HSV gegen Bremen: Karabinerhaken, Papierkugel, epische Duelle

Der Hamburger SV empfängt heute (ab 20.30 Uhr, live auf Sky) am 31. Spieltag Werder Bremen. Das 104. Nordderby in der Bundesliga hat an der Waterkant eine spannende Vergangenheit mit erinnerungswürdigen Spielen. DFB.de wirft einen Blick in die Historie des oft epischen Duells, in der auch ein Karabinerhaken eine tragische und eine Papierkugel eine kuriose Rolle spielen.

Das erste Duell in Hamburg

21. Juli 1946: HSV - Werder 2:1

Vor dem Krieg trat der HSV zweimal (1927, 1935) in Bremen an und gewann (4:1, 5:4). Die Serie hielt auch bei der Werder-Premiere in Hamburg. Das Spiel war ursprünglich das zweite um die Norddeutsche Meisterschaft, doch deren Fortsetzung untersagte die englische Militärregierung, die sich bei der Genehmigung übergangen fühlte. So wurde die Partie kurzfristig zum Freundschaftsspiel umdeklariert, für das sich immer noch 5000 Menschen interessierten. Torschützen sind nicht überliefert, Sportzeitungen z. B. gab es erst ab Herbst 1946.



Der Hamburger SV empfängt heute (ab 20.30 Uhr, live auf Sky) am 31. Spieltag Werder Bremen. Das 104. Nordderby in der Bundesliga hat an der Waterkant eine spannende Vergangenheit mit erinnerungswürdigen Spielen. DFB.de wirft einen Blick in die Historie des oft epischen Duells, in der auch ein Karabinerhaken eine tragische und eine Papierkugel eine kuriose Rolle spielen.

Das erste Duell in Hamburg

21. Juli 1946: HSV - Werder 2:1

Vor dem Krieg trat der HSV zweimal (1927, 1935) in Bremen an und gewann (4:1, 5:4). Die Serie hielt auch bei der Werder-Premiere in Hamburg. Das Spiel war ursprünglich das zweite um die Norddeutsche Meisterschaft, doch deren Fortsetzung untersagte die englische Militärregierung, die sich bei der Genehmigung übergangen fühlte. So wurde die Partie kurzfristig zum Freundschaftsspiel umdeklariert, für das sich immer noch 5000 Menschen interessierten. Torschützen sind nicht überliefert, Sportzeitungen z. B. gab es erst ab Herbst 1946.

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Die Bundesliga-Premiere

26. März 1964: HSV - Werder 1:1

Das erste Nord-Derby im Volksparkstadion auf der Bundesliga-Bühne erfolgte mit Verzögerung. Am 29. Februar sollte es so weit sein, doch der Platz war unbespielbar. So kam es an Gründonnerstag 1964 zur Premiere, die nicht lange auf Tore warten ließ. Uwe Seeler nutzte schon in der zweiten Minute einen Fehler von "Pico" Schütz zum 1:0. Bereits nach 13 Minuten glich Erwin Jung per Kopfball aus. Ein drittes Tor fiel auch noch, bloß wurde ihm die Anerkennung versagt. Dieter Thun köpfte nach 71 Minuten ins Hamburger Tor und der Schiedsrichter zeigte zur Mitte, da intervenierte der Assistent an der Seitenlinie. Abseits! So blieb es bei der gerechten Punkteteilung in einem relativ ruppigem Spiel. 25.000 gingen im Bewusstsein nach Hause, ein Remis gesehen zu haben, nur Werder-Trainer "Fischken" Multhaup vermeldete ein anderes Resultat: "Also für mich hat Werder 2:1 gewonnen!"

Die höchsten Heimsiege

22. März 1980 und 15. Mai 1982: HSV - Werder 5:0

Der HSV war amtierender Meister, steuerte auf Kurs Titelverteidigung und ging als Tabellenzweiter ins Spiel. Werder (Platz 14) stand von Beginn an auf verlorenem Posten und bekam die Quittung für seinen "unkonzentrierten Betonfußball" (kicker). Mann des Tages war Horst Hrubesch, der für seine von drei Treffern gekrönte Leistung in Sprechchören gefeiert wurde. So verdiente er sich seine am Vortag erhaltene erste Nominierung zur A-Nationalmannschaft nachdrücklich. Hrubesch stellte schon nach 16 Minuten die Weichen, Jürgen Milewski (42.) sorgte für den Halbzeitstand von 2:0. Auch Vorstopper Ditmar Jakobs (60.) durfte auf die Anzeigetafel, ehe Hrubesch per Doppelschlag (82., 86.) aus dem Sieg ein Schützenfest im mit 31.000 Zuschauern nur halb gefüllten Volksparkstadion machte.

Auch das nächste Bremer Gastspiel in Hamburg im ersten Jahr nach dem Zweitliga-Gastspiel 1980/1981 wurde zum Fiasko. Diesmal war es jedoch in der Dimension nicht zu erwarten. Zwar war der HSV Tabellenführer, aber Aufsteiger Werder überraschte alle Experten und träumte drei Spiele vor Schluss als Fünfter noch vom UEFA-Cup-Platz. Aber dann lief vieles wie im Mai 1980. Hamburg gewann 5:0 und Horst Hrubesch erzielte wieder drei Tore (40., 51., 67), den Rest steuerten Felix Magath (48.) und Lars Bastrup (73.) bei. Nur die Kulisse (53.400) war weit größer und das Debakel hatte für die nun von Otto Rehhagel trainierten Bremer keine Folgen. Nach Europa schafften sie es trotzdem. Der HSV wurde gar Meister, was Franz Beckenbauer, der 90 Minuten auf der Ersatzbank verlebte, ankündigte: "Man kann, so glaube ich, den Sekt schon kaltstellen." Der Kaiser sollte wieder mal Recht behalten, schon eine Woche später war es soweit.

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Die höchsten Auswärtssiege

13. Februar 1965 und 22. September 2001: HSV - Werder 0:4

Auf dem Weg zur Meisterschaft nahm Werder am 21. Spieltag 1964/1965 auch die Hürde HSV mit Leichtigkeit. Stürmer Klaus Matischak sorgte für eine beruhigende 2:0-Pausenführung (16., 26.), den entscheidenden Treffer erzielte jedoch ein Hamburger: Uwe Seelers Bruder Dieter unterlief in der 78. Minute ein Eigentor. Arnold "Pico" Schütz schenkte dem demoralisierten Gegner noch ein viertes Tor (80.) ein. Mit dem Sieg übernahm Werder die Tabellenführung und behielt sie bis zum Schluss.

Am 22. September 2001 wurde der Rekordauswärtssieg von 1965 eingestellt. Während Werder-Trainer Thomas Schaaf euphorisiert von einer "Traumelf" sprach, fragte der kicker besorgt: "Steigt der HSV ab?" Gerade hatte der Bundesliga-Dino wieder mal den Trainer gewechselt, für Frank Pagelsdorf saß interimsweise Manager Holger Hieronymus auf der Bank. Der gewünschte Effekt blieb aus. Wie 1965 stand es schon zur Pause 0:2, nun hießen die Torschützen Ailton (13.) und Marco Bode (34.). So blieb es bis zur 84. Minute, dann stachen die Werder-Joker. Fabian Ernst und Paul Stalteri kamen von der Bank und trafen prompt. Durch die Pleite stürzte der HSV auf Platz 15, die noch schlechter gestarteten Bremer zogen vorbei (11.).

Der besondere Moment

20. September 1989: HSV - Werder 4:0 - Jakobs am Haken

Es läuft die 14. Minute an diesem September-Mittwoch und es läuft der Bremer Wynton Rufer allein aufs HSV-Tor zu. Torwart Richard Golz wird überlupft, die Werder-Fans wollen schon jubeln – da rauscht Ditmar Jakobs heran. So wie man ihn seit 15 Jahren kennt in der Bundesliga: kompromisslos, resolut und ohne Rücksicht auf Verluste. Jakobs landet im Tor, vom eigenen Schwung mitgerissen zappelt er im Netz. Die HSV-Fans applaudieren, eine Großtat des alten Recken. Nun könnte er langsam wieder aufstehen. Aber Jakobs steht nicht auf. Eine teuflische Laune des Schicksals fesselt ihn an den Boden. Ein Karabinerhaken, der das Netz in der Erde hält, ist aufgeschnappt, hat sich vier Zentimeter tief in seinen Rücken gebohrt und gibt ihn nicht mehr frei. "Ich hing irgendwo fest, tastete meinen Rücken ab und fühlte das Tornetz, aber auch kaltes Metall. Unter Schock fühlte ich noch keinen Schmerz", erinnert sich der Verteidiger in einem NDR-Interview 20 Jahre später – und vermutlich auch ein Leben lang.

Jakobs wird ohnmächtig, Helfer eilen herbei: Masseur Hermann Rieger und Vereinsarzt Dr. Fielker stehen vor einem Problem, das es noch nie gegeben hat. "Es war sehr schlimm, wir zeigen ihnen nicht alles. Wir verzichten auf Nahaufnahmen", sagt ZDF-Reporter Rolf Töpperwien den Zuschauern. Zunächst wird versucht, Jakobs mit der Hand zu befreien, auch wird das Netz an der Unglücksstelle zerschnitten. 25 Minuten lang ist an Fußball nicht zu denken, Schiedsrichter Wolfgang Mierswa hat die Partie natürlich unterbrochen. Während die Zuschauer noch rätseln, was passiert sein könnte, hat Bremens Trainer-Fuchs Otto Rehhagel den Überblick. Er zeigt seinen Spielern auf der Ersatzbank mit dem Finger an: er hat was im Rücken.

Die Retter greifen derweil zum Äußersten: eine Flex-Maschine wird geholt, um den Haken zu zerschneiden, doch beim ersten Versuch bricht die Scheibe. Jakobs, wieder erwacht, ist beinahe froh darüber. Denn er fürchtet, das synthetische Trikot könne Feuer fangen. So bittet er Teamarzt Gerold Schwarz, ihn mit einem Skalpell herauszuschneiden. Nach 21 endlosen Minuten gelingt die Befreiung, ein Krankenwagen hält hinter dem Tor. Unter dem Beifall der geschockten Zuschauer wird er abtransportiert und an der Anzeigetafel steht: "Wir wünschen Ditmar Jakobs gute Besserung!". Nach Abpfiff des Spiels, bei dem die HSV-Fans vier Tore und einen Sieg bejubeln können, kommt noch eine scheinbar gute Nachricht über das Stadionmikrofon: "Ditmar Jakobs geht es wieder gut", schallt es um 21.55 Uhr durch den Volkspark.

Es ist ein Irrtum. Der Schnitt mit dem Skalpell hat irreparable Folgen. Jakobs: "Bei den weiteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass bei der Rettungsaktion mehrere Dornfortsätze der Wirbel abgeschlagen und wichtige Nerven durchtrennt worden waren, drei Zentimeter von der Wirbelsäule entfernt. Eine vollständige Regeneration der Nervenbahnen stellte sich nicht ein, Schmerzen und die gestörte Motorik blieben. Meine Laufbahn war durch den Karabinerhaken plötzlich beendet worden." Bis heute hat der jetzt als Versicherungsmakler tätige Jakobs Schmerzen, "doch ich habe gelernt mit ihnen zu leben." Auch der HSV lernt etwas und verbannt mit jenem Tag die Karabinerhaken aus seinen Toren, fortan halten nur noch Schnüre das Netz.

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Das wichtigste Spiel

13. Mai 2006: HSV - Werder 1:2

Der Spielplan und die Tabelle verliehen dem Derby 2006 eine besondere Note. Am 34. Spieltag kämpften die Nordrivalen um den zweiten Champions-League-Platz hinter Meister Bayern. Der HSV war im Vorteil, nicht nur wegen des Heimspiels. Ein Punkt hätte schon gereicht, 59,2 Prozent der Teilnehmer an einer kicker-Abstimmung glaubten das. Werder-Nationalspieler Torsten Frings trommelte dennoch: "Werder ist die bessere Elf als der HSV. Das haben wir über die gesamte Spielzeit bewiesen."

In Hamburg konnten sie das nicht wirklich beweisen, hinterher war von einem glücklichen Sieg die Rede. Nach Chancen (9:5) und Ecken (7:4) lag der HSV vorn, nach Toren jedoch Werder. Ivan Klasnic machte das 0:1 mit links (27.), auf Vorarbeit des überragenden Miroslav Klose. Nach 60 Minuten jubelten die meisten der 57.000 Zuschauer, Sergej Barbarez köpfte den Ausgleich. Fünf Minuten später die Schlüsselszene der Saison für den HSV: Stürmer Ailton kam fünf Meter vor dem fast leeren Tor frei zum Schuss und vergab überhastet. "Das tut weh, alle haben mich in der Kabine aufgemuntert. Das ist eine tolle Mannschaft mit einem tollen Charakter", erzählte der Brasilianer hinterher, als eigentlich ganz Hamburg Aufmunterung brauchte. Denn nach 72 Minuten kam der Torschützenkönig der Saison, Klose, zum 1:2. Die Entscheidung verzögerte sich noch etwas, als Tim Borowski einen Foulelfmeter an den Pfosten schoss (83.). Trotzdem schaukelte Werder den Vorsprung über die Zeit und konnte das 2000. Gegentor seiner Historie (durch Barbarez) locker verschmerzen. Auf einem Partydampfer auf der Weser wurde das Happy End der Saison ausgiebig gefeiert. Der HSV feierte mit Verspätung und schaffte den Einzug in die Champions League im August - über die Qualifikation.

Das wichtigste Spiel außerhalb der Bundesliga

7. Mai 2009: UEFA-Pokal-Halbfinale HSV - Werder 2:3

Im Frühjahr 2009 trafen der HSV und Werder binnen 18 Tagen viermal aufeinander. In der Liga, im Pokal und im Halbfinale des UEFA-Pokals. Im Hinspiel in Bremen (0:1) schaffte der HSV dabei seinen einzigen Sieg, der schließlich nichts wert. Denn im Rückspiel gewannen die Bremer 3:2 und zogen dank der Auswärtstor-Regelung ins Finale ein. Dabei war der HSV durch Ivica Olic (12.) in Führung gegangen, die Diego per Elfmeter (29.) ausglich. Dann zog Werder an – und binnen drei Minuten davon: 1:2 durch Claudio Pizarro (66.), 1:3 durch Frank Baumann (83.). Der zweite Olic-Treffer (87.) bewirkte nichts mehr.

Länger als die Torschützen blieb indes ein lebloser "Mitspieler" in Erinnerung - eine Papierkugel. Das Überbleibsel einer Fan-Choreographie war der Star des Abends, denn es verursachte einen Eckstoß, weil der Ball sie berührte, versprang und vom HSV-Spieler Michael Gravgaard nicht mehr zu kontrollieren war. Aus der Ecke entstand das 1:3 durch Baumann und zum Schaden kam für den HSV nun noch der Spott. Beim Bundesligaspiel in Bremen drei Tage später hüpfte eine überdimensionale Papierkugel durch die Reihen der Werder-Fans, während das Original von Sat.1 aufgetrieben wurde und trotz einiger Zweifel an seiner Echtheit Eingang ins Werder-Museum fand.

Serien und Fakten

Keine Bundesliga-Paarung gab es öfter (jetzt schon zum 104. Mal)
Gesamtbilanz: 33-33-37
In Hamburg: 23-17-11
Seit elf Ligaduellen kein Remis
Seit 15. April 2000 und 31 Spielen kein 0:0 mehr
Gesamtbilanz aus 148 Spielen in allen Wettbewerben: 51-41-56 bei 256:240 Toren