Heute vor 70 Jahren: Berner Helden

Heute vor 70 Jahren wurde Deutschland zum ersten Mal Fußballweltmeister. Das "Wunder von Bern" war mehr als ein sportlicher Erfolg von elf jungen Männern gegen elf andere, die man für weit besser gehalten hatte. Es war ein Adrenalinstoß für ein ganzes Volk und Konjunkturtreiber für ein Land, denn es verbreitete Zuversicht, nachdem es, selbstverschuldet, stark und lange unter den Folgen eines Krieges gelitten hatte.

Dieser WM-Triumph aus dem Nichts bot Stoff für Kinofilme und füllt Bücherregale, er ist ein Mythos voller Schätze und Legenden. Weil er so unglaublich schön war und bis heute in den Köpfen der Deutschen verankert ist. Mit den berühmtesten Passagen von Herbert Zimmermanns fesselnder Radioreportage oder dem Begriff Fritz Walter-Wetter können nicht nur Fußballfans etwas anfangen. Wir blicken zurück.

Erstmals nach dem Krieg durfte Deutschland wieder teilnehmen, niemand erwartete etwas von der Nationalmannschaft, die erst seit 1950 wieder existierte. "Hoffen wir auf ein Wunder", schrieb der "Kicker" vor dem Turnier. Nach dem letzten Qualifikationsspiel im März gegen das Saarland (3:1) gab es kein Testspiel mehr, Bundestrainer Sepp Herberger zog seine 30 Kandidaten im Schwarzwald zusammen und traf in der Münchner Sportschule Grünwald die letzte Auswahl.

Herberger setzt auf Kaiserslauterer Block

Er setzte auf den Kaiserslauterer Block (fünf Spieler) um Fritz Walter, Meister Hannover 96 war trotz eines 5:1 im Finale gegen jene Lauterer nicht vertreten.

Der kuriose Modus sah zwar Gruppen vor, doch nicht jeder spielte gegen jeden, sondern nur die beiden Gesetzten gegen die Ungesetzten. Deutschland war ungesetzt, musste gegen Ungarn und die Türken spielen. Das Torverhältnis spielte keine Rolle. Herberger sah im Spiel gegen die Türkei den Schlüssel und rechnete mit einem Entscheidungsspiel, da er erwartete dass beide Teams zwei Punkte haben würde.

"Ei Helmut, wo bleibt´n dein Tor?"

So ließ er sich schon im April von DFB-Vize Hans Huber genehmigen, gegen Ungarn nur eine Reserve-Elf aufzubieten. Nach dem 4:1 gegen die Türken stellte er in Basel auf sieben Positionen um und kassierte ein natürlich so nicht vorhersehbares geschweige denn erwünschtes 3:8. Er erhielt Drohbriefe aus der Heimat, ein Landsmann forderte ihn auf, sich aufzuhängen und "zwar in der Weise, dass der Strick danach noch zu verwenden ist." Psychologe Herberger las die gemeinsten Briefe vor dem zweiten Spiel gegen die Türken vor und motivierte die Elf damit zusätzlich. Für ihren "Chef" ging diese Mannschaft durchs Feuer. Das Resultat gab ihm Recht: 7:2. Nun ging es im K.o.-Modus weiter und auf dem Weg nach Bern fand sich allmählich die Weltmeister-Elf. Gegen Jugoslawien (2:0) stand endlich Helmut Rahn im Team und als Herberger ihn antrieb ("Ei Helmut, wo bleibt’n dein Tor?") entschied er das Viertelfinale prompt. Es war ein erzitterter Sieg den der überragende Toni Turek festhielt und den ein Eigentor des späteren Schalke-Trainers Ivica Horvath begünstigte.

Erst im grandiosen Halbfinale lief die Elf auf, die Weltmeister werden sollte. Nach dem 6:1 von Basel am 30. Juni bestand auch keinerlei Grund zu Umstellungen.

Ungarn 32 Spiele ohne Niederlage

Dann kam er, der mythische 4. Juli, der Tag von Bern. Es regnete, es war Fritz-Walter-Wetter. Gegner im Wankdorf-Stadion waren wieder die Ungarn, seit 14. Mai 1950 ungeschlagen. Die als erste kontinentale Mannschaft in Wembley gewonnen hatten (6:3 gegen England), die seit 1952 amtierender Olympia-Sieger waren. Sie waren bei den Buchmachern der Weltmeister-Tipp schlechthin (Quote: 3,5: 2), auch wenn sie gar nicht von dieser Welt zu sein schienen.

Bis Bern schraubten sie ihre Serie auf 32 Spiele ohne Niederlage, 28 davon waren Siege – bei 144:33 Toren. Dass sie das Finale gewinnen würden, stand für die Heimat außer Frage. Eine Sonderbriefmarke für die kommenden Weltmeister war bereits gedruckt und hinter dem Budapester Nep-Stadion wurden die Sockel für 17 überlebensgroße Denkmäler errichtet. Sie stehen noch heute da als Mahnmal für sträflichen Leichtsinn.

Schon nach acht Minuten steht es 0:2

Ausgerechnet diese Wunder-Mannschaft, die im Schnitt 4,3 Tore schoss, stand dem größten Triumph des deutschen Fußballs noch im Wege. Und nach acht Minuten stand es schon 0:2, Puskas und Czibor nutzten zwei gravierende Abwehrschwächen. Nun brauchten sie wirklich ein Wunder.

Sie schafften es mit deutschen Tugenden und mit Vorsprung durch Wissen. Schraubstollen kannte die Welt eigentlich noch nicht, sie waren eine deutsche Spezialität und ihre Geheimwaffe bei diesem Turnier. Im Matsch von Bern zahlte sie sich aus, nur die Ungarn rutschten aus. Max Morlock (10.) und Helmut Rahn (18.) sorgten für den 2:2-Pausenstand und Herberger trieb sie in der Kabine zum Sieg. Einen Streit schlichtete er mit diesen Worten; "Jetzt ist aber Ruhe, wir können hier Weltmeister werden, und ihr kriegt euch in die Haare. Jetzt rede ich. Kämpft. Einer für alle, alle für einen. Das war und ist unser Motto. So, und nun raus auf den Platz, ihr wisst, worum es geht!". Das ausgewogene Spiel entschied dann ein Schuss aus dem Hintergrund von Helmut Rahn, den auch heute noch jedes Kind kennt. Der Jubel war größer als bei allen anderen Titeln, denn er hatte etwas Befreiendes nach dem verlorenen Krieg.

Historiker sehen in dem 3:2 von Bern den eigentlichen Gründungstag der BRD. Und die Ungarn? Blieben noch zwei Jahre ungeschlagen und verloren zwischen 1950 und 1956 von 50 Spielen nur eines – am 4. Juli 1954 in Bern.

Heute vor 70 Jahren, da keiner mehr lebt von denen, die es vollbracht haben. Umso wichtiger, dass diese Geschichte immer wieder erzählt wird. Denn sie hat dem Fußball zum Durchbruch in Deutschland verholfen und das von vier Siegermächten besetzte Land auf die Weltkarte zurück gebracht. Wie sagte es doch Ottmar Walter: "Jetzt weiß die Welt wieder, wo Deutschland liegt!"

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Heute vor 70 Jahren wurde Deutschland zum ersten Mal Fußballweltmeister. Das "Wunder von Bern" war mehr als ein sportlicher Erfolg von elf jungen Männern gegen elf andere, die man für weit besser gehalten hatte. Es war ein Adrenalinstoß für ein ganzes Volk und Konjunkturtreiber für ein Land, denn es verbreitete Zuversicht, nachdem es, selbstverschuldet, stark und lange unter den Folgen eines Krieges gelitten hatte.

Dieser WM-Triumph aus dem Nichts bot Stoff für Kinofilme und füllt Bücherregale, er ist ein Mythos voller Schätze und Legenden. Weil er so unglaublich schön war und bis heute in den Köpfen der Deutschen verankert ist. Mit den berühmtesten Passagen von Herbert Zimmermanns fesselnder Radioreportage oder dem Begriff Fritz Walter-Wetter können nicht nur Fußballfans etwas anfangen. Wir blicken zurück.

Erstmals nach dem Krieg durfte Deutschland wieder teilnehmen, niemand erwartete etwas von der Nationalmannschaft, die erst seit 1950 wieder existierte. "Hoffen wir auf ein Wunder", schrieb der "Kicker" vor dem Turnier. Nach dem letzten Qualifikationsspiel im März gegen das Saarland (3:1) gab es kein Testspiel mehr, Bundestrainer Sepp Herberger zog seine 30 Kandidaten im Schwarzwald zusammen und traf in der Münchner Sportschule Grünwald die letzte Auswahl.

Herberger setzt auf Kaiserslauterer Block

Er setzte auf den Kaiserslauterer Block (fünf Spieler) um Fritz Walter, Meister Hannover 96 war trotz eines 5:1 im Finale gegen jene Lauterer nicht vertreten.

Der kuriose Modus sah zwar Gruppen vor, doch nicht jeder spielte gegen jeden, sondern nur die beiden Gesetzten gegen die Ungesetzten. Deutschland war ungesetzt, musste gegen Ungarn und die Türken spielen. Das Torverhältnis spielte keine Rolle. Herberger sah im Spiel gegen die Türkei den Schlüssel und rechnete mit einem Entscheidungsspiel, da er erwartete dass beide Teams zwei Punkte haben würde.

"Ei Helmut, wo bleibt´n dein Tor?"

So ließ er sich schon im April von DFB-Vize Hans Huber genehmigen, gegen Ungarn nur eine Reserve-Elf aufzubieten. Nach dem 4:1 gegen die Türken stellte er in Basel auf sieben Positionen um und kassierte ein natürlich so nicht vorhersehbares geschweige denn erwünschtes 3:8. Er erhielt Drohbriefe aus der Heimat, ein Landsmann forderte ihn auf, sich aufzuhängen und "zwar in der Weise, dass der Strick danach noch zu verwenden ist." Psychologe Herberger las die gemeinsten Briefe vor dem zweiten Spiel gegen die Türken vor und motivierte die Elf damit zusätzlich. Für ihren "Chef" ging diese Mannschaft durchs Feuer. Das Resultat gab ihm Recht: 7:2. Nun ging es im K.o.-Modus weiter und auf dem Weg nach Bern fand sich allmählich die Weltmeister-Elf. Gegen Jugoslawien (2:0) stand endlich Helmut Rahn im Team und als Herberger ihn antrieb ("Ei Helmut, wo bleibt’n dein Tor?") entschied er das Viertelfinale prompt. Es war ein erzitterter Sieg den der überragende Toni Turek festhielt und den ein Eigentor des späteren Schalke-Trainers Ivica Horvath begünstigte.

Erst im grandiosen Halbfinale lief die Elf auf, die Weltmeister werden sollte. Nach dem 6:1 von Basel am 30. Juni bestand auch keinerlei Grund zu Umstellungen.

Ungarn 32 Spiele ohne Niederlage

Dann kam er, der mythische 4. Juli, der Tag von Bern. Es regnete, es war Fritz-Walter-Wetter. Gegner im Wankdorf-Stadion waren wieder die Ungarn, seit 14. Mai 1950 ungeschlagen. Die als erste kontinentale Mannschaft in Wembley gewonnen hatten (6:3 gegen England), die seit 1952 amtierender Olympia-Sieger waren. Sie waren bei den Buchmachern der Weltmeister-Tipp schlechthin (Quote: 3,5: 2), auch wenn sie gar nicht von dieser Welt zu sein schienen.

Bis Bern schraubten sie ihre Serie auf 32 Spiele ohne Niederlage, 28 davon waren Siege – bei 144:33 Toren. Dass sie das Finale gewinnen würden, stand für die Heimat außer Frage. Eine Sonderbriefmarke für die kommenden Weltmeister war bereits gedruckt und hinter dem Budapester Nep-Stadion wurden die Sockel für 17 überlebensgroße Denkmäler errichtet. Sie stehen noch heute da als Mahnmal für sträflichen Leichtsinn.

Schon nach acht Minuten steht es 0:2

Ausgerechnet diese Wunder-Mannschaft, die im Schnitt 4,3 Tore schoss, stand dem größten Triumph des deutschen Fußballs noch im Wege. Und nach acht Minuten stand es schon 0:2, Puskas und Czibor nutzten zwei gravierende Abwehrschwächen. Nun brauchten sie wirklich ein Wunder.

Sie schafften es mit deutschen Tugenden und mit Vorsprung durch Wissen. Schraubstollen kannte die Welt eigentlich noch nicht, sie waren eine deutsche Spezialität und ihre Geheimwaffe bei diesem Turnier. Im Matsch von Bern zahlte sie sich aus, nur die Ungarn rutschten aus. Max Morlock (10.) und Helmut Rahn (18.) sorgten für den 2:2-Pausenstand und Herberger trieb sie in der Kabine zum Sieg. Einen Streit schlichtete er mit diesen Worten; "Jetzt ist aber Ruhe, wir können hier Weltmeister werden, und ihr kriegt euch in die Haare. Jetzt rede ich. Kämpft. Einer für alle, alle für einen. Das war und ist unser Motto. So, und nun raus auf den Platz, ihr wisst, worum es geht!". Das ausgewogene Spiel entschied dann ein Schuss aus dem Hintergrund von Helmut Rahn, den auch heute noch jedes Kind kennt. Der Jubel war größer als bei allen anderen Titeln, denn er hatte etwas Befreiendes nach dem verlorenen Krieg.

Historiker sehen in dem 3:2 von Bern den eigentlichen Gründungstag der BRD. Und die Ungarn? Blieben noch zwei Jahre ungeschlagen und verloren zwischen 1950 und 1956 von 50 Spielen nur eines – am 4. Juli 1954 in Bern.

Heute vor 70 Jahren, da keiner mehr lebt von denen, die es vollbracht haben. Umso wichtiger, dass diese Geschichte immer wieder erzählt wird. Denn sie hat dem Fußball zum Durchbruch in Deutschland verholfen und das von vier Siegermächten besetzte Land auf die Weltkarte zurück gebracht. Wie sagte es doch Ottmar Walter: "Jetzt weiß die Welt wieder, wo Deutschland liegt!"

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