Hölzenbein: "Ich bin stolz, dass ich dazugehöre"

Er ist der Allroundmann der Frankfurter Eintracht. Als Profi erzielte Bernd Hölzenbein 160 Tore, mehr als jeder andere des Vereins, in seinen 420 Bundesligaspielen, gewann mit seinem kongenialen Partner Jürgen Grabowski 1974, 1975 und 1981 den DFB-Pokal und 1980 den UEFA-Cup. 40 Länderspiele bestritt er und wurde 1974 als Frankfurter Flügelzange an der Seite von Grabowski Weltmeister. Sechs Jahre lang (1988 bis 1994) war er Vizepräsident und von 1994 bis 1996 Manager des Klubs, bei dem er seit 2004 als Chefscout und Berater des Vorstands beschäftigt ist.

Beim Länderspiel in Frankfurt gegen Argentinien werden Bernd Hölzenbein (66) und Jürgen Grabowski (68), der als "Mister Eintracht" mit 44 Länderspielen Frankfurts Rekordnationalspieler ist, als neue Ehrenmitglieder des Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola vorgestellt.

Im Interview mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien äußerst sich Hölzenbein über seine Rolle als neues prominentes Fan-Club-Mitglied, beschreibt die Auswirkung von Messis Auftritt auf den Saisonauftakt in Frankfurt, äußert sich über die Chancen der Eintracht nach dem Bundesliga-Wiederaufstieg und blickt zurück auf Höhen und Tiefen seiner langen Karriere.

DFB.de: Zusammen mit Jürgen Grabowski werden Sie vor dem Anpfiff gegen Argentinien als neue Ehrenmitglieder im Fan Club Nationalmannschaft vorgestellt. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Bernd Hölzenbein: Ich bin überrascht und stolz, dass man an mich gedacht hat, dass ich jetzt dazugehöre. Wenn ich sehe, wer inzwischen zu den prominenten Mitgliedern des Fan Club zählt - Rudi Völler, Paul Breitner, Guido Buchwald, um nur ein paar Namen zu nennen -, dann ist das schon eine große Ehre. Ganz zu schweigen von dieser riesigen Anzahl von mehr als 50.000 Fans, die dem Club angehören und die für eine so großartige Rückendeckung bei den Länderspielen sorgen. Über 50.000 – das ist Wahnsinn, sensationell. Die Nationalmannschaft ist das Aushängeschild des deutschen Fußballs, der ich mich total verbunden fühle. Sie hat jede nur denkbare Unterstützung verdient.

DFB.de: Haben Sie eine solch umfangreiche, gezielte und dennoch sehr emotionale Unterstützung während Ihrer Zeit als Nationalspieler vermisst?

Hölzenbein: Ich konnte sie nicht vermissen, weil ich so etwas ja gar nicht gekannt habe. Im Nachhinein muss man sagen, dass ein solch toller Beistand uns in der einen oder anderen Situation früher auch gut getan hätte.

DFB.de: Mit dem Fan Club und seinen Aktivitäten ist eine neue Kultur des Beistands für die Nationalmannschaft bei ihren Länderspielen entstanden. Fröhlich, intensiv und friedlich. Könnte dies ein beispielhaftes Signal generell für alle Fußballfans sein?



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Er ist der Allroundmann der Frankfurter Eintracht. Als Profi erzielte Bernd Hölzenbein 160 Tore, mehr als jeder andere des Vereins, in seinen 420 Bundesligaspielen, gewann mit seinem kongenialen Partner Jürgen Grabowski 1974, 1975 und 1981 den DFB-Pokal und 1980 den UEFA-Cup. 40 Länderspiele bestritt er und wurde 1974 als Frankfurter Flügelzange an der Seite von Grabowski Weltmeister. Sechs Jahre lang (1988 bis 1994) war er Vizepräsident und von 1994 bis 1996 Manager des Klubs, bei dem er seit 2004 als Chefscout und Berater des Vorstands beschäftigt ist.

Beim Länderspiel in Frankfurt gegen Argentinien werden Bernd Hölzenbein (66) und Jürgen Grabowski (68), der als "Mister Eintracht" mit 44 Länderspielen Frankfurts Rekordnationalspieler ist, als neue Ehrenmitglieder des Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola vorgestellt.

Im Interview mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien äußerst sich Hölzenbein über seine Rolle als neues prominentes Fan-Club-Mitglied, beschreibt die Auswirkung von Messis Auftritt auf den Saisonauftakt in Frankfurt, äußert sich über die Chancen der Eintracht nach dem Bundesliga-Wiederaufstieg und blickt zurück auf Höhen und Tiefen seiner langen Karriere.

DFB.de: Zusammen mit Jürgen Grabowski werden Sie vor dem Anpfiff gegen Argentinien als neue Ehrenmitglieder im Fan Club Nationalmannschaft vorgestellt. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Bernd Hölzenbein: Ich bin überrascht und stolz, dass man an mich gedacht hat, dass ich jetzt dazugehöre. Wenn ich sehe, wer inzwischen zu den prominenten Mitgliedern des Fan Club zählt - Rudi Völler, Paul Breitner, Guido Buchwald, um nur ein paar Namen zu nennen -, dann ist das schon eine große Ehre. Ganz zu schweigen von dieser riesigen Anzahl von mehr als 50.000 Fans, die dem Club angehören und die für eine so großartige Rückendeckung bei den Länderspielen sorgen. Über 50.000 – das ist Wahnsinn, sensationell. Die Nationalmannschaft ist das Aushängeschild des deutschen Fußballs, der ich mich total verbunden fühle. Sie hat jede nur denkbare Unterstützung verdient.

DFB.de: Haben Sie eine solch umfangreiche, gezielte und dennoch sehr emotionale Unterstützung während Ihrer Zeit als Nationalspieler vermisst?

Hölzenbein: Ich konnte sie nicht vermissen, weil ich so etwas ja gar nicht gekannt habe. Im Nachhinein muss man sagen, dass ein solch toller Beistand uns in der einen oder anderen Situation früher auch gut getan hätte.

DFB.de: Mit dem Fan Club und seinen Aktivitäten ist eine neue Kultur des Beistands für die Nationalmannschaft bei ihren Länderspielen entstanden. Fröhlich, intensiv und friedlich. Könnte dies ein beispielhaftes Signal generell für alle Fußballfans sein?

Hölzenbein: Fröhlich und intensiv geht es ja überall zu. Friedlich, da herrscht an manchen Orten noch Nachholbedarf. Es wäre wirklich schön, wenn sich die paar wenigen Uneinsichtigen, die hin und wieder für so große Probleme sorgen, an dieser ausgelassenen und dennoch total gewaltfreien Atmosphäre der Fan Club-Mitglieder ein Beispiel nehmen würden.

DFB.de: Mit dem Klassiker gegen Argentinien startet die Nationalmannschaft in die neue Länderspielsaison, die geprägt sein wird von den Qualifikationsspielen zur WM 2014. Wie beurteilen Sie die Perspektiven des Teams?

Hölzenbein: Die Aussichten jetzt kurzfristig für das anstehende Länderspiel zu beurteilen, fällt mir sehr schwer. Sechs Wochen nach der EM starten alle wieder bei Null. Erfahrungsgemäß finden die Spieler immer erst nach dem fünften, sechsten Punktspieltag der Saison zu ihrer Bestform. Mittelfristig aber bin ich von der großen Klasse und dem Potenzial unserer Mannschaft überzeugt. Ich glaube an sie und ihre Zukunft, weil sie noch jung genug ist, um einen weiteren großen Schritt nach vorne zu machen, und trotzdem schon über viel internationale Erfahrung verfügt. Was die WM-Qualifikation betrifft, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Das ist für mich kein Thema. Wir werden in unserer Gruppe, die ja nicht die allerschwerste ist, durchmarschieren zur WM in Brasilien.

DFB.de: Wird Frankfurt ein guter Startblock sein, von dem aus die Mannschaft den richtigen Weg in die Zukunft findet?

Hölzenbein: Auf jeden Fall. Sie tritt im schönsten Stadion Deutschlands an, in dem die Frankfurter Fans sie total unterstützen werden. Das Nationalteam findet hier großen Anklang. Ich könnte mir keine bessere Startposition für den Aufbruch zu neuen Zielen vorstellen als diese herrliche Arena.

DFB.de: Welche Erinnerungen haben Sie als ehemaliger Nationalspieler an Argentinien und den dortigen Fußball?

Hölzenbein: Mein einziges Länderspiel gegen Argentinien war gleichzeitig auch eines meiner besten, wie mir von neutralen Beobachtern bescheinigt wurde. 3:1 haben wir 1977 in Buenos Aires im Rahmen unserer damaligen Südamerika-Tournee gewonnen. Mir gelang dabei ein Kopfballtor, und auch die weiteren Spiele in Uruguay und Brasilien verliefen mit einem Sieg und Unentschieden so verheißungsvoll, dass wir mit großen Hoffnungen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung ein Jahr später zur WM nach Argentinien reisen konnten. Leider war dann das Gegenteil der Fall. Die WM 1978 in Argentinien war eine Riesenenttäuschung.

DFB.de: In Frankfurt herrscht nach dem Wiederaufstieg der Eintracht in die Bundesliga eine sehr positive Grundstimmung. Wird das Länderspiel gegen Messi und Co. als Appetitmacher dieses Fluidum noch verstärken?

Hölzenbein: Argentinien mit Messi, das ist schon etwas ganz Außergewöhnliches. Der argentinische Fußball hat sich im Grunde während der letzten Jahrzehnte nicht verändert. Nach wie vor technisch sehr gut, aber auch ungemein robust. Und immer mit einem herausragenden und jedes Mal noch brillanteren Superstar in seinen Reihen. In den Siebzigern Mario Kempes, in den Achtzigern Diego Maradona und jetzt Lionel Messi, der alle überragt. Er ist der beste Fußballer, den es derzeit gibt und vielleicht bisher sogar gab. Sein Auftritt im Rahmen dieses Fußballklassikers wird eine wertvolle Einstimmung und auch für Frankfurt der Turbo beim Einstieg in die neue Saison sein. Er wird Frankfurt in Begeisterung versetzen.

DFB.de: Seit acht Jahren sind Sie als Chefscout und Berater des Vorstands für die Eintracht tätig. Wie stellt sich Ihre Aufgabe dar?

Hölzenbein: So lange Heribert Bruchhagen in Personalunion Vorstandsvorsitzender und Sportdirektor war, war ich als sein engster sportlicher Vertrauter in alle Transfers und personellen Entscheidungen direkt einbezogen. Das hat sich in den vergangenen zwölf Monaten verändert. Zu Bruno Hübner, unserem neuen Sportdirektor, habe ich ein gutes Verhältnis. Ich stehe ihm zur Seite, wenn er um meinen Rat und meine Hilfe bittet. Doch er verfügt über ein sehr gutes eigenes Netzwerk und entscheidet über die personelle Zusammensetzung der Mannschaft alleine, zusammen mit Armin Veh.

DFB.de: Chefscout – generell ein Traumjob oder eher auch eine Karrierefalle?

Hölzenbein: Auf keinen Fall ein Traumjob. Dennoch kann ich auf die bisherigen acht Jahre mit einiger Zufriedenheit zurückblicken. Abgesehen von diesem für mich auch heute noch unfassbaren Abstieg im Vorjahr, als wir in der Hinrunde so komfortabel in der Tabelle platziert waren und in der Rückrunde dann so fürchterlich abgeschmiert sind.

DFB.de: Weshalb kein Traumjob, angesichts der tollen Reisen in alle Welt zum Beispiel?

Hölzenbein: Genau das ist ja der Fehler, den viele machen. Natürlich ist man oft unterwegs. Wie zum Beispiel im vergangenen Dezember in Argentinien, wo ich einige Spieler beobachtet habe. Der Alltag aber sieht so aus, dass du jeden Tag 30 Agenturen und Spielerberater am Telefon hast, die dir die besten Spieler der Welt und die absolute Supergranate anbieten. Von Freunden und Bekannten, über die verschiedensten Foren werden dir tagtäglich die unglaublichsten Geheimtipps eingeflüstert. Dabei musst du dich anständig und höflich verhalten und deine Recherche über jedes enzelne Spielerprofil seriös gestalten. Es gibt heute hervorragende technische Möglichkeiten, um per Video und über das Internet an Informationen heranzukommen. Doch nichts geht, das ist meine generelle Erkenntnis aus den bisherigen acht Jahren als Chefscout, nichts geht über die persönliche Beobachtung eines Spielers live vor Ort.

DFB.de: Mit welchen Erwartungen kann die Eintracht in die neue Bundesliga-Saison gehen?

Hölzenbein: Ich bin hundertprozentig vom Klassenverbleib überzeugt. Die Qualität unserer Mannschaft ist sogar so groß, dass ich auch eine positive Überraschung, sprich eine Position um Platz zehn und elf herum, nicht ausschließe.

DFB.de: Insgesamt 29 Nationalspieler hat Eintracht Frankfurt bisher abgestellt. Den letzten 1999 mit Horst Heldt. Wie lange werden sich die Fans noch bis zum 30. Eintracht-Star im Nationaltrikot gedulden müssen?

Hölzenbein: Das wird noch zwei, drei Jahre dauern. Dann aber werden Sebastian Rode, Sonny Kittel oder Sebastian Jung so weit sein, dass sie ein Thema für die Nationalmannschaft werden und den Sprung schaffen können.

DFB.de: Vor etlichen Jahren bestanden Sie den Lehrgang zum Fußball-Lehrer – zusammen mit Jogi Löw, Jürgen Klinsmann, Matthias Sammer und anderen namhaften Kandidaten. Warum haben Sie sich danach nicht stärker auf eine Karriere als Trainer konzentriert?

Hölzenbein: Ich habe mich selbst kritisch hinterfragt und dabei festgestellt, dass die Arbeit als Trainer für mich nicht der richtige Job ist, so toll die Erfahrung war, den Lehrgang mit diesen und anderen renommierten Kollegen mitzumachen.

DFB.de: Stattdessen waren Sie als Vizepräsident der Hauptverantwortliche im Vorstand für das sportliche Geschehen bei der Eintracht und hätten vor genau 20 Jahren für die Frankfurter Fans unsterblich werden können. Wie lange hat die damals am letzten Spieltag beim Absteiger in Rostock verspielte deutsche Meisterschaft geschmerzt?

Hölzenbein: Sie schmerzt eigentlich heute noch immer. Denn höchstwahrscheinlich wäre vieles anders gekommen, wenn wir damals Deutscher Meister geworden wären. Wir hätten als Champions-League-Teilnehmer eine ganz andere finanzielle Ausgangsposition gehabt. Die großen Probleme in den folgenden Jahren hätten womöglich verhindert werden können. Ich kann es immer noch nicht begreifen.

DFB.de: Andererseits sind dadurch Grabowski und Hölzenbein als Weltmeister, dreimalige DFB-Pokalsieger und UEFA-Cup-Gewinner das Maß aller Dinge im Frankfurter Fußball geblieben. Ein Trostpflaster?

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Hölzenbein: Vergessen Sie bitte nicht die Helden der Meistermannschaft von 1959 und vom Europapokal-Finale 1960 gegen Real Madrid! Sie haben den Anspruch, das Aushängeschild der Eintracht zu sein und das Renommee der Diva vom Main geschaffen zu haben. Wir haben versucht, als Weltmeister und mehrmalige Pokalsieger unseren Beitrag zu leisten.

DFB.de: Apropos Weltmeister. Jack Taylor, der Schiedsrichter des WM-Endspiels 1974 gegen Holland, ist vor wenigen Tagen gestorben. Die Legende Ihrer angeblichen Schwalbe, die nach dem 0:1-Rückstand mit Taylors Elfmeterpfiff die Wende zum deutschen WM-Triumph einleitete, lebt weiter. Wie lange noch?

Hölzenbein: Ich weiß es nicht. Ich finde es einfach nur schade, dass meine Karriere im Prinzip auf zwei Szenen reduziert wird. Auf mein Kopfballtor im Sitzen beim Europapokalspiel gegen Bukarest, dem 1980 der Gewinn des UEFA-Cups im Finale gegen Mönchengladbach folgte. Und auf diese Strafraumszene im WM-Endspiel gegen Holland, die die Basis zum WM-Triumph 1974 werden sollte. Nur diese zwei Vorgänge verbinden viele mit der Laufbahn eines Bernd Hölzenbein. Doch, ehrlich gesagt, es gibt Schlimmeres.