Hermann: "Sieg wäre eine gute Vorlage"

Als Sportpsychologe der Nationalmannschaft ist Dr. Hans-Dieter Hermann den Fußballfans in Deutschland seit Jahren ein Begriff. Seit Ende 2004 arbeitet der Diplom-Psychologe für den DFB, bei der WM 2006, der EM 2008, der WM 2010 und der EM 2012 hat Hermann die Mannschaft als Mitglied des "Team hinter dem Team" begleitet.

Bei den Olympischen Spielen in London hat er Spitzensport von einer neuen Seite kennengelernt. Hermann gehörte dem Expertenteam des ZDF an, in dieser Funktion erläuterte er olympische Siege und Niederlagen aus psychologischer Sicht. Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht er über Versagensängste, deutsche Erfolge, positiven Druck und den richtigen Umgang mit Enttäuschungen.

DFB.de: Herr Hermann, wie viel Spaß hat Ihnen Ihr Wirken als Experte beim ZDF gemacht?

Dr. Hans-Dieter Hermann: Enorm viel, obwohl mir als TV-Live-Anfänger auch so manche Situation kurz Stress bereitet hat. Aber durch die Unterstützung der ZDF-Kollegen hat alles meines Erachtens ganz gut geklappt.

DFB.de: Welche Leistungen bzw. welche Auftritte deutscher Sportler haben Sie besonders gefreut?

Hermann: Beeindruckt haben mich viele der deutschen Teilnehmer, nicht nur die, die am Ende gut platziert waren. Ich weiß, was alle leisten, um zu Olympia zu kommen und dann dort auch noch erfolgreich zu sein. Ganz besonders habe ich mich aber über Kristina Vogel gefreut, die im Bahnrad-Teamsprint Gold gewonnen hat. Sie hat sich nach einem dramatischen Unfall im Jahr 2010 durch viele Operationen zuerst ins Leben zurück gekämpft und dann auch auf díe Bahn. Und jetzt ist sie Olympiasiegerin - großartig. Und natürlich die Hockey-Jungs und die Beachvolleyballer - das war schon der Hammer.

DFB.de: Wie viel haben Sie von der Begeisterung in London mitbekommen? Welche Entscheidungen haben Sie vor Ort live erlebt?

Hermann: Nicht wirklich viel. Die meiste Zeit der Sendetage habe ich beim ZDF im fensterlosen International Broadcasting Center verbracht. An den freien Tagen habe ich gemeinsam mit dem Redakteur Michael Ruhnke meine Beiträge für den Folgetag vorbereitet. Meist hat es aber geklappt, dass ich mir auch noch etwas anschauen konnte, zum Beispiel Tennis in Wimbledon und Rudern. Toll war für mich auch, als mich unser Nationalmannschafts-Physiotherapeut Klaus Eder ins Olympische Dorf eingeladen hat. Das ist nochmals eine schöne, eigene Olympiawelt.



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Als Sportpsychologe der Nationalmannschaft ist Dr. Hans-Dieter Hermann den Fußballfans in Deutschland seit Jahren ein Begriff. Seit Ende 2004 arbeitet der Diplom-Psychologe für den DFB, bei der WM 2006, der EM 2008, der WM 2010 und der EM 2012 hat Hermann die Mannschaft als Mitglied des "Team hinter dem Team" begleitet.

Bei den Olympischen Spielen in London hat er Spitzensport von einer neuen Seite kennengelernt. Hermann gehörte dem Expertenteam des ZDF an, in dieser Funktion erläuterte er olympische Siege und Niederlagen aus psychologischer Sicht. Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht er über Versagensängste, deutsche Erfolge, positiven Druck und den richtigen Umgang mit Enttäuschungen.

DFB.de: Herr Hermann, wie viel Spaß hat Ihnen Ihr Wirken als Experte beim ZDF gemacht?

Dr. Hans-Dieter Hermann: Enorm viel, obwohl mir als TV-Live-Anfänger auch so manche Situation kurz Stress bereitet hat. Aber durch die Unterstützung der ZDF-Kollegen hat alles meines Erachtens ganz gut geklappt.

DFB.de: Welche Leistungen bzw. welche Auftritte deutscher Sportler haben Sie besonders gefreut?

Hermann: Beeindruckt haben mich viele der deutschen Teilnehmer, nicht nur die, die am Ende gut platziert waren. Ich weiß, was alle leisten, um zu Olympia zu kommen und dann dort auch noch erfolgreich zu sein. Ganz besonders habe ich mich aber über Kristina Vogel gefreut, die im Bahnrad-Teamsprint Gold gewonnen hat. Sie hat sich nach einem dramatischen Unfall im Jahr 2010 durch viele Operationen zuerst ins Leben zurück gekämpft und dann auch auf díe Bahn. Und jetzt ist sie Olympiasiegerin - großartig. Und natürlich die Hockey-Jungs und die Beachvolleyballer - das war schon der Hammer.

DFB.de: Wie viel haben Sie von der Begeisterung in London mitbekommen? Welche Entscheidungen haben Sie vor Ort live erlebt?

Hermann: Nicht wirklich viel. Die meiste Zeit der Sendetage habe ich beim ZDF im fensterlosen International Broadcasting Center verbracht. An den freien Tagen habe ich gemeinsam mit dem Redakteur Michael Ruhnke meine Beiträge für den Folgetag vorbereitet. Meist hat es aber geklappt, dass ich mir auch noch etwas anschauen konnte, zum Beispiel Tennis in Wimbledon und Rudern. Toll war für mich auch, als mich unser Nationalmannschafts-Physiotherapeut Klaus Eder ins Olympische Dorf eingeladen hat. Das ist nochmals eine schöne, eigene Olympiawelt.

DFB.de: Die deutsche Olympiamannschaft hat nicht alle Erwartungen erfüllt, insbesondere bei den Schwimmern gab es einige Enttäuschungen. Gab es dort eine Art negative Gruppendynamik? Wurden bei den Schwimmern aus psychologischer Sicht Fehler gemacht?

Hermann: Auch wenn das Gesamtergebnis bei den Schwimmern unbefriedigend war, man hat gesehen, dass sie sich als Team gegen diese Entwicklung gestemmt haben. Es ist von außen immer schwer zu sagen, welche Gründe es für ein enttäuschendes Abschneiden gibt. Aber man hatte schon den Eindruck, dass es nach den anfänglichen Misserfolgen bei den Schwimmern einen negativen Dominoeffekt gegeben hat, vom dem viele der deutschen Schwimmer betroffen waren.

DFB.de: Wer nicht den Erfolg, sondern das Vermeiden von Misserfolg im Kopf hat, verkrampft und ist langsamer…

Hermann: Genau so hat es bei den Schwimmern bei allem Bemühen gewirkt.

DFB.de: Sie haben von einem negativen Dominoeffekt gesprochen, funktioniert dies auch umgekehrt. Können Erfolge deutscher Athleten andere Deutsche beflügeln?

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Hermann: Wenn die Stimmung durch Erfolge positiv ist, gibt das allen Schub. Allerdings muss man doch feststellen, dass trotz des Mottos der Olympiamannschaft "Wir für Deutschland" vor allem disziplinspezifisch gedacht wird. Daher ist es schwer zu sagen, wie stark sich ein deutscher Segler gepuscht fühlt, wenn zum Beispiel ein Judoka Silber holt.

DFB.de: Wie unterscheidet sich Gruppenpsychologie einer Schwimmmannschaft, bzw. auch des gesamten Olympiateams von klassischen Mannschaftssportarten wie Fußball?

Hermann: Da die Mitglieder eines Olympia-Disziplinkaders oder einer gesamten Olympia-Mannschaft ihre Erfolge und Niederlagen nicht gemeinsam zum gleichen Zeitpunkt erleben und auch nicht unmittelbar voneinander abhängig sind, sind das schon ganz andere Mechanismen, die wirken. Das zeigt sich besonders bei Niederlagen. Eine Fußballmannschaft verliert als Ganze, bei einer Olympiamannschaft müssen die betroffenen Athleten und Trainer negative Erlebnisse allein verarbeiten.

DFB.de: Stabhochspringerin Silke Spiegelburg war nach der Enttäuschung mit Platz vier sichtlich mitgenommen. Was muss sie beachten, um möglichst schnell ihren Optimismus zurückzuerhalten?

Hermann: Vielleicht hat sie ja ihren Optimismus gar nicht verloren, sondern war nur traurig, dass sie den wichtigsten Wettkampf, den es nur alle vier Jahre gibt, ohne Medaille abschließt. Da steckt so viel Energie über Jahre drin und dann ist alles vorbei. Wenn sie eine optimistische Persönlichkeit hat, wird sie sich durch einen vierten Platz nicht verlieren.

DFB.de: Was müssen Sportler generell tun, um Rückschläge möglicht schnell und vor allem nachhaltig zu verarbeiten?

Hermann: Das kommt sehr auf die Person und die spezielle Situation an. Wichtig ist eine gute Analyse, etwas Abstand, die Frage klären, ob man bereit ist, sich wieder ganz auf neue sportliche Aufgaben zu konzentrieren, also ob das Feuer noch brennt. Und dann setzt man sich neue Ziele. Nach den ersten Erfolgen sind die negativen Erlebnisse bald in weiter Ferne.

DFB.de: Auch die Fußball-Nationalmannschaft musste im Sommer eine Niederlage kurz vor dem großen Ziel hinnehmen. Wie wichtig wäre es, dass das Team am Mittwoch gegen Argentinien gewinnt, gerade im Hinblick auf das Verarbeiten des Halbfinal-Aus gegen Italien?

Hermann: Ein Sieg wäre positiv und eine gute Vorlage für die ersten Spiele der WM-Qualifikation. Allerdings darf man ein Freundschaftsspiel zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht als Gradmesser nehmen. Jogi Löw wird sicherlich viele Spieler zum Einsatz kommen lassen und einige Varianten ausprobieren. Daher dient das Spiel eher dem Blick nach vorne als dem nach hinten.

DFB.de: War es aus Sicht der Nationalspieler des FC Bayern psychologisch wichtig, den Supercup gewonnen und nach fünf Niederlagen in Serie gegen Borussia Dortmund wieder einmal als Sieger vom Platz zu gehen?

Hermann: Ich denke, sie werden es genossen haben, ohne es überzubewerten.