Im Fokus: Jansen und die Herzensangelegenheit HSV

Die Erfahrungen in München haben ihm geholfen, der Spieler zu werden, der er heute ist. Seinen Weggang hat Jansen zu keiner Zeit bereut, auch wenn in seiner Vita wohl ein paar mehr Titel stünden, hätte er sich vor sieben Jahren nicht für Hamburg entschieden. "Ich erkenne neidlos an, was dort entstanden ist. Die Bayern haben sich das über Jahrzehnte hinweg durch großartige Arbeit verdient", sagt Jansen.

Mit Blick auf das Spiel am Samstag sagt er aber auch, dass es für seine Mannschaft nicht von vornherein nur um Schadensbegrenzung geht. Manchmal wachsen Teams mit der Größe der Aufgabe, an diese Hoffnung klammert sich auch der HSV.

Und Jansen zieht ein Motivationsplus daraus, dass seine Mannschaft von vielen als chancenlos betrachtet wird. "Ich nehme das als Ansporn", sagt er und ergänzt: "Es interessiert mich auch nicht. Wir werden alles dafür tun, im Laufe des Spiels eine gewisse Frechheit zu entwickeln". Und schließt mit einem Satz, den er in seinen zwölf Monaten in München gelernt hat: "Dann schauen wir mal."

[sl]


Regelmäßig stellt team.dfb.de einen Spieler des A-Teams vor, für den am Wochenende Außergewöhnliches ansteht. Heute: Marcell Jansen, der mit dem Hamburger SV am Samstag (ab 15.30 Uhr, live auf Sky) bei seinem Ex-Verein FC Bayern München antritt.

Wer mit Marcell Jansen ein Gespräch über den HSV beginnt, sollte später besser nichts vorhaben. Seine Augen sind hellwach, über den HSV spricht Jansen ohne zu blinzeln, jedes Wort wird mit Nachdruck betont. Wenn Jansen über seinen Klub spricht, dann spricht nicht nur seine Stimme, dann spricht der ganze Jansen. Und weil es ihm dieser Klub ganz besonders angetan hat, spricht Jansen gerne und ausführlich.

Seine Positionen vertritt er glaubhaft, immer wieder betont er, welch "geiler Verein" dieser HSV sei. Mit dieser Tradition, mit diesen Fans, deswegen auch mit diesem Potenzial. Und Jansen verzweifelt fast daran, dass diese Möglichkeiten bislang weit von ihrer Ausschöpfung entfernt sind. Aber Jansen glaubt unverdrossen an das Gute im HSV, auch deswegen hat er im Sommer 2012 seinen Vertrag bis 2015 verlängert. Die Rothosen sind ihm eine Herzensangelegenheit, aus jedem seiner Sätze klingt dies heraus.

Dienstältester und Interimskapitän

Und es ist interessant, was Jansen zu sagen hat. Weil er sich traut, seine Gedanken zu verbalisieren. Für seine Kollegen, für seinen Verein, für die Fans, auch für sich. Beim Dinosaurier der Bundesliga ist Jansen einer der dienstältesten Spieler, ganz abgesehen von seiner Leistung hat Jansens Wort schon ob dessen Gewicht. Noch mehr, seit er ein dehnbares Stück Stoff um seinen Arm mit auf den Platz bringt. In Vertretung für den verletzten Rafael van der Vaart fungiert der Nationalspieler als Kapitän des HSV - und Amt verpflichtet.

Erst intern und dann öffentlich hat Jansen zuletzt einige Missstände aufgezeigt, ohne dabei Interna zu verraten. Lange Zeit fehlte ihm bei seinem Klub die Konstanz, im Scherz hat er gesagt, dass es eines Mathematik-Studiums bedürfte, um im Ergebnis der Addition aller Trainer, die er beim HSV erlebt hat, auf die korrekte Summe zu kommen. Jansen ist lange genug dabei, um zu wissen, dass die hohe Fluktuation beim Führungspersonal nicht leistungsfördernd ist. Neue Trainer kommen mit neuen Gedanken, manchmal mit neuen Spielern, fast immer mit einer neuen Philosophie. Sicherheit, diese Ansicht hat Jansen nicht exklusiv, gewinnen Fußballmannschaften auf diese Weise eher selten.

Rückkehr nach München

Mit der aktuellen Situation beim HSV ist Jansen dennoch eigentlich zufrieden, die jüngsten Ergebnisse mal ausgeklammert. Das Training unter Bert van Marwijk ist strukturiert und abwechslungsreich, mit seinem großen Erfahrungsschatz verfügt der Niederländer über eine große Ruhe, die sich vom aufgeregten Umfeld wohltuend abhebt. Jansen glaubt also daran, dass sich spätestens mittelfristig Resultate und Anspruch angleichen werden. Spätestens nach der Winterpause, wenn die Verletzten wieder zur Mannschaft stoßen und der Coach den Spielern seine Ideen im Trainingslager noch mehr vermitteln konnte.

Kurzfristig steht dem Aufschwung ein aus vielen Gründen sehr spezieller Gegner im Weg: der FC Bayern München, für viele die aktuell beste Fußballmannschaft der Welt. Daneben das Team, das dem HSV in der vergangenen Spielzeit beim 9:2 in München die höchste Niederlage in dessen Historie zugefügt hat.

Und Jansens ehemaliger Verein. In der Saison 2007/2008 hat der heute 28-Jährige 17 Spiele für den FCB absolviert, Meisterschaft, DFB-Pokal und eine schwere Sprunggelenksverletzung stehen in seiner bayerischen Bilanz. Auf seine Zeit an der Säbener Straße schaut er mit einer Mischung aus Stolz und Wehmut: "Weil es ein sehr emotionales Jahr war - mit zwei Titeln und einer schweren Verletzung."

Chancenlos gegen Bayern? "Ich nehme das als Ansporn"

Die Erfahrungen in München haben ihm geholfen, der Spieler zu werden, der er heute ist. Seinen Weggang hat Jansen zu keiner Zeit bereut, auch wenn in seiner Vita wohl ein paar mehr Titel stünden, hätte er sich vor sieben Jahren nicht für Hamburg entschieden. "Ich erkenne neidlos an, was dort entstanden ist. Die Bayern haben sich das über Jahrzehnte hinweg durch großartige Arbeit verdient", sagt Jansen.

Mit Blick auf das Spiel am Samstag sagt er aber auch, dass es für seine Mannschaft nicht von vornherein nur um Schadensbegrenzung geht. Manchmal wachsen Teams mit der Größe der Aufgabe, an diese Hoffnung klammert sich auch der HSV.

Und Jansen zieht ein Motivationsplus daraus, dass seine Mannschaft von vielen als chancenlos betrachtet wird. "Ich nehme das als Ansporn", sagt er und ergänzt: "Es interessiert mich auch nicht. Wir werden alles dafür tun, im Laufe des Spiels eine gewisse Frechheit zu entwickeln". Und schließt mit einem Satz, den er in seinen zwölf Monaten in München gelernt hat: "Dann schauen wir mal."