn würdig" wurden von den Mitgliedern positiv aufgenommen, der Sinn wurde verstanden.

Gegen Fremdenfeindlichkeit, für friedliches Zusammenleben

Dieses entschlossene Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit, dieses Eintreten für ein friedliches Zusammenleben. Es ist nur eine Facette des "Dröscheder Weges". Ein Weg, den die Mitglieder seit 2011 mit einer noch größeren Hingabe verfolgen.

Vor drei Jahren planten private Investoren eine Fusion zwischen drei lokalen Vereinen in Iserlohn. Auf Mitgliederversammlungen wurde die Werbetrommel für das Projekt gerührt. Ein Erfolg schien zum Greifen nahe. Mit bis zu 90 Prozent stimmten zwei Vereine für die Fusion.

Jedoch nicht beim FC Borussia Dröschede. Mit einer überwältigenden Mehrheit stimmten die Mitglieder gegen die Fusionspläne, beschritten einen Sonderweg und rückten im Anschluss noch näher zusammen. Der "Dröscheder Weg" war geboren. Es ist dieser ganz spezielle Zusammenhalt, der den Verein seither prägt.

Das Herz schlägt im Vereinsheim

Treffpunkt dieses Gemeinschaftsgefühls: das Vereinsheim. Am Wochenende lädt die Vereinswirtin zum gemeinsamen Frühstück ein, die Bundesliga lockt jeden Samstag über 50 Leute an und zweimal pro Woche bieten drei Mütter Schülernachhilfe an. Speziell Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund profitieren von dem kostenlosen Angebot, das durch Hausbesuche von Emre Acikgöz ergänzt wird. Der 16 Jahre alte B-Jugendspieler des Klubs, der vom Lions Club ausgebildet wurde, hilft Familien bei Sprache und Rechtschreibung.

Diese kleinen, aber wichtigen Dinge, sie stehen sinnbildlich für das Prinzip, das hinter dem Erfolg bei Borussia Dröschede steckt. Klare Strukturen, kleine Aufgabengebiete. Wer sich im Verein engagieren möchte, wird nicht mit Arbeit überhäuft, sondern findet eine Nische, in der er seine individuellen Stärken und Interessen ausleben kann. "Mittlerweile kommen sogar Menschen auf uns zu und fragen, wie sie sich engagieren können", freut sich Nussbaumer, die im Jugend- und Hauptvorstand selbst immer wieder neue Ideen einbringt.

"Fußball baut Vorurteile ab"

Gemeinsam lassen sich auch große Feste wie das jährliche Osterfeuer organisieren. Während ihre Kinder sich beim Fußballspielen messen, helfen die Eltern beim Würstchenbraten und Getränkeausschank. Mitglieder, die ansonsten eher selten am Vereinsgelände anzutreffen sind, merken, mit welchem Engagement im Verein gearbeitet wird. Und auch die benachbarten Turn- und Schwimmvereine werden eingeladen, um sich vorzustellen. Es wird gespielt, geredet, gelacht.

Ein besonderer Höhepunkt des vergangenen Osterfeuers war das Freundschaftsspiel mit den Behindertenwerkstätten der Stadt. Als sie die Einladung aus Dröschede erhielten, waren die Behinderten zunächst verdutzt, nahmen dann aber gerne am herzlichen Wettkampf in gemischten Teams teil.

Nussbaumer: "Sie lieben Fußball und sind total begeistert. Über den Fußball kommt man schnell ins Gespräch, Vorurteile werden abgebaut. Als wir ihnen ein Dröschede-Trikot geschenkt haben, konnte man richtig sehen, wie stolz sie darauf sind. Das war ein tolles Gefühl." Der Dröscheder Weg - das ist gelebte Integration.

[tn]

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders, an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: der für den DFB-Integrationspreis nominierte FC Borussia Dröschede aus Iserlohn.

DFB-Integrationspreis wird vor Länderspiel in Stuttgart verliehen

Am kommenden Dienstag wird der Integrationspreis des Deutschen Fußball-Bundes und von Mercedes-Benz in Stuttgart vor dem Länderspiel gegen Chile am Mittwoch (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) verliehen. Drei von 130 Bewerbern sind in der Kategorie Verein noch im Rennen. Mit dabei: der FC Borussia Dröschede. Seit einer richtungsweisenden Entscheidung geht der Klub aus Nordrhein-Westfalen seinen ganz eigenen Weg.

"Entscheidend is' auf'm Platz." In Iserlohn sieht man das anders. Entgegen dem Kultmotto von Alfred Preißler engagiert sich der FC Borussia Dröschede nicht nur im sportlichen Bereich, sondern greift in der Vereinsarbeit auch wichtige gesellschaftliche Themen auf. Dabei haben die Dröscheder einen wegweisenden Umgang mit ehrenamtlicher Arbeit im Klub etabliert.

Offensiv tritt der Klub Fremdenfeindlichkeit entgegen. Podiumsdiskussionen, Plakataktionen und das Aufstellen eines Mahnmals gegen Antisemitismus verdeutlichen die Vielfalt eines Engagements, das aus gutem Grund betrieben wird. Rund 60 Prozent der Mitglieder haben ihre kulturellen Wurzeln außerhalb Deutschlands. Bei Spielen werden sie nicht selten zur Zielscheibe bewusster Provokationen. "Die Gegner wissen häufig sehr genau, welche Worte sie wählen müssen, um bestimmte Reaktionen bei unseren Spielern hervorzurufen", berichtet Astrid Nussbaumer, Mitglied des Jugendausschusses.

Integrationsschulungen für Trainer und Spieler

Um emotionale Ausraster zu verhindern, führte der Verein deshalb Integrationsschulungen für Trainer und Spieler ein. In vielen kleineren und zwei großen Veranstaltungen im Jahr sollen Respekt und Toleranz gegenüber Gegenspielern, Schiedsrichtern und Zuschauern geschult werden.

Obwohl unschöne Ereignisse seitdem seltener vorkommen, gibt es in dem langwierigen Prozess auch Rückschläge. "Als ein Elternteil nach dem Spiel mit der Eckfahne auf einen Zuschauer losging, habe ich mich natürlich gefragt, was wir hier überhaupt machen", gesteht Nussbaumer. Allerdings müsse man bei diesen Zwischenfällen konsequent einschreiten und stets aufmerksam sein. Genaues Hinhören genüge nicht: "Man muss auch reagieren."

Das tat Dröschede. Der cholerische Vater musste ein paar Stunden soziale Dienste ableisten. Mehr noch: 15 Verhaltensregeln wurden zu einem Vereinskodex zusammengefasst, der das respektvolle Miteinander fördert. Leitsätze wie "Ich bin stolz auf meinen Verein und vertrete ihn würdig" wurden von den Mitgliedern positiv aufgenommen, der Sinn wurde verstanden.

Gegen Fremdenfeindlichkeit, für friedliches Zusammenleben

Dieses entschlossene Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit, dieses Eintreten für ein friedliches Zusammenleben. Es ist nur eine Facette des "Dröscheder Weges". Ein Weg, den die Mitglieder seit 2011 mit einer noch größeren Hingabe verfolgen.

Vor drei Jahren planten private Investoren eine Fusion zwischen drei lokalen Vereinen in Iserlohn. Auf Mitgliederversammlungen wurde die Werbetrommel für das Projekt gerührt. Ein Erfolg schien zum Greifen nahe. Mit bis zu 90 Prozent stimmten zwei Vereine für die Fusion.

Jedoch nicht beim FC Borussia Dröschede. Mit einer überwältigenden Mehrheit stimmten die Mitglieder gegen die Fusionspläne, beschritten einen Sonderweg und rückten im Anschluss noch näher zusammen. Der "Dröscheder Weg" war geboren. Es ist dieser ganz spezielle Zusammenhalt, der den Verein seither prägt.

Das Herz schlägt im Vereinsheim

Treffpunkt dieses Gemeinschaftsgefühls: das Vereinsheim. Am Wochenende lädt die Vereinswirtin zum gemeinsamen Frühstück ein, die Bundesliga lockt jeden Samstag über 50 Leute an und zweimal pro Woche bieten drei Mütter Schülernachhilfe an. Speziell Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund profitieren von dem kostenlosen Angebot, das durch Hausbesuche von Emre Acikgöz ergänzt wird. Der 16 Jahre alte B-Jugendspieler des Klubs, der vom Lions Club ausgebildet wurde, hilft Familien bei Sprache und Rechtschreibung.

Diese kleinen, aber wichtigen Dinge, sie stehen sinnbildlich für das Prinzip, das hinter dem Erfolg bei Borussia Dröschede steckt. Klare Strukturen, kleine Aufgabengebiete. Wer sich im Verein engagieren möchte, wird nicht mit Arbeit überhäuft, sondern findet eine Nische, in der er seine individuellen Stärken und Interessen ausleben kann. "Mittlerweile kommen sogar Menschen auf uns zu und fragen, wie sie sich engagieren können", freut sich Nussbaumer, die im Jugend- und Hauptvorstand selbst immer wieder neue Ideen einbringt.

"Fußball baut Vorurteile ab"

Gemeinsam lassen sich auch große Feste wie das jährliche Osterfeuer organisieren. Während ihre Kinder sich beim Fußballspielen messen, helfen die Eltern beim Würstchenbraten und Getränkeausschank. Mitglieder, die ansonsten eher selten am Vereinsgelände anzutreffen sind, merken, mit welchem Engagement im Verein gearbeitet wird. Und auch die benachbarten Turn- und Schwimmvereine werden eingeladen, um sich vorzustellen. Es wird gespielt, geredet, gelacht.

Ein besonderer Höhepunkt des vergangenen Osterfeuers war das Freundschaftsspiel mit den Behindertenwerkstätten der Stadt. Als sie die Einladung aus Dröschede erhielten, waren die Behinderten zunächst verdutzt, nahmen dann aber gerne am herzlichen Wettkampf in gemischten Teams teil.

Nussbaumer: "Sie lieben Fußball und sind total begeistert. Über den Fußball kommt man schnell ins Gespräch, Vorurteile werden abgebaut. Als wir ihnen ein Dröschede-Trikot geschenkt haben, konnte man richtig sehen, wie stolz sie darauf sind. Das war ein tolles Gefühl." Der Dröscheder Weg - das ist gelebte Integration.