Herkenrath übers WM-Halbfinale 1958: "Die Fans wurden zum Faktor"

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Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: Fritz Herkenrath über das WM-Halbfinale 1958 gegen Schweden.

Fritz Herkenrath will damit keine Kritik üben. So richtig wundert er sich auch nicht, schließlich ist dies der normale Reflex. In der Rückschau werden die Dinge häufig größer, bunter, lauter. In seinem Fall vor allem lauter. Mit jeder Nacherzählung, mit jedem Jahr. Wer liest, was in den Jahren nach 1958 bis heute über das Halbfinale der WM in Schweden geschrieben wird, kann zur Befürchtung kommen, damals seien die Trommelfelle der deutschen Spieler mindestens genauso geplatzt wie der Traum von der Verteidigung des Titels.

Seit der Weltmeisterschaft 1958 gilt Schweden als Geburtsland der Fangesänge, des Fanatismus, die Anfeuerung durch Publikum hat damals neue Dimensionen angenommen. "Die Fans wurden zum Faktor" - das sagt auch Herkenrath. Er ist aber erstaunt über das Ausmaß der Übertreibungen. "Man könnte ja meinen, dass die Spieler damals mit Ohrenschützern hätten spielen müssen", sagt der 85-Jährige. Er hat es anders erlebt, er muss es wissen, er war dabei. In seiner Erinnerung war es laut in Göteborg, das schon. "Aber es war nicht so laut, dass es uns groß gestört hätte. Wir haben das Verhalten der Fans jedenfalls nicht als unfair empfunden."

WM-Halbfinale als Karrierehöhepunkt

Das Halbfinale der Weltmeisterschaft in Schweden war der Höhepunkt seiner Karriere in der Nationalmannschaft. In Deutschlands Tor kam der "fliegende Schulmeister" nach der Weltmeisterschaft 1954 als Nachfolger von Toni Turek. Schon bei der WM 1954 hätte Herkenrath als Nummer zwei dabei sein können, Herberger wollte ihn spät nachnominieren, doch Herkenrath war damals mit seinem Klub Rot-Weiss Essen auf Nord- und Südamerika-Tour, und Herkenrath wurde das Anliegen verwehrt, der Nationalmannschaft nachreisen zu dürfen.

Sein erstes Spiel für Deutschland absolvierte er deswegen erst am 24. September 1954 in Belgien. Insgesamt stand Herkenrath 21-mal im Tor des DFB-Teams. Seinen letzten Auftritt für Deutschland hatte der Torhüter vier Jahre nach seiner Premiere. Am 26. September 1958 spielte Deutschland in Dänemark, Herberger nutzte dieses Spiel als Gelegenheit, sich bei den WM-Fahrern zu bedanken und ihnen durch eine letzte Nominierung ein Abschiedsspiel zu schenken. "Für mich ging damit eine schöne Zeit zu Ende", sagt Herkenrath. "Die Auftritte im Nationaltrikot werde ich immer in besonderer Erinnerung behalten."

Kurzfristiger Umzug nach Göteborg

Insbesondere die WM in Schweden. Und auch das Spiel gegen Schweden. In Deutschlands Fußballhistorie hat das 1958er Spiel gegen die Gastgeber einen hohen Stellenwert, viele Legenden ranken sich um die 90 Minuten von Göteborg. Viele treffen nicht zu, andere durchaus. Unvorstellbar aus heutiger Sicht ist schon, dass das Spiel nicht in Stockholm stattgefunden hat. Kurzerhand wurde die Partie nach Göteborg verlegt, manche mutmaßen den Grund darin, dass die Fans dort als besonders begeisterungsfähig galten. Herkenrath erinnert sich: "Für uns hieß das Koffer packen und ab nach Göteborg." Er selber habe dies als nicht sonderlich störend empfunden. Trainer Herberger schon. "Ihm war das nicht recht, vor allem nicht, weil wir das Hotel in Göteborg nicht für uns alleine hatten."

Herkenrath taten damals vor allem die deutschen Fans leid. Zwar wurde organisiert, dass die Anhänger gegen Zahlung von acht D-Mark, Vorlage des Ausweises und Vorlage des Tickets für das Spiel in Stockholm auch in Göteborg ins Stadion gelangen konnte, bei vielen habe dies aber nicht funktioniert. "Wenn wir in Stockholm gespielt hätte, hätten viel mehr deutsche Zuschauer dabei sein können", sagt Herkenrath.

Die Verlegung des Spielorts ist ein Baustein der Legenden, für einen weiteren hat die Schiedsrichteransetzung gesorgt. Für die Leitung des Halbfinales wurde István Zsolt auserkoren, ein Ungar, ausgerechnet. Schließlich war vier Jahre zuvor das Wunder von Bern mit einem Sieg über Ungarn gelungen. In deutschen Medien war dies damals ein großes Thema, in der Mannschaft nicht. Herkenrath kann sich nicht daran erinnern, dass Herberger im Vorfeld der Partie auch nur ein einziges Wort über den Schiedsrichter verloren hatte. "Wahrscheinlich wollte er keine Unruhe in der Mannschaft", sagt der Torwart. Er selber sei mit der festen Überzeugung ins Spiel gegangen, dass der Schiedsrichter neutral pfeifen werde.

"Der Schiedsrichter hat sich beeindrucken lassen"

Lange gehalten hat diese Überzeugung nicht. Und dies ist es auch, was Herkenrath meint, wenn er sagt, dass die Fans zum Faktor wurden. "Der Schiedsrichter hat sich von der Atmosphäre beeindrucken lassen", sagt er. "Als das Spiel losging, hatte ich ziemlich schnell den Eindruck, dass er nicht immer ganz korrekt gepfiffen hat", sagt Herkenrath.

Die deutsche Mannschaft ging dennoch in Führung, durch einen "Superschuss" (Herkenrath) von Hans Schäfer in der 24. Minute. Die Umstände des Ausgleichs festigten dann Herkenraths Zweifel an der Unparteilichkeit des Ungarn. Der Torhüter erzählt: "Beim 1:1 war das so eine Situation. Wir dachten alle, dass der Schiedsrichter einen Freistoß für uns gepfiffen hätte. Als sich dann die Schweden den Ball schnappten, waren wir kurz irritiert, wir haben gestutzt und für einen Augenblick die Zuordnung verloren." So kam Lennart Skoglund auf der linken Seite in den Strafraum und dort ziemlich frei zum Schuss, mit links traf er ins rechte Eck, Herkenrath streckte sich vergeblich.

Mit dem 1:1 ging es in die Pause. Ziemlich leise war es in der Kabine. Weniger aus Niedergeschlagenheit, der Optimismus war ungebrochen. Aber alle waren konzentriert, und Herberger wollte diese Konzentration nicht stören. "Viel geredet wurde nicht, Herberger war ziemlich still", sagt Herkenrath.

"Ein Glücksschuss aus 16 Metern"

Der zweite Spielabschnitt war geprägt durch den Feldverweis von Erich Juskowiak in der 59. Minute, der sich nach ständigen Provokationen von Erik Hamrin zu einer Tätlichkeit hinreißen ließ. Und durch das Foul von Sigvard Parling an Fritz Walter. Auswechslungen waren damals noch nicht erlaubt, Walter musste humpelnd auf dem Feld bleiben, die deutsche Mannschaft die letzte Viertelstunde folglich de facto mit zwei Mann weniger zu recht kommen. Da war es fast zwangläufig, dass die Hausherren zu vielen Möglichkeiten gekommen sind. Das 2:1 fiel dennoch durch einen Schuss aus der Distanz. Gunnar Gren zog von der Strafraumgrenze ab, der Ball schlug unter der Latte ein. Unhaltbar für den Torhüter? "Hätte ich die Größe der heutigen Torhüter, dann hätte ich den Ball halten können", sagt Herkenrath. Hatte er aber nicht, Herkenrath misst nur 1,77 Meter, damals wie heute. "Es war ein Glücksschuss aus 16 Metern", sagt er. Und kommt zu einem salomonischen Urteil bezüglich der eigenen Leistung: "Vielleicht war nicht gar nichts zu machen, aber ein Fehler war es nicht."

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Beim 3:1 der Schweden geht Herkenrath härter mit sich ins Gericht. 88 Minuten waren schon gespielt, die Hoffnung auf ein Minimum geschrumpft. Deutschland war in doppelter Unterzahl und in Rückstand und musste alles nach vorne werfen. Die Lücken in der Defensive wurden immer größer, die Beine immer schwerer - das nutzte Kurt Hamrin. Auf der rechten Seite ließ er drei deutsche Abwehrspieler stehen, zog dann in den Strafraum und lief kurz vor der Torauslinie auf den Torhüter zu. Herkenrath zögerte – und ließ sich schließlich in Erwartung einer Flanke nach innen fallen. So machte er das Tor auf für Hamrin. Der ließ sich nicht zwei Mal bitten und sorgte für die Entscheidung. In eigenen Worten beschreibt Herkenrath Gegentor Nummer drei wie folgt: "Beim 3:1 habe ich mich verkalkuliert. Ich hatte mit einer Abgabe gerechnet, habe spekuliert, dass er einen Mitspieler innen bedienen wollte. Das hat er aber nicht gemacht, stattdessen hat er den Ball aus spitzem Winkel über die Linie geschossen."

"Ein bisschen mehr den Brasilianern die Daumen gedrückt"

Deutschland war ausgeschieden, der Weltmeister entthront. Bei den Spielern hielt sich die Enttäuschung in Grenzen. "Natürlich hätten wir gerne das Finale erreicht. Aber wir waren auch stolz, denn wir haben insgesamt bei der WM eine gute Leistung gebracht. Außerdem haben wir immer versucht, das Gute zu sehen", sagt Herkenrath. Ihm hat dies keine Probleme bereitet. Er hatte eine Frau zu Hause, eine kleine Tochter, die Sehnsucht war groß. Der Abschied aus Schweden ist ihm nicht schwer gefallen.

Mit dem Schiff ging es zurück nach Deutschland. Als im Finale der neue Weltmeister gesucht wurde, war der alte Weltmeister gerade auf der Ostsee, vom Spiel zwischen Schweden und Brasilien haben Herkenrath und Co. nichts gesehen. Den Spielern der deutschen Nationalmannschaft war relativ egal, wie diese Partie ausgegangen ist. Wobei, ein ganz klein wenig parteiisch waren die Deutschen dann doch. "Vielleicht haben wir im Finale ein bisschen mehr den Brasilianern die Daumen gedrückt", sagt Herkenrath. Es hat geholfen. Brasilien gewann mit 5:2 gegen Schweden und löste Deutschland als Fußballweltmeister ab.

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Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: Fritz Herkenrath über das WM-Halbfinale 1958 gegen Schweden.

Fritz Herkenrath will damit keine Kritik üben. So richtig wundert er sich auch nicht, schließlich ist dies der normale Reflex. In der Rückschau werden die Dinge häufig größer, bunter, lauter. In seinem Fall vor allem lauter. Mit jeder Nacherzählung, mit jedem Jahr. Wer liest, was in den Jahren nach 1958 bis heute über das Halbfinale der WM in Schweden geschrieben wird, kann zur Befürchtung kommen, damals seien die Trommelfelle der deutschen Spieler mindestens genauso geplatzt wie der Traum von der Verteidigung des Titels.

Seit der Weltmeisterschaft 1958 gilt Schweden als Geburtsland der Fangesänge, des Fanatismus, die Anfeuerung durch Publikum hat damals neue Dimensionen angenommen. "Die Fans wurden zum Faktor" - das sagt auch Herkenrath. Er ist aber erstaunt über das Ausmaß der Übertreibungen. "Man könnte ja meinen, dass die Spieler damals mit Ohrenschützern hätten spielen müssen", sagt der 85-Jährige. Er hat es anders erlebt, er muss es wissen, er war dabei. In seiner Erinnerung war es laut in Göteborg, das schon. "Aber es war nicht so laut, dass es uns groß gestört hätte. Wir haben das Verhalten der Fans jedenfalls nicht als unfair empfunden."

WM-Halbfinale als Karrierehöhepunkt

Das Halbfinale der Weltmeisterschaft in Schweden war der Höhepunkt seiner Karriere in der Nationalmannschaft. In Deutschlands Tor kam der "fliegende Schulmeister" nach der Weltmeisterschaft 1954 als Nachfolger von Toni Turek. Schon bei der WM 1954 hätte Herkenrath als Nummer zwei dabei sein können, Herberger wollte ihn spät nachnominieren, doch Herkenrath war damals mit seinem Klub Rot-Weiss Essen auf Nord- und Südamerika-Tour, und Herkenrath wurde das Anliegen verwehrt, der Nationalmannschaft nachreisen zu dürfen.

Sein erstes Spiel für Deutschland absolvierte er deswegen erst am 24. September 1954 in Belgien. Insgesamt stand Herkenrath 21-mal im Tor des DFB-Teams. Seinen letzten Auftritt für Deutschland hatte der Torhüter vier Jahre nach seiner Premiere. Am 26. September 1958 spielte Deutschland in Dänemark, Herberger nutzte dieses Spiel als Gelegenheit, sich bei den WM-Fahrern zu bedanken und ihnen durch eine letzte Nominierung ein Abschiedsspiel zu schenken. "Für mich ging damit eine schöne Zeit zu Ende", sagt Herkenrath. "Die Auftritte im Nationaltrikot werde ich immer in besonderer Erinnerung behalten."

Kurzfristiger Umzug nach Göteborg

Insbesondere die WM in Schweden. Und auch das Spiel gegen Schweden. In Deutschlands Fußballhistorie hat das 1958er Spiel gegen die Gastgeber einen hohen Stellenwert, viele Legenden ranken sich um die 90 Minuten von Göteborg. Viele treffen nicht zu, andere durchaus. Unvorstellbar aus heutiger Sicht ist schon, dass das Spiel nicht in Stockholm stattgefunden hat. Kurzerhand wurde die Partie nach Göteborg verlegt, manche mutmaßen den Grund darin, dass die Fans dort als besonders begeisterungsfähig galten. Herkenrath erinnert sich: "Für uns hieß das Koffer packen und ab nach Göteborg." Er selber habe dies als nicht sonderlich störend empfunden. Trainer Herberger schon. "Ihm war das nicht recht, vor allem nicht, weil wir das Hotel in Göteborg nicht für uns alleine hatten."

Herkenrath taten damals vor allem die deutschen Fans leid. Zwar wurde organisiert, dass die Anhänger gegen Zahlung von acht D-Mark, Vorlage des Ausweises und Vorlage des Tickets für das Spiel in Stockholm auch in Göteborg ins Stadion gelangen konnte, bei vielen habe dies aber nicht funktioniert. "Wenn wir in Stockholm gespielt hätte, hätten viel mehr deutsche Zuschauer dabei sein können", sagt Herkenrath.

Die Verlegung des Spielorts ist ein Baustein der Legenden, für einen weiteren hat die Schiedsrichteransetzung gesorgt. Für die Leitung des Halbfinales wurde István Zsolt auserkoren, ein Ungar, ausgerechnet. Schließlich war vier Jahre zuvor das Wunder von Bern mit einem Sieg über Ungarn gelungen. In deutschen Medien war dies damals ein großes Thema, in der Mannschaft nicht. Herkenrath kann sich nicht daran erinnern, dass Herberger im Vorfeld der Partie auch nur ein einziges Wort über den Schiedsrichter verloren hatte. "Wahrscheinlich wollte er keine Unruhe in der Mannschaft", sagt der Torwart. Er selber sei mit der festen Überzeugung ins Spiel gegangen, dass der Schiedsrichter neutral pfeifen werde.

"Der Schiedsrichter hat sich beeindrucken lassen"

Lange gehalten hat diese Überzeugung nicht. Und dies ist es auch, was Herkenrath meint, wenn er sagt, dass die Fans zum Faktor wurden. "Der Schiedsrichter hat sich von der Atmosphäre beeindrucken lassen", sagt er. "Als das Spiel losging, hatte ich ziemlich schnell den Eindruck, dass er nicht immer ganz korrekt gepfiffen hat", sagt Herkenrath.

Die deutsche Mannschaft ging dennoch in Führung, durch einen "Superschuss" (Herkenrath) von Hans Schäfer in der 24. Minute. Die Umstände des Ausgleichs festigten dann Herkenraths Zweifel an der Unparteilichkeit des Ungarn. Der Torhüter erzählt: "Beim 1:1 war das so eine Situation. Wir dachten alle, dass der Schiedsrichter einen Freistoß für uns gepfiffen hätte. Als sich dann die Schweden den Ball schnappten, waren wir kurz irritiert, wir haben gestutzt und für einen Augenblick die Zuordnung verloren." So kam Lennart Skoglund auf der linken Seite in den Strafraum und dort ziemlich frei zum Schuss, mit links traf er ins rechte Eck, Herkenrath streckte sich vergeblich.

Mit dem 1:1 ging es in die Pause. Ziemlich leise war es in der Kabine. Weniger aus Niedergeschlagenheit, der Optimismus war ungebrochen. Aber alle waren konzentriert, und Herberger wollte diese Konzentration nicht stören. "Viel geredet wurde nicht, Herberger war ziemlich still", sagt Herkenrath.

"Ein Glücksschuss aus 16 Metern"

Der zweite Spielabschnitt war geprägt durch den Feldverweis von Erich Juskowiak in der 59. Minute, der sich nach ständigen Provokationen von Erik Hamrin zu einer Tätlichkeit hinreißen ließ. Und durch das Foul von Sigvard Parling an Fritz Walter. Auswechslungen waren damals noch nicht erlaubt, Walter musste humpelnd auf dem Feld bleiben, die deutsche Mannschaft die letzte Viertelstunde folglich de facto mit zwei Mann weniger zu recht kommen. Da war es fast zwangläufig, dass die Hausherren zu vielen Möglichkeiten gekommen sind. Das 2:1 fiel dennoch durch einen Schuss aus der Distanz. Gunnar Gren zog von der Strafraumgrenze ab, der Ball schlug unter der Latte ein. Unhaltbar für den Torhüter? "Hätte ich die Größe der heutigen Torhüter, dann hätte ich den Ball halten können", sagt Herkenrath. Hatte er aber nicht, Herkenrath misst nur 1,77 Meter, damals wie heute. "Es war ein Glücksschuss aus 16 Metern", sagt er. Und kommt zu einem salomonischen Urteil bezüglich der eigenen Leistung: "Vielleicht war nicht gar nichts zu machen, aber ein Fehler war es nicht."

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Beim 3:1 der Schweden geht Herkenrath härter mit sich ins Gericht. 88 Minuten waren schon gespielt, die Hoffnung auf ein Minimum geschrumpft. Deutschland war in doppelter Unterzahl und in Rückstand und musste alles nach vorne werfen. Die Lücken in der Defensive wurden immer größer, die Beine immer schwerer - das nutzte Kurt Hamrin. Auf der rechten Seite ließ er drei deutsche Abwehrspieler stehen, zog dann in den Strafraum und lief kurz vor der Torauslinie auf den Torhüter zu. Herkenrath zögerte – und ließ sich schließlich in Erwartung einer Flanke nach innen fallen. So machte er das Tor auf für Hamrin. Der ließ sich nicht zwei Mal bitten und sorgte für die Entscheidung. In eigenen Worten beschreibt Herkenrath Gegentor Nummer drei wie folgt: "Beim 3:1 habe ich mich verkalkuliert. Ich hatte mit einer Abgabe gerechnet, habe spekuliert, dass er einen Mitspieler innen bedienen wollte. Das hat er aber nicht gemacht, stattdessen hat er den Ball aus spitzem Winkel über die Linie geschossen."

"Ein bisschen mehr den Brasilianern die Daumen gedrückt"

Deutschland war ausgeschieden, der Weltmeister entthront. Bei den Spielern hielt sich die Enttäuschung in Grenzen. "Natürlich hätten wir gerne das Finale erreicht. Aber wir waren auch stolz, denn wir haben insgesamt bei der WM eine gute Leistung gebracht. Außerdem haben wir immer versucht, das Gute zu sehen", sagt Herkenrath. Ihm hat dies keine Probleme bereitet. Er hatte eine Frau zu Hause, eine kleine Tochter, die Sehnsucht war groß. Der Abschied aus Schweden ist ihm nicht schwer gefallen.

Mit dem Schiff ging es zurück nach Deutschland. Als im Finale der neue Weltmeister gesucht wurde, war der alte Weltmeister gerade auf der Ostsee, vom Spiel zwischen Schweden und Brasilien haben Herkenrath und Co. nichts gesehen. Den Spielern der deutschen Nationalmannschaft war relativ egal, wie diese Partie ausgegangen ist. Wobei, ein ganz klein wenig parteiisch waren die Deutschen dann doch. "Vielleicht haben wir im Finale ein bisschen mehr den Brasilianern die Daumen gedrückt", sagt Herkenrath. Es hat geholfen. Brasilien gewann mit 5:2 gegen Schweden und löste Deutschland als Fußballweltmeister ab.